Diese Arbeit widmet sich der Frage, warum das Konzept von Tradition und Moderne im Fall der Medizin Japans unangebracht ist und de facto fälschlich benutzt wird. Um den nötigen geschichtlichen Hintergrund zur Beantwortung dieser Frage zu liefern, werden zunächst die Wurzeln der Kanpō-Medizin, der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), erläutert und wichtige Merkmale herausgearbeitet, die für die späteren Entwicklungen von Bedeutung sind.
In Japan koexistieren zwei Medizinsysteme scheinbar friedlich: das Medizinsystem nach westlichem Vorbild und das ältere, die Kanpō-Medizin. Ersteres gelangte über holländische Handelsschiffe im 18. Jahrhundert nach Japan und wurde zunächst für das japanische Militär eingesetzt. Letzteres wurde im 6. Jahrhundert von chinesischen Mönchen über Korea nach Japan gebracht und von dort an gelehrt und verbreitet. Aus diesen chinesischen Wurzeln entwickelte sich eine eigene, japanische Form. Man spricht von einer Medizin die aus der traditionellen chinesischen Medizin abgeleitet ist. Es liegt daher nahe von einer traditionellen und einer modernen Medizin in Japan zu sprechen.
Grundsätzlich wird der Gegensatz „Tradition und Moderne“ für Diskussionen über das Thema Japan häufig angesprochen und benutzt, um die Exotik des Landes fassen zu können. Bilder aus japanischen Großstädten auf denen neben kleinen, schintoistischen Schreinen hochmoderne Wolkenkratzer emporragen, sind die typischen Motive, die für „Tradition und Moderne“ Japans erscheinen. Doch dieses bekannte und inflationär gebrauchte Stereotypenpaar, ist in sich schon äußerst problematisch, da viele vermeintliche Traditionen gerade mal so alt sind, wie ihr modernes Gegenstück. Genauso trügerisch ist es im Fall der Medizin in Japan.
Sie erscheint nur auf den ersten Blick als harmonisches Bild von traditioneller und moderner Medizin. Dass in Wirklichkeit beide Seiten einschneidende Momente durchschritten haben, die durch die historisch einzigartigen Umstände der Landesabschließung und deren Folgen zu begründen sind, fällt erst bei näherer Betrachtung auf. Ebenso sind die heutigen Formen und Praktiken beider Richtungen nicht mehr mit ihren Anfängen zu vergleichen. Dies lässt sich nicht nur für Japan, sondern generell für die Situation der Medizin weltweit sagen, was allein schon Grund genug wäre, die gegensätzliche Japan-Kategorisierung mit Skepsis zu betrachten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorgeschichte
- Medizin in der Edo-Zeit
- Die Kanpō-Medizin im abgeschlossenen Feudalsystem
- Die Rezeption der westlichen Medizin in Edo-Japan
- Die Landesöffnung
- Die Modernisierung der Medizin zur Meiji-Zeit
- Nationalismus und Medizin im Japan des 20. Jahrhunderts
- Nachkriegszeit bis Gegenwart
- „Tradition und Moderne“?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Frage, warum das Konzept von Tradition und Moderne im Fall der Medizin Japans unangebracht ist und de facto fälschlich benutzt wird. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Medizin in Japan, insbesondere die Koexistenz der Kanpō-Medizin und der westlichen Medizin, und analysiert die Einflüsse, die diese beiden Medizinsysteme aufeinander hatten. Die Arbeit verfolgt dabei das Ziel, die komplexen Wechselwirkungen zwischen Tradition und Moderne im Kontext der japanischen Medizin aufzuzeigen und zu verdeutlichen, dass eine einfache Dichotomie von „traditionell“ und „modern“ die Realität nicht angemessen widerspiegelt.
- Die Entwicklung der Kanpō-Medizin in Japan
- Die Einführung und Verbreitung der westlichen Medizin in Japan
- Die Rolle der Landesabschließung und der Landesöffnung für die Entwicklung der japanischen Medizin
- Die Einflüsse von Nationalismus und Modernisierung auf die Medizin in Japan
- Die gegenwärtige Situation der Medizin in Japan und die Frage, wie sich Tradition und Moderne im Kontext der japanischen Medizin miteinander verbinden
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die zentrale Forschungsfrage der Arbeit vor. Die Vorgeschichte beleuchtet die Entwicklung der Kanpō-Medizin in Japan, die aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) hervorging. Das Kapitel „Medizin in der Edo-Zeit“ untersucht die Kanpō-Medizin im abgeschlossenen Feudalsystem, die Rezeption der westlichen Medizin in Edo-Japan und die Auswirkungen der Landesöffnung auf die japanische Medizin. Das Kapitel „Die Modernisierung der Medizin zur Meiji-Zeit“ beschreibt die Veränderungen, die die japanische Medizin im Zuge der Meiji-Restauration erlebte. Das Kapitel „Nationalismus und Medizin im Japan des 20. Jahrhunderts“ analysiert die Rolle der Medizin im Kontext des japanischen Nationalismus und Imperialismus. Die Nachkriegszeit bis Gegenwart beleuchtet die Entwicklung der japanischen Medizin nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Kapitel „„Tradition und Moderne“?“ diskutiert die Frage, wie sich Tradition und Moderne im Kontext der japanischen Medizin miteinander verbinden lassen und warum eine einfache Dichotomie von „traditionell“ und „modern“ die Realität nicht angemessen widerspiegelt.
Schlüsselwörter
Kanpō-Medizin, traditionelle chinesische Medizin (TCM), westliche Medizin, Landesabschließung, Landesöffnung, Modernisierung, Nationalismus, Imperialismus, Tradition, Moderne, Japan
- Arbeit zitieren
- Desiree Richter (Autor:in), 2016, "Traditionelle" und "Moderne" Medizin im "aufgeklärten" Japan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369968