Panikattacken, ihre Hintergründe und Interventionsmaßnahmen. Ein Überblick


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.0 Definition Panikstörungen
2.1 Häufigkeit von Panikstörungen

3.0 Entstehung von Panikstörungen
3.1 Definition Stress
3.2 Zusammenhang von Stress und Panikstörung
3.3 Lerntheoretischer Hintergrund und weitere Faktoren

4.0 Therapie
4.1 Selbsttherapie
4.2 Entspannung als Therapie
4.2.1 Muskelentspannung
4.2.2 Atementspannung
4.2.3 Zwerchfellatmung
4.2.4 Autogenes Training
4.3 Natürliche Heilmittel
4.4 Fazit Therapiemöglichkeiten

5.0 Diskussion
5.1 Fazit
5.2 Fazit

6.0 Literaturverzeichnis
6.1 Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„Furcht besiegt mehr Menschen als alles andere auf der Welt“ (Emerson, 2011, S.103).

Dieses Zitat des US-amerikanischen Geistlichen Ralph Waldo Emerson trifft den Geist der Zeit auf den Punkt. Seit sechzehn Jahren verzeichnen Krankenkassen eine Zunahme stressbedingter Krankschreibungen, von ca. fünfzehn Fehltagen pro Kopf, sind mittlerweile zweikommafünf Tage auf psychische Beschwerden wie Depression, Angst- oder Belastungsstörungen zurückzuführen (TK-Stressstudie, 2016). In Zeiten einer Leistungsgesellschaft mit hohen Erwartungen und Druck, muss jeder lernen mit Stress umzugehen. Seit jeher sorgte Stress evolutionsbiologisch für eine Erbringung von Höchstleistungen in Notfallsituationen: dass man unter Druck über sich hinauswächst, erfordert jedoch einen erhöhten Energieeinsatz und ist somit auch nur für einen begrenzten Zeitraum gesund. Wer also nicht in regelmäßigen Abständen herunterfährt und für einen Ausgleich sorgt, schaltet schnell auf Reserve. Diese Dynamik in der Gesellschaft soll Anlass zu der Frage sein, welcher Zusammenhang zwischen Stress und Panikstörungen besteht und welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Besonders für die Soziale Arbeit ist diese besorgniserregende Entwicklung von Relevanz, da sie sich zur Aufgabe gemacht hat, das Individuum zu schützen bzw. zu stärken; somit wird der Umgang mit Stress und Panikstörungen in Zukunft ein immenses Arbeitsfeld darstellen.

Beginnend mit der Begriffsdefinition der Angst- und Panikstörung, damit dem Leser die Fragestellung bzw. die Thematik etwas näher gebracht wird, folgt anschließend die Untersuchung der Frage, inwiefern Stress und Panikstörungen zusammenhängen. Im dritten Kapitel wird ein ausführliches Augenmerk auf bestehende Therapiemöglichkeiten gelegt, wobei dort ein besonderer Fokus auf der Selbsttherapie liegt; außerdem wird unter anderem die „TEK-Sequenz“ vorgestellt und das Autogene Training erläutert. Anschließend folgt eine Diskussion über den Zusammenhang von Stress, Angst und Panik und ein Konzept zur Rolle der Sozialen Arbeit im Umgang mit dieser Problematik. Abschließend stellen die beiden Autoren ihr persönliches Fazit zu der vorliegenden Arbeit dar.

2.0 Definition Panikstörungen

Panikattacken sind psychophysiologische Zustände, die spontan auftreten können und sich durch intensive Furcht und Unbehagen bemerkbar machen. Diese beruhen auf körperlichen und psychischen Alarmreaktionen nach dem „fight or flight“ Prinzip, welche ohne objektiven Anlass ausgelöst werden. Dabei gibt es zwei Typen von Panikattacken - die situationsgebundene (erwartete) und die nicht situationsgebundene (unerwartete). Erwartete Panikattacken werden von einem offensichtlichen Auslöser verursacht, zum Beispiel in einer bestimmten Situation, in der Panikattacken bereits zuvor aufgetreten sind. Unerwartete Panikattacken hingegen liegen keinem bestimmten Auslöser zugrunde, sie können bspw. auch bei Nacht in einem Entspannungszustand auftreten. Zu den wesentlichen Symptomen zählen Herzklopfen, beschleunigter Herzschlag, Schwitzen, Zittern, Beben, Kurzatmigkeit, Atemnot, Erstickungsgefühle, Schmerzen, Beklemmungsgefühle, Übelkeit, Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit, Angst die Kontrolle zu verlieren, Angst zu sterben, Hitzewallungen oder Kälteschauer. Bei einer diagnostizierten Panikstörung kommen mindestens vier oder mehr der genannten Symptome über vier Wochen oder länger vor, das heißt, dass Panikattacken auch vereinzelt auftreten können bspw. vor einer stressigen Prüfungssituation, woraus folgt, dass nicht jede Panikattacke zwangsläufig zu einer Panikstörung führen muss.

Nahezu drei Viertel der Angstsymptome sind körperlich-vegetativer Natur, das heißt sie unterliegen nur sehr bedingt bis gar nicht der Kontrolle des Patienten, da sie der Steuerung des autonomen Nervensystems obliegen. Da sich die Symptome einer Panikattacke in der Regel nur körperlich äußern und nur bedingt psychisch steuerbar sind, meinen viele Patienten an einer schweren oder gar tödlichen Erkrankung zu leiden, wodurch die Angst und Panik zusätzlich verstärkt wird.

Panikattacken erreichen innerhalb weniger Minuten ihr Maximum und dauern längstenfalls bis zu dreißig Minuten an ( meist dauern sie jedoch nur fünf bis zehn Minuten ). In seltenen Fällen können diese auch vierzig bis sechzig Minuten anhalten. Während Panikstörungen meist nur durch die Angst vor bestimmten Situationen ausgelöst werden, äußert sich eine Agoraphobie dagegen durch eine generelle phobische Angst. Der Betroffene ängstigt sich vor einer breitgefächerten Auswahl an Situationen und die Furcht, Angst oder das Vermeiden ist anhaltend und dauert geringstenfalls sechs Monate an. Bei einer Agoraphobie ist in den meisten Fällen eine Panikstörung vorausgegangen und somit kann eine ausgeprägte anhaltende Störung bei Nichtbehandlung zu einer Agoraphobie führen. Vermeidungsverhalten ist bei einer Agoraphobie ein Kernbegriff, weswegen die Patienten infolge der Meidereaktion (Vermeidungsverhalten) immer massiver daran gehindert werden, ihren Alltagsverpflichtungen nachzukommen und das Leben zu genießen. Bestimmte Orte werden aus panischer Angst nicht mehr aufgesucht und Situationen, die ihren Angstsituationen ähneln, werden vermieden, wodurch es zu einer Ausdehnung und Generalisierung der Angst kommt. Die Konsequenz ist eine massive Einengung des persönlichen Bewegungsspielraums (vgl. Schmidt, 2014 S.16).

2.1 Häufigkeit von Panikstörungen

„Angst ist eine Volkskrankheit. Aber eine, über die kaum gesprochen wird. Viele der Menschen, die von ihrem Leiden berichten, wollen anonym bleiben. Wer am Körper erkrankt, wird ernst genommen. Wer an der Seele erkrankt, wird immer noch häufig ermahnt, sich zusammenzureißen. Wie klingt das auch? „Ich habe Angst.“ Es klingt nach Schwäche, so die Befürchtung“ (Hollersen, 2015). Derzeitig leiden ca. fünfzehn Millionen Deutsche unter krankhafter Angst, das ist etwa jeder sechste Erwachsene. Etwa zwei Prozent der Betroffenen leiden dabei unter einer Panikstörung, vier Prozent unter einer Agoraphobie, der Rest der Erkrankten leidet unter einer spezifischen Angststörung - die Verbreitung dieser ist dabei Länderunabhängig und sowohl Entwicklungsländer, wie auch Industrieländer sind gleichermaßen betroffen (vgl. Morschitzky, 2013).

3.0 Entstehung von Panikstörungen

Die Hauptursache für die Entstehung von Panikattacken ist Stress, dessen Einwirkung in diesem Kapitel genauer dargestellt werden soll. Dazu wird als erstes geklärt, was Stress ist und welche Vorgänge im Körper stattfinden, wenn ein Individuum gestresst ist. Anschließend wird der Zusammenhang zwischen Stress und Panikattacken erläutert, sowie die Folgen einer Dauerbelastung durch Stress. Abschließend werden weitere Faktoren veranschaulicht, die die Entstehung von Panikattacken begünstigen.

3.1 Definition Stress

Stress ist ein uralter Mechanismus im menschlichen Körper, der es ihm erlaubt auf Höchstleistungen zu arbeiten, um in gefährlichen Situationen besser reagieren zu können. Hans Selye war der erste Mensch, der 1936 versucht hat, das Phänomen Stress zu erklären und es wissenschaftlich zu untersuchen. Zu dieser Zeit beschrieb er Stress als Ausdruck für einen Zustand einer enormen Belastungs,- oder Drucksituation. Circa 40 Jahre später führte Selye den Begriff Stress in die Medizin ein als „die unspezifische Reaktion des Körpers auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird.“ (Selye, 1991, S. 58). Bei einem Laborversuch mit Ratten, die er mit verschiedenen Agentien (Gifte, Hormoneinspritzungen, Kälte, Hitze, Strahlen usw.) behandelte, konnte er eine Triade an Symptomen feststellen, die er anschließend als das „General Adaption Syndrome (GAS)“ oder auch „Allgemeines Anpassungssyndrom (AAS)“ definiert hat. So konnte er feststellen, dass alle Ratten, die unter Stress standen, eine vergrößerte Nebennierenrinde, geschrumpfte lymphatische Organe, sowie Magen,- und Zwölffingerdarmgeschwüre hatten (Troch, 1979, S.11). Weitere Forschungen von J. Bastiaans ergaben, dass das AAS in drei Phasen unterteilt ist: Die Alarmphase, die Widerstandsphase und die Erschöpfungsphase. Um sich einer schweren Anforderung zu stellen, benötigt der Körper sehr viel Energie, um sich anzupassen. Dies erfolgt durch das vegetative Nervensystem und durch Ausschüttung von Hormonen, welche in der Alarmphase aktiviert werden. Dadurch erhält der Betroffene ein hohes Maß an Energie, um der Anforderung mit möglichst viel Widerstand entgegen zu wirken (Widerstandsphase). In der Erschöpfungsphase schaltet der Körper in den Ruhemodus, um die verbrauchten Energiereserven wiederaufzubauen (Bastiaans, 1985, S. 78f). Mit Hilfe der neuesten Forschungserkenntnisse und Techniken lassen sich diese Vorgänge besser veranschaulichen/erklären.

Zwei physiologische Mechanismen sind an der Stressreaktion beteiligt und ergänzen sich gegenseitig: Die direkt-nervöse Stimulierung durch das vegetative Nervensystem und die indirekt-hormonale Stimulierung durch den Hypophysen-Nebennierenrinden-Regelkreis. Bei Anforderungen bzw. Reizen aus der Umgebung arbeiten viele verschiedene Gehirnareale zusammen, wie zum Beispiel der Thalamus, das Großhirn, Formatio reticularis, welches für Herzaktion, Atmung, und Verdauungstätigkeit zuständig ist, sowie der Hypothalamus, welcher den „großen Regulator“ des vegetativen Systems darstellt. Das vegetative (autonome) Nervensystem steuert alle unbewussten Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Hormonsystem und Darmperistaltik. Es läuft hauptsächlich über den Vagusnerv und wird unterteilt in Sympathikus und Parasympathikus. Der Sympathikus wirkt ergotrop (leistungssteigernd) und begünstigt katabolische (abbauende) Stoffwechselvorgänge, wohingegen der Parasympathikus trophotrop (schonend bzw. erholend) wirkt und anabolische (aufbauende) Stoffwechselprozesse begünstigt. In einer Stresssituation aktiviert der Sympathikus direkt innere Organe wie Herz, Niere und Leber. Außerdem regt er das Nebennierenmark dazu an, die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin auszuschütten. Diese Hormone gehören zu der Gruppe der „Katecholamine“ und bewirken eine sofortige Energiegewinnung. Adrenalin gilt dabei als „Fluchthormon“ und Noradrenalin als „Angriffshormon“; beide zusammen sorgen für einen erhöhten Herzschlag, Blutdruck, Blutzucker,- und Blutfettspiegel, sowie eine erhöhte Durchblutung der Skelettmuskulatur und außerdem legen die Hormone Verdauungs,- und Sexualfunktionen still. Zusammengefasst steigern beide das energetische Potenzial des Körpers. Nach einer solchen Stresssituation übernimmt der Parasympathikus die Oberhand und regt die Verdauung und stoffaufbauende Prozesse an, um die verbrauchten Energiereserven wiederaufzubauen.

Der Hypophysen-Nebennierenrinden-Regelkreislauf (HNR) wird ebenfalls durch den Hypothalamus aktiviert und regt die Nebennierenrinden dazu an, Glucocorticoide freizusetzen - dazu gehören Hormone wie Cortison und Hydrocortison, diese erhöhen ebenfalls das Energiepotenzial durch Beeinflussung des Kohlehydrat,- bzw. Eiweißstoffwechsels. Außerdem sichern Desoxycorticosteron und Aldosteron das Gleichgewicht zwischen Natrium und Kalium im Körper. Die hormonale Stressreaktion dient eher einem langfristigeren Anpassungsprozess, wobei der Körper sich mit Hilfe der Versorgung durch die Reaktionsenergie an neue und schwierige Situationen anpasst.

Dieser uralte Mechanismus im Körper hat unseren Vorfahren das Überleben gesichert, da der Prozess in heiklen Situationen nach dem „fight or flight“-Prinzip reagiert – also entweder die nötige Energie bereitgestellt hat, um zu kämpfen oder notfalls wegzulaufen. Stress in dieser Form ist also durchaus positiv und sorgt dafür, dass Menschen das Maximum aus sich heraus holen können - diese Art von Stress nennt sich Eustress. Auslöser von Stress werden als Stressoren bezeichnet. Gesellschaftlich gibt es übereinstimmende Stressoren, welche jedoch individuell variieren. Nach Lazarus ist besonders die Bewertung von Reizen und Situationen ausschlaggebend, also ob ein Individuum gestresst ist oder nicht. Auf den Menschen strömen permanent Reize ein, wobei es allerdings nicht alle in die bewusste Verarbeitung schaffen, da sie nur selektiv wahrgenommen werden. Diese Reize werden dann entweder als positiv-neutral, irrelevant oder negativ-gefährlich eingestuft. Die negativen Reize werden als Herausforderung, Verlust oder als bedrohlich bewertet, je nachdem ob die individuellen Ressourcen zur Bewältigung ausreichen. Zu diesen Ressourcen gehören bereits gemachte Erfahrungen, daraus resultierende Kompetenzen, sowie soziale Netzwerke (vgl. Schwarzer, 2000, S. 12). Das feine System des Stressmechanismus ist jedoch sehr störanfällig, sodass sich bei Unordnung Distress entwickeln kann. Selye beschreibt diesen als „[…] jedermanns Feind. Er kann rücksichtslos auf uns einschlagen und trifft nicht nur unseren Körper, sondern auch den Geist und kann uns mit vielen Mitteln zermürben und fertigmachen. Vor ihm alleine müssen wir uns hüten!“ (Selye, 1991, S. 23).

Eine mögliche Störung ist die überschießende Stressreaktion, bei der sehr viel Energie bereitgestellt, aber nicht verwendet wird, weil eine körperliche Reaktion fehlt. Das gesamte System läuft auf Hochtouren, obwohl die Energie gar nicht benötigt wird. Eine weitere Störung kann die lange Dauer des Stresses sein, denn bei dauerhafter Belastung versucht der Organismus seinen gesamten physiologischen Zustand zu ändern, um der Belastung entgegen zu wirken. Dies kann zu einer Vielzahl von pathologischen Schäden oder sogar bis hin zum Tod führen. All diese Veränderungen können sich in mannigfaltigen affektiven und somatisch-vegetativen Erscheinungen ausprägen - dazu gehören Appetitlosigkeit, Schweißausbrüche, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Herzbeschwerden, Beklemmungsgefühle, Diarrhöe und Rückenschmerzen. Auf psychologischer Ebene beobachtet man Verlustsymptome, Verringerung der Aktivität, Lustlosigkeit, Gefühlsleere, Angst, innere Unruhe, aggressive Spannung und Panik. Bei dauerhafter Belastung durch Distress steigt das Risiko eines Herzinfarkts oder anderen Herzkrankheiten, der Magen verliert seinen Schutz gegen Selbstverdauung und die Magensäure wird saurer, wodurch Magengeschwüre und andere Magenkrankheiten (zum Beispiel Reizdarm-Syndrom) entstehen können. Außerdem fördert der erhöhte Blutzuckerspiegel die Entstehung von Diabetes mellitus. Die stark verminderte Immunabwehr macht die Betroffenen zusätzlich krankheitsanfälliger; außerdem besteht bewiesenermaßen ein Zusammenhang zwischen Stress und der begünstigten Entwicklung von Krebsgeschwüren. Zusätzlich kann Stress zu Nierenkrankheiten, Schilddrüsenerkrankungen und/oder Hauterkrankungen führen. Besonders in der deutschen Leistungsgesellschaft sind die Menschen schon im frühen Alter gestresst bspw. Schulstress durch Konkurrenzverhalten und Erfolgsdruck (vgl. Troch, 1979, S.22 ff).

3.2 Zusammenhang von Stress und Panikstörung

Viele der in Kapitel 2.0 beschriebenen Symptome einer Panikattacke sind kongruent mit den Symptomen von Distress. Außerdem besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen Distress und dem Ausbruch von Ängsten, womit Panik erleben eine mögliche Variante einer Stressreaktion ist. Das liegt daran, dass Stress als Überlebensmechanismus Todesängste in Menschen auslösen kann. Sie fühlen sich bedroht oder haben das Gefühl, in großer Gefahr zu sein; zusätzlich lösen Stresshormone den „fight or flight“ Überlebensmechanismus aus, welcher die Betroffenen ebenfalls unter Druck setzt und panisch macht. Jedoch bekommt nicht jeder Mensch Panikattacken, sobald er Distress ausgesetzt ist. Die Verarbeitung von Stress ist abhängig von individuell gelerntem Bewältigungsverhalten, persönlichen Ressourcen und der Unterstützung durch die Umwelt. Besonders wichtig sind die kognitiven Abläufe im Betroffenen, wenn er Stress ausgesetzt ist: Wie wird die Stresssituation bewertet und wie soll sie gelöst werden? 80% der Panikpatienten berichten von bedeutsamen Stressoren oder kritischen Lebensereignissen als Auslöser ihrer Störung, wobei gesundheitsrelevante Themen häufig im Vordergrund stehen, zum Beispiel das Versterben einer geliebten Person oder schwere Krankheitsfälle im Bekanntenkreis. Außerdem senkt Stress die Angstschwelle langfristig und früh gelernte Befürchtungen können wieder stark werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass chronischer Stress zu gesicherten neuropsychologischen Veränderungen in Denken, Fühlen und Handeln führt. Eigene Emotionen und das Körpergefühl werden getrübt oder intensiviert, des weiteren kommt es zu katastrophisierenden Fehlinterpretationen von körperlichen Empfindungen. Der richtige Umgang mit Stress und Emotionen wird in späteren Kapiteln genauer erläutert; zunächst wird geklärt, inwiefern Individuen Angst und Panik erlernen und es werden weitere Faktoren aufgezeigt, die Panikstörungen begünstigen (vgl. Schmidt, 2014, S.41 ff)

3.3 Lerntheoretischer Hintergrund und weitere Faktoren

Lernen ist ein funktioneller und flexibler Prozess, wodurch Beziehungen zwischen verschieden Erfahrungen und Ereignissen durch Konditionierung hergestellt werden. Dazu zählen das Erlernen von Bildern der Wirklichkeit, sowie Verhaltensweisen und Fertigkeiten. Allerdings kann Lernen auch ein dysfunktionaler Prozess sein, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von panischer Angst oder ungeeigneten Bewältigungsstrategien. Unterdrückung, Verdrängung, Vermeidung und sich Sorgen machen gelten als negative Emotionsregulatoren und sind somit als enorme Risikofaktoren für Panikstörungen einzustufen. Beim Erlernen von Panik und Angstverhalten spielen drei Lernparadigmen zusammen: Das erste Paradigma ist die klassische Konditionierung. Ein zufällig mit einem traumatischen Ereignis auftretender neutraler Reiz wird zum gelernten Auslöser für Angst. Der Reiz kann ein Geruch, ein Geräusch, eine bestimmte Situation oder Stresssymptome sein und dieser wird dann gekoppelt mit der im Trauma erlebten Angst und Panik. So bekommt der vorher neutrale Reiz eine symbolische Funktion und hat nun eine Art Signalfunktion, welche sich als sehr selektiv und vielschichtig darstellt. Jedes Mal, wenn der Reiz ausgelöst wird, wird der Betroffene in die traumatische Situation zurückversetzt - sowohl physisch als auch psychisch. Die operante Konditionierung stellt das zweite Lernparadigma dar und bezieht sich auf das nach dem Angsterleben häufig eintretende Meidungsverhalten. Der Betroffene versucht, die konditionierten Reize zu vermeiden und somit den Angstsituationen zu entgehen, damit die Panikreaktion ausbleibt. Wie bereits erwähnt, gilt diese Strategie als enormer Risikofaktor, da es zu einer negativen Verstärkung der Angst kommt. Teile der ursprünglichen Angstsituation, ähnliche, aber auch unabhängige Situationen, können panische Angst mit oder ohne Vermeidung hervorrufen, da der Betroffene zwar Angstsituationen meidet, sich aber nicht seinen Ängsten stellt und sie somit unbewusst auf andere Reize drängt. Das dritte Paradigma wird als Modellernen bezeichnet; dabei werden unbewusst Verhaltensmuster von Vorbildern übernommen, wozu auch der Umgang mit Stress und Angst zählt. Besitzen die Vorbilder keine geeigneten Bewältigungsstrategien, wird der Betroffene ebenfalls diese ungeeigneten Strategien übernehmen und versuchen, durch Vermeidung seine Probleme zu lösen.

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Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Panikattacken, ihre Hintergründe und Interventionsmaßnahmen. Ein Überblick
Hochschule
Medical School Hamburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
24
Katalognummer
V369615
ISBN (eBook)
9783668471658
ISBN (Buch)
9783668471665
Dateigröße
1031 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Panik, Panikstörung, Psychopathologie, Angststörung, TEK-Sequenz, Intervention, Therapie
Arbeit zitieren
Raphael Rappaport (Autor:in), 2017, Panikattacken, ihre Hintergründe und Interventionsmaßnahmen. Ein Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369615

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