Die #unibrennt-Bewegung. Diffusion einer Protestwelle in Wien und Augsburg


Magisterarbeit, 2014

197 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Dank
Erleichtert sinke auf meinem Schreibtischstuhl nieder, hangle mich noch ein letztes Mal
von Absatz zu Absatz, von einem Satz zum nächsten, von Fußnote zu Fußnote und bald
wird es soweit sein, dass auch das letzte Wort ein letztes Mal gelesen ward und diese
Arbeit sich fertig nennen kann.
1
Dies hätte ich jedoch nicht ohne die Hilfe und Unterstützung einiger Personen geschafft,
denen ich an dieser Stelle daher noch einige dankende Worte widmen möchte.
Danken möchte ich dabei an erster Stelle Herrn Prof. Dr. Günther Kronenbitter, für das
große Interesse und die Unterstützung, die Sie mir jederzeit bei dieser Arbeit
entgegenbrachten. Danke für die unterstützende Betreuung und das Vertrauen in mich!
Danken möchte ich ganz besonders auch Frau Dr. Margaretha Schweiger-Wilhelm,
durch die ich nicht nur die Schweiz und die Ethnologie im Laufe meines Studiums
kennen und lieben lernen durfte, sondern durch die ich letztlich auch erst auf dieses
Thema gestoßen bin. Danke an dieser Stelle für das überaus spannende und für mich
sehr gewinnbringende Seminar ,,Von der Friedensbewegung bis zu Occupy. Protest
interdisziplinär gedacht" sowie für die zahlreichen schönen, lehrreichen und überaus
unterhaltsamen Stunden in Sion und an der Uni!
Ferner möchte ich mich aber auch bei all meinen Freunden und Bekannten bedanken,
die ihr an mich geglaubt habt und mich bei meinem Endspurt auf der Zielgeraden
tatkräftig unterstützt und begleitet habt sowie mich in den entscheidenden Momenten
immer wieder aus meiner Studierstube herauslocktet und mich bei Kaffee, Bier und
Wein auf andere Gedanken brachtet.
Ein großer Dank gilt dabei Vroni, die du bis zur letzten Sekunde immer um mein Wohl
besorgt warst und mir in den entscheidenden Momenten mit dem Auffüllen meiner
leeren Kaffee- und Schokoladentanks sowie deiner ganz wunderbaren Art in jeglicher
Weise weitergeholfen hast. Danke Hasi 1!
1
Frei nach Patrick Süskind, Amnesie in litteris

Danke auch an die drei Fragezeichen, die ihr mir in den letzten Wochen und Monaten
ein treuer Begleiter wurdet und mein Leben um einiges erträglicher gemacht habt.
Ganz besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle dabei dem nießnere aussprechen, der
du mir in den letzten Wochen und Monate doch ein treuer und, wenn es nicht gerade um
die ein oder andere Formulierung ging, auch nie protestierender Wegbegleiter geworden
bist. Egal ob es darum ging, noch einen Kaffee oder ein Feierabendbier trinken zu
gehen, bis tief in die Nacht über die zentralen Fragen meiner Arbeit zu diskutieren oder
meine Arbeit Korrektur zu lesen. Durch die vielen bisweilen sehr unterhaltsamen
Gespräche und dein permanentes mir an die Stirn tippen, hast du mir immer wieder
neue Impulse und Ideen für die Arbeit gegeben. Muchas gracias per todo!
Großer Dank gilt natürlich Michi und Felix, nicht nur für eure konstruktive Kritik,
sondern auch für die schöne Zeit an der Uni mit euch und dass ihr immer an mich
geglaubt habt!
Weiter möchte ich mich bei all meinen Gesprächspartnern bedanken für das Interesse
und die große Erzählfreudigkeit, die Ihr mir entgegengebracht habt. Ohne Euch und
Eure Geschichten und Erzählungen wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen! Danke!!
Nicht zuletzt möchte ich mich natürlich auch noch bei meinen Eltern bedanken, die
mich all die Jahre und überaus zahlreichen Semester unterstützt haben und stets
Verständnis dafür aufbrachten, als ich lieber den besetzten Hörsaal I aufsuchte als in
Seminare zu gehen oder mich über Jahre hinweg mehr der Hochschulpolitik und dem
Augschburger Kulturleben widmete als dem Schreiben der ein oder anderen noch
fehlenden Hausarbeit. Danke für Eure Geduld und Unterstützung!

Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ... 1
1.1
Zielsetzung der Arbeit ... 4
1.2
Aktueller Forschungsstand ... 6
1.3
Aufbau und Methodik der Arbeit ... 10
1.4
Mittendrin und live dabei: Zur Verortung der persönlichen Rolle während der
Proteste ... 13
2
Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen
und Protestereignissen ... 16
2.1
Aufstand, Protest, Bewegung
­ Merkmale und Definitionen einiger
Phänomene ... 17
2.1.1
Protest ... 18
2.1.2
Soziale Bewegung ... 21
2.1.3
Protestwelle ... 26
2.1.4
Studierendenproteste 2009
­ Aufstand, Protest, Bewegung? Zur Klärung
des Forschungsgegenstandes ... 27
2.2
Proteste und Bewegungen
­ Neuer Forschungsgegenstand der ethnologischen
Alltagskulturforschung? ... 29
2.3
Methoden zur Analyse von Protestereignissen und Protestbewegungen ... 31
2.3.1
Framing-Ansatz ... 32
2.3.2
Collective-Identity-Ansatz... 35
2.3.3
Diffusionsmodell von McAdam und Rucht ... 37
3
Empirischer Teil ... 41
3.1
Darstellung der Forschungsmethode ... 42
3.1.1
Das 'ero-epische' Gespräch ... 44
3.1.2
Sampling ... 46
3.1.3
Vorgehen ... 48

3.2
Auswertung der Gespräche ... 50
4
Studierendenproteste von 2009
­ Diffusion einer Protestwelle ... 55
4.1
Dort wo alles begann: Studierendenproteste in Österreich am Beispiel der
Universität Wien ... 56
4.1.1
Vom Aufstand der Akademie der Bildenden Künste zur Hörsaalbesetzung
der Universität Wien
­ Verlauf der Besetzung ... 56
4.1.2
Struktur und Organisation der Besetzung ... 61
4.1.3
Forderungen der Protestierenden ... 63
4.1.4
Reaktionen ... 64
4.2
Studierendenproteste in Deutschland am Beispiel der Universität Augsburg . 67
4.2.1
Gegen Leistungsdruck und Studiengebühren
­ Hintergründe zum
Bildungsstreik 2009 in Deutschland ... 68
4.2.2
Verlauf der Besetzung ... 70
4.2.3
Struktur und Organisation der Besetzung ... 78
4.2.4
Forderungen der Protestierenden ... 83
4.2.5
Motive und Beweggründe der Protestierenden ... 84
4.2.6
Reaktionen ... 87
4.2.7
Folgen und Ergebnisse ... 89
4.3
Analyse der Diffusion zwischen Wien und Augsburg ... 93
4.3.1
Feststellung von Gemeinsamkeiten ... 94
4.3.2
Analyse von Diffusionswegen ... 96
4.3.3
Zeitliche Abfolge unter Berücksichtigung des politischen und kulturellen
Kontextes ... 98
4.4
Conclusio ... 99
5
Fazit ... 102

Einleitung
1
1 Einleitung
Occupy, Arabellion oder globalisierungskritische Bewegungen
­ kaum ein Thema
bestimmt unsere Medien- und Kulturlandschaft, unseren Alltag, unsere Gesellschaft, in
den letzten Jahren so sehr, wie die sozialen und globalisierungskritischen Proteste und
Bewegungen der jüngsten Vergangenheit. Die Welt begehrt auf und protestiert wieder
oder wie Philipp
Gassert in einem kürzlich erschienen Aufsatz schreibt ,,Protest ist ins
Gerede gekommen."
2
Von New York über Spanien bis nach Frankfurt, von Kairo über
Teheran bis nach Istanbul, von Bangkok bis Kiew besetzen Bürgerinnen und Bürger
öffentliche Plätze oder Parkanlagen, gehen auf die Straße und protestieren für mehr
Freiheit und Demokratie in ihren Gesellschaften. Doch nicht nur in den USA, Ägypten,
der Türkei oder in Spanien begehren Leute, darunter vor allem Jugendliche und
Studierende, seit mehreren Jahren wieder auf
. Auch hierzulande ,,stehen die Menschen
seit 2009 wieder verstärkt öffentlich für ihre Interessen ein und bringen Protest
medienwirksam auf die Straße."
3
Der als eher protestfaul bekannte Deutsche wandelt
sich
neuerdings zunehmend zum selbstbewussten, kämpferischen ,,Wutbürger"
4
der
Nation, der nicht nur gegen Stuttgart21 auf die Straße geht. Auch die wachsende
Ökonomisierung der Wirtschaft und Gesellschaft, der zunehmende Kapitalismus sowie
der Bau von neuen Windrädern oder die Abschiebung von Flüchtlingen und
Asylbewerbern treiben ihn wieder auf die Straße. Man kann Peter Ullrich in diesem
Sinne nur zustimmen, wenn er in seinem jüngst erschienenen Aufsatz über die
Protestforschung schreibt, dass wir tatsächlich wieder in einer 'Bewegungsgesellschaft'
2
Gassert, Philipp: Warum Protest und Streit Gemeinsamkeit schaffen: Für eine stabile parlamentarische
Demokratie bedarf es einer außerparlamentarischen Protestkultur.
In: Köster, Timo/Rother, Mona:
Niemand hat das Recht zu gehorchen. Rahmenprogramm Augsburger Hohes Friedensfest 2013
.
Augsburg 2013. S.73.
3
Rudolf, René: Protest-Bewegung-Umbruch. Von der Stellvertreter- zur Beteiligungsdemokratie. In:
Bischoff, Ringo/Leiderer Eric/Rudolf René (Hrsg.): Protest-Bewegung-Umbruch. Von der Stellvertreter-
zur Beteiligungsdemokratie.
Hamburg 2011. S.7.
4
Vgl. Definition nach Kurbjuweit, Dirk, Der Wutbürger
, 11.10.2010 ,,Er bricht mit der bürgerlichen
Tradition, dass zur politischen Mitte auch eine innere Mitte gehört, also Gelassenheit, Contenance. Der
Wutbürger buht, schreit, hasst. Er ist konservativ, wohlhabend und nicht mehr jung. Früher war er
staatstragend, jetzt ist er zutiefst empört über die Politiker. Er zeigt sich bei Veranstaltungen mit Thilo
Sarrazin und bei Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21." Online unter
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-74184564.html
(01.12.2013).

Einleitung
2
leben.
5
,,Soziale Bewegungen haben sich weltweit als einflussreiche politische Akteure
zurückgemeldet und sind zu einer Institution in der globalisierten Welt geworden"
6
.
Doch nicht nur dort, auch in der Protest- und Bewegungsforschung haben sich die
sozialen Bewegungen zurückgemeldet und rücken immer mehr in den Fokus aktueller
Forschungsergebnisse.
Außen vor und weitgehend unbeachtet von der Forschung blieben dabei bislang jedoch
die Studierendenproteste von 2009, bekannt auch unter dem Namen #unibrennt-
Bewegung, denen ich mich in der vorliegenden Arbeit widmen möchte. Aus
ethnologisch-kulturwissenschaftlicher Perspektive möchte ich mich daher erstmals
diesem Phänomen nähern, das über zwei Monate den universitären Alltag nicht nur
zahlreicher Studierender auf den Kopf stellte, sondern auch meine Studienlaufbahn
maßgeblich beeinflusst hat. Ich, die selbst bei den Protesten an der Universität
Augsburg mit dabei war, möchte mit dieser Arbeit daher eine dichte, ethnographische
Beschreibung der damaligen Besetzungen in Wien und in Augsburg vornehmen und am
Beispiel dieser beiden Universitäten aufzeigen, wie der Funke des Protests von
Österreich nach Deutschland überspringen und die Protestwelle sich verbreiten konnte.
Missstände in der Bildungspolitik, Unterfinanzierung von Schulen und Universitäten
sowie ein immer größer werdender Leistungsdruck brachten in jüngster Vergangenheit
auch erstmals wieder vermehrt Schülerinnen, Schüler und Studierende auf die Straße.
Unter dem Motto ,,Education is not for sale" demonstrierten im Herbst 2009 bundes-
und europaweit tausende von Schülerinnen, Schülern und Studierenden und forderten
mit ihren Protesten einen freien Bildungszugang sowie eine grundlegende Reform des
Bildungssystems und des Bologna-Prozesses.
Ausgangspunkt der ganzen Proteste war Wien. Dort brachten am 20. Oktober 2009
Studierende der Akademie der Bildenden Künste ihren Unmut über die anstehende
Umstellung der Studiengänge auf das internationale Bachelor-Master-System lautstark
zum Ausdruck und besetzten die Aula des Gebäudes. Wenige Tage später breitete sich
der Protest nach einer Demonstration weiter auf die Universität Wien aus, wo der größte
Hörsaal des Landes, das Audimax, ebenfalls von hunderten Studierenden besetzt wurde.
5
Ullrich,
Peter:
Die
Wissenschaft
vom
Protest
24.11.2012.
Online
unter:
http://protestinstitut.eu/2012/11/26/die-wissenschaft-vom-protest/
(21.12.2013).
6
Roth, Roland: Occupy und Acampada: Vorboten einer neuen Protestgeneration? Online unter:
http://www.bpb.de/apuz/138286/vorboten-einer-neuen-protestgeneration
(21.12.2013).

Einleitung
3
Von Wien, dem Kopf und Epizentrum der Studierendenproteste, griff das Feuer der
Proteste und Hörsaalbesetzungen im Laufe des Herbstes neben Frankreich und der
Schweiz v.a. auch auf zahlreiche Städte in Deutschland über, bis es am 17. November
2009 schließlich auch in Augsburg angekommen ist. Nach einer großen Demonstration
durch die Stadt hieß es schließlich auch hier:
,,Die Uni Augsburg brennt!" Während
Studierendenvertreter Simon Jahn am Tag zuvor in der Augsburger Allgemeinen noch
ankündigte, dass mit besetzten Hörsälen und streikenden Studierenden in Augsburg
nicht zu rechnen sei,
7
sollte er am Tag danach eines Besseren belehrt werden. Am 17.
November 2009 besetzten rund 500 Augsburger Studierende für fast zwei Monate mit
Hörsaal I (HS-I) den größten auf dem Campus der Universität Augsburg.
Von Österreich ausgehend wurden somit innerhalb kürzester Zeit in mehr als 160
Städten und Universitäten Hörsäle und universitäre Räume besetzt. Damit gelang
Studierenden 2009 etwas, wozu si
e seit langem nicht mehr in der Lage waren ,,Sie
mobilisierten
Massen,
ohne
[hierarchische]
Organisationsstrukturen,
ohne
Propagandareferat, ohne Funktionärsbasis
"
8
, aber dafür mit Twitter, Facebook,
besetzten Hörsälen, Volksküchen und dem Prinzip der Basisdemokratie.
Interessant zu beobachten war somit nicht nur, wie schnell sich die Proteste über
Österreichs Grenzen hinweg wie ein Lauffeuer verbreitet haben, sondern insbesondere
auch, wie schnell sich vielerorts aus einem scheinbar losen und spontanen
Zusammenschluss einiger demonstrierender Studierender eine kollektive Protestgruppe
zu formieren und zu organisieren begann.
Mit gemeinsamen Slogans und Protestaktionen, wie ,,Bildung für alle und zwar
umsonst", ,,Education is not for sale" oder ,,Hoch mit der Bildung, runter mit der
Rüstung", die an allen Protestorten zu hören und zu lesen waren, zentralen Aktionstagen
sowie einer starken medialen Vernetzung, wurde nach außen hin immer wieder das Bild
einer gemeinsamen Protestbewegung getragen und gefestigt. Und auch intern schien
diese starke Vernetzung mit anderen Universitäten stets ein wichtiger Motivationsfaktor
gewesen zu sein. Mit der Zeit schien sich sogar beinahe eine Art kollektive Identität
entwickelt zu haben. Doch war dies tatsächlich so? Die Tatsache, dass mit der
7
Vgl. Knab, Eva-Maria: Augsburgs Studenten laufen (noch) nicht Sturm. 17.11.2009. Online unter:
http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Augsburgs-Studenten-laufen-noch-nicht-Sturm-
id6868431.html
(12.10.2013).
8
Riedl, Joachim: Mit Twitter und Trommeln gegen die Regierung. 30.10.2009. Online unter:
http://www.zeit.de/studium/uni-leben/2009-10/studentenproteste-oesterreich
(16.10.2013).

Einleitung
4
Basisdemokratie das Prinzip der Nicht-Repräsentation gewählt wurde und es keinerlei
Sprecher oder Repräsentanten der Bewegung und der einzelnen Protestorte gab, spräche
dafür. Ebenso, dass in Blogeinträgen, Gesprächen oder Aufsätzen von ehemaligen
Akteuren oder Zeitungsartikeln stets von ,,Wir, die Bewegung"
9
die Rede ist. Doch wie
haben es die Akteure tatsächlich selbst gesehen? Was war es, das die Dynamik und das
Wesen der Proteste auszeichnete, die Diffusion der Bewegung vorantrieb? Wie haben
die Akteure die Proteste wahrgenommen? Sahen sie sich tatsächlich als Teil einer
nationalen und internationalen Bewegung oder doch mehr nur als Teilnehmer bzw.
Anhänger eines lokalen Protests? Eine empirische Studie, bei der ehemalige Akteure zu
ihren eigenen Erfahrungen, Motiven und Beweggründen befragt wurden, soll im Laufe
dieser Arbeit neben einer eingehenden Quellenanalyse unter anderem Antwort auf diese
Fragen geben und eine wichtige Quelle für die hier aufgestellten Forschungsragen
darstellen.
1.1 Zielsetzung der Arbeit
,,Die kollektive, in der Öffentlichkeit vorgebrachte Äußerung von Widerspruch
verbindet Menschen über politische, geographische, kulturelle, religiöse und sprachliche
Grenzen hinweg"
10
, heißt es in den einführenden Worten zum Rahmenprogramm des
Augsburger Friedensfestes 2013.
11
Obwohl oder gerade weil bei den Protesten 2009 keine großen sprachlichen, religiösen
oder kulturellen Grenzen zu überwinden waren, trug das kollektive Handeln, die
kollektiv vorgebrachte Äußerung von Widerspruch meines Erachtens doch entscheidend
dazu bei, dass die Proteste auch über Österreichs Ländergrenzen hinweg so großen
Anklang fanden und sich über ganz Deutschland sowie Teile der Schweiz und
Frankreich verbreiten konnten.
So ist nach Auffassung einiger prominenter Theoretiker, wie Joachim Raschke, Alain
Tourraine, Alberto Melucci oder Dieter Rucht kollektive Identität ein konstitutives
9
Vgl. Gespräch mit Herrn Friedrich. Siehe Anhang, S.XXXVI.
10
Köster, Timo/Rother, Mona: Niemand hat das Recht zu gehorchen. Rahmenprogramm Augsburger
Hohes Friedensfest 2013
. Augsburg 2013. S.2.
11
Das Friedensfest 2013 stand unter dem Motto ,,Protest" und beleuchtete mit einem bunten Programm
aus Vorträgen, Lesungen, Theatervorführen, Ausstellungen etc. auf unterschiedliche Weise die einzelnen
Facetten dieses Themas. Ein in diesem Rahmen absolviertes Praktikum veranlasste mich nicht nur dazu,
mich eingehender mit dem Thema Protest zu befassen, sondern gab auch einen entscheidenden Anlass
mich im Rahmen dieser Magisterarbeit damit zu beschäftigen.

Einleitung
5
Merkmal sozialer Bewegungen, das nicht nur einiges über die Entstehungs- und
Stabilisierungsbedingungen
sozialer
Bewegungen
aussagt,
sondern
die
Handlungsfähigkeit und das Fortbestehen sozialer Bewegungen entscheidend
mitbestimmen kann.
12
Kollektive Identität lässt sich allgemein als ein
,,Syndrom von Bewusstseins- und
Ausdrucksformen
von
mindestens
zwei
Personen,
welche
um
ihre
Zusammengehörigkeit (als Paar, Gruppe, Klasse, Ethnie, Nation usw.) wissen
"
13
,
definieren, das ein Gemeinschafts-, ein Wir-Gefühl, voraussetzt und verdichtet. Dieses
Wir-Gefühl stellt nach Rucht nicht nur eine wichtige Voraussetzung für soziale
Bewegungen dar, sondern ermöglicht auch eine Abgrenzung der eigenen
Referenzgruppe nach außen sowie Formen von Vergemeinschaftung, die durch
anhaltende Interaktion bzw. Organisation stabilisiert und nach innen wie nach außen
symbolisch vermittelt werden. Laut Rucht und McAdam stellt die kollektive Identität
zudem ein entscheidendes Kriterium für die Diffusion von Protestbewegungen dar.
14
Wenn auch nicht Leitthema dieser Arbeit, so ist die Konstruktion der kollektiven
Identität doch ein wichtiger Nebenaspekt, der im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur
ansatzweise im Zuge der Diffusionsanalyse beleuchtet werden kann. Doch wäre es
interessant zu untersuchen, welche Rolle die kollektive Identität bezüglich der Diffusion
tatsächlich spielte oder wie und wodurch sich die kollektive Identität im Laufe der
Proteste festigte und konstruiert wurde.
Die Dynamik, die nach nur wenigen Tagen von der #unibrennt-Bewegung in Wien
ausging,
war bemerkenswert. ,,Quer durch alle Bevölkerungsschichten und ­gruppen
ging ein Ruck der Solidarität"
15
und konnte tausende Studierende, Schülerinnen und
Schülern sowie große Teile der Gesellschaft mobilisieren.
Ziel dieser Arbeit soll daher sein, dieser Dynamik nachzugehen und die Diffusion der
Protestwelle von Österreich nach Deutschland am Beispiel der beiden Schauplätze Wien
12
Vgl. Rucht, Dieter: Kollektive Identität. Konzeptionelle Überlegungen zu einem Desiderat in der
Bewegungsforschung.
In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 8 (1995) 1, S. 9
­23.
13
Rucht, 1995, S.10.
14
Zum Diffusionsmodell von McAdam und Rucht vgl.: McAdam, Doug/Rucht, Dieter: The Cross-
National Diffusion of Movement Ideas
. In: Dalton, Russel J. (Hrsg.): Citizens, Protests, and Democracy.
The Annals of the American Academy of Political and Social Science Vol. 528. July 1993.
15
Chen, Inge/Liwani, Soheyl: #unibrennt
­ Das Experiment Basisdemokratie. In: Rudolf, René (Hrsg.):
Protest, Bewegung, Umbruch. Von der Stellvertreter- zur Beteiligungsdemokratie
. Hamburg 2011. S.47.

Einleitung
6
und Augsburg, an denen, zeitlich versetzt, jeweils über zwei Monate lang der größte
Hörsaal der Universität besetzt wurde, nachzuzeichnen und zu analysieren. Aufbauend
auf dem Diffusionsmodell soll dabei der zentralen Frage nachgegangen werden, wie der
Funke von Wien nach Augsburg überspringen und unter welchen Voraussetzungen die
Protestwelle sich so rasch verbreiten konnte. Was war das Besondere an diesen
Protesten? Wodurch zeichneten sie sich aus? Wie kam es, dass plötzlich auch in
Augsburg so viele Studierende auf die Straße gingen und HS-I besetzten? Welche
Motive, welche Beweggründe spielten dort für den Einzelnen eine Rolle? Wie wurde
der Protest einerseits von den Akteuren selbst, andererseits von den Medien, der
Universitätsleitung, den nicht protestierenden Studierenden wahrgenommen?
Ausgehend von diesen Fragen soll im Laufe der Arbeit versucht werden, dem Leser ein
möglichst umfassendes Bild der Proteste aufzuzeigen.
Der Frage nach den Beweggründen und der Motivation wurde in der Protest- und
Bewegungsforschung bisweilen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Vordergrund
standen bislang dagegen primär Fragen nach der Organisation, dem Verlauf oder der
Struktur von Protesten und Bewegungen. Nicht das Warum, sondern das Wie und Was
standen im Zentrum des Forschungsinteresses. Erst langsam verlagert sich das Interesse
zunehmend auf die Frage, wie Proteste von den einzelnen Menschen und Gruppen
erfahren, wie sie wahrgenommen und verarbeitet werden.
16
Daher möchte ich mit dieser Arbeit an dieses Forschungsdesiderat anknüpfen und neben
der Diffusion nicht nur den Verlauf und die Struktur der Proteste analysieren. Vielmehr
sollen im Laufe der Arbeit Hintergründe der Proteste beleuchtet, Forderungen und
strukturelle Merkmale aufgezeigt sowie ehemalige Akteure aus ethnographischer und
alltagskultureller Perspektive nach persönlichen Beweggründen, Motiven und
Erfahrungen befragt werden, so dass am Ende ein möglichst vielschichtiges und
umfassendes Bild der Proteste 2009 dargestellt werden kann.
1.2 Aktueller Forschungsstand
Proteste und soziale Bewegungen mögen zwar in den Medien, in unserem Alltag, in der
globalisierten Welt in den letzten Jahren zu einer festen Institution geworden sein, in der
Forschung, vor allem im deutschsprachigen Raum, fehlt dieser institutionelle Charakter
16
Schönberger, Klaus/Sutter, Ove:
Kommt herunter, reiht euch ein ... Eine kleine Geschichte der
Protestformen sozialer Bewegungen
. Berlin 2009. S.33-34.

Einleitung
7
bisher jedoch fast völlig.
17
Zwar hat sich seit den 1980er Jahren mit der Protest- und
Bewegungsforschung in den Sozial- und Politikwissenschaften ein gewisses
Forschungsgebiet etabliert, doch verläuft die Forschungsarbeit sehr episodisch und
weist zahlreiche Lücken und Forschungsdesiderate auf. So bedauern Sebastian Haunss
und Peter Ullrich in ihrem kürzlich erschienen Aufsatz Viel Protest
­ wenig Forschung.
Zu- und Gegenstand sozialwissenschaftlicher Protest- und Bewegungsforschung in der
Bundesrepublik
18
,
dass im Vergleich zum angelsächsischen Raum hierzulande ,,keine
strukturell verankerte universitäre Forschung über die Breite des Feldes sozialer
Bewegungen
"
19
existiert. Dies mag unter anderem erklären, weshalb gerade
Protestereignisse aus dem deutschsprachigen Raum, wie die Studierendenproteste 2009
oder die Proteste zu Stuttgart21 noch weitgehend unerforscht sind und man sich
hierzulande stattdessen wenn überhaupt primär ebenfalls den internationalen
Protestereignissen wie der Occupy-Bewegung oder der Arabellion zuwendet, zu denen
schon internationale Forschungsergebnisse vorliegen.
20
Trotzdem, konstatieren Haunss
und Ullrich, wuchs trotz fehlender Institutionalisierung auch hierzulande in den letzten
Jahren das wissenschaftliche Interesse an der Protest- und Bewegungsforschung. Gerade
in Deutschland kam es in den vergangenen Jahren zu einer ungewöhnlichen Vielzahl an
Publikationen, Workshops und wissenschaftlichen Konferenzen zum Thema Protest,
wobei jedoch wiederum vornehmlich der Arabische Frühling oder die Occupy-
Bewegung im Zentrum des Geschehens standen.
21
Protestereignisse wie die
Studierendenproteste 2009 blieben jedoch auch hier weitgehend unbeachtet und
unerforscht.
Folglich lassen sich in der einschlägigen Literatur nur wenige Publikationen finden, die
sich umfassend mit den Studierendenprotesten 2009 befassen. Insgesamt gibt es vier
Werke, die sich ausführlich mit der #unibrennt-Bewegung beschäftigen. Drei davon
17
Vgl. Memorandum des sich seit 2012 im Aufbau befindende Instituts für Protest- und
Bewegungsforschung I.G., mit dem erstmals ein Ort geschaffen werden soll, an dem dauerhaft zu einer
Politik von unten international und interdisziplinär geforscht werden soll. Online unter:
http://protestinstitut.eu/uber-das-institut/verein/memorandum/
(18.10.2013).
18
Haunss, Sebastian/Peter, Ullrich: Viel Protest
­ wenig Forschung. Zu- und Gegenstand
sozialwissenschaftlicher Protest- und Bewegungsforschung in der Bundesrepublik
, Soziologie 42(3).
2013.
19
Ebd. S.290-304.
20
Zu aktuellen Forschungsarbeiten vgl. u.a.: Kraushaar, Wolfgang: Der Aufruhr der Ausgebildeten. Vom
arabischen Frühling bis zur Occupy-Bewegung.
Hamburg 2012. Weiterführende Informationen online
unter:
http://www.bpb.de/internationales/afrika/arabischer-fruehling/
(10.01.2014).
21
Ebd. S.293.

Einleitung
8
stellen vor allem die Proteste in Wien und Österreich in den Vordergrund. Bei allen
handelt es sich um Sammelwerke, die insbesondere Aufsätze von ehemaligen Besetzern
und/oder engagierten Dozenten und Professoren beinhalten.
22
Aus unterschiedlichen Blickwinkeln wird in Uni brennt. Grundsätzliches, Kritisches,
Atmosphärisches
, einem Sammelband von Stefan Heissenberger, der auf Initiative
Wiener Studierender entstanden ist,
23
nicht nur den Ursachen und Anfängen der
Protestbewegung nachgegangen, sondern insbesondere auch den universitätspolitischen
Entwicklungen der letzten Jahre, wobei das Prinzip Bologna kritisch hinterfragt wird.
Kritisch hinterfragt und öffentlich diskutiert werden Bologna und die
bildungspolitischen Fragen auch in Bildung MACHT Gesellschaft
24
, einer zweiten
Publikation, die ebenfalls aus einer von Studierenden eigenständig organisierten Ring-
Vorlesung hervorgegangen ist. Darin geht es vor allem um die Frage, welche
Perspektiven sich in dem Rahmen von emanzipatorischer Bildung für die
Studierendenproteste ergeben könnten. Einmischungen. Studierendenbewegung mit
Antonio Gramsci lesen
25
ist hingegen die erste Publikation, die, basierend auf Gramscis
Denkpositionen, versucht, das Geschehene kritisch zu reflektieren und damit einen
Beitrag zu aktuellen bildungspolitischen Diskussionszusammenhängen liefern möchte.
Auch wenn es ein gewisses Merkmal der Protest- und Bewegungsforschung darstellt,
dass der Forscher in gewisser Weise selbst Akteur oder Anhänger einer Bewegung wird,
ist oder war, fällt auf, dass größer angelegte Forschungsprojekte oder Studien aus
neutraler, objektiver Sichtweise zu der #unibrennt- Bewegung bislang fast gänzlich
ausgeblieben sind.
Was passiert derzeit an unseren Universitäten? Dieser Frage geht der Sammelband Was
passiert? Stellungnahmen zur Lage der Universitäten
26
nach und fast erstmals aus
unterschiedlichen Protestorten wie Wien, Paris, Berkeley oder München, Positionen und
Entwicklungen aus aktuellen studentischen Protestbewegungen zusammen. Zugleich
22
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die genderneutrale Ausdrucksweise
verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. Ausnahme
stellen hierbei die Bezeichnungen 'Studierende', 'Protestierende' und 'Demonstrierende' dar, da sie im
allgemeinen Sprachgebracht mittlerweile fest verankert sind.
23
Heissenberger, Stefan (Hrsg.): Uni Brennt. Grundsätzliches, Kritisches, Atmosphärisches. Wien 2010.
24
Sandoval, Marison (Hrsg.): Bildung MACHT Gesellschaft. Münster 2011.
25
Mixa, Elisabeth (Hrsg.): Einmischungen. Die Studierendenbewegung mit Antonio Gramsci lesen. Wien
2011.
26
Horst, Johanna-Charlotte: Was passiert? Stellungnahme zur Lage der Universität. Zürich 2010.

Einleitung
9
wird zu diesen Stellung bezogen und die jüngsten Veränderungen des Hochschulwesens
beschrieben.
Darüber hinaus beschränkt sich die publizierte Literatur zu den Studierendenprotesten
2009 vornehmlich auf einzelne Aufsätze, in denen die Proteste, in erster Linie
diejenigen aus Wien, aus medientheoretischer oder bildungspolitischer Perspektive
beleuchtet werden.
27
Die Struktur, die Organisation wie auch die Proteste selbst werden in den Aufsätzen nur
ansatzweise oder in Teilaspekten behandelt, so beispielsweise in dem Aufsatz
#unibrennt
­ Das Experiment Basisdemokratie
28
, in dem das Prinzip der
Basisdemokratie und der Nicht-Repräsentanz am Beispiel der Uni Wien kritisch
untersucht werden. Eine allgemeine, große und überblickshafte Gesamtschau der
Bewegung sowie Untersuchungen und Studien zu den Studierendenprotesten hier in
Deutschland fehlen bislang jedoch.
Allgemein lässt sich feststellen, dass zwar langsam eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit dem Thema und den Ereignissen von 2009 beginnt, diese sich
jedoch noch recht am Anfang befindet, gerade was die Untersuchung der Proteste
hierzulande in Deutschland angeht. Wie man sehen konnte, sind im Vergleich zu
Deutschland die Proteste in Österreich und insbesondere in Wien, wenn auch nicht
vollständig, so zumindest doch ansatzweise schon recht gut erforscht. So kann
Österreich nicht nur den Großteil der Aufsätze und Publikationen aufweisen, sondern
auch schon einige Studien und Forschungsprojekte, wie beispielsweise die
österreichweite Repräsentativ-Erhebung unter Studierenden während der Proteste, die
Daten zum Grad der Beteiligung liefert und zeigt, was für Studierende die wichtigsten
Forderungen und Anliegen waren.
29
27
Vgl. Wieser, Martin: Protest 2.0: Medientheoretische und gesellschaftskritische Aspekte der
Protestbewegung »Uni brennt!«.
In: Mattes, Peter: Unidämmerung. Lengerich 2010.; Voigt, Hans
Christian (Hrsg.): Soziale Bewegungen und Social Media. Handbuch für den Einsatz von Web 2.0. Wien
2011.
28
Chen, Inge/Liwani, Soheyl: #unibrennt
­ Das Experiment Basisdemokratie. In: Rudolf, René (Hrsg.):
Protest, Bewegung, Umbruch. Von der Stellvertreter- zur Beteiligungsdemokratie.
Hamburg 2011.
29
Großegger, Beate u.a: Die Uni-Protestbewegung 2009/ Repräsentativerhebung unter Studierenden an
österreichischen
Universitäten
(November
2009).
Online
unter:
http://www.univie.ac.at/Erziehungswissenschaften/pb/vitrine/weil_die_uni_brennt/01/jugenkf2_2009_inh
alt.pdf
(02.01.2014). Weitere Studien und Erhebungen erfolgten u.a. an der Universität Graz. Vgl.: Eder,
Anja/Hammerl, Manfred: Forschungsbericht Studierendenproteste 09/10. Eine Erhebung der Einstellung
und Meinungen zu den Studierendenprotesten sowie zur Bildungsdebatte an den vier Grazer

Einleitung
10
Empirische
mikro-
oder
makrosoziologische
Untersuchungen
zu
den
Studierendenprotesten 2009 dieser Art fehlen für die Bundesrepublik noch vollkommen,
weshalb mit dieser Arbeit nun versucht wird, sich genau dieser empirischen Lücke
anzunehmen und ein in Deutschland bisher noch kaum untersuchtes Feld mit
empirischen Daten zu erschließen und dadurch auch besser kennenzulernen.
1.3 Aufbau und Methodik der Arbeit
Grundlage der Arbeit stellen neben meinen persönlichen Erfahrungen, die ich während
der Besetzung selbst vor Ort sammeln konnte, und den 'ero-epischen' Gesprächen
30
, die
ich mit sieben ehemaligen Akteuren führen durfte, vor allem Zeitungsartikel,
Protokolle, Internetblogs und -seiten sowie Bild- und Videoaufnahmen dar.
Ziel dieser Analyse ist es, am Beispiel der beiden Schauplätze Wien und Augsburg den
Verlauf wie auch die Struktur und die interne wie externe Wahrnehmung der Proteste so
gezielt und vollständig wie möglich nachzuzeichnen und zu rekonstruieren. Als
wichtigste Quelle für die Analyse und Rekonstruktion der Augsburger Proteste können
dabei neben den 'ero-epischen' Gesprächen insbesondere der Blog des Augsburger
Bildungsstreiks
31
mitsamt den noch vollständig erhaltenen Protokollen und
Zusammenfassungen der Plenarsitzungen genannt werden. Denn wurden dort vom
ersten Tag an alle Geschehnisse, Beschlüsse und richtungsweisende Entscheidungen
detailliert festgehalten und dokumentiert.
Da die Arbeit jedoch nicht nur ein bloßes Beschreiben der Ereignisse verfolgt, sondern
primär zum Ziel hat, einzelne Beobachtungen miteinander in Bezug zu setzen und
unterschiedliche Sichtweisen, Perspektiven und Standpunkte der einzelnen Akteure
aufzuzeigen, ganz im Sinne einer Dichten Beschreibung gemäß von Clifford Geertz,
32
Universitäten.
Graz
2010.
Online
unter:
http://ig-soziologie-
forschung.at/images/PDFs/endbericht%20studierenden%20proteste%202009-2010.pdf (01.12.2013).
30
Das 'ero-epische' Gespräch ist eine von Roland Girtler geprägte qualitative Forschungsmethode zur
Erhebung empirischer Daten. Vgl. dazu Kapitel 3.1.1. dieser Arbeit, sowie: Girtler, Roland: Methoden
der Feldforschung. Elemente und Basiswissen für Studium und Weiterbildung.
Wien 2001. S.147-168.
31
http://blog.bildungsstreik-augsburg.de
(17.12.2013)
32
Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt
am
Main 2006. Das von Clifford Geertz geprägte Konzept der Dichten Beschreibung umschreibt eine Form
der interpretativen Ethnographie. Im Gegensatz zu einer dünnen Beschreibung geht die Dichte
Beschreibung über eine bloße Beschreibung einer Ethnie, einer Sache, hinaus und umfasst einen gewissen
Deutungs- und Interpretationsrahmen. Nicht die Abbildung bestimmter Wissenssysteme gilt es zu leisten,
sondern eine interpretative Rekonstruktion des Gesagten. Im Vordergrund steht somit die
Herausarbeitung der unterschiedlichen Sichtweisen, Perspektiven und Standpunkte Demzufolge liegt die

Einleitung
11
wird die Arbeit mit den 'ero-epischen' Gesprächen um einen empirischen Teil erweitert.
Dabei werden die aus der theoretischen und quellenorientierten Diskussion gewonnenen
Daten um die aus den 'ero-epischen' Gesprächen gewonnen Ergebnisse ergänzt.
Die Arbeit beruht damit auf einem deskriptiv-explorativem Ansatz und versucht,
ausgehend von den empirischen Befunden und der Quellenanalyse eine Antwort auf die
aufgeworfenen und oben genannten Fragen zu liefern und mit der Protest- und
Bewegungsforschung in einen größeren Deutungs- und Bezugsrahmen zu setzen. Ziel
ist somit, aus ethnographisch-kulturwissenschaftlicher Perspektive einen Beitrag zur
aktuellen Protest- und Bewegungsforschung zu leisten.
Insgesamt lässt sich die Arbeit mit der Einleitung, dem theoretischen Rahmen, dem
empirischen Teil, der Analyse der Proteste und der Zusammenfassung in fünf Teile
untergliedern. Nach den einleitenden Worten soll im zweiten Teil der Arbeit der
theoretische Unterbau des Forschungsgegenstandes dargelegt werden. So gibt das
Kapitel Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen
und Protestereignissen
einen Überblick über unterschiedliche Methoden und
Analysemodelle aus der Protest- und Bewegungsforschung, mit denen die
Protestereignisse von 2009 eingehend untersucht und analysiert werden können. Zuvor
werde ich in diesem Kapitel jedoch kurz auf die einzelnen Phänomene a) Bewegung, b)
Protest, c) Protestwelle eingehen, um nachstehend und für den weiteren Verlauf der
Arbeit klären zu können, um welches Phänomen es sich bei den Protesten 2009
handelte. Denn gerade in den Medien kursierten, wie ich im Laufe meiner Forschung
feststellte, die unterschiedlichsten Begriffe und Bezeichnungen für die Ereignisse von
2009:
Zwar haben sich unter ,,Bildungsstreik", ,,unibrennt-Bewegung",
,,Protestbewegung", ,,Audimax-Besetzung", ,,Uniproteste", ,,Studierendenproteste" und
,,Studierendenbewegung" die Bezeichnungen ,,Studierendenproteste" und ,,unibrennt-
Bewegung" bzw. ,,Studierendenbewegung" als die am häufigsten und geläufigsten
Bezeichnungen herauskristallisiert, doch erscheint es mir an dieser Stelle trotzdem
sinnvoll, die Ereignisse von 2009 mit den Definitionen und begrifflichen Merkmalen
der einzelnen Phänomene in Verbindung zu bringen und wissenschaftlich abzugleichen.
Bedeutung der Dichten Beschreibung v.a. darin, die Beobachtungen nicht nur zu beschreiben, sondern
auch zu interpretieren und in einen bestimmten Deutungs- und Bezugsrahmen zu setzen. Zu Clifford
Geertz Konzept der Dichten Beschreibung vgl. Wolff, Stephan: Die Anatomie der Dichten Beschreibung:
Clifford Geertz als Autor
. Göttingen 1992. S.343-351. Online unter:
http://www.uni-
hildesheim.de/media/fb1/sozialpaedagogik/Mitglieder/Wolff/Papiere/Wolff_-
_Die_Anatomie_der_Dichten_Beschreibung.pdf
(09.01.2014).

Einleitung
12
Daran anschließend sollen mit dem Framing-Ansatz, dem Collective Identity Ansatz
und dem Diffusionsmodell drei Modelle und Methoden aus der Protest- und
Bewegungsforschung vorgestellt werden, durch die es nicht nur möglich wird, wichtige
Daten zu den Protesten von 2009 zu sammeln, sondern die mit dem Diffusionsmodell
auch wichtige Kriterien und Anhaltspunkte darstellen, um die Dynamik der Proteste wie
die Frage der Diffusion im weiteren Verlauf der Arbeit eingehend analysieren zu
können.
Nach diesem theoretischen Abschnitt möchte ich mich mit dem Kapitel Empirischer
Teil
der empirischen Studie meiner Arbeit widmen, die v.a. persönliche Perspektiven,
Erfahrungen und Beweggründe sowie zusätzliche Hintergrundinformationen zu den
Protesten, ihrer Entstehung und ihrem Verlauf liefern soll. Als Forschungsmethode
wählte ich dafür das von Roland Girtler begründete 'ero-epische' Gespräch, auf das ich
in dem Punkt 3.1 Darstellung der Forschungsmethoden näher eingehen werde, bevor
ich in einem weiteren Schritt unter den Punkten Sampling und Vorgehen die Auswahl
meiner Interview- und Gesprächspartner sowie das Vorgehen bei der
Forschungsmethode weiter erläutern werde. Bevor ich mich dem eigentlichen
Untersuchungsgegenstand und damit der Analyse der Proteste, in die die empirischen
Befunde maßgebend miteinfließen werden, zuwende, soll in einem extra Punkt am Ende
dieses Kapitels abschließend eine kurze Auswertung der Gespräche erfolgen.
Ausgehend von den in den beiden vorherigen Kapiteln dargestellten empirischen
Befunden und vorgestellten Analysemethoden und
­kriterien folgt in dem Kapitel
Studierendenproteste von 2009
­ Diffusion einer Protestwelle eine dichte Beschreibung
der Proteste 2009. Konkret untersucht und analysiert werden dabei die beiden
Schauplätze Wien und Augsburg, wobei der Fokus der dichten Beschreibung aus
lokalem und persönlichem Bezug auf Augsburg liegen wird. Wien wurde nicht zuletzt
deshalb als Untersuchungsgegenstand gewählt, da dort der Ursprung und
Ausgangspunkt der Proteste liegt und Wien damit für die Frage der Diffusion als
mögliches Vorbild und Sender der Bewegung eine wichtige und tragende Rolle für die
Forschungsfrage einnimmt. Nach der Einzeldarstellung beider Protestorte gilt es diese
miteinander in Verbindung zu setzen und unter dem Aspekt des Diffusionsmodell zu
betrachten, wobei anhand der drei Kriterien a) Feststellung von Gemeinsamkeiten, b)
Analyse von Diffusionswegen, c) zeitliche Abfolge, abschließend die Frage geklärt
werden soll, wie und unter welchen Voraussetzungen die Proteste sich von Wien nach
Augsburg verbreiten konnten und was das Besondere, die Eigendynamik der Proteste

Einleitung
13
ausmachte. Zuletzt werden nochmals alle Ergebnisse zusammengefasst, zentrale Punkte
wie methodische Aspekte diskutiert und ein Ausblick auf weitere wissenschaftliche und
forschungsrelevante Fragestellungen gegeben.
1.4 Mittendrin und live dabei: Zur Verortung der persönlichen Rolle
während der Proteste
Wie in vorangegangenen Kapiteln schon angemerkt, war die Tatsache, dass ich 2009 bei
den Protesten selbst mit dabei war, ein entscheidender Anlass und Motivationsgrund,
mich im Rahmen der Magisterarbeit mit diesem Thema zu beschäftigen. Auch wenn ich
2009 selbst nur eher zufällig und über Freunde den Weg in den besetzten Hörsaal fand,
verfolgte ich seit diesem ersten Hörsaalbesuch die Geschehnisse und Ereignisse doch
mit überaus großem Interesse. Bewegt und fasziniert von der Atmosphäre und dem
Willen etwas verändern zu wollen, wurde der Hörsaal in dieser Zeit bald ein zweites
Zuhause für mich und markierte den Beginn meiner mehr als fünfjährigen
hochschulpolitischen Laufbahn, die mein Studium und Leben in den letzten Jahren
entscheidend mitprägte. Beschäftigte ich mich im Laufe meiner langjährigen Tätigkeit
als Studierendenvertreterin in den letzten Jahren überaus intensiv mit dem Thema
Studierendenprotest, Bildungsreform und setzte mich auf unterschiedlichste Art und
Weise aktiv für die Verbesserung der Studienbedingungen ein, zeugte meine Teilnahme
bei der Besetzung hingegen mehr von passiven denn wirklich aktiven Engagement. So
war ich nie in einer Arbeitsgruppe
33
oder federführend bei Aktionen beteiligt, sondern
nahm eher die Rolle des stillen, kritischen Beobachters ein. Für diese Arbeit brachte
dies den entscheidenden Vorteil mit sich, dass mir die Akteure, Ereignisse oder
Eigenheiten dieser Besetzung und damit das Forschungsfeld von Anfang an zwar gut
vertraut waren, ich jedoch aber immer auch den oftmals nötigen Abstand zu den
Ereignissen hatte, um diese kritisch beurteilen und analysieren zu können. Als sehr
vorteilhaft erwies sich dabei insbesondere auch meine langjährige Tätigkeit in der
Studierendenvertretung, da ich in dieser Zeit nicht nur einen guten Einblick über die
Strukturen und Abläufe der Hochschulpolitik wie der Universität ganz allgemein
gewinnen konnte. Vielmehr habe ich dadurch auch einige Personen, die entweder
33
Die bereits am ersten Tag gegründeten Arbeitsgemeinschaften, im Folgenden abgekürzt mit AG,
stellten eine Möglichkeit dar, sich aktiv entweder inhaltlich wie z.B. in der AG Inhalt, AG
Forderungskatalog oder praktisch wie in der AG Versorgung, AG Mobilisierung, AG Veranstaltung zu
engagieren. Vgl. Kapitel ,,4.1.2 Struktur und Organisation der Protest" dieser Arbeit.

Einleitung
14
während der Besetzung in der Studierendenvertretung aktiv waren und sich dort gegen
die Proteste aussprachen, oder Leute, die sich bei den Protesten engagierten und im
Nachhinein zusammen mit mir in der Hochschulpolitik aktiv waren, persönlich kennen
gelernt. Somit hatte ich nicht nur einen guten Zugang zu den ehemaligen Akteuren der
Hörsaalbesetzung, sondern auch zu einigen Protestgegnern.
Die im Vorfeld dieser Arbeit von einigen Freunden und Kommilitonen vorgebrachten
Befürchtungen und Kritikpunkte, dass ich zu nah und zu eng mit dem Thema und den
Leuten verwurzelt bin, erwiesen sich glücklicherweise als überwiegend nichtig und
hinfällig. Gleichwohl ich diese Befürchtungen anfangs ebenfalls teilte und mir die
Gefahr, dass ich dadurch scheinbar unwichtige Dinge, da sie mir aufgrund der engen
Verwurzelung so klar, bekannt und selbstverständlich erscheinen, zu wenig
Aufmerksamkeit schenken könnte, durchaus bewusst waren, versuchte ich stets auch
den in meinen Augen mitunter unwichtig oder offensichtlich erscheinenden Ereignissen
genügend Aufmerksamkeit zu widmen. Eine große Herausforderung bestand somit
darin, auch scheinbar ,,unbedeutenden Details" sowie für den Leser nicht
nachvollziehbare Aspekte genügend Beobachtung und Beachtung zu schenken sowie
die Geschehnisse kritisch zu hinterfragen. Kurz gesagt war es
wichtig, ,,seinen
persönlichen Eindrücken [zu] misstrauen
."
34
Auch wenn dies nicht immer leicht war,
versuchte ich dennoch diesem Anspruch während meiner Arbeit bestmöglich gerecht zu
werden. Meine während der Besetzung oftmals sehr kritische Sichtweise und die
Tatsache, dass ich ideologisch nicht so sehr mit den Protesten und Forderungen
verwurzelt war wie viele andere, wie auch die Kontakte zu Protestgegnern wirkten sich
fördernd darauf aus, einen für die Arbeit weitgehend kritischen und objektiven Blick auf
das Thema zu wahren.
Die Befürchtung, dass Gesprächspartner durch mein profundes Wissen und die damit
einhergehende leichte Möglichkeit der Überprüfbarkeit von Aussagen, eingeschüchtert
oder gehemmt wären, ausführlich über bestimmte Ereignisse zu sprechen, erwies sich
glücklicherweise ebenfalls als unbegründet. Im Gegenteil, sowohl von ehemaligen
Protestgegnern wie Befürwortern wurde mir immer sehr großes Vertrauen und auch
34
Vgl. Därmann, Iris/Mahlke, Kirsten: Das Notebook von Marcel Mauss. Eine Einfühung in eine
,,impressionistische Kladde". In: Därmann, Iris/Mahlke, Kirsten (Hrsg.): Handbuch der Ethnographie.
München 2013. S.13.

Einleitung
15
eine große Hilfs- und Gesprächsbereitschaft
35
entgegengebracht und stieß ich gerade bei
den Gesprächen auf eine überaus offene und herzliche Gesprächsatmosphäre, in der die
Gesprächspartner oftmals sehr lang und ausführlich von ihren Erfahrungen und
Erlebnissen erzählten und berichteten. Als sehr positiv und für die Arbeit förderlich
habe ich dabei den Vorteil meiner zum Teil freundschaftlichen Beziehungen zu den
Gesprächspartnern wahrgenommen, denn ich hatte bei den Gesprächen oft das Gefühl,
dass die Personen erst aufgrund der bereits bestehenden Vertrauensbasis zum Teil sehr
(selbst-) kritisch über die Proteste berichteten.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass mir durch meine enge Verwurzelung und
persönliche Verbindung zu dem Thema nicht nur Tür und Tor zu dem Forschungsfeld
geöffnet wurden. So waren mir nicht nur Quellen, wie Konventsprotokolle, Reden,
Zusammenfassungen von Sitzungen etc. sehr leicht zugänglich oder wurde die
Kontaktaufnahme mit den Akteuren dadurch erleichtert. Auch die Abläufe, Ereignisse,
Konflikte, wie beispielsweise die öffentliche Auseinandersetzung zwischen der
Studierendenvertretung und den Hörsaalbesetzern, kurz, das ganze Umfeld, waren mir
sehr vertraut und bekannt, was dazu führte, dass mir stets auch immer großes Vertrauen
und Hilfsbereitschaft von den einzelnen Personen entgegengebracht wurden.
35
Ohne wirklich nachfragen zu müssen, wurden mir ehemalige Protokolle, Bildmaterial, Reden etc.
weitergeleitet und für meine Forschung zur Verfügung gestellt.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
16
2 Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen
Bewegungen und Protestereignissen
Protest gehört in unserer Gesellschaft zum Alltag. Ständig treibt es die Menschen auf die
Straße, werden Parolen skandiert, Veränderungen gefordert, und zieht der Protest sich in
die Länge, dauert gar an und mobilisiert immer mehr Menschen, haben wir es bald mit
einer sozialen Bewegung zu tun. Das Auftreten von Protestaktionen und sozialen
Bewegungen bedeutet aber nicht nur für die Politik eine Herausforderung, sondern auch für
die Wissenschaft.
36
Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, entwickelte sich mit der Protest- und
Bewegungsforschung seit den 1970er und 1980er Jahren in den Sozialwissenschaften
eine Disziplin heraus, die auf vielfältige Weise begann, sich systematisch und
wissenschaftlich dem Phänomen Protest bzw. soziale Bewegung zu nähern und dieses
zu untersuchen. Neben ganz grundsätzlichen Fragen, wie der, was Protest, was eine
soziale Bewegung sei, stehen in der verhältnismäßig noch recht jungen Disziplin bis
heute insbesondere Fragen zu den Ursachen und Hintergründen, dem Einfluss der
Gesellschaft, der Politik, den sozialen Netzwerken oder der Mobilisierung im Zentrum
des Forschungsinteresses. Das Objekt und damit die Protestform wie Akteure selbst, die
Frage, wer sich warum und wie an einem Protestereignis beteiligt, welche Formen der
Protest annimmt, kurz gesagt die Elemente, die die alltägliche Sichtbarkeit am
offensichtlichsten bestimmen, spielen dagegen bislang eine vergleichsweise geringe
Rolle in der Forschung.
37
Auch nur wenig bis gar keine Aufmerksamkeit fand das Thema Protest und die
Untersuchung
von
sozialen
Bewegungen
bislang
aus
ethnographisch-
kulturwissenschaftlicher Perspektive und in der Ethnologie, also der Disziplin, die sich
von Beginn ihrer Existenz
an mit dem ,,alltäglichen daseyn"
38
und der Alltagskultur
beschäftigte und die Untersuchung sozialer Lebenswelten in den Fokus ihres
36
Hellmann, Kai-Uwe: Paradigmen der Bewegungsforschung. Forschungs- und Erklärungsansätze
­ ein
Überblick.
In: Hellmann, Kai-Uwe/ Ruud, Koopmanns (Hrsg.): Paradigmen der Bewegungsforschung.
Entstehung und Entwicklung von Neuen sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus
. Opladen 1998.
S.9.
37
Vgl. Schönberger, Klaus/ Sutter, Ove:
Kommt herunter, reiht euch ein... Eine kleine Geschichte der
Protestformen sozialer Bewegungen.
Berlin 2009. S.33.
38
Riehl, Heinrich, Wilhelm: Kulturstudien aus drei Jahrhunderten (1859). Zit. Nach: Schmidt-Lauber,
Brigitta: Der Alltag und die Alltagskulturwissenschaft. In: Fenske, Michaela (Hrsg.): Alltag als Politik,
Politik im Alltag
. Berlin 2010. S.46.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
17
Forschungsinteresses stellte. Dies mag doch erstaunlich scheinen, da Proteste seit der
Französischen Revolution bis heute wesentlich unseren Alltag prägen und soziale
Bewegungen
,,als Träger und Ausdruck von gesellschaftlichen Veränderungen"
wahrgenommen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Ethnologie neben den
Sozialwissenschaften die Disziplin ist, die sich eingehend mit gesellschaftlichen
Prozessen und alltagskulturellen Phänomenen beschäftigt
39
, überrascht es daher umso
mehr, dass dem Thema Protest bislang weder in der Ethnologie noch in der
Kulturwissenschaft größere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Da demzufolge auch
noch keine Methoden oder größeren Studien und Forschungsergebnisse aus
ethnologisch-kulturwissenschaftlicher Perspektive zu dem Thema vorliegen, möchte ich
in folgendem Abschnitt neben der Begriffsdefinition mögliche Anknüpfungspunkte und
Schnittstellen zwischen der Ethnologie und der Protest- und Bewegungsforschung
aufzeigen, in die das Thema und die vorliegende Arbeit fachlich eingeordnet werden
können.
Am Ende dieses theoretischen Kapitels werden mit dem Framing-Ansatz, der Collective
Identity und dem Diffusionsmodell drei Ansätze und Modelle der Protest- und
Bewegungsforschung vorgestellt, die das theoretische Gerüst dieser Arbeit bilden
werden.
2.1 Aufstand, Protest, Bewegung
­ Merkmale und Definitionen einiger
Phänomene
Nach Hellmann präsentiert sich die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit sozialen
Bewegungen so bunt wie ihr Gegenstand selbst.
40
Ein Blick in die Geschichte zeigt,
dass die Form, Struktur und Ausprägung von sozialen Bewegungen und Protesten
unterschiedlicher nicht sein könnte. Dennoch aber werden sie alle, sei es Umwelt-,
Frauen-, Friedens- oder Studentenbewegung, zugleich unter dem Synonym (soziale)
Bewegung zusammengefasst. Doch was macht eine soziale Bewegung tatsächlich aus?
39
Zu dem Thema Volkskunde/ Ethnologie als alltagskulturelle Wissenschaft vgl. Aufsatz von Lipp,
Carola: Alltagskulturforschung im Grenzbereich von Volkskunde, Soziologie und Geschichte: Aufstieg
und Niedergang eines interdisziplinären Forschungskonzepts
. In: Zeitschrift für Volkskunde :
Halbjahresschrift der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, Jg. 89, Hjb. 1, 1993, S. 1-33. Sowie:
Kaschuba, Wolfgang: Einführung in die Europäische Ethnologie. München 2006. S.115-130. Oder:
Jeggle, Utz: Alltag. In: Bausinger, Hermann (Hrsg.): Grundzüge der Volkskunde. Darmstadt 1999. S.81-
126.
40
Hellmann, 1998, S.29.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
18
Was ist im Gegensatz dazu eigentlich Protest? Was sind die wesentlichen Merkmale
einer Bewegung? Worin unterscheiden sich die beiden Phänomene Protest und
Bewegung? Nicht selten stellt sich in der Forschung diese Frage und man hat sich daher
oft mit der Definition eben dieser Phänomene und Ereignisse beschäftigt. Häufig
werden, wie auch am Beispiel der #unibrennt-Bewegung zu erkennen ist, beide Begriffe
für ein und dasselbe Phänomen verwendet. Versucht man die Begriffe jedoch einander
gegenüberzustellen fällt auf, dass
ganze Regallängen an Begriffslexika der Soziologie und Politikwissenschaft bis auf
wenige Ausnahmen den Protestbegriff gänzlich aussparen. Andere wiederum
verschmelzen den Protestbegriff mit dem Bewegungsbegriff und verbuchen ihn unter
neue soziale Bewegungen [...]
41
Sind Protest und Bewegung also doch ein und dasselbe? Um diese Frage beantworten
zu können und gerade auch vor dem Hintergrund, dass für die Ereignisse 2009 sowohl
der Begriff Protest als auch der der Bewegung verwendet wurden, soll im Folgenden
kurz auf das Phänomen Protest in Abgrenzung zu dem der sozialen Bewegung
eingegangen und deren Merkmale herausgearbeitet werden, um für den weiteren
Verlauf der Arbeit die Ereignissen von 2009 begrifflich besser einordnen zu können.
2.1.1 Protest
Protest
­ allgemein fassen wir darunter meist all jene Formen und Ereignisse
zusammen, die öffentlich Missfallen, Ablehnung oder Widerspruch gegenüber einem
bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Zustand zum Ausdruck bringen. Die
Verwendung folgt dabei der Etymologie, nach der das Wort Protest sich von dem
lateinischen Verb protestari ableitet und so viel wie etwas öffentlich aussagen,
bezeugen
bedeutet. In unserem heutigen Sprachgebrauch und insbesondere im
wissenschaftlichen Fachjargon bedeutet Protest bzw. protestieren jedoch weit mehr als
nur etwas öffentlich auszusagen.
In seinem Essay Protestgesellschaft stellt Harry Pross vier zentrale Merkmale von
Protest heraus und fasst den Begriff wie folgt zusammen:
Protest ist eine entschiedene, öffentliche Antwort im Widerspruch zu einer
vorausgegangenen Mitteilung, eine wahrnehmbare Opposition zu einer Position. Er
41
Virgl, Christoph J.: Protest in der Weltgesellschaft. Wiesbaden 2011. S. 22.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
19
wendet sich immer an zwei Adressaten: an den Urheber der Mitteilung, gegen die sich
der Widerspruch richtet, und an ein Publikum als dritte Instanz.
42
Damit Protest entstehen kann, braucht es demnach in erster Linie einen Grund, gegen
den man sich auflehnen, sich erheben, sich positionieren und protestieren kann und will.
Grundvoraussetzung ist demnach ein
Problem, ein ,,Eindruck kollektiver negativer
Betroffenheit"
43
, der oder das innerhalb einer Gruppe, einer Gesellschaft zu großer
Unzufriedenheit, Ärger, Empörung, dem Gefühl der Benachteiligung oder
Ungerechtigkeit führt und das dann im bzw. mit Hilfe des Protests öffentlich gemacht
wird.
Wer also protestiert, bezeugt damit, dass er mit einer Sache oder Situation, die sowohl
gesellschaftlicher oder kultureller wie politischer oder wirtschaftlicher Natur sein kann,
unzufrieden ist.
Protest verfolgt damit zwei grundsätzliche Aufgaben: Zum einen soll mit Hilfe von
Protest Empörung bzw. Unzufriedenheit über eine bestimmte Sache zum Ausdruck
gebracht werden. Zum anderen wird versucht, dadurch Aufmerksamkeit zu erlangen
und den Sachverhalt, gegen oder für den protestiert wird, öffentlich zum Thema zu
machen.
Darin weisen Proteste meist einen gewissen Aktionscharakter auf, d.h., dass sie ,,eine
Handlungsform expliziten Widerspruchs darstellen, [oder] zumindest andere zum
Handeln auffordern."
44
Die Form und damit der Protest selbst können dabei sowohl aus
nur einer Aktionsform, wie beispielsweise einer Kundgebung, Demonstration oder einer
Besetzung bestehen, als auch mehrere Komponenten und Aktionsformen umfassen.
Ebenso betont Rucht bei seiner
Definition des Protestereignisses, dass ,,die Handlung
[Anm.: der Protest] mit der Formulierung eines gesellschaftlichen oder politischen
Anliegens verbunden sein bzw. verbunden werden können [muss]
."
45
Dies könne
sowohl in negativer (z.B. durch das Aufzeigen der Missstände oder das Äußern von
Kritik) als auch in positiver Form (z.B. mit Hilfe von Forderungskatalogen mit
42
Pross, Harry: Protestgesellschaft. Von der Wirksamkeit des Widerspruchs. München/Zürich 1992. S.18.
43
Rucht, Dieter: Massen mobilisieren. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 25-26/2012. S.6.
44
Rucht, Dieter: Dokumentation und Analyse von Protestereignissen in der Bundesrepublik Deutschland
(Prodat). Codebuch
. Berlin 1992. S.4.
45
Ebd. S.9.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
20
konkreten Verbesserungsvorschlägen und dem Aufzeigen von Alternativen) geschehen.
Protest heißt demzufolge nicht automatisch, dass man nur gegen etwas ist, sondern
impliziert zugleich auch das Einstehen für Alternativen und Verbesserungen, die man
forcieren und vorantreiben möchte.
46
Protest ist somit ,,nie blanke Abwehr, sondern
verweist zumindest implizit auf die Möglichkeit und Wünschbarkeit anderer und
besserer Zustände."
47
Dem schließt sich auch Hellmann in seiner Definition an, wenn er
betont, dass Protest den Anspruch erheben müsse, eine unliebsame, von anderen
getroffene Entscheidung zu än
dern ,,Der Form von Protest liegt also generell die
Unterscheidung von Erwartung und Enttäuschung zugrunde, verbunden mit dem
Anspruch auf Veränderung und Entscheidung."
48
Luhmann geht in seiner Definition
dabei noch einen Schritt weiter, wenn er sagt, dass
,,Proteste Kommunikationen [sind],
die an andere adressiert sind und deren Verantwortung anmahnen.
"
49
Rucht fügt dem noch zwei weitere wichtige Aspekte und Definitionsmerkmale hinzu
und betont, dass Protest immer auch öffentlichen Charakter hat und meist von einer
Gruppe kollektiver, nicht-staatlicher Akteure getragen wird.
50
Nach Luhmann muss
Protest dahingehend stets in Abgrenzung zu der politischen Opposition gesehen werden,
die im Gegensatz zu Protest von vornherein Teil des politischen Systems ist.
51
Wie schon angemerkt, versucht Protest Probleme oder Missstände in die Öffentlichkeit
zu tragen. Denn erst in und durch die Öffentlichkeit können die Proteste und damit die
Forderungen gehört und bestenfalls umgesetzt werden. Daher spielt der Aspekt
Öffentlichkeit eine ganz wesentliche Rolle bei der Definition von Protest, ist diese doch
eines der Hauptmerkmale, durch die Protest erst wahrgenommen werden kann. Also,
46
Vgl. Lateinisches Wort testari: dt. für etwas Zeugnis ablegen, für etwas einstehen, von dem sich das
Wort Protest, protestieren ebenfalls ableiten lässt und darauf hinweist, dass protestieren zugleich auch
bedeuten kann, für etwas zu sein.
47
Rucht, Dieter: Protest und Protestereignisanalyse: Einleitende Bemerkungen. In: Rucht, Dieter: Protest
in der Bundesrepublik. Strukturen und Entwicklungen.
Frankfurt 2001. S.9.
48
Hellmann, 1998, S.76.
49
Luhmann zitiert nach: Hellmann, Kai-Uwe: Systemtheorie und Neue Soziale Bewegungen.
Identitätsprobleme in der Risikogesellschaft
. Opladen 1996. S. 189.
50
Rucht, 1992, S.6.
51
Hellmann, 1996, S.189.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
21
,,findet [Protest] entweder im öffentlichen Raum statt oder zielt zumindest auf
öffentliche Wirku
ng oder eine Person bzw. Einrichtung des öffentlichen Interesses."
52
Die letzten Jahre haben uns wieder gezeigt, dass Proteste nicht nur
öffentlichkeitswirksam sind, sondern auch Träger und Ausdruck von gesellschaftlichen
Veränderungen,
die
unsere
Gesellschaft
entscheidend
mitprägen.
Aus
gesellschaftstheoretischer Perspektive kann Protest daher als eine Dauereinrichtung der
Gesellschaft beschrieben und können seine kommunikativen Operationen analysierbar
gemacht werden.
53
Protest als Ausdruck gesellschaftlichen wie politischen Missstandes
oder von diesbezüglicher Unzufriedenheit kann somit auch als Ausdruck
gesellschaftlicher Umbrüche oder sozialen Wandels angesehen werden. Wie in
nachfolgendem Punkt zu sehen sein wird, spielt Protest gerade in sozialen Bewegungen
daher eine nicht unerhebliche Rolle und wird zu einem wichtigen Teil von
Bewegungen.
Abschließend möchte ich für die Analyse der im Zentrum dieser Arbeit stehenden
Proteste von 2009, das Phänomen Protest im Sinne
von Rucht ,,als eine kollektive,
öffentliche Aktion nicht-staatlicher Träger, die Kritik oder Widerspruch zum Ausdruck
bringt und mit der Formulierung eines gesellschaftlichen oder politischen Anliegens
verbunden ist
"
54
definieren und gebrauchen.
2.1.2 Soziale Bewegung
Ein Blick in die Literatur zur Bewegungsforschung zeigt, dass der Begriff soziale
Bewegung seit dem 19. Jahrhundert fester Bestandteil des politischen Diskurses ist. Es
gibt zwar eine Vielzahl von möglichen Erklärungsversuchen für das Phänomen soziale
Bewegung, aber kaum eine allgemeine Definition, was unter sozialer Bewegung denn
genau zu verstehen sei. Eine Begriffsgeschichte steht dabei ebenso aus wie eine
Rekonstruktion der Theorieentwicklung.
55
Dies mag unter anderem mit dem Umstand
zusammen hängen, dass soziale Bewegungen in den Gesellschaften, in denen sie
52
Rucht, 1992, S.6.
53
Virgl, 2011, S.23.
54
Rucht, 1992, S.4.
55
Vgl. Roth, Roland/ Rucht, Dieter: Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch.
Frankfurt 2008. S.636.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
22
auftauchen, meist als störende Ereignisse empfunden werden.
56
Ebenso wenig wie nach
Raschkes Auffassung Bewegungen selbst keine feste Gestalt zu haben scheinen,
erscheint auch der Begriff in der Literatur meist relativ diffus und schwer definierbar.
Hat man bei Parteien und Verbänden meist eine recht genaue Vorstellung, wovon die
Rede ist, hat man doch ein festes Parteiprogramm, offizielle Mitgliederlisten etc., ist
dies bei sozialen Bewegungen hingegen oftmals nicht der Fall und weiß man oft nicht,
womit man es bei einer sozialen Bewegung eigentlich zu tun hat.
57
Trotz all der vielen Unklarheiten und hybriden Formen, lassen sich dennoch ein paar
allgemeine Merkmale von sozialen Bewegungen feststellen, die in der
Forschungsliteratur immer wieder genannt werden und die ich hier nun ebenfalls kurz
darstellen möchte.
So sind soziale Bewegungen eine lockere Ansammlung, ein loser Zusammenschluss
verschiedener Individuen oder Netzwerke, die gemeinsam für ein bestimmtes Ziel
eintreten, das klar definiert werden muss. Es lässt sich oft jedoch nur schwer feststellen,
wer genau alles zu einer sozialen Bewegung dazugehört, wer ein Mitglied ist und wer
nicht. Daher wird in Zusammenhang von sozialen Bewegungen in der Regel mehr von
Anhängern denn von Mitgliedern gesprochen. Soziale Bewegungen zeichnen sich
vielmehr dadurch aus, dass sie keine formal definierten Entscheidungsmechanismen
oder Mitgliedschaftskriterien sowie keine bindenden Programme und Satzungen haben.
Stattdessen weisen sie eine überaus offene und lockere Organisationsform ohne
eindeutige Hierarchie oder strukturierte Aufgabenverteilung auf.
58
Nach Neidhardt
lassen sich soziale Bewegungen
deshalb am besten als ,,mobilisierte Netzwerke von
Netzwerken"
59
definieren. Netzwerke stellen für ihn die wichtigste strukturelle
Voraussetzung für die Entwicklung und Stabilisierung von sozialen Bewegungen dar.
Dabei geht er sogar so weit, dass er soziale Bewegungen selbst als Netzwerke begreift
und definiert.
56
Vgl. Neidhardt, Friedhelm: Einige Ideen zur allgemeinen Theorie sozialer Bewegungen. In: Hradil,
Stefan (Hrsg.): Soziale Struktur im Umbruch. Karl Martin Bolte zum 60. Geburtstag. Opladen 1985.
S.193.
57
Vgl. Raschke, Joachim: Soziale Bewegungen. Ein historischer Grundriss. Frankfurt 1985. S.76.
58
Vgl. Ebd. S.195.
59
Ebd. S.197.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
23
Der Netzwerkcharakter stellt auch für Rucht ein wichtiges Merkmal dar. In seiner
Definition führt er diesen Aspekt noch weiter aus: Soziale Bewegungen sind für ihn
ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes
Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche
sozialen Wandel mit Mitteln des Protests
­ notfalls bis hin zur Gewaltanwendung ­
herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen.
60
Ähnlich definiert es auch Raschke, der betont, dass Organisations- und Aktionsformen
in ihrer Form und Ausgestaltung sehr variieren können. In seinem Definitionsversuch
spricht er davon, dass eine soziale Bewegung
ein mobilisierender kollektiver Akteur [ist], der mit einer gewissen Kontinuität auf der
Grundlage hoher symbolischer Integration und geringer Rollenspezifikation mittels
variabler Organisations- und Aktionsformen das Ziel verfolgt, grundlegenderen sozialen
Wandel herbeizuführen [...]
61
Soziale Bewegungen sind demnach weder durch eine bestimmte Organisationsform
definiert noch auf eine bestimmte Aktionsform festgelegt.
Vielmehr nehmen sie ,,eine
Mittelposition zwischen schwach strukturierten Gruppen auf der einen und den stark
strukturierten, organisatorisch verdichteten Gruppen auf der anderen Seite [ein]."
62
Denn wie in den Kapiteln 4.1.2 Struktur und Organisation bzw. 4.2.3 Struktur und
Organisation am Beispiel der #unibrennt-Bewegung noch zeigen wird, können
Bewegungen seiner Meinung nach auch nicht ohne Organisation existieren. Im
Unterschied zu institutionellen Verbänden, Initiativen oder Parteien stellt die
Organisation jedoch nicht das ,,Entscheidende an der Bewegung" dar. Das Besondere
einer sozialen Bewegung liegt nach Raschke vielmehr
in der ,,Dialektik zwischen den
(Bewegungs-) Organisationen und den
fluiden Teilen der Bewegung"
63
.
Als ein weiteres wesentliches Merkmal nennt Raschke zudem
das ,,Unfertige", den
,,Suchcharakter"
64
, das soziale Bewegungen wesentlich von Protesten unterscheidet.
Denn weisen Proteste meist von Beginn an klar formulierte Ziele und Forderungen auf,
sind diese bei Bewegung oftmals sehr diffus und werden erst im Laufe der Zeit klar
60
Rucht, Dieter: Modernisierung und neue soziale Bewegungen. Frankfurt 1994. S.77.
61
Raschke, 1985, S.77.
62
Ebd. S.80.
63
Ebd.
64
Ebd. S.78.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
24
definiert. Eine Systematisierung und Konkretisierung der Ziele erfolge bei Bewegungen
erst im Laufe der Zeit durch die sich vergrößernde Reichweite, so Raschke. Im
Vergleich zu Protesten zeichnen soziale Bewegungen sich demnach mehr durch einen
prozessualen Charakter aus sowie dem Anspruch, ,,grundlegenderen sozialen Wandel
herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen."
65
Angestrebtes Ziel vieler
sozialer Bewegungen sei eine zumindest teilweise strukturelle Veränderung von Staat
und/oder Gesellschaft zu bewirken, wobei nicht das gesamte System verändert werden
müsste, aber zumindest wichtige einzelne Elemente davon.
66
Darüber hinaus besteht in der Forschungsliteratur Einigkeit darüber, dass der Aspekt,
dass soziale Bewegungen ihre Ziele öffentlichkeitswirksam darstellen und
Protestformen auswählen, die Aufsehen erregen und zugleich Zustimmung in der
Öffentlichkeit erhalten, ein wesentliches Merkmal von sozialen Bewegungen ist. Wie
auch schon bei den Protesten ist auch bei den sozialen Bewegungen der Aspekt der
Öffentlichkeit ein zentrales Kriterium, ohne dem die Bewegung ihre Ziele nicht
erreichen könnte. Denn erst durch die Öffentlichkeit könne die Bewegung sichtbar und
somit aus der Sicht der Gesellschaft und des politischen Systems auch wirksam
werden.
67
Als letztes Merkmal sei an dieser Stelle noch die kollektive Identität erwähnt, die
ebenfalls ein entscheidendes Kriterium für die Entwicklung und Stabilisierung sozialer
Bewegungen darstellt. Nach Neidhardt entstehen soziale Bewegungen demnach erst
dann,
wenn
gewisse
,,Erfahrungen und Gefühle über Gruppen- und
Netzwerkzusammenhänge aggregiert, kollektiviert und auch sozial bearbeitet
werden
."
68
Und auch Rucht weist darauf hin, dass der soziale Zusammenhang, der
durch ein Wir-Gefühl gestützt wird und typischerweise einen netzwerkförmigen
Charakter besitzt, wichtiges Merkmal und Voraussetzung für soziale Bewegungen ist.
69
Soziale Bewegungen brauchen demzufolge kollektive Definitionen bzw. kollektive
Identitäten, in denen sich die subjektiven Erfahrungen von vielen Einzelnen ausdrücken.
65
Ebd. S.77.
66
Vgl. Ebd. S.78.
67
Vgl. Rucht, 1992, S.6.
68
Neidhardt, 1985, S. 198.
69
Rucht, Dieter: Die Ereignisse von 1968 als soziale Bewegung: Methodologische Überlegungen und
einige empirische Befunde.
In: Gilcher-Holtey, Ingrid (Hrsg.): 1968
­ vom Ereignis zum Gegenstand der
Geschichtswissenschaft.
Göttingen 1998. S.118.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
25
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass soziale Bewegungen mobilisierte Netzwerke
von Gruppen und Organisationen darstellen, die sich meist lose zusammenschließen und
über eine gewisse Dauer hinweg versuchen, ,,sozialen Wandel durch Protest
herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen.
"
70
Von Protesten
unterscheiden sie sich neben dem netzwerkartigen Charakter zum einen durch ihren
prozessuales Auftreten sowie dem Bestreben grundlegenderen gesellschaftlichen und
sozialen Wandel herbeiführen zu wollen. In Abgrenzung zu Protest ist von Bewegungen
erst dann die Rede,
wenn ein Netzwerk von Gruppen und Organisationen, gestützt auf eine kollektive
Identität, eine gewisse Kontinuität des Protestgeschehens sichert, das mit dem Anspruch
auf Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels verknüpft ist, also mehr darstellt als das
bloße Neinsagen.
71
Ein wesentlicher Unterschied stellt demzufolge auch die Zeit dar und unterscheidet sich
eine soziale Bewegung von einem Protest dadurch, dass sie auf einen längeren Zeitraum
hin ausgelegt ist und nicht nur ein kurzzeitiges, einmaliges Ereignis, wie beispielsweise
eine Demonstration umfasst.
Dennoch gibt es auch Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise den Aspekt der
Öffentlichkeit und spielt Protest, wie oben schon angedeutet, in sozialen Bewegungen
eine zentrale Rolle. Da andere Ressourcen, wie institutionelle Zugänge zum politischen
Entscheidungssystem, formelle Vetorechte oder Geld in der Regel nur bedingt bis gar
nicht vorhanden sind, erscheint Protest oftmals als einzig adäquates und zielführendes
Mittel, um Ziele und Forderungen öffentlichkeitswirksam darzustellen. Dabei dient
Protest vor allem
der Selbstvergewisserung und Identitätsstiftung der Protestierenden; vor allem aber
stellt er die an die Außenwelt adressierten Botschaften dar, mit denen eine Bewegung
ihre Problemdeutung, Kritik und Ziele präsentiert. Es erscheint deshalb sinnvoll und
fruchtbar, bei der Analyse von sozialen Bewegungen auch mit der Analyse von
Protestereignissen anzusetzen.
72
Auch wenn nicht jeder Protest gleich Ausdruck einer sozialen Bewegung darstellt, ist
Protest dennoch oft ein Teil einer Bewegung und prägt er die Praxis von Bewegungen
70
Virgl, 2011, S.35.
71
Roth / Rucht, 2008, S.13.
72
Rucht, 1998, S.129.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
26
entscheidend mit. Der Übergang zwischen Protest und Bewegung ist somit oftmals sehr
fließend, was eine klare Differenzierung zwischen beiden den beiden Phänomenen
merklich erschwert.
2.1.3 Protestwelle
Auch wenn Protestwellen bisweilen als Teil oder Synonym sozialer Bewegungen
angesehen werden, möchte ich an dieser Stelle dennoch kurz auf das Phänomen
gesondert eingehen und seine charakteristischen Merkmale kurz vorstellen. Es erscheint
mir nicht zuletzt auch deswegen sinnvoll und angebracht, auf diesen Begriff kurz
einzugehen, da im Zuge der Ausbreitung der #unibrennt-Bewegung immer auch die
Rede davon war, dass die Protestwelle sich ausbreitet, nach Deutschland
überschwappt.
73
Von Protestwellen ist explizit
dann die Rede, wenn ,,mehrere Kampagnen sich über
einen längeren Zeitraum hinweg wechselseitig überlagern und es in mehreren Sektoren
der Gesellschaft zu einem erhöhten Maß an Unruhen und Konflikten kommt.
"
74
Protestwellen weisen somit mehrere Stadien auf, die sie durchlaufen. Am Anfang stehen
dabei meist einzelne Protestaktionen von kleineren Gruppen. Stoßen diese auf Resonanz
und Erfolg, beginnt mit der Expansion die erste Phase einer Protestwelle. Die Proteste
weiten sich aus und erreichen weitere Gesellschaftsbereiche, Bevölkerungsgruppen oder
Organisationen etc. und überschreiten bisweilen auch nationale Grenzen. Dabei kommt
es meist unweigerlich zu einer Transformation von Identitäten, Handlungsstrategien
oder Bündnisstrukturen, was die zweite Phase darstellt. In der dritten Phase, der
Kontraktion, ebbt die Protestwelle langsam wieder ab und es kommt zu einer
Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung.
75
Folglich bleibt abschließend festzuhalten, dass Protestwellen sich durch einen
stufenförmigen Verlauf
76
auszeichnen, wobei sich das kollektive Handeln, das mit einer
73
Vgl. u.a. Leffers, Jochen: Bundesweite Protestwelle: Studenten rebellieren gegen Bildungschaos
(17.11.2009)
Online
unter:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/bundesweite-protestwelle-
studenten-rebellieren-gegen-bildungschaos-a-661732.html
(09.01.2014).
74
Kern, Thomas: Soziale Bewegungen. Ursachen, Wirkungen, Mechanismen. Wiesbaden 2008. S.137.
75
Vgl. Koopmanns 2004, S.22.
76
Nicht alle Protestwellen durchlaufen alle drei Stadien hintereinander und in gleichem Maße, manchmal
sind Expansion, Transformation und Kontraktion auch gleichzeitig wirksam.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
27
Protestaktion begann, über ,,eine Vielfalt von Diffusionen, Erweiterungen,
Nachahmungen und Reaktionen"
77
verbreitet. Tarrow verwendet in seiner Erklärung die
Sprache der Spieltheorie, wenn er sagt, dass durch den auf Erfolg stoßenden Protest ,,ein
Gew
issheitszirkel freigesetzt [wird], in dem [...] weniger leicht zu mobilisierende
Gruppen durch das Beispiel der Vorreiter beflügelt werden, ihre Forderungen in
kollektives Handeln umzusetzen"
78
Daraus folgt, dass ein Protestereignis somit zum
Mobilisator einer Protestwelle anwachsen und Vorreiter einer ganzen Protestbewegung
bzw.
­welle werden kann. Inwiefern Wien im Zuge der #unibrennt-Bewegung zum
Mobilisator anwuchs und Vorreiter dieser sich über mehrere Ländergrenzen hinweg
ausbreitende Protestwelle wurde, soll im Laufe dieser Arbeit noch geklärt werden.
2.1.4 Studierendenproteste 2009
­ Aufstand, Protest, Bewegung? Zur Klärung
des Forschungsgegenstandes
Die Frage, was die Ereignisse von 2009 denn eigentlich waren, ob Protest, Aufstand
oder Bewegung, stellte nicht nur ich mir, sondern, wie ich in den 'ero-epischen'
Gesprächen feststellen konnte, rückwirkend auch einige der ehemaligen Akteure.
,,Protest, Aufstand, Bewegung ­ Ja, was war es eigentlich?"
79
hieß es beispielsweise in
einem der Gespräche. Mit dieser Frage zeichnet sich ein Problem ab, mit dem ich im
Zuge meiner Arbeit immer wieder konfrontiert wurde: Für viele war und ist es doch
sehr schwer, dieses Phänomen begrifflich zu definieren und allgemein zu fassen.
Also das war, wenn ich heute im Nachhinein darüber nachdenke, was die ersten Woche
dieses Protestes waren, dann kann man das nicht beschreiben, man kann nicht sagen,
das war ein Moment der Erfüllung, das war Chaos, das sich selbst reguliert hat.
80
Auch wenn oftmals keine eindeutige Antwort auf die Frage, was es denn nun genau
war, ob Chaos, das sich selbst reguliert hat, ob Protest oder Bewegung, gefunden
werden konnte, ist doch festzuhalten, dass die Mehrheit der befragten Personen sich
vorrangig gegen den Bewegungsbegriff aussprach und die Ereignisse primär unter dem
77
Tarrow, Sidney 1991, zitiert nach Kern, Thomas: Soziale Bewegungen. Ursachen, Wirkungen,
Mechanismen.
Wiesbaden 2008. S.137.
78
Tarrow, Sidney: Kollektives Handeln und politische Gelegenheitsstruktur in Mobilisierungswellen:
theoretische Perspektiven
. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 43, H. 4, S.
647-670. Köln 1991. S.656-657.
79
Gespräch mit Herrn Friedrich, Siehe Anhang, S.XXXIV.
80
Gespräch mit Herrn Müller, Siehe Anhang, S.CVIII.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
28
Aspekt des Protests einordnete. Doch sprechen meiner Ansicht nach gemäß obiger
Definition auch zahlreiche Aspekte für eine Bewegung oder den Begriff der
Protestwelle im Speziellen.
Für den Bewegungsbegriff spricht in meinen Augen vor allem der netzwerkartige
Charakter, der die #unibrennt-Bewegung maßgeblich beeinflusst und geprägt hat. Die
Tatsache, dass es nicht nur zu zahlreichen Solidarisierungen von Künstlern, Parteien
oder Organisationen kam, sondern auch zwischen den einzelnen Universitäten eine
starke Vernetzung forciert wurde, um Änderungen im Bildungssystem voranzutreiben,
legt nahe, bei den Ereignissen
von einem ,,Netzwerk von Gruppen und
Organisationen"
81
zu sprechen.
Darüber hinaus wurde neben den konkreten Forderungen zur Verbesserung des
Bildungssystems auch immer wieder der Versuch unternommen, Einfluss auf sozialen
Wandel zu nehmen, was sich
beispielsweise in der Forderung nach einem ,,Stopp der
Ausbeutung in allen Lebensbereichen!
"
82
oder den langen gesellschaftstheoretischen
Diskussionen ausdrückt. Auch wenn der Aspekt, einen gesellschaftlichen Wandel durch
die Proteste herbeiführen zu wollen, nicht primäres Ziel der #unibrennt-Bewegung war,
war der gesamtgesellschaftliche Wandel durch die zunehmende Ökonomisierungen
während und innerhalb der Proteste immer wieder ein wichtiger Diskussionspunkt.
83
Nicht zuletzt für die Verwendung des Bewegungsbegriffs spricht meiner
84
Einsicht
nach auch die Tatsache, dass die Ereignisse mehr darstellten als ein
,,bloßes Neinsagen".
Als ein loser Zusammenschluss verschiedener Individuen, aber auch zahlreicher
Netzwerke, traten über mehrere Ländergrenzen und einen längeren Zeitraum hinweg
tausende Studierende öffentlichkeitswirksam und gemeinsam für das Ziel ein, das
Bildungssystem zu reformieren. Sie verkörperten damit ein auf gewisse Dauer gestelltes
und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke
von Gruppen und Organisationen, das mit Demonstrationen, Kundgebungen,
Transparenten, Besetzungen oder Protestchören zu unterschiedlichen Mitteln des
81
Roth / Rucht, 2008, S.13
82
Forderungskatalog der Uni Wien, online unter:
http://unibrennt.at/?page_id=11815&lang=de
(19.12.2013).
83
Vgl. Bildungsstreik Uni Augsburg: Protokoll der Plenarsitzung 19.11.2009 um 14 Uhr. Online unter:
http://blog.bildungsstreik-augsburg.de/2009/11/protokoll-1911-von-1415-1515-uhr.html
(09.01.2014).
84
Roth / Rucht, 2008, S.13

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
29
Protests griff, um einen Wandel im Bildungssystem herbeizuführen. Folglich können
die Ereignisse von 2009 gemäß der oben genannten Definition und den nun hier
dargestellten Ausführen auch unter dem Begriff der sozialen Bewegung gestellt werden.
So erscheint es mir sinnvoll für einzelne und für sich stehende Aktionen, den Begriff
des Protests zu wählen. Für die Beschreibung allgemeiner Merkmale und Ereignisse soll
im weiteren Verlauf der Arbeit jedoch der Begriff der Bewegung bzw. der Protestwelle
verwendet werden.
2.2 Proteste und Bewegungen
­ Neuer Forschungsgegenstand der
ethnologischen Alltagskulturforschung?
Das Fragezeichen in dieser Überschrift deutet an, was bereits eingangs schon erwähnt
wurde: Proteste und Bewegungen fanden bislang nur wenig Aufmerksamkeit in der
Ethnologie und Kulturwissenschaft. Auch wenn bereits große Felder in der Ethnologie
mit mikroanalytischen Studien erforscht wurden, einzig ausgespart blieb bislang die
Untersuchung
der
Protest-
und
Bewegungskultur
aus
ethnologisch-
kulturanthropologischer Sicht. Selbst jetzt, als das Thema im Zuge der jüngsten Proteste
in Deutschland oder dem arabischen Frühling, den Krisenprotesten in Südeuropa oder
der Occupy-Bewegung nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in zahlreichen
wissenschaftlichen Disziplinen, wie der Sozial-, Medien- oder Politikwissenschaft eine
rege Diskussion über Rolle und Bedeutung sozialer Bewegungen in gesellschaftlichen
Krisen- und Umbruchsituationen ins Rollen brachte, wurde dem Thema in der
Ethnologie nur wenig Beachtung und Interesse entgegen gebracht. Gerade vor dem
Hintergrund, dass Protest in der Literatur zugleich als Phänomen unseres Alltags,
soziale Bewegungen als Träger und Ausdruck von gesellschaftlichen Veränderungen
beschrieben werden, mag dies überraschen.
85
Beschreibt sich die Ethnologie selbst doch
seit Anbeginn ihrer Existenz als Gegenwarts- und empirische Alltagskulturwissenschaft
und stehen dabei die Beobachtung und Beschreibung der Lebenswelt und Lebensweise
von Land und Leute, des Alltäglichen, Fragen, wie soziale Gruppen sich in Geschichte
und Gegenwart selbst, also in ihren eigenen kulturellen Repräsentationen und
85
Haunss, Sebastian (Hrsg.): Perspektiven gesellschaftlicher Veränderung im 21. Jahrhundert
­
Kollektive Identität und identitäre Politik
. In: Bartmann, Sylke: Kollektives Handeln. Politische
Mobilisierung zwischen Struktur und Identität ; Beiträge der wissenschaftlichen Tagung der
Promotionsstipendiatinnen und Promotionsstipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung vom 20. bis 23. Mai
2001 in Oer-Erkenschwick.
Düsseldorf 2002. S.14.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
30
Definitionen wahrnehmen und verstehen, seit jeher im Fokus der Betrachtung
ethnologischer Forschungen.
Eben diese Beschreibung und Beobachtung der kleinen wie großen Lebenswelten, des
Phänomens an sich, werden in der Protest- und Bewegungsforschung meist oft nur
angeschnitten und wie oben geschildert, nur sehr rudimentär erforscht und untersucht.
Als Wissen
schaft, die nicht nur die ,,Beobachtung von Gesellschaften zum Gegenstand
und die Kenntnis der sozialen Tatsachen zum Ziel [hat]"
86
, sondern in ihrer
Forschungspraxis
meist
eine
möglichst
direkte
Begegnung
mit
dem
Forschungsgegenstand sucht und bei den Sachen selbst bleibt, könnte die Ethnologie
genau an diesem Forschungsdesiderat ansetzen und einen wichtigen Beitrag zur
Erforschung und Untersuchung von beispielsweise ganz konkreten Protestformen unter
soziokulturellen wie gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten leisten. Gerade die
qualitativen Forschungsmethoden wie teilnehmende Beobachtung, Feldforschung oder
aber die ethnographische wie auch ihre oftmals emische Perspektive wären eine
bereichernde Ergänzung zu den Methoden und Theorien der Protest- und
Bewegungsforschung.
Ein weiterer Anknüpfungspunkt, den ich hier nur kurz skizzieren möchte, wäre die
Alltagskulturforschung und die Analyse und Untersuchung von Protesten und
Bewegungen aus alltagskultureller Perspektive. Fragen, die sich hier stellen könnten,
wäre der Einfluss, den Protestbewegungen auf unseren Alltag, auf unser kulturelles wie
politisches Verständnis, unsere Wahrnehmung von Gesellschaft sowie die Vorstellung
von Eigen und Fremd nehmen und inwiefern sich dieser Blick durch das Einwirken von
Protestereignissen verändert.
Interessant wäre jedoch nicht nur zu sehen, wie Protestereignisse und Bewegungen sich
auf unseren Alltag an sich auswirken, sondern auch zu untersuchen, wie der politische
Alltag sich mit dem zunehmenden Protestaufkommen verändert hat und ob er sich noch
immer verändert. Gerade in den letzten Jahren gerieten Orte der alltäglichen Lebenswelt
zu Abhandlungsräumen politischer Willensbildung und Praxis, zu Arenen politischer
Aushandlungsprozesse,
87
fand zweifellos eine Politisierung unseres Alltags statt.
Speziell in Ländern wie Ägypten, Iran oder der Türkei, aber auch hierzulande avancierte
86
Därmann, Iris, 2013, S.47.
87
Vgl. Gezi-Park in Istanbul, Tahrir-Platz in Kairo

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
31
Politik mehr und mehr zum Aktionsfeld nichtprivilegierter Akteure, zu einer Politik von
unten. Der Politikbegriff wurde somit entstaatlicht, alltägliche Lebenswelten in den
Blick als zentrale Aushandlungsräume politischer Willensbildung gerückt. Davon
ausgehend wäre es interessant, sich nicht nur aus sozial-, politikwissenschaftlicher,
sondern
auch
aus
ethnologisch-kulturwissenschaftlicher
Perspektive
diesen
gesellschaftspolitischen Entwicklungen und sozialen Prozessen zu widmen und der
Frage nachzugehen, wie sich die Protestkultur auf die Alltagskultur auswirkt.
Auch wenn bislang kein explizites Forschungsgebiet der Ethnologie, so bietet das Feld
der Protest- und Bewegungsforschung für die Ethnologie dennoch einige interessante
Ansätze und Anknüpfungspunkte und lassen sich die Theorien und Methoden zur
Analyse von Protesten, die bislang weitestgehend aus den Bereichen der Soziologie,
Psychologie oder Politikwissenschaft stammen, gut mit den volkskundlichen Methoden
wie der ethnologischen Feldforschung oder der Ethnographie verbinden und an Gebiete
wie die Alltagskulturforschung anknüpfen. So kann man Klaus Schlichte nur
beipflichten, der in seinem
Aufsatz betont, dass die ,,Sozialwissenschaften und
besonders die Politikwissenschaften und die Ethnologie voneinander lernen"
88
können
und sich gegenseitig ergänzen sollen.
2.3 Methoden zur Analyse von Protestereignissen und Protestbewegungen
Im Laufe der Jahre hat die Protest- und Bewegungsforschung für die Untersuchung und
Beschreibung sozialer Bewegungen sieben zentrale Dimensionen aufgestellt, die all die
spezifischen Merkmale und Aspekte einer sozialen Bewegung umfassen. Dazu gehören
1) Ideologie, 2) funktionale und soziale Struktur der Anhängerschaft, 3) Organisation
und Netzwerkstrukturen 4) Strategien und Aktionsrepertoire, 5) Entwicklungsdynamik,
6) ursächliche und auslösende Faktoren der Entstehung und weiteren Entwicklung
sowie 7) die Wirkungen und Funktionen sozialer Bewegungen.
89
Passend zu diesen
Dimensionen wurden auch zahlreiche Modelle und Theorien aus den Bereichen der
Soziologie und Politikwissenschaft heraus entwickelt, die eine Erforschung und
umfassende Analyse von Protest- und Bewegungsereignissen zum Ziel haben. Da sich
die Forschung meist nur auf einen Aspekt oder Teilaspekt einer sozialen Bewegung
88
Schlichte, Klaus: Was die Politikwissenschaft von der Ethnologie lernen kann. In: Bierschenk, Thomas:
Ethnologie im 21. Jahrhundert
. Berlin 2013. S. 249.
89
Rucht, 1998, S.119.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
32
konzentrierte und eher selten die Bewegung in ihrer Gesamtheit in den Fokus der
Untersuchung stellte, gibt es auch nur einige wenige Modelle und Theorien, die sich mit
einer allumfassenden Analyse einer Bewegung beschäftigen.
90
Soll eine Bewegung in
all ihren Einzelheiten und in ihrem gesamten Ausmaß analysiert und dargestellt werden,
müssen mehrere Modelle und/oder Theorien hinsichtlich Zielsetzung, Intensität,
Häufigkeit, Umfang, sozialer Trägerschaft usw. zu Rate gezogen werden.
Da auch ich bei meiner Untersuchung nicht alle Dimensionen miteinbeziehen konnte,
habe ich mich für die Analyse der Proteste in Wien und Augsburg auf drei Modelle
bzw. Ansätze aus der Bewegungsforschung konzentriert, die nachfolgend nun näher
dargestellt werden sollen.
2.3.1 Framing-Ansatz
Der Framing-Ansatz zählt zu den kulturellen Ansätzen der Bewegungsforschung, der
sich im Gegensatz zu Ansätzen, wie der Ressource Mobilization oder den Political
Opportunity Structures
mit den Auswirkungen kultureller Faktoren auf soziale
Bewegungen beschäftigt und insbesondere die Wahrnehmung und Perspektive der
Bewegungsakteurinnen und -akteure berücksichtigt, weshalb es naheliegend erschien,
diesen Ansatz in Verbindung mit der Diffusionstheorie für die Analyse der Proteste in
Augsburg und Wien mit einzubeziehen.
Grundlage des Framing-Ansatzes bildet Erving Goffmans Konzept der Rahmen-
Analyse, die die Produktion und Reproduktion kultureller Deutungsstrukturen, mit
denen soziale Bewegungen ihre Anhängerschaft mobilisieren, zum Inhalt hat.
91
Unter
Frames versteht
Goffman ,,schemata of interpreation"
92
, die dem Einzelnen als Stütze
und Orientierung dabei helfen soll, die Ereignisse:
,,to locate, perceive, identitfy, and
label"
93
.
Darauf aufbauend entwickelte sich Mitte der 1980er Jahre mit Gamson und Snow der so
genannte Framing-Ansatz, der die konstruktivistischen Züge sozialer Bewegungen in
90
Vgl. Ebd.
91
Zu Erving Goffmans Rahmenanalyse vgl. Goffman, Erving: Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die
Organisation von Alltagserfahrungen.
Frankfurt am Main 1980.
92
Benford, Robert D./ Snow, David A.: Framing Processes and social Movements: An Overview and
Assessment
. In: Annual Review of Sociology. Vol. 26: 611-639. 2000. S. 614.
93
Ebd.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
33
den Vordergrund rückt. Snow ging es dabei vor allem darum, einen Ansatz zu schaffen,
mit
dessen
Hilfe
der
Zusammenhang
zwischen
Protestinhalten
und
Mobilisierungserfolg, der Deutungsrahmen von Protestbewegungen untersucht werden
kann. Im Zentrum des Ansatzes also steht die Konstruktion eines Deutungsrahmens, der
eine gewisse Legitimation und Rechtfertigung sowohl für den Protestierenden selbst als
auch gegenüber der Gesellschaft schafft, und somit eine Erklärung dafür anbietet,
warum es überhaupt zum Protest kommt. Die Frage der Deutungskompetenz spielt
dabei ebenso eine Rolle wie die der kulturellen Hegemonie oder der Definitionsmacht.
Der Framing-Ansatz soll nun dazu dienen, die kognitiven und diskursiven Strategien
und Elemente sozialer Bewegungen zu analysieren sowie Fragen zu untersuchen, die für
den Zusammenhang zwischen Protestinhalten und Mobilisierungserfolg von Bedeutung
sind.
Unter framing werden jene bewussten Strategien gefasst, mit deren Hilfe
Bewegungsakteure versuchen, sich selbst und ihre Thematik darzustellen, um so die von
ihnen gewollten Aktivitäten zu motivieren und zu legitimieren.
94
Im Kontext von
Protesten und Bewegungen dienen Frames demnach im Wesentlichen dazu, die
Bewegung selbst, sowie die öffentliche Meinung zu mobilisieren. Hellmann spricht
hierbei auch von einer Inszenierung, dem Marketing einer Bewegung, das durch Frames
transportiert und dargestellt wird.
95
Snow unterscheidet darüber hinaus zwischen dem
diagnostic
, dem prognostic und dem motivational frame.
96
Bezieht sich der diagnostic frame auf die Identifikation von Problemen und ihren
Ursachen und versucht eine gemeinsame Problemdiagnose herzustellen, was bei der
Heterogenität der Akteure einer Bewegung oftmals nicht so leicht ist, entwickelt der
prognostic frame
Lösungsmöglichkeiten, die für das Fortbestehen und den Erfolg einer
Bewegung von entscheidender Bedeutung sind. Der motivational frame versucht
Anreize und Mobilisierungsbereitschaft bei Betroffenen zu schaffen und zu aktivieren.
94
McAdam, Doug: Taktiken von Protestbewegungen.
Das ,,Framing" der amerikanischen
Bürgerrechtsbewegung
. In: Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale
Bewegungen
. Wiesbaden 1994. S.393.
95
Hellmann, 1998, S. 22.
96
Ebd. S.20-22.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
34
Darüber hinaus ist zudem der memory frame zu erwähnen, der sich auf das kollektive
Gedächtnis
97
bezieht und den unhinterfragten Kontext bildet, innerhalb dessen neue
Informationen sinnvoll interpretiert werden können. Folgt man Luhmanns Auffassung,
dass jede soziale Interaktion auf bestimmten Realitätsannahmen beruht, dann wird
durch die kollektive Erinnerung ein Vergangenheitshorizont aufgespannt, vor dessen
Hintergrund erst die Interpretation der Gegenwart möglich ist und Erfahrungen, Werte
und Normen für die Lösung von Gegenwartsproblemen überliefert werden können.
Auch wenn bislang noch kaum erforscht und untersucht, so sind sich Vertreter der
Bewegungsforschung dennoch einig,
98
dass die Konstruktion einer kollektiven
Erinnerung eine wichtige Ressource für die Stabilisierung kollektiven Handelns und
damit für Bewegungen oder Protestereignisse ist
99
und damit einen wichtigen Punkt
innerhalb des Framing-Konzepts darstellt.
Nach McAdam ist das Framing-Konzept auch deshalb von so großer Bedeutung, da es
erstmals den Blick auf noch weitestgehend unerforschte Aspekte, wie die Alltags-
Aktivitäten der Teilnehmer einer Bewegung und die tatsächlichen Erfahrungen von
Bewegungsaktivisten, lenkte.
100
Des Weiteren betont er, dass es ein notwendiges
Korrektiv zu jenen allgemeineren Strukturtheorien darstellt, die soziale Bewegungen oft
nur als unvermeidbares Nebenprodukt entweder eines sich vergrößernden Spektrums an
politischen
Möglichkeiten
oder
eine
allmähliche
Entwicklung
von
Systemwidersprüchen
und
Systemverschiebungen
wahrnehmen.
101
Als
kultursoziologische Ergänzung öffnet es die Perspektive auf bewegungsinterne soziale
Strukturen, auf Aktionen bestimmter Menschen, die den Protest oder die Bewegung
oftmals im Wesentlichen tragen und auf Dauer stellen. Statt das Augenmerk auf externe,
97
Das kollektive Gedächtnis stellt in diesem Zusammenhang einen symbolischen Rahmen dar, innerhalb
dessen neue Informationen sinnvoll interpretiert werden können. Vgl. Kern, Thomas: Soziale
Bewegungen. Ursachen, Wirkungen, Mechanismen.
Wiesbaden 2008. S.145.
98
Vgl. Raschke, Joachim: Soziale Bewegungen. Ein historischer Grundriss. Frankfurt 1985. Sowie:
Melucci, Alberto: Getting Involved: Identity and Mobilization in Social Movements. In: Klandermanns,
Bert/ Kriesi, Hanspeter/ Tarrow, Sidney (Hrsg.): From Structure to Action: Comparing Social Movement
Participation across Cultures.
Greenwich 1988. S.329-348. Zit. Nach: Rucht, Dieter: Kollektive Identität.
Konzeptionelle Überlegungen zu einem Desiderat der Bewegungsforschung
. In: Forschungsjournal Neue
Soziale Bewegungen, 8 (1995) 1, S. 22-23
.
99
Vgl. Kern, Thomas: Soziale Bewegungen. Ursachen, Wirkungen, Mechanismen. Wiesbaden 2008.
S.146.
100
McAdam, 1994, S.394.
101
Ebd. S.392-393.

Theoretischer Rahmen und Methoden zur Analyse von sozialen Bewegungen und
Protestereignissen
35
strukturelle Ressourcen zu richten, geht der Framing-Ansatz der Frage nach, welche
Möglichkeiten den beteiligten Akteuren zur Verfügung stehen, um die Wirkung ihres
Deutungsrahmens zu verbessern.
Nach Snow benutzen Bewegungen vier grundlegende Framing-Strategien, um auf
Probleme aufmerksam zu machen, alternative Lösungsvorschläge in die öffentliche
Diskussion einzubringen oder neue Mitglieder zu mobilisieren. Er unterscheidet daher
zwischen den vier Framing-Strategien: frame bridging, das eine systematische
Verknüpfung von gegenseitig ideologisch anschlussfähigen, aber bisher nicht
verbundenen Deutungsrahmen verfolgt, wie z.B. den Austausch von Erfahrungen,
Meinungen und Informationen, und damit das mediale Fundament für die Angleichung
unterschiedlicher Perspektiven darstellt; frame amplification, das ausgewählte Inhalte
hervorhebt und verstärkt zum Ausdruck bringt, um kulturelle Resonanz und damit
Mobilisierungspotenzial zu vergrößern; frame extension, durch den bestimmte
inhaltliche Schwerpunkte und Themen wieder in den Vordergrund gerückt werden, die
in der Vergangenheit in den Hintergrund gerieten, um neue Zielgruppen anzusprechen
und frame transformation, wodurch neue Überzeugungen und Ideen, die sich eventuell
im Widerspruch zu vorherrschenden Wertvorstellungen einer Gesellschaft befinden,
durchgesetzt werden sollen.
102
2.3.2 Collective-Identity-Ansatz
Mit dem Framing-Ansatz eng einher geht auch der Collective-Identity-Ansatz, den ich
zusammen mit dem Framing-Konzept meiner Protestanalyse zugrunde legen und
nachfolgend kurz vorstellen möchte.
Wie bereits angedeutet, spielt die kollektive Identität und das Ausbilden gemeinsamer
Ziele und Lösungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung und
Stabilisierung von Protestbewegungen. Daher lohnt es sich, diesem Phänomen, das
mitunter auch eine wichtige Voraussetzung für die nachfolgend beschriebene
Diffusionstheorie darstellt, einen gesonderten Absatz zu widmen.
Der Collective-Identity-Ansatz behandelt somit also den Identitätsaspekt als
Mobilisierungsressource
und
konzentriert
sich
vordergründig
auf
die
Handlungsfähigkeit und Selbststeuerung einer Bewegung. Gemäß des Framing-
102
Kern, 2008, S.146-149.
Ende der Leseprobe aus 197 Seiten

Details

Titel
Die #unibrennt-Bewegung. Diffusion einer Protestwelle in Wien und Augsburg
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
197
Katalognummer
V370117
ISBN (eBook)
9783668534100
ISBN (Buch)
9783668534117
Dateigröße
6646 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Studierendenprotest, Protestforschung, Studentenprotest, soziale Bewegung
Arbeit zitieren
Corinna Höckesfeld (Autor:in), 2014, Die #unibrennt-Bewegung. Diffusion einer Protestwelle in Wien und Augsburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370117

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