Das philosophische Duett - Die politische Philosophie Carl Schmitts in der Kritik von Niklas Luhmann


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

15 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort

1. 1. Sendeblock: Politik als Unterscheidung von Freund und Feind

2. 2. Sendeblock: Souveränität und Ausnahmezustand

3. Nachwort

4. Quellenverzeichnis

0. Vorwort

„In der Tat überzeugt mich die Theorie von Carl Schmitt nicht“ (Luhmann 1987, 11). Mit diesen Worten kritisiert Niklas Luhmann die politische Philosophie Carl Schmitts, wie sie sich vor allem in dessen Werken „Der Begriff des Politischen“ und „Politische Theologie“ darstellt. Wie sieht nun diese politische Theorie Schmitts aus? Was bedeutet sein Freund-Feind-Schema? Welcher Zusammenhang besteht bei Schmitt zwischen Souveränität und Ausnahmezustand? Und wie beurteilt Luhmann Schmitts Position auch hinsichtlich seiner selbst entworfenen Systemtheorie? Diese erkenntnistheoretischen Fragen sollen im Folgenden anhand eines fiktiven Streitgesprächs untersucht werden, in der Luhmann, Schmitt, ein Moderator als kritisch Abwägender zwischen beiden Standpunkten sowie ein Jurist als Experte für rechtliche Fragen auftreten. Im Nachwort sollen die Ergebnisse resümiert und ihre Aktualität thematisiert werden.

1. 1. Sendeblock: Politik als Unterscheidung von Freund und Feind

MODERATOR. Willkommen bei unserer Sendung „Das Philosophische Duett“. Ich freue

mich, dass Sie, liebe Zuschauer, auch noch zu so später Stunde eingeschaltet haben. Heute begrüße ich zwei Streithähne der Gegenwartsphilosophie: den deutschen Rechtsphilosophen Carl Schmitt und den deutschen Rechts- und Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann. (Applaus aus dem Publikum) Herr Schmitt, in Ihrem Werk „Der Begriff des Politischen“ definieren Sie die Politik als Unterscheidung zwischen Freund und Feind[1]. Könnten Sie das näher erläutern?

SCHMITT. Meines Erachtens nach besteht die elementare Aufgabe der Politik und des Staates als deren institutionelle Form in der Unterscheidung von Freund und Feind, wobei es hier nicht um individuelle, private Beziehungen, sondern um gesellschaftliche, öffentliche Verhältnisse geht[2]. „Der politische Feind braucht nicht moralisch böse, er braucht nicht ästhetisch hässlich zu sein, er muss nicht als wirtschaftlicher Konkurrent auftreten [...]. Er ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, dass er in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes ist [...]“[3]. Diese Abgrenzung zum Feind fungiert als Begründung der gesellschaftlichen Identität und Einheit eines Volkes durch die objektive Bestimmung dessen, was alles nicht dazu gehört. Am deutlichsten wird man den Feind als Feind und den Freund als Freund in einer extremen politischen Situation wie der des Krieges erkennen, wo die Existenzauslöschung eines Volkes droht, entweder die des eigenen oder die des feindlichen[4]. Doch nicht nur Konflikte zwischen einzelnen Staaten, sondern auch religiöse, moralische, ökonomische, ethnische oder andere Gegensätze zählen in dem Moment zur Sphäre des Politischen, wo sich Menschen als Freund und Feind gruppieren[5]. Grundsätzlich kann es deshalb in vielen Fragen zu so heftigen Auseinandersetzungen kommen, dass Krieg beziehungsweise Bürgerkrieg ausbricht.

MODERATOR. Wenn ich Ihre Ausführungen präzisieren darf, Herr Schmitt, dann behaupten Sie, dass die Politik ein Gebiet sei, das alle anderen gesellschaftlichen Bereiche umfasst und unterordnet. In ähnlicher Weise, in der sich das Moralische oder Ökonomische auf elementare Antinomien wie gut und böse beziehungsweise rentabel und unrentabel reduzieren lassen, gibt es auch für das Politische ein nicht weiter ableitbares Kriterium, nämlich die Unterscheidung von Freund und Feind. Herr Luhmann, wie beurteilen Sie die Theorie Ihres Kollegen?

LUHMANN. Mich überzeugen Schmitts Ansichten überhaupt nicht. Heutzutage stehen Staat und Politik schon längst nicht mehr an der Spitze der Gesellschaft. Insofern ist die Regierung beziehungsweise die Politik nicht nur naiv, sondern auch kontraproduktiv, wenn sie glaubt, planvoll, vorausschauend und treffsicher in die Bereiche der Wirtschaft, Moral oder Kultur eingreifen zu können. Jede zentrale Vermittlungs-, Erkenntnis- oder Kontrollinstanz muss daher radikal in Frage gestellt werden. Stattdessen besteht die moderne Gesellschaft aus vielen verschiedenen Subsystemen, die von anderen Subsystemen weitgehend autonom agieren. Das Subsystem Politik funktioniert beispielsweise über den Code von Regierung und Opposition, hat politische Ideen und Ideologien zum Programm, findet im Medium der Machtkonkurrenz um öffentliche Ämter statt und hat die Aufgabe, kollektiv bindende Entscheidungen herzustellen. Das Subsystem Wissenschaft funktioniert dagegen über die Logik von Wahrheit und Unwahrheit, hat die Forschung zum Programm, findet im Medium wissenschaftlicher Erkenntnisse statt und ist für die Produktion neuer Einsichten zuständig. Ebenso ließen sich die Systeme Wirtschaft, Recht, Religion, Erziehung, Psychologie, Medien, Ethik, Kunst, Medizin, Liebe sowie soziale Bewegungen durchdeklinieren[6]. Eine gute Politik zeichnet sich für mich im Gegensatz zu meinem Vorredner nun gerade dadurch aus, dass sie imstande ist, „ein Maximum an Realisierungsfähigkeit mit einem Minimum an Schaffung von Feinden zu verbinden. Sie muss (zuverlässig Gesetze und Verordnungen, Rechtssicherheit und Gewaltfreiheit schaffen sowie[7] ; S.G.) die Gegner und die Besiegten zu überzeugen versuchen, damit sie es nicht auf ewig bleiben. Im Freund/Feind-Schema ist man gezwungen zu denken, dass die Feinde immer dieselben sind“[8].

SCHMITT. Lieber Herr Luhmann, da haben Sie mein Buch aber nicht genau gelesen. „Das Kriterium der Freund- und Feindunterscheidung bedeutet keineswegs, dass ein bestimmtes Volk ewig der Freund oder Feind eines bestimmten anderen sein müsste, oder dass eine Neutralität nicht möglich oder nicht politisch sinnvoll sein könnte“[9]. Dennoch muss die Möglichkeit einer Freund-Feind-Gruppierung und damit des Krieges in der Welt bestehen bleiben, da diese die Voraussetzung aller Politik bildet[10]. Des Weiteren, werter Kollege, habe ich nur versucht, das bloße Faktum von Politik zu beschreiben, nämlich das der „Assoziation und Dissoziation von Menschen“[11]. Hingegen haben Sie gleich bei einer moralischen Betrachtung des politischen Zwecks angefangen und nach einem Kriterium „guter“ Politik gefragt, was nicht meinem Anliegen entsprach.

[...]


[1] Schmitt 51963, 26

[2] ebd., 29

[3] ebd., 27

[4] ebd., 33

[5] ebd., 37

[6] Reese-Schäfer 31999, 176

[7] ebd., 92

[8] Luhmann 1987, 11

[9] Schmitt 51963, 35

[10] ebd., 34f.

[11] Schmitt 51963, 38

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das philosophische Duett - Die politische Philosophie Carl Schmitts in der Kritik von Niklas Luhmann
Hochschule
Universität Rostock
Note
bestanden
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V36833
ISBN (eBook)
9783638363556
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
ungewöhnliche, aber deswegen nicht weniger wissenschaftlich fundierte Form des Dialogs
Schlagworte
Duett, Philosophie, Carl, Schmitts, Kritik, Niklas, Luhmann
Arbeit zitieren
Sophia Gerber (Autor:in), 2004, Das philosophische Duett - Die politische Philosophie Carl Schmitts in der Kritik von Niklas Luhmann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36833

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