Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geschichtliche Entwicklung beider Kammern
2.1.1 Entwicklung des Bundesrates
2.1.2 Entwicklung des französischen Senats
2.2 Aufbau beider Kammern
2.2.1 Aufbau des Bundesrates
2.2.2 Aufbau des französischen Senats
2.3 Aufgabe und Einflussnahme beider Kammern
2.3.1 Aufgabe und Einflussnahme des Bundesrates
2.3.2 Aufgabe und Einflussnahme des französischen Senats
2.4 Die Kammern im Vergleich
2.4.1 Aufgaben
2.4.2 Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme
3. Schlussteil
3.1 Fazit
3.2 Ausblick
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In vielen politischen Systemen unserer Zeit sind Zweite Kammern fester Bestandteil. Sie sind so weit verbreitet, „[…] daß heute rund ein Drittel aller Staaten bikamerale Parlamente haben.“1 Dabei stehen Zweite Kammern besonders in der politischen Forschung nur in zweiter Reihe und im Schatten der Ersten Kammern.
Auch Deutschland und Frankreich sind mit Zweiten Kammern ausgestattet: dem deutschen Bundesrat und dem französischen Senat. Im Folgenden sollen die beiden politischen Organe hinsichtlich der Frage untersucht werden, welche der beiden Zweiten Kammern mehr Möglichkeiten hat, auf die aktuelle Politik Einfluss zu nehmen. Diese Arbeit ist in vier Abschnitte unterteilt: Eingangs wird die geschichtliche Entwicklung kurz skizziert und dargestellt, aus welcher Motivation die jeweilige Kammer entstanden ist. Folgend wird beschrieben, wie sich aus den Anfängen der heutige Aufbau entwickelt hat. Anschließend werden Aufgaben und Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das politische Geschehen beleuchtet. Anhand dieser beiden Punkte lässt sich die tatsächliche Macht beider Kammern vergleichen. Die Ausarbeitung beschränkt sich dabei auf die heutige Situation der Kammern.
Über Zweite Kammern ist intensiv gearbeitet worden. Zum Beispiel in dem von Gisela Riescher herausgegeben umfangreichen Sammelwerk (Zweite Kammern), das 2000 erschien ist. Hier ist ein umfassender Überblick der wichtigsten Zweiten Kammern gegeben. Zudem gibt es zahlreiche Werke, die sich ausschließlich mit dem Bundesrat befassen. Dazu gehört die Arbeit von Gebhard Ziller und Georg-Bernd Oschatz von 1998 (Der Bundestag), das wesentlich detaillierter informiert. Auffällig ist, dass in der deutschen Fachliteratur das französische System als Ganzes intensiv behandelt, der Senat dabei aber nur am Rande thematisiert wurde. Deutlich ist das zu sehen in den Werken von Udo Kempf (Das politische System Frankreichs) von 2007 und von Hans J. Tümmers in „Das politischen System Frankreichs - eine Einführung“ aus 2006. Auch ein direkter Vergleich von deutschem Bundesrat und französischem Senat ist selten zu finden. Das soll nun in dieser Arbeit passieren.
2. Geschichtliche Entwicklung beider Kammern
2.1.1 Entwicklung des Bundesrates
Bereits der norddeutsche Bund von 1867 und das deutsche Kaiserreich (Gründung 1871) besaßen einen mit Vertretern der verbündeten Monarchen besetzen Bundesrat. Es handelte sich dabei also noch nicht um Vertreter von Bundesstaaten oder Mitgliedstaaten, sondern um Herrscher aus Staaten der Region. Der Bundesrat sollte damals ein monarchisches Gegengewicht zum demokratisch gewählten Reichstag darstellen.2
Auch die demokratischen Verfassungsväter der Weimarer Republik und der heutigen Bundesrepublik Deutschland entschieden sich für die Beibehaltung eines Organs ähnlicher Art. „In der Weimarer Reichsverfassung (Art. 63 I 1 WRV) wurde allerdings, wie im späteren Grundgesetz (Art. 51 I), festgelegt, dass nur Mitglieder der Landesregierungen dem […] föderalen Bundesorgan angehören durften.“3
Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die föderative Ordnung vollständig aufgehoben. Bei der Beratung des Grundgesetzes nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Meinungen über die Beibehaltung des Bundesratprinzips auseinander: Vertreter von SPD, FDP und der nordwestdeutschen CDU sprachen sich für ein klassisches Senatsmodell aus, „[…] also einer aus gewählten Mitgliedern der Landesparlamente zusammengesetzten zweiten Kammer.“4 Durch das klassische Senatsmodell wollte man durch Wahlen eine eigenständige demokratische Legitimation der Senatoren erreichen.5 Mitglieder der süddeutschen CDU und CSU votierten dagegen für das überkommene Bundesratsmodell. Der Bundesrat sollte aus Mitgliedern der Landesregierungen bestehen und in der Gesetzgebung dem Bundestag gleichberechtigt zur Seite gestellt werden.6 Grund dafür war beispielsweise die Besorgnis, dass bei direkten Bundesratswahlen in den Bundesländern eine Dominanz des Bundesrates erreicht werden könnte.7 Auch eine funktionale Dopplung des Bundestags wurde befürchtet. Der Kompromiss: Die SPD stimmte dem Bundesratsmodell zu und die Union akzeptierte eine Begrenzung seiner Kompetenzen.
Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz und somit die föderale Struktur der BRD. Sie ist dort in Artikel 20 unabänderbar verankert. Das Grundgesetz wurde auch durch die Landtage ratifiziert.8
2.1.2 Entwicklung des französischen Senats
Nach der großen Revolution von 1789 war Frankreich das aktivste „Verfassungslaboratorium“9 der westlichen Welt. Sechzehn Verfassungen wurden verabschiedet und dabei jegliche Staatsformen von Diktatur über Monarchie bis zur Republik geführt.10 In diesem unbeständigen System hatte die Idee der Zweiten Kammer durch die Revolutionäre zunächst keinen Platz.11
Erst mit der Errichtung der III. Republik (1875) setzte sich das Zwei-Kammer-Prinzip in Frankreich durch. Es entstand ein indirekt demokratisch legitimiertes Organ mit gesetzgebenden Kompetenzen. Dabei stand die Assemblée nationale mit dem Senat im Zentrum des Entscheidungsprozesses. Diese Zweite Kammer repräsentierte dabei, wie der heutige Senat, die Gebietskörperschaften. Man sprach dem damaligen Senat eine wichtige und höchst demokratische Rolle zu, da er den Geist der unzähligen Gemeinden wiederspiegelte.12
Nach dem autoritären Vichy-Regime und dem Ende des Zweiten Weltkriegs glaubte die verfassungsgebende Versammlung von 1945 eine Schwäche im Senat gefunden zu haben. Die Berater bemängelten, dass der Senat in Zeiten der III. Republik gleichberechtigt zur Ersten Kammer, der Nationalversammlung, gestanden habe. Die gleichberechtigten Kammern machten mit unterschiedlichen Meinungen die Politik träge und politische Entscheidungen schwer. Aufgrund dieser Erfahrungen schlugen die Verfassungsgeber ein Ein-Kammer-System vor, das jedoch abgelehnt wurde. 1946 wurde ein neues Zwei-Kammer-System verabschiedet, in dem sich die Macht eindeutig in die erste Kammer verschob. Der Senat wurde aus dem Gesetzgebungsprozess zurückgezogen und nahm eine vorwiegend beratende Rolle ein.13
Das eindeutige Ende der Parlamentsherrschaft wurde mit der Präsidentschaft von Charles de Gaulle und seinen Reformen zur V. Republik noch deutlicher. Mit seinem Premierminister Michel Debré forderte er ab 1962, die Macht der beiden Kammern noch weiter einzuschränken und dem Staatspräsidenten und der Regierung gesonderte Befugnisse zuzugestehen. Seitdem ist auch die Bedeutung des Senats spürbar untergeordnet.14
Die weitere Entwicklung des Senats in der V. Republik entsprach jedoch nicht den Vorstellungen de Gaulles. Er versuchte, den Senat zu einem Beratungsgremium herunterzustufen, das nur noch zu einem geringen Teil die Gebietskörperschaften vertreten sollte. Daran scheiterte der damalige Staatspräsident. Seitdem ist die Existenz der Zweiten Kammer in der französischen Verfassung nach Artikel 24 verankert.15
2.2 Aufbau beider Kammern
2.2.1 Aufbau des Bundesrates
Nach dem Verfassungskompromiss, der 1949 geschlossen wurde, und der Wiedervereinigung Deutschlands 1990, richtet sich die Stimmzahl eines Landes im Bundesrat nach dessen Bevölkerungszahl. Dabei hat jedes Land mindestens drei Stimmen. Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern haben vier Stimmen, die mit mehr als sechs Millionen Einwohnern haben fünf und Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs Stimmen. Insgesamt gibt es 69 Stimmen im Bundesrat.16
Die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung wird von Entsandten der Länder wahrgenommen. Diese Aufgabe kann nur von Mandatsträgern der Landesregierungen ausgeübt werden.17 Die Mitglieder sind also Ministerpräsidenten und Fachministern der Länder bzw. Bürgermeister und Senatoren der Stadtstaaten.
[...]
1 Haas, Christopher/Riescher (Hrsg.), Gisela/Ruß, Sabine: Zweite Kammern. München. 2000. Verlag Oldenbourg. S. VII.
2 Vgl. Leunig, Sven: Der deutsche Bundesrat: Einzigartig, einflussreich, aber nicht unumstritten, in: Leunig, Sven (Hg): Hanbuch Föderale Zweite Kammern. Leverkusen. 2009. Verlag Barbara Budrich. S. 95-114, hier S. 95.
3 Leuning: Der deutsche Bundesrat, S. 95.
4 Leuning: Der deutsche Bundesrat, S. 95.
5 Vgl. Eith, Ulrich: Der deutsche Bundesrat zwischen Bundesstaatlichkeit und Parteienwettbewerb, in: Haas, Christopher/Riescher (Hrsg.), Gisela/Ruß, Sabine: Zweite Kammern. München. 2000. Verlag Oldenbourg. S.77 - 97, hier S. 80.
6 Vgl. Eith: Der deutsche Bundesrat zwischen Bundesstaatlichkeit und Parteienwettbewerb, S. 79 f.
7 Vgl. Leuning: Der deutsche Bundesrat, S. 95 f.
8 Vgl. Eith: Der deutsche Bundesrat zwischen Bundesstaatlichkeit und Parteienwettbewerb, S. 80.
9 Ruß, Sabine: Der französische Senat: Die Schildkröte der Republik, in: Haas, Christopher/Riescher (Hrsg), Gisela/Ruß, Sabine: Zweite Kammern. München. 2000. Verlag Oldenbourg. S.236 - 254, hier 237.
10 Vgl. Ruß: Der französische Senat, S. 237.
11 Vgl. Ruß: Der französische Senat, S. 237.
12 Vgl. Ruß: Der französische Senat, S. 237.
13 Vgl. Ruß: Der französische Senat, S. 237 f.
14 Vgl. Ruß: Der französische Senat, S. 238.
15 Vgl. Ruß: Der französische Senat, S. 239.
16 Vgl. Leuning: Der deutsche Bundesrat, S. 97. Art. 51 II, III GG
17 Vgl. Leuning: Der deutsche Bundesrat, S. 97 f. Art. 51 I GG