In Kaufringers erzählter Welt geht es kaum anders zu als in unserer realen. Da gibt es gute und böse Menschen, es wird geliebt, geheiratet, gelogen und betrogen und gelegentlich natürlich auch gestorben, nur geschieht dies dann eher selten auf natürliche Weise. Und vor allem die Art, wie da aus dem Leben befördert wird, mag für den einen oder anderen doch recht grausam anmuten. Es rollen Köpfe, Kinder sterben einen Erstickungstod, Leute werden ertränkt und wieder andere fallen einen gesellschaftlichem Tod zum Opfer, die möglicherweise grausamste Art zu sterben, weil man sich bis zu seinem wirklichen Tod bewußt damit konfrontiert sieht. Ich möchte nun anhand von vier Geschichten untersuchen, wer da unter welchen Umständen sterben mußte und ob und inwieweit diese Tode von Kaufringer gerechtfertigt werden.*
Aus dem Leben befördert
-Inszenierung von Tod und Sterben und seine erzählte Rechtfertigung bei Heinrich Kaufringer
In Kaufringers erzählter Welt geht es kaum anders zu als in unserer realen. Da gibt es gute und böse Menschen, es wird geliebt, geheiratet, gelogen und betrogen und gelegentlich natürlich auch gestorben, nur geschieht dies dann eher selten auf natürliche Weise. Und vor allem die Art, wie da aus dem Leben befördert wird, mag für den einen oder anderen doch recht grausam anmuten. Es rollen Köpfe, Kinder sterben einen Erstickungstod, Leute werden ertränkt und wieder andere fallen einen gesellschaftlichem Tod zum Opfer, die möglicherweise grausamste Art zu sterben, weil man sich bis zu seinem wirklichen Tod bewußt damit konfrontiert sieht.
Ich möchte nun anhand von vier Geschichten untersuchen, wer da unter welchen Umständen sterben mußte und ob und inwieweit diese Tode von Kaufringer gerechtfertigt werden.*
1. Der Einsiedler und der Engel
Mit dem Märe „Der Einsiedler und der Engel“ hat Kaufringer eine Geschichte von langer Stofftradition neu aufbereitet.[1]
Ein Einsiedler „hett got dienet zwelf jar“ (12), als es ihm in den Sinn kommt, in die Welt zu ziehen, daß er „die wunder gotz erfar“ (28). Auf seiner Reise schließt sich ihm „ain engel schön und wohlgetan“ (22) unerkannt als Gefährte an. Dieser begeht während ihrer Wanderungen verschiedene teils grausam anmutende Handlungen, die dem Einsiedler als wider die göttliche Ordnung erscheinen. So tötet er ein Kind und einen Mann, bestiehlt einen „frummen“ (135) Gastwirt und beschenkt „ain heggwirt bös und ring“ (197). Zur Rede gestellt, gibt sich der Engel endlich zu erkennen und erweist seine „Untaten“ als nicht nur vor, sondern gerade durch Gott gerechtfertigt, so daß
der prouder wider gieng ze land.
zu seiner clusen er da kert
und det, als in der engel lert. (444 ff.)
Im Stofflichen unterscheidet sich Kaufringers Version vor allem in der Motivation des Einsiedlers und in einigen für die Aussage der Geschichte eher unwesentlichen Punkten[2], doch will ich darauf nicht weiter eingehen.
Aufgrund der Thematik sollen an dieser Stelle auch der Diebstahl und die unangemessen scheinende Schenkung unbeachtet bleiben. Von Interesse sind allein die beiden Morde und ihre jeweilige Rechtfertigung durch den Engel.
Wie also haben sich die Mordfälle zugetragen?
Die beiden Wanderer kommen des Abends in eine Stadt und erhalten Herberge bei „ainem burger frumm und reich“ (47), der die beiden so bedient,
als ain frumm wirt pillich tout,
der sein gest sol besorgen. (80 f.)
Der Wirt und seine Frau haben ein kleines Kind, das von der ganzen Wirtschaft auf innigste geliebt und dem entsprechend umhegt und gepflegt wird.
Als die beiden Wandergesellen am nächsten Morgen in die Stube kommen, schläft das Kind dort ganz allein. Der Engel geht zu seiner Wiege und
er nam das küssin offenbar
und legtz dem kind für den mund;
er sas darauf zestund
und ersteckt das kindelein. (100 ff.)
Der Einsiedler ist natürlich erschrocken über diese Tat und der Leser ist es nicht minder, zumal an dieser Stelle keine Erklärung zum Verhalten des Engels gegeben wird.
Auf die berechtigte Frage des Einsiedlers:
warumb hastu das mord getan
an dem kindlin lobesan
und andem fromen vater sein,
der uns hat geben kost und wein
und uns gütlich hat getan? (107 ff.)
fordert der Engel lediglich dessen Stillschweigen.
Nach weiteren scheinbar gotteslästerlich Handlungen des Engels, die den Einsiedler bald verzweifeln lassen, kommen die beiden an einen Fluß, über den eine Brücke führt, die sie dann auch überqueren wollen, doch in der Mitte hält der Engel und schaut sich nach einem Mann um, der ihnen eiligen Schrittes nachfolgt.
da er zuo in baiden kam,
der engel in bei dem arm nam
und stieß in ab der prugg zestund
in des tiefen wassers grund,
das er in des wassers not
kiesen muost den pittern tot. (297 ff.)
Das geht dem Einsiedler dann auch entgültig zu weit und er kündigt dem Engel die Treue. Dieser gibt sich daraufhin endlich als Bote Gottes zu erkennen und sofort reuen den Eremiten alle seine harten Worte.
genad mich, herre, hie!
du solt mich nit entgelten laun,
das ich dich übel gehandelt haun
mit worten unbeschaidenlich;
das pitt ich, lieber herre, dich. (330 ff.)
Sofort impliziert der Einsiedler, da es sich um die Taten eines Götterboten handelt, muß es auch einen Rechtfertigungsgrund für die Morde geben, die er als Mensch eben nicht durchschauen kann.
warumb totest du das kind,
des vaters und sein ingesind
uns erputten wird und er? (341 ff.)
Und so berichtet der Engel, daß Gott auf das Bitten des Paares hin ihnen einen Erben geschenkt hat, doch in ihrer Freude über das Kind „gotes genzlich si vergassen“ (362), so daß ihr Seelenheil verloren gewesen wäre, wenn er das Kind nicht getötet hätte.
sunst kommen si nun zuo got,
wann sie nun halten sein gepot. (367 f.)
Im Nachhinein erscheint also die Ermordung des Kindes als zum Wohle der Eltern gerechtfertigt, denn sie diente „dazu, weitere Sünden [...] zu verhindern und sie stattdessen zu einem tugendhaften, gottgefälligen Leben [(zurück)] zu führen.“[3]
Gleiches gilt insoweit auch für den ertränkten Mann, denn
er was ain wilder schacher
und hett gepracht in grosse swär
menge menschen gar oun schuld. (413 ff.)
Zwar reuten den Mann seine Taten und so war er auf dem Weg in die Stadt, um seine Sünden zu beichten und seine Seele zu reinigen, doch erkannte der Engel,
das er bei dem rainen leben
nicht lang mocht beleiben;
er wurd sein boßheit mer treiben. (424 ff.)
Also rettete der Engel das Seelenheil des Mannes, in dem er ihn im Moment des guten Vorsatzes tötete und diesem somit der Weg in den Himmel offenstand.
Die Morde und ihre Rechtfertigung demonstrieren demnach und lehren gleichsam die alles umfassende Gerechtigkeit Gottes, die für den Menschen nicht immer durchschaubar ist.[4]
Das Märe von Engel und Einsiedler ist demnach sozusagen ein „Lehrstück“, das auf dem christlichen Glaubensgrundsatz aufbaut, Gottes Wege seien unergründlich. Dieser wird denn von Kaufringer auch gleich zu Beginn aufgegriffen.
[...]
* Die Problematik meiner hier vorgenommenen Gleichsetzung des Erzählers mit Kaufringer ist mir natürlich bewußt, sei mir aber insoweit verziehen, als sich Kaufringer ja selbst des öfteren als Erzähler zu erkennen gibt.
[1] Heinrich Kaufringer. Werke. Bd. 1. S. 1 ff.
[2] Vgl. Marga Stede. Schreiben in der Krise. S. 15 ff.
[3] Magda Stede. Schreiben in der Krise. S. 18.
[4] Vgl. Ebd. S.17.
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