Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.2 Charakterisierung Gregor Samsa
2 Gregor, der Menschenkäfer - Art und Weise der "Verkäferung"
2.1 Der Verlust der Sprechfähigkeit
2.1.1 Die Veränderung der Sehfähigkeit
2.1.2 Gregors Tiergestalt: Körperliche Daten des Käfers
2.2 Interpretation des Menschenkäfers
2.2.1 Der Käfer als Traumgestalt
2.2.2 Der Käfer als Krankheitsdämon
2.2.3 Der Käfer als Verweigerung der Ausbeutung
2.2.4 Der Käfer als Symbol für den Wesensverlust
3 Definition der Unlesbarkeit nach Paul de Man
3.1 Die Unlesbarkeit in der Verwandlung
4. Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Kafkas literarisches Werk ist in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand zahlreicher und unterschiedlichster literaturwissenschaftlicher Untersuchungen geworden. Wenn man sich mit Franz Kafka und seinem Werk beschäftigt, könnte man ins tiefste Dunkel geraten. So hat der Schriftsteller einmal in einem Brief an sein Schwester Ottla geschrieben: „Ich schreibe anderes als ich rede, ich rede anders als ich denke, ich denke anders als ich denken soll und so geht es weiter bis ins tiefste Dunkel.“1 Auch deshalb bleibt Kafkas Werk trotz einer Vielzahl bereits vorhandener Untersuchungen und Forschungsarbeiten schwer zugänglich. Nachgewiesen werden konnte, dass eine autobiografische Betrachtungsweise der Erzählungen einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt Franz Kafkas bietet. Dies scheint jedoch nicht der einzige Grund für die schwere Verständlichkeit von Kafkas Erzählungen zu sein.
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich deshalb mit der Frage, was Kafkas Erzählungen und Romane so komplex und verwirrend macht. Kann es sein, dass der Text selbst von Unentschlossenheit und Vieldeutigkeit zeugt? Der Literaturwissenschaftler Paul De Mann meint, dass das Wörtlichnehmen vom Charakter im literarischen Kontext entgegen ihrem Symbolsinn verstanden werden kann. Und jeder Text besteht aus Tropen, die nicht festgelegt werden kann, dann kann nicht verifiziert werden, ob ein Text „richtig“ gelesen worden ist. In der vorliegenden Arbeit wird es damit beschäftigt, ob die „Unlesbarkeit“ zur Schwerverständlichkeit des Textes „die Verwandlung“ beiträgt.
Diese Arbeit besteht aus drei Teilen. Zuerst wird das Thema genauer präsentiert. Hierbei werden die Motivation und der Ausgangspunkt der Verfasserin deutlich dargestellt. Der zweite Teil der Hausarbeit befasst sich mit Interpretation der Erzählung, sowie mit der vieldeutigen Bedeutung der Käfergestalt. Besondere Aufmerksamkeit liegt dabei auf der Figur Gregor Samsa und ihrem unterwürfigen
Charakter. Abschließend werden die Theorien Jürg Schubigers und Paul de Mans knapp notiert, wobei lediglicheinige grundlegende Begriffe und Zusammenhänge eingeführt werden sollen. Es bleibt unklar, ob Kafka selbst wirklich eine reale Metamorphose seiner Figuren beschreiben will oder ob ein Traumgeschehen dargestellt wird. Zur Beantwortung der Fragen der Hausarbeit wurden die Sekundärliteratur und eigene Textinterpretationen herangezogen.
1.1 Inhaltsangabe
Franz Kafka verfasste seine weltberühmte Erzählung "Die Verwandlung" im Jahr 1915. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Familie Samsa, bestehend aus Gregor Samsa, dessen Schwester Grete und ihrer beider Eltern. Weitere Personensind der Prokurist der Arbeitsstelle Gregors, sowie mehrere Bedienstete der Familie Samsa. Kafka verarbeitet in derErzählung einen Zustand familiärer Kälte und problematische menschliche Beziehungen. Neben dem detailliert beschriebenen Gefühl der zunehmenden Isolation Gregors innerhalb des familiären Verbandes ist auch Kafkas Darstellung seines Protagonisten als Ungeziefer von großer biographischer Bedeutung.
Formal ist die Erzählung in drei Teile gegliedert:
Erster Teil
Der Handelsreisende Gregor, der als Alleinverdiener seine Eltern und seine Schwester unterhält, mit denen er auch die gemeinsame Wohnung teilt, erwacht eines Morgens nach einer unruhigen Nacht in der Gestalt eines Käfers. Die Verwandlung löst in der Familie große Panik aus.
Da sich der verwandelte Gregor nur minimal bewegen kann, muss er nun die meiste Zeit in seinem Zimmer verbringen. Obwohl er allein unter dem Kanapee sitzen und sich verstecken muss, fühlt er sich in seinem Versteck wohl. In dieser Zeit fängt er an, über sein bisheriges Leben nachzudenken. Ihm wird schnell die Unzulänglichkeit seiner Existenz bewusst, da seine Arbeit ihm keine Freude bereitet und erdiese nur wegen der Schulden seines Vaters ausübt.
Zweiter Teil
Am selben Tag wird bei der Familie ein Prokurist von Gregors Arbeitgeber vorstellig, um sich nach Gregors Verbleib zu erkundigen. Beim Anblick des Verwandelten ergreift der Besucher jedoch umgehend die Flucht, während Gregors Vater, der das Geschehen als große Schmach empfindet, gleich versucht, den Sohn wieder in sein
Zimmer zurückzutreiben.
Später am Tag setzt sich die Familie mit der Situation auseinander, wie sie sich nun finanziell absichern kann, da Gregor nicht mehr arbeitsfähig ist. Gregor wird wie ein Tier mit Nahrung von der Schwester versorgt. Seine Pflege entwickelt sich jedoch mit der Zeit zur lästigen Pflicht. Die Familie versucht, das ungeheuerliche Geschehen innerhalb der Wohnung nach außen zu verbergen. Sie verzichtet gleichzeitig aber auch auf jeglichen Kommunikation mit dem Menschenkäfer. Die einzige Sorge der Eltern scheint zu sein, dass der Ernährer der Familie nun ausgefallen ist. Nur einmal kommt die Mutter in das Zimmer, wird jedoch durch den Anblick ihres Sohnes ohnmächtig. Gregor versucht, sich mit der Situation zu arrangieren und kriecht immer öfter durch sein Zimmer. Der Vater missversteht das Verhalten seines Sohns und bombardiert ihn mit Äpfeln, von denen einer im Rücken Gregors steckenbleibt.
Dritter Teil
Um die finanzielle Situation zuverbessern, nehmen sowohl die Schwester als auch die der Vater und die Muttereine Arbeit an und die Familie vermietet zudem einen Teil der Wohnung an drei Zimmerherren. Eine Bedienerin wird zusätzlich angestellt, um Gregor in Abwesenheit der mittlerweile als Verkäuferin tätigen Schwester zu versorgen. Diese quält ihn jedoch mit Erniedrigungen und lässt sein Zimmer gänzlich verschmutzen. Gregor leidet über einen Monat an der Wunde durch das Wurfgeschoss des Vaters und isst kaum mehr etwas. Er kann nicht mehr am Familienleben teilnehmen, schleppt sich mühsam in sein Zimmer und stirbt in einer Nacht.
Nach seinem einsamen und von der Familie nicht betrauerten Tod macht sich unter seinen hinterbliebenen Familienmitgliedern große Erleichterung breit. Die Mutter und der Vater machen Pläne für die Zukunft, die Tochter endlich mit einem geeigneten Mann zu vermählen
1.2 Charakterisierung Gregor Samsa
Gregor Samsa, die Hauptfigur der Erzählung Kafkas, ist als Handelsreisender bei einer Firma für Tuchwaren tätig. Er selber beurteilt den Beruf als „anstrengend“, was ihm nicht gefällt sind „die Sorgen um die Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr.“2. Er hat diese Arbeit nur angenommen, weil er ohne Mithilfe seiner Angehörigen die Familie erhalten und die finanzielle Schuld der Eltern abtragen muss.
„Habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen, es dürfte noch fünf bis sechs Jahre dauern, mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muß ich aufstehen, denn mein Zug fährt um fünf.“3
Dennoch akzeptiert er seine Aufgabe und arbeitet fleißig. Er behält kaum etwas des verdienten Geldes, das zum größten Teil an den arbeitslosen Vater weitergegeben wird. Beim Vater ist kein Widerstand gegen diese Situation zu erkennen, er zeigt keinerlei Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf seine Rolle als Familienoberhaupt. Gregor empfindet zu Beginn der Erzählung ebenfalls keinen Widerwillen gegen seine Rolle im Familienverband und erscheint dadurch naiv und charakterlich schwach. Er erkennt nicht, dass er ausgenutzt wird und seine Angehörigen ohne Probleme arbeiten gehen könnten. Er bemüht sich, die Untätigkeit der Anderen zu rechtfertigen:
„Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu gönnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen?“4
Es ist nicht zufällig, dass er in später in ein „Kriechtier“ verwandelt wird.5
[...]
1 Kafka, Franz: Briefe an Ottla und die Familie. Ausz ü ge. Frankfurt am Main 1981: Fischer Taschenbuch Verlag, S.8
2 Kafka, Franz: die Verwandlung. Frankfurt am Main 1996: Suhrkamp Verlag, S.2
3 Kafka, Franz: die Verwandlung. Frankfurt am Main 1996: Suhrkamp Verlag, S.3
4 Kafka, Franz: die Verwandlung. Frankfurt am Main 1996: Suhrkamp Verlag, S.16
5 Vgl. Schubiger, Jürg: Franz Kafka. Die Verwandlung. Eine Interpretation, Freiburg 1969: Zürich, S.59