Supervision und pädagogische Professionalität bei DaFZ-Lehrkräften

Eine empirische Untersuchung der DaFZ-Studiengänge in Deutschland


Tesis de Máster, 2016

101 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung

Motivation

Fragestellungen und Aufbau der Arbeit

1 Theoretischer Bezugsrahmen
1.1 Professionen und (pädagogische) Professionalität
1.2 Supervision als Professionalisierungsinstrument

2 Empirische Untersuchung
2.1 Fragestellungen und Arbeitshypothesen
2.2 Methodisches Vorgehen und Datenerhebung
2.3 Datenauswertung und -interpretation

Schlussfolgerungen und Ausblick

Bibliografie

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kompetenzmodell Helmke (eigene Darstellung)

Abbildung 2: Modell des Professionellen Selbst (Bauer et al. 1996: 97)

Abbildung 3: Domänen der Professionalität bei LehrerInnen (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2011b, WWW-Veröffentlichung)

Abbildung 4: Pädagogische Handlungskompetenz (eigene Darstellung)

Abbildung 5: Beratung im Feld der Disziplinen (Böckelmann 2002: 19)

Abbildung 6: Zweiteilung der Supervision in Deutschland (eigene Darstellung)

Abbildung 7: Ebenen einer Organisation (eigene Darstellung)

Abbildung 8: Arbeitsformen der Supervision (eigene Darstellung in Anlehnung an Mutzeck 2008: 42f)

Abbildung 9: Studienangebote DaFZ im Hochschulkompass

Abbildung 10: Berücksichtigung ausgewählter Kompetenzen in den Prüfungsordnungen und Modulhandbüchern von DaFZ-Studiengängen deutscher Hochschulen

Abbildung 11: Ausprägung der vermittelten Kompetenzen nach Kategorien

Abbildung 12: Verteilung der vermittelten Kompetenzen

Abbildung 13: Anzahl berücksichtigter Kompetenzen ausgewählter Studiengänge

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kompetenz 9 (KMK)

Tabelle 2: Kompetenz 10 (KMK)

Tabelle 3: Standard #9 (InTASC)

Tabelle 4: Standard 9 (PHZug)

Tabelle 5: Entwicklung des Faches DaFZ im deutschen Sprachraum

Tabelle 6: Kernaussagen des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle 7: Schlagworte als Identifikatoren der Kompetenzen

Tabelle 8: Untersuchte DaFZ-Studiengänge in Deutschland

Einleitung

„We do not learn from experience ... we learn from reflecting on experience.“

(John Dewey, 1859-1952)

Motivation

Die Berufssituation von Lehrkräften des Deutschen als Fremd- und/ oder Zweitsprache (DaFZ) wird häufig als prekär bezeichnet. „Festanstellungen sind eine Seltenheit, gewöhnlich werden Verträge für einzelne Kurse auf freiberuflicher Basis abgeschlossen. Tarifverträge gibt es für Freiberufler nicht.“ (Degener 2010: 4, WWW-Veröffentlichung) In einer 2012 erschienenen Studie waren knapp ein Drittel aller befragten DaFZ-Lehrkräfte selbstständig tätig; im Vergleich zu AbsolventInnen anderer Studiengänge sind dies dreimal so viele (vgl. Waibel 2012: 120). Die Studie zeigt zudem, dass etwa die Hälfte der befragten DaFZ-AbsolventInnen im Bereich der Lehre tätig sind (vgl. Waibel 2012: 113ff).

Für die Institutionen, das Personal und letztlich für die Teilnehmenden ergeben sich strukturell betrachtet negative Konsequenzen aus der Honorarsituation:

- Fehlende Kündigungsfristen und mangelnde Arbeitsplatzsicherung verhindern oder erschweren zumindest eine Identifikation mit der Auftrag gebenden Einrichtung.
- Für ihre Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung sind die Selbstständigen allein verantwortlich.
- Die juristische Konstruktion schließt eine Einbindung in die Organisationsstrukturen und internes Engagement aus.
- Erzwungen wird eine Mehrfachbeschäftigung bei verschiedenen Auftraggebern. Es resultieren zersplitterte Arbeitszeiten und Terminstress.
- Da nur der gehaltene Unterricht bezahlt wird, werden Vor- und Nachbereitung eingeschränkt. Die Betreuung der Teilnehmenden über das Kursgeschehen hinaus wird nicht honoriert.
- Aus der fehlenden Arbeitsplatzsicherheit ergibt sich eine hohe Personalfluktuation. Häufiger Personalwechsel bedeutet Vergeudung von Kompetenz für die Einrichtungen und für die Teilnehmenden ungesicherte Lernsituationen bis hin zum Kursabbruch.
- ‚Selbstständigkeit‘ bedeutet für das Honorarpersonal, dass auch die Sicherung und Weiterentwicklung der eigenen Kompetenz ihnen zeitlich und finanziell selbst überlassen bleibt.

(Faulstich 2014: 112f)

Stress, mangelnde berufliche Sicherheit, Termindruck etc. sind zusätzliche Belastungsfaktoren für den ohnehin komplexen und von vielen Antinomien und Paradoxien geprägten Lehrberuf. Das Thema LehrerInnengesundheit rückt unter diesen Aspekten in den Fokus von Politik, Gesellschaft und Forschung: Im Jahr 2000 beantragen 64% der verbeamteten LehrerInnen (LuL) eine Frühpensionierung mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren. Nach einigen strukturellen Veränderungen gehen aktuell nur noch 25% der verbeamteten Lehrkräfte in Frühpension. Dafür ist die Zahl der krankheitsbedingten Ausfälle nach dem 55. Lebensjahr deutlich angestiegen (vgl. Döring-Seipel/Dauber 2013: 19ff). Die häufigsten Ursachen für eine Frühpensionierung stellen psychische oder psychosomatische Erkrankungen dar. Besonders häufig treten Depressionen, Erschöpfungssyndrome und Anpassungsstörungen auf – besser bekannt unter der Bezeichnung Burnout. Die psychosozialen und -mentalen Belastungen treten nicht nur bei LuL im staatlichen Schuldienst auf, sondern sind ein weitverbreitetes Phänomen, welches bis in die Hochschullehre reicht (vgl. Döring-Seipel/Dauber 2013: 22ff). Als Präventionsmaßnahmen schlagen Döring-Seipel und Dauber (2013: 112) folgendes vor:

(1) personale Kompetenzen fördern und entwickeln, soziale Unterstützungssysteme aufbauen,
(2) über alle Phasen des Lehrerwerdens und Lehrerseins Selbstverantwortung für den eigenen beruflichen Professionalisierungsprozess ermöglichen, einfordern und individuell fördern,
(3) institutionelle Anerkennung und Honorierung von psychosozialer Fort- und Weiterbildung im biographischen Verlauf.

Die Entwicklung einer pädagogischen Professionalität soll ebenso als Präventionsmaßnahme fungieren, wie der Einsatz von Unterstützungsangeboten für den emotionalen und sozialen Bereich des Lehrberufs. Zu den emotionalen und sozialen Unterstützungsinstrumenten zählt unter anderem die Supervision. Bei geeignetem Einsatz kann Supervision aber nicht nur im emotionalen und sozialen Bereich unterstützen, sondern auch als Instrument zur Stärkung der pädagogischen Professionalität dienen. Zentrales Element einer Supervision ist die eingeforderte und geförderte Reflexivität der an einer Supervision teilnehmenden Lehrkraft. Reflexivität wird zunehmend als übergreifende Schlüsseldimension professionellen Handelns verstanden. „Professionalisierung und das Aufrechterhalten von Professionalität kann als ‚ selbstreflexive Bildungsarbeit ‘ [Hervorhebung im Original] bezeichnet werden.“ (van Kessel 2015: 379, WWW-Veröffentlichung)

Nach Dewey ist reflexives Denken das, was wir für wahr halten. Somit strebt reflektierendes Denken nach wahrer Erkenntnis und ist eng verbunden mit wissenschaftlichem Arbeiten (vgl. Dewey 1910: 1ff, WWW-Veröffentlichung). Reflektierendes Denken ist logisch, analytisch, dekonstruktiv und ggf. verbunden mit Erfahrung und Beobachtung. Die Voraussetzung für reflektierendes Denken ist die Bereitschaft zur Unsicherheit, zum Staunen und zum Zweifeln (vgl. Dewey 1910: 68ff, WWW-Veröffentlichung).

Selbstreflexion kann bei der Teilnahme an einer Supervision oder mehreren Supervisionen erlernt und erweitert werden. Langfristig dient die (Weiter-)Entwicklung pädagogischer Professionalität dem Erhalt der LehrerInnengesundheit. Nur gesunde LuL können den hohen Ansprüchen an die Unterrichtsqualität seitens der Politik und der Gesellschaft gerecht werden (vgl. Arens/Gerke 2014: 8, WWW-Veröffentlichung).

Fragestellungen und Aufbau der Arbeit

Pädagogische Professionalität ist, wie vorangehend gezeigt, nicht nur ein Thema, mit dem sich ErziehungswissenschaftlerInnen zunehmend beschäftigen, sondern auch von besonderer Relevanz für alle Lehrkräfte. Im Bereich DaFZ findet es bisher nur wenig Beachtung. „Es hat obendrein den Anschein, dass die Generation der NachwuchswissenschaftlerInnen die Mühsal theoretischer Reflexion eher scheut und sich lieber mit methodisch-didaktischen Einzelphänomenen – wie wichtig auch immer – beschäftigt.“ (Götze 2010: 227, WWW-Veröffentlichung)

Das Ziel dieser Arbeit ist eine erste Annäherung seitens des DaFZ-Bereichs an die Professionalisierungsdebatte. Es soll unter anderem die Frage geklärt werden, welche Kompetenzen professionelles Handeln kennzeichnen, wie diese zueinanderstehen und wie man diese Kompetenzen fordern und fördern kann (Kapitel 1.1.1). Dabei steht das zentrale Element von professionellem Handeln im Fokus: Die Reflexivität. Der Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass Supervision das reflexive Denken von Lehrkräften stärken kann und somit zu einer (Weiter-)Entwicklung der pädagogischen Professionalität beiträgt. Zur Sicherung dieser Annahme wird die historische Entwicklung der Supervision ebenso betrachtet, wie die Umsetzung und Implementierung von Supervision in den LehrerInnenberuf (Kapitel 1.2).

Im empirischen Teil dieser Arbeit (Kapitel 2) geht es darum zu klären, ob und wenn ja, welche Kompetenzen DaFZ-Studierende an deutschen Hochschulen im Bereich der pädagogischen Professionalität erwerben können. Schwerpunkt dieser Untersuchung sind vor allem jene Kompetenzen, welche die reflexiven Fähigkeiten stärken und somit die Akzeptanz und die Wahrscheinlichkeit einer späteren Teilnahme an (einer) Supervision(en) erhöhen. Als Grundlage für die Analyse der Kompetenzen dienen vier internationale Standardformulierungen für die LehrerInnenbildung (Kapitel 1.1.2). Diese werden dafür zunächst in ihrem Aufbau und ihrer Form beschrieben. Standards, welche der (Weiter-) Entwicklung pädagogischer Professionalität dienen, werden vorgestellt und in Bezug auf ihre Praxistauglichkeit diskutiert. Im Ausblick dieser Arbeit werden die Erkenntnisse zusammenfassend dargestellt, diskutiert und sich daraus ergebende Forschungsdesiderate aufgezeigt.

1 Theoretischer Bezugsrahmen

1.1 Professionen und (pädagogische) Professionalität

Das Verhältnis von (wissenschaftlicher) Disziplin und Profession ist in der Pädagogik als ambivalent zu bewerten. Die Pädagogik gilt als verspätete Disziplin, da sie sich in Deutschland erst seit den 1920er Jahren an Universitäten und pädagogischen Hochschulen etabliert hat (vgl. Keiner 2011: 199). Vollständig durchgesetzt hat sie sich erst im Zuge der großen Bildungsexpansion in den 1960er Jahren, welche es überhaupt erst ermöglichte, Pädagogik im Hauptfach zu studieren (vgl. Lundgreen 2011: 10, WWW-Veröffentlichung). Nach der klassischen Professionstheorie gelten die sich aus der Pädagogik ergebenden Berufsgruppen – insbesondere LehrerInnen – als Semiprofessionen mit beschränkter Professionalisierbarkeit.

In Anlehnung an die angloamerikanische Forschungstradition lassen sich Professionen als „besonders privilegierte Berufsgruppen beschreiben, die für eine Gesellschaft spezifische, zentrale und systemrelevante Funktionen erfüllen.“ (Keiner 2011: 199) Im klassischen Sinne fallen unter diese Definition vor allem ÄrztInnen und RechtsanwältInnen, aber auch leitende Angestellte in der Privatwirtschaft und das höhere Beamtentum im öffentlichen Dienst. Die Professionalisierung – aus historischer Perspektive – verläuft bei diesen Berufsgruppen auf unterschiedlichen Pfaden und unterscheidet sich im jeweiligen Ergebnis. Dies gilt sowohl zwischen Ländern als auch zwischen Professionen. In historischen und soziologischen Analysen werden folgende Bestimmungsmerkmale für die Professionalisierung der jeweiligen Professionen herangezogen:

- Fachwissen, welches „über Ausbildung, Fort- und Weiterbildung an neue Mitglieder weitergegeben wird und so die relativ autonome Reproduktion der Profession sichert“ (Keiner 2011: 199)
- Professionelle Identität beispielsweise durch Berufsverbände
- Stabile und entsprechend entlohnte Beschäftigungsverhältnisse
- Sozialer Status und Prestige
- Rechtliche Privilegierungen (Lizensierungen, Titelschutz u.ä.)

(vgl. Keiner 2011: 199ff; Lundgreen 2011: 9ff, WWW-Veröffentlichung)

Pädagogische Professionen weisen ein spezifisches Problem auf: Sie besitzen kein eindeutig zugeordnetes Fachwissen, welches ihre privilegierende Kompetenz begründet. Als wissenschaftliche Leitdisziplin wird häufig die Pädagogik ausgewiesen, aber die historische Entwicklung dieser wissenschaftlichen Disziplin zeigt, dass die Berufe dieser Professionen –so auch der Lehrberuf – deutlich länger ausgeübt werden, als die Pädagogik an Hochschulen etabliert ist. Somit ist die Professionalisierbarkeit pädagogischer Professionen beschränkt, da nicht alle Bestimmungsmerkmale für Professionalisierung erfüllt sind – deshalb auch die Bezeichnung Semiprofessionen (vgl. Lundgreen 2011: 9ff, WWW-Veröffentlichung). Wenngleich die klassische Professionstheorie auch bei den sogenannten freien Berufen (Auflistung s.o.) kritisch zu hinterfragen bleibt, so ist vor allem der Lehrberuf für dieses Konzept immer ein Rätsel geblieben (vgl. Terhart 2011: 204f, WWW-Veröffentlichung). In der Erziehungswissenschaft haben sich deshalb seit längerem drei Ansätze durchgesetzt, die den professionellen Charakter von pädagogischen Berufen aus den Eigenarten dieser Arbeit selbst zu bestimmen versuchen:

(1) Strukturtheoretischer Bestimmungsansatz
Die beruflichen Aufgaben und Anforderungen von Lehrkräften sind komplex und in sich widersprüchlich. Ein kompetent, reflektierter Umgang mit den täglich zu bewältigenden Unsicherheiten werden in diesem Ansatz zum Kernstück pädagogischer Professionalität (vgl. Terhart 2011: 206f, WWW-Veröffentlichung). „Insbesondere die selbstkritische, reflektierende Rückwendung auf das eigene Handeln, auf die eigene berufliche Entwicklung ist ein zentraler Motor für die Weiter(!)-Entwicklung professioneller Fähigkeiten. Insofern beinhaltet dieses Professionalitätskonzept ein ‚reflexives‘ Steigerungsmoment.“ (Terhart 2011: 207, WWW-Veröffentlichung)

(2) Kompetenzorientierter Bestimmungsansatz
„Ausgehend von einer möglichst genauen Aufgabenbeschreibung für den [Lehrberuf] […] werden Kompetenzbereiche und Wissensdimensionen definiert, die für die Bewältigung dieser Aufgaben wichtig bzw. notwendig sind. Die Festlegung dieser Wissens- und Kompetenzbereiche erfolgt nicht allein theoretisch bzw. analytisch, […] sondern auf der Basis empirischer Forschung.“ (Terhart 2011: 207, WWW-Veröffentlichung) Das Ziel ist die Erlangung professioneller Handlungskompetenzen in allen Anforderungsbereichen: Unterrichten und Erziehen, Diagnostizieren, Beurteilen und Beraten, individuelle Weiterbildung und kollegiale Schulentwicklung, sowie Selbststeuerungsfähigkeit im Umgang mit beruflichen Belastungen (vgl. Terhart 2011: 207f, WWW-Veröffentlichung)

(3) Berufsbiografischer Bestimmungsansatz
Professionalität wird hier als ein berufsbiografisches Entwicklungsproblem verstanden. „Die Prozesse des allmählichen Kompetenzaufbaus und der Kompetenzentwicklung, die Übernahme eines beruflichen Habitus durch Berufsneulinge, die Kontinuität und Brüchigkeit der beruflichen Entwicklung über die gesamte Spanne der beruflichen Lebenszeit, die Verknüpfung von privatem Lebenslauf und beruflicher Karriere und ähnliche Themen stehen im Mittelpunkt.“ (Terhart 2011: 208, WWW-Veröffentlichung) Dieser Ansatz weist eine starke Verbindung zum kompetenzorientierten Bestimmungsansatz auf, wo es auch um den Aufbau einer Expertise im Laufe des Berufslebens geht. Allerdings erweitert der berufsbiografische Ansatz den kompetenzorientierten Bestimmungsansatz um die Komponente der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (vgl. Terhart 2011: 208ff, WWW-Veröffentlichung).

Alle drei Ansätze sind normativ geprägt und versuchen zu beschreiben, „was als gelungene, vollständige oder aber als weniger gelungene, weniger entwickelte etc. Professionalität zu betrachten ist. Der dynamisierende Faktor, das die professionelle Entwicklung befördernde Moment wird in jedem Ansatz anders gesehen.“ (Terhart 2011: 216, WWW-Veröffentlichung). Zur Etablierung von pädagogischer Professionalität – in all seinen Facetten – im beruflichen Alltag des Lehrpersonals wurden etliche Kompetenzmodelle und daraus resultierende Standards für die LehrerInnenausbildung entwickelt; deren Stärken und Schwächen in den folgenden Kapiteln näher betrachtet werden sollen.

1.1.1 Kompetenz(-modelle)

Der Kompetenzbegriff stammt ursprünglich aus der Linguistik (Noam Chomsky: Kompetenz und Performanz) und der Psychologie (Jean Piaget: Entwicklungsstufenmodell). Für die Erziehungswissenschaften (wegweisend Heinrich Roth/ Wolfgang Klafki) und die pädagogische Psychologie (Franz E. Weinert) wurde er adaptiert (vgl. Beck/Zlatkin-Troitschanskaia 2011: 1ff).

In der bildungswissenschaftlichen Forschung werden mehrere Varianten des Kompetenzbegriffes diskutiert. Zusammengefasst lassen sich folgende Charakteristika von Kompetenzen beschreiben:

Kompetenzen, im engeren Sinn als kognitive Leistungsdispositionen konzeptualisiert, erfordern das Zusammenwirken eines Systems von Fertigkeiten, Kenntnissen und Routinen. Im weiten Sinn umfassen Kompetenzen neben kognitiven auch emotionale, motivationale, volitionale und soziale Faktoren.

Kompetenzen werden durch erfahrungsbasiertes Lermen erworben. Kompetenzorientierte Lernprozesse bedürfen daher Anwendungs- und Übungsphasen, d. h. eine ,theoretische‘ Auseinandersetzung allein reicht nicht aus, um Kompetenzen zu erwerben.

Der Erwerb von Kompetenzen ist durch Interventionen ,bedingt‘ beeinflussbar.

Kompetenzen sind ausschließlich kontextspezifisch erfassbar; und wenn man die im vorangegangenen Absatz getätigten Ausführungen konsequent zu Ende denkt, entwickeln sich Kompetenzen auch nur in (Lern-)Kontexten.

Professionalität von Lehrkräften wird als komplexes und facettenreiches Konstrukt verstanden, das Wissen, aber auch persönliche Sichtweisen, Überzeugungen, Vorstellungen oder Haltungen umfasst (siehe Pädagogische Basiskompetenzen und das Professionelle Selbst S. 21).

Der Kompetenzerwerb bzw. die Professionalisierung von Lehrkräften vollzieht sich im Verlauf der Berufsbiographie (siehe Berufsbiografischer BestimmungsansatzS. 14). (Seilfried/Ziegler 2009: 84)

Die nachfolgenden Ausführungen stellen drei für die Bildungswissenschaft prägende Kompetenzmodelle vor. Die einzelnen Standards für die LehrerInnenausbildung (siehe S. 24) greifen auf diese Modelle zurück und nutzen diese Erkenntnisse als Grundlage der eigenen Ausführungen.

Herbart: Der pädagogische Takt

Johann Friedrich Herbart (1776 – 1841) gilt auch über den deutschen Sprachraum hinaus als Mitbegründer der modernen Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin. Bekanntheit und Anerkennung erlangte er mit seinen – schriftlich fixierten – pädagogischen Vorlesungen (1802). Diese sind bis heute zugänglich[1]. Seine Auffassungen zu Lehrerkompetenzen[2] und insbesondere dem Theorie-Praxis-Dilemma bilden aktuell die Grundlage für die von der Kultusministerkonferenz (KMK) (2014) herausgegebenen Standards in der Lehrerbildung (siehe KMK: Standards S.24).

Herbart (1964: 124) unterscheidet die Pädagogik als Wissenschaft von der Kunst der Erziehung:

Was ist der Inhalt einer Wissenschaft? Eine Zusammenordnung von Lehrsätzen, die ein Gedankenganzes ausmachen, die womöglich auseinander als Folgen aus Grundsätzen und als Grundsätze aus Prinzipien hervorgehen. - Was ist eine Kunst? Eine Summe von Fertigkeiten, die sich vereinigen müssen, um einen gewissen Zweck hervorzubringen. Die Wissenschaft also erfordert Ableitung von Lehrsätzen aus ihren Gründen, - philosophisches Denken; die Kunst erfordert stetes Handeln [Hervorhebung im Original], nur den Resultaten jener gemäß.

Als Problem klassifiziert Herbart (1964: 125) die negative Einstellung seitens der Praktizierenden gegenüber der Wissenschaft:

In der Schule der Wissenschaft wird daher für die Praxis immer zugleich zuviel [sic!] und zuwenig [sic!] gelernt, und ebendaher pflegen alle Praktiker in ihren Künsten sich sehr ungern auf eigentliche, gründlich untersuchte Theorie einzulassen; sie lieben es weit mehr, das Gewicht ihrer Erfahrungen und Beobachtungen gegen jene geltend zu machen.

Der pädagogische Takt bildet für Herbart (1964: 126) das Bindeglied zwischen Theorie und Praxis:

Eben weil zu solcher Besonnenheit, zu vollkommener Anwendung der wissenschaftlichen Lehrsätze ein übermenschliches Wesen erfordert werden würde, entsteht unvermeidlich in dem Menschen, wie er ist, aus jeder fortgesetzten Übung eine Handlungsweise, welche zunächst von seinem Gefühl und nur entfernt von seiner Überzeugung abhängt; worin der mehr der inneren Bewegung Luft macht, mehr ausdrückt, wie von außen auf ihn gewirkt sei, mehr seinem Gemütszustand als das Resultat seines Denkens zutage legt. […] [I]ch kehre zu meiner Bemerkung zurück, daß [sic!] unvermeidlich der Takt in die Stellen eintrete, welche die Theorie leer ließ, und so der unmittelbare Regent der Praxis werde.

Zur Hervorbringung des pädagogischen Taktes schlägt Herbart (1964: 129) vor:

Ich werde mich an Ihre Menschenkenntnis und besonders an Ihre Selbstbeobachtung wenden. Darin müssen sich die Resultate einer richtigen Spekulation vorfinden, wenngleich nur dunkel, roh und unbestimmt.

Und nach Herbarts (1964: 127) Verständnis stehen Theorie und Praxis in folgendem Verhältnis zueinander:

Es gibt also - das ist mein Schluß [sic!] - es gibt eine Vorbereitung auf die Kunst durch die Wissenschaft [Hervorhebung im Original], eine Vorbereitung des Verstandes und des Herzens vor [Hervorhebung im Original] Antretung des Geschäfts, vermöge welcher die Erfahrung, die wir nur in der Betreibung [Hervorhebung im Original] des Geschäfts selbst erlangen können, allererst belehrend für uns wird. Im Handeln [Hervorhebung im Original] nur lernt man die Kunst, erlangt man Takt, Fertigkeit, Gewandtheit, Geschicklichkeit; aber selbst im Handeln lernt die Kunst nur der [Hervorhebung im Original], welcher vorher im Denken die Wissenschaft gelernt, sie sich zu eigen gemacht, sich durch sie gestimmt und die künftigen Eindrücke, welche die Erfahrung auf ihn machen sollte, vorbestimmt hatte. Man muß [sic!] daher von der Vorbereitung keineswegs erwarten, daß [sic!] man aus ihren Händen als unfehlbarer Meister der Kunst hervorgehen werde.

Der „gute“ Lehrende und seine Professionalität

In seinem Standardwerk Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität (2009) geht Andreas Helmke[3] der Frage nach, was aus der Forschung über den „guten“ Lehrenden und seine Professionalität bekannt ist. Dabei entwickelt Helmke (2009: 111ff) folgendes mehrdimensionales Kompetenzmodell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kompetenzmodell Helmke (eigene Darstellung)

Unter Sachkompetenz versteht Helmke fachdidaktische, fachwissenschaftliche, pädagogisch-psychologische und entwicklungspsychologische Expertise, welche laut den Standards für die Lehrerbildung in Deutschland (hrsg. KMK) zumindest in ihren Grundzügen alle AbsolventInnen des klassischen Lehramts im Laufe ihres Studiums erworben haben sollten. Unter Expertise versteht Helmke in diesem Zusammenhang ein umfassendes Konzept, welches sowohl methodisches, als auch prozedurales wie auch konzeptionelles Wissen beinhaltet (vgl. Helmke 2009: 111f).

Unterrichtsrelevante Personenmerkmale und -orientierungen sind nach Helmke (2009: 113ff):
- Leistungsmotiv
- Anschlussmotiv
- Machtmotiv
- Engagement
- Humor
- Subjektive Theorien und epistemologische Überzeugungen
- Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstreflexion

Wenig erforscht ist bisher das Streben einer Lehrperson nach Anerkennung ihrer vollbrachten Leistung, da eine klare Rückmeldung zum Stand oder Wachstum der eigenen Fähigkeiten kaum möglich ist. An dieser Stelle sei auf das Kapitel 1.2 Supervision als Professionalisierungsinstrument verwiesen, welches u.a. der Frage nachgeht, wie mithilfe von Supervision einer derartigen Problematik entgegengewirkt werden kann. Demgegenüber spielen das Anschluss- und Machtmotiv seit jeher eine zentrale Rolle in der Forschung, da sowohl Machtausübung seitens der Lehrkraft vermieden werden soll, als auch eine zu enge Bindung zwischen LuL und SchülerInnen (SuS) unerwünscht ist (Anschlussmotiv). Besonders ergiebig ist die Erforschung des teacher ethusiasm. Dabei wird kein Maximum, sondern ein Optimum angestrebt. Eine „gute“ Lehrkraft sollte den Balanceakt zwischen „peinlich und uncool“ sowie „langweilig und öde“ im Unterrichtsgeschehen beherrschen (vgl. Helmke 2009: 114f). Humor als unterrichtsrelevantes Personenmerkmal ist nur schwer fassbar, da seine Wirkung bislang nur wenig erforscht ist. Dennoch legt die Forschung der Positiven Psychologie nahe, dass Humor(-losigkeit) kein stabiles Persönlichkeitsmerkmal darstellt. Erste Humor-Trainingsprogramme zeigen, dass Humor trainierbar und gezielt einsetzbar ist (vgl. Helmke 2009: 118f).

Mit der Bedeutung von Subjektiven Theorien sollten sich Lehrkräfte frühzeitig beschäftigen, da sie nachhaltig das eigene Handeln (beispielsweise die Leistungsbeurteilung) beeinflussen[4]. Unter subjektiven Theorien versteht man Annahmen, Hypothesen und Beobachtungen auf welche sich das handelnde Subjekt stützt und die in Analogie zu wissenschaftlich objektiven Theorien von dem Subjekt als allgemeingültig betrachtet werden. Das Individuum nutzt seine subjektiven Theorien zur alltäglichen Erklärung und Prognose sowohl in Bezug auf sein Handeln, Denken und Fühlen als auch in Bezug auf ichunabhängige Ereignisse in der externen Welt. Epistemologische Überzeugungen hingegen sind Annahmen des Individuums, welche die Struktur des Wissens oder die Struktur der Wissenserzeugung betreffen (vgl. Helmke 2009: 115f). Entscheidend für die Professionalisierung von LuL ist, dass sie Kenntnisse darüber haben, wie ihre persönlichen Wissensaneignungsprozesse verlaufen, da nur auf diese Weise ein kontinuierlicher Lern- und Weiterentwicklungsprozess gewährleistet werden kann.

Zentral – vor allem auch für die in dieser Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung – ist die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstreflexion:

Die Fähigkeit und Bereitschaft, den eigenen Unterricht regelmäßig selbstkritisch zu hinterfragen und verfügbare Methoden und Werkzeuge zur Selbstdiagnose und -verbesserung (beispielsweise Schülerfeedback oder kollegiale Rückmeldung und Supervision bezogen auf den Unterricht oder Messung unterrichtlicher Wirkungen) einzusetzen, ist eine Schlüsselbedingung für die Verbesserung des eigenen Unterrichts und damit ein zentrales und für den nachhaltigen Unterrichtserfolg unabdingbares Merkmal der Lehrperson. (Helmke 2009: 116)

In den USA ist self-reflection in der LehrerInnenkompetenzforschung weit verbreitet. Die Forschung geht im weitesten Sinne zurück auf Donald A. Schön: The Reflective Practitioner – How Professionals think in action (Erstauflage 1983). Schön beschreibt in seinem Werk, welche positiven Auswirkungen eine reflektierende Praxis mit sich bringt und problematisiert gleichzeitig, welche neuen Herausforderungen damit einhergehen:

When someone reflects-in-action, he becomes a researcher in the practice context. He is not dependent on the categories of established theory and technique, but constructs a new theory of the unique case. His inquiry is not limited to a deliberation about means which depends on a prior agreement about ends. He does not keep means and end separate, but defines them interactively as he frames a problematic situation. He does not separate thinking from doing, ratiocinating his way to a decision which he must later convert to action. Because his experimenting is a kind of action, implementation is built into his inquiry. Thus reflection-in-action can proceed, even in situations of uncertainty or uniqueness, because it is not bound by the dichotomies of Technical Rationality. Although reflection-in-action is an extraordinary process, it is not a rare event. Indeed, for some reflective practitioners it is the core of practice. Nevertheless, because professionalism is still mainly identified with technical expertise, reflection-in-action is not generally accepted – even by those who do it – as a legitimate form of professional knowing. Many practitioners, locked into a view of themselves as technical experts, find nothing in the world of practice to occasion reflection. They have become too skillful at techniques of selective inattention, junk categories, and situational control, techniques which they use to preserve the constancy of their knowledge-in-practice. For them, uncertainty is a threat; its admission is a sign of weakness. Others, more inclined toward an adept at reflection-in-action, nevertheless feel profoundly uneasy because they cannot say what they know how to do, cannot justify its quality or rigor. For these reasons, the study of reflection-in-action is critically important. (Schön 1991: 68f)

Auch die unparteiische Non-Profit-Organisation Council of Chief State School Officers (CCSSO) greift bei der Entwicklung ihrer innerhalb der Arbeitsgruppe InTASC (Interstate Teacher Assessment and Support Consortium) entwickelten Standards zur Professionalisierung von Lehrkräften (siehe Seite 27) auf die Ausführungen Schöns zu einer reflexiven Praxis bei Lehrkräften zurück.

Diagnostische Kompetenz ist ein vergleichsweise junges Forschungsfeld der ErziehungswissenschaftlerInnen. Seinen Ursprung nahm die Forschung im Bereich der Pädagogischen Psychologie. Das Wort Diagnose leitet sich aus dem Griechischen diagnosis ab und bedeutet so viel wie „auseinanderhalten/ unterscheiden“. Geurteilt wird anhand vorgegebener Kategorien, Begriffe oder Konzepte. Diagnosen sind demnach Schlussfolgerungen, denen präzise und begründete Fragestellungen vorausgehen. Diagnoseleistungen können sowohl formaler (diagnostische Wissensbasis vorausgesetzt) als auch informeller (implizite, subjektive und alltägliche Urteile, Einschätzungen oder Erwartungen) Art sein (vgl. Helmke 2009: 119ff). Die pädagogische Bedeutung von diagnostischer Expertise wurde lange Zeit unterschätzt: Eine Lehrkraft vollbringt täglich mehrfach sowohl implizite wie auch explizite diagnostische Leistungen. Als Experten für das Lernen nehmen sie in der Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert ein, was die KMK auch in den Standards für die Lehrerbildung (siehe hierzu auch S. 24ff) festgehalten hat. In der Psychotherapie müssen diagnostische Urteile den psychometrischen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität entsprechen. Für LuL ist eine permanente Überprüfung einer ungefähren Diagnose ausreichend, wenn sich die LuL über Ungenauigkeiten, Vorläufigkeiten und die Revisionsbedürftigkeit ihrer Urteile bewusst sind. Bislang lässt sich auch kein linearer Zusammenhang zwischen Lernerfolg und diagnostischer Kompetenz erkennen, wenngleich diagnostische Expertise als Katalysatorvariable beschrieben wird (vgl. Helmke 2009: 124ff). Die Dimensionen diagnostischer LehrerInnenurteile sind ebenso mehrdimensional wie das gesamte Kompetenzmodell:

- Person- vs. Aufgabenmerkmal
- Fachlicher oder überfachlicher Bezug
- Ebene (Individuum vs. Klasse)
- Status vs. Potential
- Selbst- vs. Fremddiagnose
- Bezugsnormen des diagnostischen Urteils

(vgl. Helmke 2009: 132ff)

Die Ergebnisse der in 2001 von der KMK in Auftrag gegebenen DESI-Videostudie[5] (durchgeführt 2003/ 2004) bestätigen, was ForscherInnen schon länger vermutet haben: Es besteht eine große Kluft zwischen der Selbsteinschätzung der diagnostischen Expertise bei den LuL und der Realität. In einem LehrerInnen- bzw. SchülerInnen-Fragebogen wurden einzelne LehrerInnenkompetenzen von beiden Parteien eingeschätzt. Dabei war die Selbstwahrnehmung der LuL häufig weit von der Fremdwahrnehmung durch die SuS entfernt. Die Differenz streute darüber hinaus stark in beide Richtungen, was einer Über- bzw. Unterschätzung der einzelnen Kompetenzen durch die LuL entspricht (vgl. Wagner et al. 2009: 185ff, WWW-Veröffentlichung).

Pädagogische Basiskompetenzen und das Professionelle Selbst

Karl-Oswald Bauer hat ein Kompetenzmodell zum professionellen pädagogischen Handeln entwickelt, bei dem das Individuum (Selbst) den Kern der Professionalisierung darstellt. Von ihm gehen aber nicht nur die Handlungen aus, sondern auf das Selbst wirken auch externe Faktoren ein (siehe Abbildung 2):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Modell des Professionellen Selbst (Bauer et al. 1996: 97)

Nach Bauer (1996: 15) handelt eine Person pädagogisch professionell,

[…] die gezielt ein berufliches Selbst aufbaut, das sich an berufstypischen Werten orientiert, sich eines umfassenden pädagogischen Handlungsrepertoires zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben sicher ist, sich mit sich und anderen Angehörigen der Berufsgruppe Pädagogen in einer nicht-alltäglichen Berufssprache verständigt, ihre Handlungen unter Bezug auf eine Berufswissenschaft begründen kann und persönlich die Verantwortung für Handlungsfolgen in ihrem Einflußbereich [sic!] übernimmt.

Die Handlungskompetenz von LuL wird zudem von einer Dreiteilung bestimmt: Fachliche Kompetenz, fachdidaktische Kompetenz und überfachliche pädagogische Basiskompetenzen. Zu den überfachlichen pädagogischen Basiskompetenzen zählen laut Bauer (2005: 20ff):

- Ziele klären und Inhalte strukturieren
- Soziale Strukturen bilden
- Interaktion steuern
- Kommunizieren und Informieren
- Lernumgebung gestalten
- Hintergrundarbeit leisten (Planen und Organisieren)

- Rolle klären
- Planen
- Organisieren
- Zeitmanagement
- Von Sorgen lösen
- Archivieren
- Schriftliche Leistungen bewerten
- Evaluieren
- Subjektive Theorien prüfen
- Karriere planen

Diese Dreiteilung liegt auch dem Lehramtsstudium der Universität Kassel zugrunde, geht aber seit Einführung des Kompaktseminar „Personale Basiskompetenzen für den Lehrerberuf“ (2008) als verpflichtenden Bestandteil der LehrerInnenausbildung noch darüber hinaus. Nicht allen angehenden Lehrkräften gelingt es, die für den Lehrberuf notwendigen Kompetenzen und Ressourcen zu entwickeln, die benötigt werden, um mit den beruflichen Aufgaben und Anforderungen angemessen umgehen zu können (vgl. Nolle 2013: 11f).

Ein Teil der Studienanfänger, die ein Lehramtsstudium aufnehmen, verfügt über ungünstige motivationale und persönliche Voraussetzungen für den Umgang mit den Anforderungen ihres späteren Berufs. Die Folge sind teils Studienabbrüche, teils ein Scheitern in der 2. Phase der Lehramtsausbildung oder der Berufseingangsphase oder im späteren Berufsverlauf vorzeitige Pensionierung aufgrund gesundheitsbedingter Dienstunfähigkeit. (Nolle 2013: 11)

Im Fokus des Seminars, welches 2008 mit dem ersten Preis des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst für Exzellenz in der Lehre [6] ausgezeichnet wurde, steht der Erwerb psychosozialer Kompetenzen und die Stärkung der personalen Ressourcen anhand von Lernsituationen.

Die Unterschiede in der Beteiligung an den Lernsituationen und die Nutzung der kollegialen Rückmeldung im Rahmen des [Seminars] […] wurden […] als Hinweis auf eine unterschiedlich ausgeprägte Haltung aufgefasst, die als Lernorientierung [Hervorhebung im Original] bezeichnet wird. Lernorientierung beschreibt eine spezifische Haltung einer Person ihren Entwicklungsmöglichkeiten und-zielen gegenüber. Diese Haltung umfasst die Annahme, dass das, was eine Person als ihre Persönlichkeit bezeichnet, veränderbar ist und dass sich ihre Kompetenzen, Begabungen und ihre Intelligenz steigern lassen. Dies führt zu Offenheit für Situationen, die die Möglichkeit zur Selbsterprobung bieten und Erkenntnisse über sich selbst zulassen und damit persönliche Weiterentwicklung fördern. Personen mit hoher Lernorientierung nehmen soziale Interaktionssituationen als Lernmöglichkeiten wahr und nutzen diese zur Selbsterprobung und zur Aneignung neuer Erfahrungen und Kompetenzen, sie sind eigenen Fehlern gegenüber tolerant, sie holen aktiv Feedback zu ihrem eigenen Handeln, Verhalten und ihrer sozialen Wirkung ein und verwenden dieses Feedback zur Optimierung zukünftigen Verhaltens. (Nolle 2013: 15)

Die Besonderheit des Seminars besteht in der Fokussierung auf die Persönlichkeit des Einzelnen. Der Aufbau eines Professionellen Selbst – wie es Bauer nennt – beginnt mithilfe des Seminars schon vor den ersten Schulpraktischen Studien, sodass angehende Lehrkräfte bereits auf die Notwendigkeit einer reflexiven Praxis, die ggf. eine professionelle Beratung erfordert, hingewiesen werden. Sie sammeln zudem erste Erfahrungen im Bereich der kollegialen Hospitation sowie der Supervision.

1.1.2 Standards für die LehrerInnenausbildung

In Deutschland hat die Kultusministerkonferenz als Folge auf den sogenannten PISA-Schock [7] Standards für die Lehrerbildung erarbeitet. Aber nicht nur in Deutschland haben sich Standards durchgesetzt, deren Ziel neben der Vereinheitlichung der LehrerInnenausbildung auch die Professionalisierung von Lehrkräften anstrebt. Diese Standards beruhen im Wesentlichen auf den Erkenntnissen aus der Kompetenzforschung.

KMK: Standards für die Lehrerbildung

In Deutschland wird die Ausbildung von Lehrkräften aller Schularten durch Landesrecht geregelt. Zuständig für die Lehrkräfteausbildung sind die jeweiligen Kultus- und Wissenschaftsministerien der Länder. Mittels Studien-, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen bzw. entsprechenden rechtlichen Vorgaben werden die Ausbildungen strukturiert. Seit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge, die den Zugang zum Vorbereitungsdienst ermöglichen, werden die Studien- und Prüfungsordnungen auf Basis staatlicher Vorgaben von den Hochschulen erstellt. In Bundesländern, in welchen nach wie vor die Erste und Zweite Staatsprüfung abgelegt werden, werden diese durch staatliche Prüfungsämter und -kommissionen organisiert. Neben den strukturellen Veränderungen durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen (staatlich betreute Akkreditierungsverfahren), sind die Länder seit mehreren Jahren bemüht, die Lehrerbildung weiterhin zu reformieren:

- Stärkere Praxisorientierung
- Bessere Verzahnung der einzelnen Ausbildungsphasen
- Stärkere Unterstützung in der Berufseingangsphase
- Verbesserung der diagnostischen und methodischen Kompetenzen der Lehrkräfte

(vgl. Kultusministerkonferenz 2016, WWW-Veröffentlichung)

Mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004 und in der Folge vom 12.06.2014 wurden die Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften obligatorisch für die Lehrkräfteausbildung in Deutschland. Ziel ist es, mittels dieser Standards langfristig die Qualität schulischer Bildung zu sichern. Dabei beschreiben die Standards Anforderungen an das Handeln von Lehrkräften:

Sie beziehen sich auf Kompetenzen und somit auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen verfügt. Dabei schließt berufliches Handeln auch die Kompetenz zu kollegialer Zusammenarbeit und zur Kooperation mit anderen Professionen und Einrichtungen ein. Aus den angestrebten Kompetenzen ergeben sich Anforderungen für die gesamte Ausbildung und die Berufspraxis. (Kultusministerkonferenz 2014a: 4, WWW-Veröffentlichung)

Es werden vier Kompetenzbereiche unterschieden, denen jeweils Standards für den theoretischen Ausbildungsabschnitt (Hochschule) sowie den praktischen Ausbildungsabschnitt (Vorbereitungsdienst) zugeordnet werden. Die Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren gliedern sich jeweils in weitere Einzelkompetenzen – insgesamt werden elf Kompetenzen und die dazugehörigen Standards aufgeführt.

Für diese Arbeit ist der Kompetenzbereich Innovieren von besonderer Relevanz, da hier die Professionalisierung von Lehrkräften vordergründig ist. Als Grundlage der empirischen Untersuchung wurden vor allem die Kompetenzen 9 und 10 herangezogen, wobei den grauhinterlegten Standardbeschreibungen im Aufbau der empirischen Untersuchung eine zentrale Rolle zukam (siehe Empirische Untersuchung S. 66):

Tabelle 1: Kompetenz 9 (KMK)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[8]

Tabelle 2: Kompetenz 10 (KMK)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[9]

InTASC: Teaching Standards and Learning Progressions for Teachers

In den Vereinigten Staaten ist das Schulsystem aufgrund der föderalistischen Staatsform eine Angelegenheit der Bundesstaaten. Grundlegende Entscheidungen werden sogar auf lokaler Ebene der Schulbezirke getroffen. Somit besteht eine große Vielfalt von Regelungen, welche durch das große Netz an privaten Schulen noch verstärkt wird. Privatschulen unterliegen in den USA wenigen staatlichen Regelungen (vgl. Hanewinkel 2015, WWW-Veröffentlichung). Wer in den USA LehrerIn werden möchte, benötigt zumeist einen Bachelorabschluss und eine Weiterqualifizierung in einem anerkannten LehrerInnenausbildungsprogramm (siehe hierzu die Partnerorganisationen[10] der InTASC beispielsweise The National Board for Professional Teaching Standards). Bisher richteten sich die Standards vor allem an LuL in der Berufseinstiegsphase. Nun strebt die InTASC an, dass sich zukünftig immer mehr Ausbildungsinstitutionen an den von ihnen entwickelten Standards und Lernentwicklungsbeschreibungen orientieren, um eine einheitliche Qualität der LehrerInnenbildung (Stichwort: Professionalisierung) bundesstaatenübergreifend sicherstellen zu können.

Die INTASC’s Model Standards for Beginning Teacher Licensing and Development: A Resource for State Dialogue erschienen zum ersten Mal 1992. Seither wurden diese mehrfach überarbeitet und aktualisiert. Zuletzt sind in 2013 die InTASC Model Core Teaching Standards: A Resource for State Dialogue in Kombination mit den InTASC Learning Progressions for Teachers 1.0: A Resource for Ongoing Teacher Development erschienen.

Die Standards sind in vier Kompetenzbereiche unterteilt: The Learner and Learning, Content, Instructional Practice und Professional Responsibility. Insgesamt werden zehn Kompetenzen beschrieben. Die Erweiterung der Standards um die Komponente der Lernentwicklung bei LuL macht es möglich, die steigende Komplexität und Erfahrenheit beim praktischen Lehren präziser zu beschreiben. Dafür wurden für jeden Kompetenzbereich drei Entwicklungslevel formuliert, welche noch zusätzlich mit Beispielen versehen wurden (vgl. Council of Chief State School Officers 2013: 10f, WWW-Veröffentlichung).

Den Entwicklungsbeschreibungen (progressions) liegen folgende Annahmen zugrunde:

- Learning and teaching are complex.
- Teaching expertise can be learned, develops over time, and is not linear.
- Growth can occur through reflection upon experience, feedback, or individual or group professional learning experience.
- Development depends on context, particularly levels of support.
- It’s about the teaching practice and not about the individual teacher.

(Council of Chief State School Officers 2013: 11f, WWW-Veröffentlichung)

Die InTAS-Arbeitsgruppe (2013: 7, WWW-Veröffentlichung) sieht drei Funktionen, welche Standards erfüllen können:

- First, they can serve as a ‘banner‘, announcing a big picture vision of where we want to go.
- Second, they can define a specific ‘bar’ or level of performance that must be met.
- Third, they can articulate the ‘opportunity to learn’ supports that must be in place to ensure a teacher has opportunity to meet the standards.

Die InTASC Model Core Teaching Standards „are the banner in that their purpose is to describe a new vision of teaching to which we aspire as we work to transform our education system to meet the need of today’s learners.” (Council of Chief State School Officers 2013: 7, WWW-Veröffentlichung)

[...]


[1] Dem geneigten Lesenden empfiehlt sich auch die Lektüre des zweiten Bandes der Pädagogischen Schriften: Pädagogische Grundschriften von J. F. Herbart (hrsg. 1965 von Walter Asmus).

[2] Frauen studierten zu jener Zeit eher selten und wurden in der Regel auch nicht im Lehrberuf akzeptiert. Deshalb an dieser Stelle die ausschließlich männliche Form.

[3] Professor für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Koblenz-Landau.

[4] Erstaunliche Ergebnisse brachte die TIMS-Studie (2007): Dabei konnte ein Zusammenhang festgestellt werden zwischen den subjektiven Theorien jener LuL, die in Bezug auf Leistungen von Mädchen im Mathematikunterricht eher von schlechteren Leistungen ausgingen und den tatsächlich erbrachten (im Vergleich zu den Jungen) schlechteren Leistungen dieser getesteten Mädchen.

[5] Deutsch Englisch Schülerleistungen International (DESI): Große nationale Videostudie zur Erfassung der sprachlichen SchülerInnenleistungen in Deutsch und Englisch als Ergänzung der PISA-Studie. Entwickelt und durchgeführt vom Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF).

[6] Zur Vergabe des Preises werden folgende Auswahlkriterien herangezogen: Die Lehrqualität ist exzellent. Das Engagement für gute Lehre ist nachhaltig und erfolgreich. Das Lehrprojekt ist übertragbar und praxisnah. Es gelingt, die Herstellung des Bezugs von der Lehre zur Forschung sowie interdisziplinärer Bezüge. Die Didaktik und damit der Lernerfolg der Studierenden stehen im Mittelpunkt. Es wird kontinuierliche Verbesserung auf Basis von Evaluation angestrebt. Die Lehre zielt auf den Erwerb von Schlüsselkompetenzen ab. (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst 2016, WWW-Veröffentlichung)

[7] Die an der ersten PISA-Studie (2000) teilnehmenden SuS erzielten unterdurchschnittliche Ergebnisse. Dies führte in der Folge zu mehreren Schulreformen (hierzu gehört auch die Einführung der Standards für die Lehrerbildung), da die Qualität des deutschen Bildungssystems stark in Frage gestellt wurde.

[8] Kultusministerkonferenz 2014a: 13, WWW-Veröffentlichung

[9] Kultusministerkonferenz 2014a: 13, WWW-Veröffentlichung

[10] Council of Chief State School Officers 2013: 2, WWW-Veröffentlichung

Final del extracto de 101 páginas

Detalles

Título
Supervision und pädagogische Professionalität bei DaFZ-Lehrkräften
Subtítulo
Eine empirische Untersuchung der DaFZ-Studiengänge in Deutschland
Universidad
University of Kassel
Calificación
1,7
Autor
Año
2016
Páginas
101
No. de catálogo
V369949
ISBN (Ebook)
9783668508729
ISBN (Libro)
9783960951056
Tamaño de fichero
2471 KB
Idioma
Alemán
Notas
Das Mastermodul wurde insgesamt mit 1,52 bewertet, da die Präsentation und anschließende Diskussion der Arbeit mit 1,0 bewertet wurde.
Palabras clave
Supervision, DaFZ, Germanistik, Deutsch als Fremdsprache, Lehrerbildung, Lehrkräfte, Coaching, Professionalisierung, Deutsch als Zweitsprache, Beratung, Hochschule, Studiengänge, Reflexivität
Citar trabajo
Jacqueline Gerland (Autor), 2016, Supervision und pädagogische Professionalität bei DaFZ-Lehrkräften, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369949

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