„Die SPD wird nie wieder Volkspartei“ (Schlieben 2010). Das sagt zumindest der Parteien- und Kulturforscher Franz Walter von der Universität Göttingen. Folgt man der Aussage Walters, ergeben sich daraus zwei Thesen: Die eine lautet, dass die SPD zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte einmal Volkspartei war. Die andere, dass die SPD heute keine Volkspartei mehr ist. In der vorliegenden Arbeit soll jedoch nicht der Frage nachgegangen werden, ob die SPD jemals wieder Volkspartei werden wird. Vielmehr soll geprüft werden, ob die zwei bereits genannten Thesen von Franz Walter zutreffend sind.
Die Frage, die im Mittelpunkt der folgenden Ausarbeitung stehen soll, ist also, ob man die Sozialdemokraten heute noch als Volkspartei bezeichnen kann. Es muss zunächst gezeigt werden, aus welchen Gründen der SPD früher der Volksparteicharakter zugesprochen wurde, bevor anschließend der heutige Zustand der Partei auf dem Prüfstand steht. Da es den Rahmen sprengte, würde man die gesamte 150 - jährige Historie der SPD auf den Status einer Volkspartei prüfen, werden zwei für die diese Partei historische Daten als Vergleichswerte herangezogen. Zum einen das Jahr 1972, als die deutsche Sozialdemokratie mit 45,8% ihr bislang höchstes Ergebnis bei einer Bundestagswahl hatte. Und zum anderen das Jahr 2009,
als die SPD zur Bundestagswahl mit 23,0% ihr historisch niedrigstes Ergebnis erleiden musste. Doch bevor diese beiden Jahre miteinander verglichen werden und geprüft werden kann, ob die SPD noch eine Volkspartei ist, muss zunächst geklärt werden, was der Begriff der Volkspartei eigentlich meint.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wird der Aufsatz Der Wandel des westeuropäischen Parteisystems von Otto Kirchheimer verwendet, in welchem er mehrere Charakteristika aufzeigt, die eine Partei aufweisen muss, um als Volkspartei bezeichnet zu werden. Zur Untermauerung und zum besseren Verständnis dieser Theorie, zieht der Verfasser beispielsweise noch die Annäherung an die Volkspartei von Bernd Hofmann und Parteiendemokratie im Wandel von Franz Decker zur Hilfe, deren Analysen das Volksparteienkonzept von Kirchheimer noch untermauern. Im Anschluss steht der Volksparteistatus der SPD auf dem Prüfstand. Hierzu werden unter anderem Arbeiten von Klaus Detterbeck, Hans See und Barbara Vielhaber berücksichtigt, die einen guten Einblick in die innerparteilichen Strukturen der SPD geben.
Inhaltsverzeichnis
- Ist die SPD noch eine Volkspartei?
- Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer
- Parteisystem vor dem Zweiten Weltkrieg
- Parteisystem nach dem Zweiten Weltkrieg
- Fünf für eine Volkspartei typische Charakteristika
- Radikales Beiseiteschieben von ideologischen Komponenten
- Stärkung der Politiker an der Spitze
- Entwertung der Rolle des einzelnen Parteimitglieds
- Abkehr von der chasse gardée
- Verbindungen zu den Interessenverbänden
- Volksparteistatus der SPD nach dem Volksparteienkonzept von Kirchheimer
- Volksparteistatus 1972
- Volksparteistatus 2009
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, ob die SPD nach dem Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer als Volkspartei zu bezeichnen ist. Sie prüft die These, dass die SPD zu einem Zeitpunkt Volkspartei war, heute aber nicht mehr. Anhand der Jahre 1972 (höchstes Wahlergebnis) und 2009 (niedrigstes Wahlergebnis) wird der Wandel analysiert.
- Das Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer
- Der Wandel des Parteiensystems in Deutschland
- Die Entwicklung der SPD im Kontext des Volksparteienkonzepts
- Charakteristika von Volksparteien
- Vergleich des Status der SPD in den Jahren 1972 und 2009
Zusammenfassung der Kapitel
1. Ist die SPD noch eine Volkspartei?: Der Aufsatz untersucht, ob die SPD aktuell als Volkspartei einzustufen ist, ausgehend von der These, dass sie dies einst war, aktuell aber nicht mehr. Er analysiert die SPD in den Jahren 1972 (45,8% der Stimmen) und 2009 (23%), um ihren Wandel im Kontext des Volksparteienkonzepts zu beleuchten. Die Arbeit konzentriert sich auf die Überprüfung dieser These und verzichtet auf Spekulationen über eine mögliche zukünftige Entwicklung.
2. Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer: Dieses Kapitel erläutert das Konzept der Volkspartei nach Otto Kirchheimer, basierend auf seinem Aufsatz „Der Wandel des westeuropäischen Parteisystems“. Kirchheimers Arbeit gilt als grundlegend für das Verständnis von Volksparteien und ihren Einfluss auf die Stabilität von Staat und Gesellschaft. Es werden die wertgebundenen und normativen Komponenten von Kirchheimers Analyse hervorgehoben, die die Frage nach dem optimalen Zusammenspiel von individueller Freiheit und Partizipation in den Mittelpunkt stellen. Die Entwicklung von Volksparteien wird als entscheidendes Kriterium für ein stabiles Parteiensystem betrachtet.
2.1. Parteiensystem vor dem Zweiten Weltkrieg: Der Abschnitt beschreibt die Parteitypen vor der Entwicklung der Volkspartei, darunter Massenintegrationsparteien, Oppositionsparteien und Parteien mit individueller Repräsentation. Kirchheimers Fokus liegt auf der politischen Integration, der Fähigkeit des Systems, bisher ausgeschlossene Gruppen einzubeziehen. Der Abschnitt analysiert die Schwierigkeiten bei der Integration proletarischer Massenparteien und das Versagen bürgerlicher Repräsentationsparteien, sich in Integrationsparteien zu verwandeln. Die politischen Herausforderungen der Vorkriegszeit, wie Krieg, Inflation und die damit verbundene Politisierung der Bevölkerung, werden als Kontext für die Entwicklung der Volksparteien dargestellt.
Schlüsselwörter
SPD, Volkspartei, Otto Kirchheimer, Parteiensystem, politische Integration, Massenintegrationsparteien, Wahlergebnisse, 1972, 2009, Parteiensoziologie, gesellschaftliche Stabilität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse: Ist die SPD noch eine Volkspartei?
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht, ob die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) nach dem Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer als Volkspartei zu bezeichnen ist. Die zentrale These lautet, dass die SPD zu einem Zeitpunkt Volkspartei war, heute aber nicht mehr. Dieser Wandel wird anhand der Jahre 1972 (höchstes Wahlergebnis) und 2009 (niedrigstes Wahlergebnis) analysiert.
Welches Konzept steht im Mittelpunkt der Analyse?
Die Analyse basiert auf dem Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer, das im Kapitel 2 ausführlich erläutert wird. Kirchheimers Konzept, basierend auf seinem Aufsatz „Der Wandel des westeuropäischen Parteisystems“, betrachtet die Entwicklung von Volksparteien als entscheidend für ein stabiles Parteiensystem und die politische Integration der Bevölkerung.
Welche Kriterien werden zur Beurteilung des Volkspartei-Status der SPD verwendet?
Die Arbeit untersucht die fünf von Kirchheimer definierten Charakteristika einer Volkspartei: das radikale Beiseiteschieben ideologischer Komponenten, die Stärkung der Politiker an der Spitze, die Entwertung der Rolle des einzelnen Parteimitglieds, die Abkehr von der „chasse gardée“ (geschütztes Gebiet) und die Verbindungen zu den Interessenverbänden. Diese Kriterien werden auf die SPD in den Jahren 1972 und 2009 angewendet.
Warum werden die Jahre 1972 und 2009 verglichen?
1972 erzielte die SPD ihr historisch bestes Wahlergebnis, während 2009 ihr schlechtestes Ergebnis verzeichnet wurde. Der Vergleich dieser beiden Jahre soll den Wandel der SPD und ihre Entwicklung im Kontext des Volksparteienkonzepts verdeutlichen.
Welche Aspekte des Parteiensystems werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet den Wandel des deutschen Parteiensystems vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie beschreibt verschiedene Parteitypen (Massenintegrationsparteien, Oppositionsparteien, Parteien mit individueller Repräsentation) und analysiert die Herausforderungen der politischen Integration, insbesondere die Integration proletarischer Massenparteien.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, ob die SPD nach Kirchheimers Kriterien im Jahr 1972 als Volkspartei einzustufen war und ob dies im Jahr 2009 noch zutraf. Die Arbeit konzentriert sich auf diese Analyse und vermeidet Spekulationen über die zukünftige Entwicklung der SPD.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
SPD, Volkspartei, Otto Kirchheimer, Parteiensystem, politische Integration, Massenintegrationsparteien, Wahlergebnisse, 1972, 2009, Parteiensoziologie, gesellschaftliche Stabilität.
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- Anonym (Autor), 2016, Ist die SPD noch eine Volkspartei? Zum Volksparteienkonzept von Otto Kirchheimer, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370281