Leitkonzepte der sozialen Arbeit. Fallbeispiel eines Schülers aus der Perspektive des ökologischen Ansatzes nach Bronfenbrenner und Entwicklung eines Handlungsplans nach dem Empowerment-Konzept


Hausarbeit, 2016

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Falldarstellung Schüler Simon derGrundschule Berlin

3. Derökologische Ansatz nach Bronfenbrenner
3.1 Die Ökologie der menschlichen Entwicklung
3.2. Das Mehrebenenmodell nach Bronfenbrenner
3.2.1 Das Mikrosystem
3.2.2 Das Mesosystem
3.2.3 Das Exosystem
3.2.4 Das Makrosystem
3.2.5 Das Chronosystem

4. Das Empowerment - Konzept

5. Fallbearbeitung
5.1 Analyse anhand des Mehrebenenmodells nach Bronfenbrenner:
5.2 Reichweite der Erklärungstheorie und ihre Grenzen
5. 3 Konsequenzen fürdas sozialpädagogische/erzieherische Handeln
5.4 Handlungsplan nach dem Empowerment-Ansatz

6. Erkenntnisgewinn und Reflexion

7. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Aus meiner kindheitspädagogischen Sicht ist eine professionelle Arbeit mit Kindern im Zusammenhang mit der Lebenswelt der Familien, den Ressourcen und im Hinblick auf Kooperationen mit den Institutionen im Sozialraum zu verorten. Die Arbeitsfelder der Kindheitspädagogik erfordern deshalb Kenntnisse der familiären, institutioneilen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Um eine umfassende inhalt -und kompetenzbasierte Handlungsfähigkeit für diese Arbeitsfelder zu entwickeln, ist es wichtig sich eine systematische Kenntnis wichtiger Theorien und Modelle der individuellen und gesellschaftlichen Entwicklung sowie der einschlägigen politischen-, Bildungs- und Sozialisationsinstitutionen anzueignen. Vor dem Hintergrund eines professionellen Selbstverständnisses geht es deshalb um ein integriertes Verständnis sozialpädagogischer und erziehungswissenschaftlicher Theorien, Methoden und Verfahrensweisen. Leitkonzepte der sozialen Arbeit bieten Erklärungsmöglichkeiten und helfen Sachverhalte einzuordnen. Sie befähigen die Fachkraft diese zu verstehen, komplexe Zusammenhänge sowie Wechselwirkungen zu berücksichtigen und diese miteinander in Beziehung zu setzen.

Für die Fallbearbeitung, in der vorliegende Hausarbeit, habe ich mich für das sozialökologische Sozialisationsmodell nach Bronfenbrenner entschieden. Dazu habe ich einen Fall aus meiner Praxiserfahrung gewählt und diesen für die Bearbeitung abgeändert. In meinem Praxissemester haben ich leider die Erfahrung gemacht, dass weiterhin ein stark defizitorientierter Blick auf Kinder und ihre Familien vorherrscht. Maßnahmen werden dabei häufig ausschließlich an den „Problemkindern“ selbst angesetzt, ohne weitere Akteure zu berücksichtigen, die an einer Problemlage beteiligt sind. Probleme werden einseitig betrachtet und die Bewertung der Umstände aus Sicht der Kinder nicht einbezogen. Der Ansatz macht es möglich die Verschränkungen von Prozesse einschließlich ihrer wechselseitigen Beeinflussung zu erkennen. Das Verhalten eines Individuums in seiner Gesamtheit zu sehen und die Eigenschaften sozialer Systeme als Produkt eines Zusammenspiels ihrer Komponenten zu begreifen. Wichtig dabei ist für mich der Blickwinkel auf Wechselwirkungen anstatt auf Ursache-Wirkung-Systeme, ebenso die Berücksichtigung von Gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Diese haben gerade im schulischen Bereich eine hohe Bedeutung. Weiter ist mir der Fokus wichtig, den Bronfenbrenner darauf legt, wie ein Individuum Umwelterfahrungen bewertet. Der Empowerment-Ansatz stellt für mich für die Fallbearbeitung eine optimale Kombination zum Ansatz von Bronfenbrenner dar, da er Parallelen aufweist und die Ressourcen statt Defizite in den Vordergrund stellt. Durch die Auseinandersetzung mit der Theorie und dem Handlungskonzept möchte ich meine reflektierte und professionelle Haltung weiterentwickeln.

2. Falldarstellung SchülerSimon derGrundschule Berlin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Schulsozialarbeiterin Frau Bauer befasst sich mit der Problemsituation im Fall Simon Maier. Seit ca. einem halben Jahr ist Frau Bauer in diesem Fall involviert. Damals wandte sich der Lehrer Herr Schmidt an die Schulsozialarbeiterin, nachdem einige Konfliktsituationen mit dem Schüler Simon aufgetreten waren. Laut Herrn Schmidts Schilderungen sei Simon ein Problemschüler, der sich schnell von seinen Mitschülern provozieren lässt und dabei auch schon handgreiflich geworden war. Er stiftet auch ständig Unruhe in der Klasse. Weiter berichtet Herr Schmidt, dass die Probleme mit Simon erst seit kurzem so gravierend aufgetreten sind. Herr Schmidt hatte in kurzer Zeit bereits mehrere Gespräche mit Simon und seinen Eltern, die aber zu keiner Besserung geführt haben. Nun bittet er Frau Bauer bei einem weiteren Elterngespräch teilzunehmen, bei dem nach 30 Minuten auch Simon hinzu gerufen wird. Frau Bauer will sich zunächst ein Bild von der Situation machen und hält sich bei dem Gespräch eher im Hintergrund. In diesem Gespräch stellt sich heraus, dass Herr Maier seit sechs Monaten arbeitslos sei. Herr Maier bezweifelt allerdings, dass dieser Umstand etwas mit Simons Verhalten zu tun haben könne, da er zu Hause ganz „normal“ sei. Die Eltern von Simon berichten, dass sie schon mehrere Gespräche mit ihrem Sohn über die Situation geführt hätten. Frau Maier sieht die Schuld aber auch bei Herrn Schmidt, der Simon bei jedem Konflikt als „Sündenbock“ hinstellt. Nachdem Simon zum Gespräch hinzu gerufen wird, erhitzt sich die Situation. Herr Schmidt wirft Simon sein schlechtes Verhalten vor, indem er verschiedene Konfliktsituationen aufzählt. Simon schildert die Situationen ganz anders und fühlt sich ungerecht behandelt. Mehrere Male unterbricht er Herrn Schmidt bei seinen Ausführungen. Herr Maier maßregelt Simon lautstark, während Frau Maier ihren Sohn immer wieder beruhigt und in Schutz nimmt. Die Vorwürfe von Herrn Schmidt verletzen Simon sehr, er sieht die ganze Zeit mit Tränen in den Augen aus dem Fenster.

Frau Bauer bietet Simon und Herrn Schmidt an, in den nächsten Tagen jeweils einzeln zu ihr in die Sprechstunde zu kommen und noch einmal in Ruhe zu reden. Beide nehmen das Angebot an. Auch Frau Maier bittet die Schulsozialarbeiterin um ein Einzelgespräch, bei dem sie sich ihr anvertraut. Frau Bauer fasst anschließend alle Positionen der einzelnen Akteure zusammen, die sich wie folgt darstellen:

- Aus der Sicht von Maike Meier verhält sich Simon so schlecht, weil Herr Schmidt ihn ungerecht behandelt. Sie weiß auch, dass die beiden Klassenkameraden von Simon keine „Unschuldslämmer“ sind und Simon gerne provozieren - und zwar immer dann besonders, wenn kein Lehrer in der Nähe ist. Sie macht sich Sorgen um Simons Schulleistungen, die sich seit kurzem rapide verschlechtert haben. Nächstes Jahr stehe schließlich der Übergang in eine weiterführende Schule bevor. Sie versteht nicht was los ist, Simon habe doch immer ein gutes Verhältnis zu Herrn Schmidt gehabt und plötzlich will er gar nicht mehr zur Schule gehen. Sie sei schon ganz am Ende, da die Situation eine zusätzliche Belastung darstelle. Sie hätte bereits genug Sorgen mit ihren Überstunden, die sie leisten müsse, aufgrund der Arbeitslosigkeit ihres Mannes. Es würde ihr das Herz brechen, da ihr kleiner Junge über Bauchschmerzen klagt und nicht zur Schule gehen wolle. Es gäbe seitdem wegen der schulischen Situation auch immer wieder Streit mit Simon und ihrem Ehemann. Sie habe aufgrund der wenigen Zeit für Simon auch ein schlechtes Gewissen. Ihr Mann sei zudem sehr streng zu Simon. Er werfe ihr vor, zu nachsichtig mit Simon zu sein und seine Autorität zu untergraben. Sie sei froh darüber, dass Simon im Fußballverein ist, da er dort gute Freunde und einen tollen Trainer habe, zu dem er aufsieht.
- Aus der Sicht von Simon haben Manuel und Tobi Schuld, die ihn immer wieder ärgern. Sie würden ihn oft wegen seiner Kleidung und der Arbeitslosigkeit seines Vaters hänseln. Herr Schmidt würde außerdem immer ihnen glauben und gar nicht sehen wollen, dass die beiden immer anfangen. Simon habe auch mal angefangen aber eben nicht immer, wie es Herr Schmidt behauptet. Im Fußballverein habe er auch keine Probleme mit den anderen Kindern, es müsse also an der Schule liegen. Deswegen habe er auch oft Streit mit seinem Papa und nur seine Mama wäre auf seiner Seite.
- Herrn Schmidt sieht die Situation als sehr verfahren. Er wolle Simon ja gar nicht immer die Schuld geben, aber die Umstände sprechen immer gegen ihn. Andere Klassenkameraden würden dies bestätigen. Simon habe ohnehin einen schwierigen Stand in der Klasse. Im Unterricht würde er auch ständig „Blödsinn“ machen und seine Ermahnungen ignorieren. Als positiv merkt er aber an, dass Simon gut Verantwortung übernehmen könne. In verschiedenen Projekten hätte er dies schon unter Beweis gestellt. Er hofft, dass ihr Verhältnis wieder besser wird. Simon sei doch eigentlich ein guter Junge.

3. Der ökologische Ansatz nach Bronfenbrenner

Der amerikanische Psychologe Uri Bronfenbrenner entwickelte eine Theorie über die Humanentwicklung in der aktiven Auseinandersetzung mit der alltäglichen Umwelt. Sein Hauptwerk „Die Ökologie der menschlichen Entwicklung“ erschien 1981 in Deutschland (engl. Original 1979). Er verknüpfte in seinen Forschungsarbeiten natur- und sozialwissenschaftliche Forschungen und entwickelte ein ökologisch orientiertes Analysemodell der menschlichen Entwicklung, durch welches das Verhältnis zwischen Umwelt und Persönlichkeitsentwicklung systematisch formuliert werden kann. Dabei koppelte er die Bedeutung der Umwelt für das sich entwickelnde Individuum mit einer Kombination der naturwissenschaftlich orientierten Forschungen in der Psychologie mit einer Forschungsrichtung, die aufzeigen kann, wie ein Individuum Umwelterfahrungen bewertet (Grundmann, Fuß & Suckow, 2000, S. 22). Bronfenbrenner knüpfte hierbei an die Arbeiten von Lewin (1943, 1963) an, dessen Feldtheorie sozialer Beziehungen für den ökologischen Ansatz in der Psychologie grundlegend war. Lewin verwies dabei auf die spezifische Wahrnehmung der Umwelt, neben objektiven und räumlichen Merkmalen, welche die Bedeutung dieser Umwelt für das Individuum bestimmen (Grundmann et al., 2000, S. 20-21). Die Erkenntnisse aus Jean Piagets entwicklungspsychologischen Ansätzen, die sich aus seinen Forschungen über die genetischen Prozesse der Wissensverarbeitung ergaben, sowie die Erkenntnisse der Lebensverlaufforschungen beeinflussten Bronfenbrenner bei der Formulierung seines allgemeinen sozialökologischen Sozialisationsmodells. So werden in seinem Modell sozio-historische Veränderungen in den Umwelterfahrungen als auch entwicklungsspezifische Erfahrungen berücksichtigt und für die Analyse von Umwelt und Persönlichkeitsentwicklung mit einbezogen (Grundmann et al., 2000, S. 23). Diese Einsicht in die zeitliche Strukturdynamik führte schließlich zu einem dynamisierten Analysemodell, welches die Entwicklung des Individuums und die sich wandelnde Lebensbedingungen zugleich berücksichtigt (Grundmann et al., 2000, S. 24). Bronfenbrenner gelang es des Weiteren, die Beziehungen des Individuums zu den unterschiedlichen „Ebenen“ der Gesellschaft systematisch zu beschreiben und gleichzeitig die Beziehungen zwischen den unmittelbar erfahrbaren Lebenswelten und größeren Zusammenhängen zu berücksichtigen, in die ein Individuum eingebunden ist (Grundmann et al., 2000, S. 22).

3.1 Die Ökologie der menschlichen Entwicklung

Bronfenbrenner beschreibt den Inhalt seines Werkes „Die Ökologie der menschlichen Entwicklung“ wie folgt:

"Die Ökologie der menschlichen Entwicklung befaßt sich mit der fortschreitenden gegenseitigen Anpassung zwischen dem aktiven, sich entwickelnden Menschen und den wechselnden Eigenschaften seiner unmittelbaren Lebensbereiche. Dieser Prozess wird fortlaufend von den Beziehungen dieser Lebensbereiche untereinander und von den größeren Kontexten beeinflußt, in die sie eingebettet sind."

(Bronfenbrenner, 1981, S. 37)

Er geht davon aus, dass die Entwicklung von Subjekten sich innerhalb verschiedener Umwelten vollzieht, die einen Komplex ineinander geschachtelter ökologischer Systeme darstellen, die direkt oder indirekt auf das Handeln einwirken. Dabei geschieht eine fortschreitende gegenseitige Anpassung zwischen dem aktiven, sich entwickelnden Individuum und den wechselnden Eigenschaften seiner Umwelt (Grundmann et al., 2000, S. 26-27). Zwischen dem Subjekt und seiner Umwelt bestehen dabei Wechselwirkungen, sie wirken aufeinander ein, können sich gegenseitig verändern und stehen in einer Abhängigkeit zueinander (Bronfenbrenner, 1981, S. 38). Die ökologischen Systeme ordnete Bronfenbrenner in unterschiedliche gesellschaftliche Organisationsebenen, der Mikro-, Meso-, Exo- und Makroebene. Er entwickelte hierzu ein Mehrebenenmodell sozialökologischer Einflussfaktoren auf die Persönlichkeitsentwicklung. Bronfenbrenner erweiterte das Mehrebenenmodell und fügte ihm nachträglich das Chronosystem hinzu, um neben den sozialräumlichen Umwelteinflüssen auch der zeitlichen Strukturierung von Umweltkontexten Rechnung zu tragen und somit die sozio-historischen Veränderungen in den Umwelterfahrungen sowie entwicklungsspezifische Erfahrungen bei der Analyse zu berücksichtigen (Grundmann et al., 2000, S. 23, 27, 39). Die Systemebenen, mit der nachträglichen Erweiterung, sollen im folgenden Punkt dargestellt werden.

3.2. Das Mehrebenenmodell nach Bronfenbrenner

3.2.1 Das Mikrosystem

Mikrosysteme umfassen alle primär bedeutsamen Lebensbereiche, in denen sich ein Individuum unmittelbar befindet und in denen es mit anderen in direkter Interaktion steht, so z.B. die Familie, die Schulklasse oder eine Peer-Group. Die zentralen Elemente eines Mikrosystems werden durch das Muster von Tätigkeiten, Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen beschrieben, die das Individuum in einem Lebensbereich erlebt. Diese prägen unmittelbar die Verhaltensweisen des sich entwickelnden Individuums.

Bronfenbrenner benennt hierbei so genannte „molare Tätigkeiten“, Verhaltensmuster, die sich durch eine zeitliche Beständigkeit kennzeichnen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Leitkonzepte der sozialen Arbeit. Fallbeispiel eines Schülers aus der Perspektive des ökologischen Ansatzes nach Bronfenbrenner und Entwicklung eines Handlungsplans nach dem Empowerment-Konzept
Hochschule
Hochschule Esslingen
Veranstaltung
Sozialpädagogisches Handeln in der Kinder- und Jugendhilfe
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V370181
ISBN (eBook)
9783668474703
ISBN (Buch)
9783668474710
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fallarbeit, Sozialpädagogik, Kinder- und Jugendhilfe, Bronfenbrenner, Empowerment, Mehrebenenmodell, Erklärungstheorie, Handlungsplan, Ökologie der menschlichen Entwicklung, ökologische Ansatz nach Bronfenbrenner
Arbeit zitieren
Isabella Isajewicz (Autor:in), 2016, Leitkonzepte der sozialen Arbeit. Fallbeispiel eines Schülers aus der Perspektive des ökologischen Ansatzes nach Bronfenbrenner und Entwicklung eines Handlungsplans nach dem Empowerment-Konzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370181

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Leitkonzepte der sozialen Arbeit. Fallbeispiel eines Schülers aus der Perspektive des ökologischen Ansatzes nach Bronfenbrenner und Entwicklung eines Handlungsplans nach dem Empowerment-Konzept



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden