In der Bilanzstruktur eines Lebensversicherungsunternehmens finden sich auf der Passiv-Seite, dem Geschäftsmodell geschuldet, langfristige Verpflichtungen gegenüber Versicherungsnehmern. Auf der Aktiv-Seite befinden sich hingegen Kapitalanlagen mit deutlich niedrigeren Anlagehorizonten. Im Jahr 2013 war die Duration der Passiva mehr als zehn Jahre höher als die der Aktiva. Die Differenz der Durationen der Aktiva und Passiva kann sich bei einer Änderung des Marktzinses aufgrund der Veränderung der Barwerte und im weiteren Sinne des Eigenkapitals existenzbedrohend auswirken.
Die Arbeit beginnt mit der Darlegung der theoretischen Grundlagen des Asset-Liability Managements in Lebensversicherungsunternehmen.
Hierzu wird der Begriff des Asset Liability Managements definiert und das Geschäftsmodell der Lebensversicherung untersucht. Es folgt eine ausführliche Analyse der Versicherungsaufsicht unter Solvency II und dessen Einflüsse auf die Kapitalanlagepolitik von Lebensversicherungsunternehmen. Die fortlaufende Niedrigzinsphase wird im weiteren Verlauf in die Betrachtung integriert. Im Hauptteil der Arbeit soll gezeigt werden, wie sich eine Veränderung des Zinses bei unterschiedlichen Durationen bilanziell auswirkt. Darauf folgen zwei weitere Simulationen in welchen die Durationen der Aktiva ganz oder teilweise an die Passiva angeglichen werden. Neben der ökonomischen Bewertung des Zinsrisikos wird auch die aufsichts-rechtliche Bewertung berücksichtigt. Zuletzt folgen weitere aktiv- sowie passiv-seitige Portfoliooptimierungsansätze. Die Arbeit schließt mit dem Ergebnis und einer kritischen Würdigung ab.
Durch die deduktive Vorgehensweise sollen Spannungsfelder rund um die Thematik ermittelt werden, welche bei der Problemlösung zwingend berücksichtigt werden müssen. Im praktischen Teil der Arbeit werden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden eingesetzt. Im qualitativen Bereich findet sich eine Marktanalyse und ein Interview mit einem Portfoliomanager. Auf der quantitativen Ebene finden sich hingegen statistische Auswertungen sowie eine vollständige Unternehmenssimulation. Grundsätzlich sollen Lebensversicherungsunternehmen Portfoliogestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, auf welchem Weg die Durationslücke im Asset-Liability Management gesenkt werden kann, sowie weitere Portfoliooptimierungsansätze, welche sinnvoll unter Solvency II sind.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen des Asset-Liability Managements in Lebensversicherungsunternehmen
2.1 Asset-Liability Management
2.2 Das Geschäftsmodell der Lebensversicherung
2.3 Die Versicherungsaufsicht unter Solvency II
2.3.1 Grundlagen von Solvency II
2.3.2 Die Kapitalanforderung für das Marktrisiko
2.4 Die Kapitalanlagepolitik unter Solvency II
2.4.1 Portfolio-Selection-Modell
2.4.2 Capital-Asset-Pricing-Modell
2.4.3 Asset Management von Lebensversicherungsunternehmen
2.4.4 Spannungsfelder zwischen dem Niedrigzinsniveau und Solvency II
3 Auswirkungen des Zinsrisikos auf Lebensversicherungsunternehmen
3.1 Duration und Konvexität
3.2 Bilanzielle Auswirkung einer Zinsänderung
3.3 Kalkulation des Markt SCR.
4 Zielgerichtete Ansätze der Portfoliooptimierung
4.1 Steigerung der Duration der Kapitalanlagen
4.1.1 Bilanzielle Veränderungen nach der ersten Simulation
4.1.2 Veränderung des Markt SCR nach der ersten Simulation
4.1.3 Bilanzielle Veränderungen nach der zweiten Simulation
4.1.4 Veränderung des Markt SCR nach der zweiten Simulation.
4.1.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.2 Weitere Ansätze der Portfoliooptimierung
4.2.1 Return on Solvency Capital
4.2.2 Portfoliooptimierung der Verpflichtungen
5 Kritische Würdigung & Ergebnisse der Arbeit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Zielformulierung im Asset-Liability Management
Abb. 2: Unterscheidungsformen innerhalb der Lebensversicherung
Abb. 3: Das Drei-Säulenmodell nach Solvency II
Abb. 4: Analogie eines Lebensversicherungsvertrages mit einem Zero Bond
Abb. 5: Die Solvenzkapitalanforderung des Basis SCR
Abb. 6: Zusammensetzung der Eigenmittel nach Solvency II.
Abb. 7: Konvergenz der risikofreien Zinsstrukturkurve an die Ultimate Forward Rate.
Abb. 8: Unterschiedliches Rendite-Risiko Verhältnis von 2 Wertpapieren
Abb. 9: Rendite-Risiko-Positionen riskanter Wertpapiere im 2-Wertpapier-Fall bei unterschiedlichen Korrelationskoeffizienten
Abb. 10: Effizienter Bereich eines Portfolios im 2-Wertpapier Fall
Abb. 11: Reduktion des unsystematischen Risikos durch Streuung innerhalb einer Assetklasse
Abb. 12: Der Investmentprozess von institutionellen Anlegern
Abb. 13: Rahmenbedingungen für die Anlagepolitik eines Lebensversicherers.
Abb. 14: Entwicklung der Leitzinsen diverser Märkte
Abb. 15: Diverse Einflussfaktoren auf die Kapitalanlagepolitik von Lebensversicherern
Abb. 16: Grafische Ermittlung der Duration eines Wertpapieres.
Abb. 17: Konvexitätsfehler bei der Anleihenbewertung
Abb. 18: Upside- und Downside-Schock der risikofreien Zinsstrukturkurve.
Abb. 19: Schwankung des Eigenkapitals in der entsprechenden Simulation.
Abb. 20: Wertveränderung des Eigenkapitals in der entsprechenden Simulation
Abb. 21: Schwankung der Bilanzsumme in der entsprechenden Simulation.
Abb. 22: Solvenzkapitalanforderung für das Marktrisiko in der entsprechenden Simulation
Abb. 23: Konvexität der Assets und Liabilities in einem Lebensversicherungsunternehmen
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Untergliederung des Asset-Liability Managements in drei Gruppen
Tab. 2: Bilanz der Allianz Lebensversicherungs-AG aus dem Jahr 2015
Tab. 3: Korrelationswerte der Teilmodule unter Solvency II
Tab. 4: Schockfaktoren der risikofreien Zinsstrukturkurve
Tab. 5: Berechnungsformeln der Kapitalanforderungen für das Spreadrisiko
Tab. 6: Berechnung der Duration eines Wertpapieres
Tab. 7: Berechnung der Duration eines Portfolios
Tab. 8: Aktiva des Unternehmens im Ausgangsszenario
Tab. 9: Aktiva des Unternehmens im Zinssenkungsszenario
Tab. 10: Aktiva des Unternehmens im Zinsanstiegsszenario
Tab. 11: Verbindlichkeiten des Unternehmens im Ausgangsszenario
Tab. 12: Verbindlichkeiten des Unternehmens im Zinssenkungsszenario
Tab. 13: Verbindlichkeiten des Unternehmens im Zinsanstiegsszenario
Tab. 14: Bilanz des Unternehmens im Ausgangsszenario
Tab. 15: Bilanz des Unternehmens im Zinssenkungsszenario
Tab. 16: Bilanz des Unternehmens im Zinsanstiegsszenario
Tab. 17: Diskontierte Cash-Flows der Verbindlichkeiten im Upside- und Downside Schock
Tab. 18: Bestimmung der Cash-Flows der Aktiva
Tab. 19: Diskontierte Cash-Flows der Aktiva im Upside- und Downside Schock
Tab. 20: Eigenkapitalveränderung im Upside- und Downside Schock
Tab. 21: Bestimmung der Solvenzkapitalanforderungen für das Spreadrisiko der Aktiva
Tab. 22: Modellierung der Aktiva des Unternehmens in der ersten Simulation
Tab. 23: Aktiva des Unternehmens im Zinssenkungsszenario in der ersten Simulation
Tab. 24: Aktiva des Unternehmens im Zinsanstiegsszenario in der ersten Simulation
Tab. 25: Bilanz der ersten Simulation im Ausgangsszenario
Tab. 26: Bilanz der ersten Simulation im Zinssenkungsszenario
Tab. 27: Bilanz der ersten Simulation im Zinssenkungsszenario
Tab. 28: Bestimmung der Cash-Flows der Aktiva in der ersten Simulation
Tab. 29: Diskontierte Cash-Flows der Aktiva im Upside- und Downside Schock in der ersten Simulation
Tab. 30: Eigenkapitalveränderung im Upside- und Downside Schock in der ersten Simulation
Tab. 31: Bestimmung der Solvenzkapitalanforderungen für das Spreadrisiko der Aktiva in der ersten Simulation
Tab. 32: Modellierung der Aktiva des Unternehmens in der zweiten Simulation
Tab. 33: Aktiva des Unternehmens im Zinssenkungsszenario in der zweiten Simulation
Tab. 34: Aktiva des Unternehmens im Zinsanstiegsszenario in der zweiten Simulation
Tab. 35: Bilanz der zweiten Simulation im Ausgangsszenario
Tab. 36: Bilanz der zweiten Simulation im Zinssenkungsszenario
Tab. 37: Bilanz der zweiten Simulation im Zinsanstiegsszenario
Tab. 38: Bestimmung der Cash-Flows der Aktiva in der zweiten Simulation
Tab. 39: Diskontierte Cash-Flows der Aktiva im Upside- und Downside Schock in der zweiten Simulation
Tab. 40: Eigenkapitalveränderung im Upside- und Downside Schock in der zweiten Simulation
Tab. 41: Bestimmung der Solvenzkapitalanforderungen für das Spreadrisiko der Aktiva in der zweiten Simulation
Tab. 42: Durchschnittliche Portfoliodurationen der Assets und Liabilities
Tab. 43: Ermittlung des RoSC verschiedener Anlageklassen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der Lebensversicherungsmarkt befindet sich im Umbruch. Die anhaltende Niedrigzinsphase und die reformierte Versicherungsaufsicht unter Solvency II stellen Lebensversicherer vor große Herausforderungen. Einige Unternehmen reagieren mit punktuellen Veränderungen, wie bspw. mit der Abschaffung des Garantiezinses in ihrem Produktportfolio.1 Die steigende Anzahl von Einflussfaktoren auf Lebensversicherungsunternehmen zwingen diese zu optimierten Managementprozessen. Eine besondere Bedeutung kann in diesem Kontext dem Asset-Liability Management zugespielt werden.
In der Bilanzstruktur eines Lebensversicherungsunternehmens finden sich auf der Passiv-Seite, dem Geschäftsmodell geschuldet, langfristige Verpflichtungen gegenüber Versicherungsnehmern. Auf der Aktiv-Seite befinden sich hingegen Kapitalanlagen mit deutlich niedrigeren Anlagehorizonten. Im Jahr 2013 war die Duration der Passiva mehr als zehn Jahre höher als die der Aktiva.2 Die Differenz der Durationen der Aktiva und Passiva kann sich bei einer Änderung des Marktzinses aufgrund der Veränderung der Barwerte und im weiteren Sinne des Eigenkapitals existenzbedrohend auswirken. Grund dafür ist, dass die hohe Du- ration der Passiva zu einer deutlich höheren Sensitivität der Verbindlichkeiten bei einer Zinsänderung führt. Eine Verlängerung der Durationen der Aktiva durch In- vestitionen in Anleihen mit längeren Laufzeiten hingegen wird unter Solvency II im Spreadrisikomodul mit hohen Solvenzkapitalanforderungen sanktioniert.3
Die Arbeit beginnt mit der Darlegung der theoretischen Grundlagen des Asset- Liability Managements in Lebensversicherungsunternehmen. Hierzu wird der Be- griff des Asset Liability Managements definiert und das Geschäftsmodell der Le- bensversicherung untersucht. Es folgt eine ausführliche Analyse der Versiche- rungsaufsicht unter Solvency II und dessen Einflüsse auf die Kapitalanlagepolitik von Lebensversicherungsunternehmen. Die fortlaufende Niedrigzins-phase wird im weiteren Verlauf in die Betrachtung integriert. Im Hauptteil der Arbeit soll ge-zeigt werden, wie sich eine Veränderung des Zinses bei unterschiedlichen Dura- tionen bilanziell auswirkt. Darauf folgen zwei weitere Simulationen in welchen die Durationen der Aktiva ganz oder teilweise an die Passiva angeglichen werden. Neben der ökonomischen Bewertung des Zinsrisikos wird auch die aufsichts- rechtliche Bewertung berücksichtigt. Zuletzt folgen weitere aktiv- sowie passiv- seitige Portfoliooptimierungsansätze. Die Arbeit schließt mit dem Ergebnis und einer kritischen Würdigung ab.
Durch die deduktive Vorgehensweise sollen Spannungsfelder rund um die The- matik ermittelt werden, welche bei der Problemlösung zwingend berücksichtigt werden müssen. Im praktischen Teil der Arbeit werden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden eingesetzt. Im qualitativen Bereich findet sich eine Marktanalyse und ein Interview mit einem Portfoliomanager. Auf der quantitativen Ebene finden sich hingegen statistische Auswertungen sowie eine vollständige Unternehmenssimulation. Grundsätzlich sollen Lebensversicherungsunterneh-men Portfoliogestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, auf welchem Weg die Durationslücke im Asset-Liability Management gesenkt wer- den kann, sowie weitere Portfoliooptimierungsansätze, welche sinnvoll unter Sol- vency II sind.
2 Grundlagen des Asset-Liability Managements in Lebensversicherungsunternehmen
2.1 Asset-Liability Management
Asset-Liability Management (ALM) ist ein Begriff, dessen Ursprung der Bankbe- triebslehre zugeordnet wird.4 Die Vorarbeiten hierzu reichen bis ins 19. Jahrhun- dert zurück.5 Die Eingliederung des Begriffes in der Versicherungswirtschaft ist auf den britischen Aktuar Frank M. Redington aus dem Jahr 1952 zurückzufüh- ren.6 Redington machte erstmalig den Vorschlag, die Durationen der Kapitalan- lagen (Assets) und der Verpflichtungen (Liabilities) im Versicherungsgeschäft aufeinander abzustimmen, um den Bestand gegen Zinsänderungen zu immuni- sieren.7 Praktisch anwendbare quantitative Verfahren im ALM wurden anfänglich durch Peter Gessner in seinen Arbeiten in den Jahren 1979, 1986 und 1987 dis- kutiert.8 Diese beruhten auf Planungsrechnungen für die Passivseite, da für die Aktiva eine konstante Verzinsung in Höhe von 7% unterstellt worden ist.9 Nach einer Stagnation folgten im Zusammenhang mit der Absenkung des Zinsniveaus und dem Anstieg der Aktienmärkte in den neunziger Jahren weitere Modelle, welche fortan auch die Aktiv Seite in die Betrachtung integrierten.10
Innerhalb der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen zu dem Begriff des ALM. Ebenso vielfältig sind die Interpretationen der jeweiligen Autoren. Im Folgenden werden verschiedene Definitionen aus der Literatur miteinander verglichen. Auf dieser Basis versucht der Verfasser unter Berücksichtigung des Themas eine präzise Definition zu formulieren.
Farny definiert ALM als ein Entscheidungsmodell im Versicherungsunternehmen, womit ertrags- und finanzwirtschaftliche sowie weitere Größen gesteuert werden können. Führer/Grimmer sehen hingegen das ALM nicht als ein Modell, sondern vielmehr als eine Sammlung von Methoden und Strategien der simultanen Aktiv- Passiv Steuerung. Sie betonen, dass ALM alle bedeutenden Einflussgrößen der Finanzintermediation durch Versicherungsunternehmen berücksichtigt und eine gemeinsame Steuerung dieser Einflussgrößen als Ziel hat.11 Jaquemond et al. sehen einen ähnlichen Ansatz zu Führer/Grimmer. Sie geben an, dass ALM alle auf die Zukunft gerichteten Methoden und Techniken zur simultanen Steuerung der Aktiva- und Passiva beinhaltet.12 Rothe hingegen begrenzt die Steuerung der Aktiva auf das gebundene Vermögen und die Steuerung der Passiva auf die ver- sicherungstechnischen Verbindlichkeiten. Darüber hinaus betrachtet er das ALM als einen planmäßigen Steuerungsansatz.13 Albrecht hält ebenso eine Begrenzung auf versicherungstechnische Verbindlichkeiten für notwendig. Des Weiteren ist er der Ansicht, dass die Aufgabe des ALM nicht die Steuerung, sondern die Koordination der Steuerung der Aktiva und Passiva ist.14 Köhler begrenzt das ALM auf eine Steuerung der Kapitalanlage, welche ausgehend von den versicherungstechnischen Verbindlichkeiten gelenkt wird.15 Gerstner et al. sehen einen generalistischen Ansatz. Sie verstehen unter ALM die verantwortungsvolle Steuerung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten in einem Portfolio von Versicherungsverträgen.16
Zu erkennen ist, dass einige Autoren im ALM eine zwingend simultane Steuerung der Aktiva und Passiva sehen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird gezeigt, dass die Simultanität zwar sinnvoll, jedoch keine zwingende Voraussetzung für das ALM ist. Weiterhin ist es sinnvoll im Geschäftsmodell der Lebensversicherung das ALM auf die Steuerung des gebundenen Vermögens und der versicherungs- technischen Verpflichtungen zu beschränken, anstatt die gesamten Aktiv- und Passivwerte zu berücksichtigen. Die von Köhler beschriebene ein-seitige Wir- kung der versicherungstechnischen Verbindlichkeiten auf die Kapitalanlage hält der Verfasser im Rahmen dieser Arbeit nicht für zielführend. Vielmehr sieht er unter dem ALM eine wechselseitige Wirkung zwischen den Assets und Liabilities.
Der Verfasser berücksichtigt im Folgenden auch die Management-Komponente im ALM und definiert wie folgt:
„ Asset-Liability Management in Lebensversicherungsunternehmen ist ein Managementansatz zur gezielten Steuerung des gebundenen Vermögens und der versicherungstechnischen Verpflichtungen. Es beinhaltet eine Sammlung von Methoden und Strategien, welche unter Berücksichtigung der Wechselwir kungen zwischen dem Anlageportfolio und der Verpflichtungen zu einem aus mehreren Variablen bestehenden Instrument zur ganzheitlichen Unternehmenssteuerung zusammengeführt werden. “
Der Verfasser erweitert das ALM um die Funktion der Unternehmenssteuerung. Dieses wird damit begründet, dass insbesondere in Lebensversicherungsunter- nehmen (LVU), dass ALM aufgrund seiner enormen Bedeutung nicht unabhängig betrachtet werden kann, sondern zwingend in die Unternehmenssteuerung inte- griert werden muss. Des Weiteren wird betont, dass ALM eine Ansammlung von unterschiedlichen Variablen und Perspektiven in einem Instrument vereint.
Diese Definition ist notwendig um im weiteren Verlauf dieser Arbeit ein einheitliches Verständnis für den Begriff sicherzustellen. Weiter ist die Definition die notwendige Ausgangsbasis für die Bestimmung der Zielsetzung des ALM. Da die Autoren den Begriff unterschiedlich definieren, kommt es infolgedessen zu ungleichen Zielsetzungen. Deshalb gestaltet es sich umso schwieriger eine passende Zielsetzung zu finden.
Für eine Zielformulierung kann eine Top-Down Betrachtung gewählt werden. Dies bedeutet, dass alle Ziele eines Unternehmens, inklusive die Ziele des ALM von den Unternehmensoberzielen abgeleitet werden. Neben klassischen betriebswirtschaftlichen Zielen wie die Gewinnerzielung, Unternehmenserhaltung, Unternehmenswertsteigerung und Wachstum sieht Führer das Bedarfsdeckungsziel als fünftes Element.17 Dieser Kerngedanke ist vor allem in Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit wieder zu finden, kann aber auch für alle anderen Rechtsformen übertragen werden.18
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Zielformulierung im Asset-Liability Management.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Führer (2010), S. 49.
Albrecht sieht die Ertrags- und Risikoorientierung als konkurrierende Ziele in einem Versicherungsunternehmen.19 Dies kann damit begründet werden, dass sowohl im Bereich der Kapitalanlagen als auch im Bereich der Versicherungstechnik mit zunehmender Risikobereitschaft höhere Erträge erzielt werden können. Beispielsweise kann ein Portfoliomanager, dass Kapital in riskantere Wertpapiere investieren um höhere Renditen zu erzielen. Ebenfalls kann bei einer Versicherungssparte auf eine Rückversicherung verzichtet werden, sodass der Erstversicherer gänzlich und alleine die Ertragschance trägt.
Aus den genannten Oberzielen lassen sich nun eine undefinierte Anzahl von Zwi- schen- und Unterzielen ableiten. Führer legt den Fokus im Bereich der Zwischenziele auf die Optimierung der Kapitalanlagen und die Optimierung der Produktgestaltung.20 Der Verfasser sieht diese zwei Bereiche ebenfalls als Kern- elemente der Zielsetzung in Lebensversicherungsunternehmen. Aus diesem Grund ist im Abschnitt des Lösungsansatzes in Kapitel 4 der Fokus auf diese Bereiche gelegt.
Wie bereits dargestellt ist das ALM ein Ansatz, welcher von vielen Variablen be- einflusst wird. Entsprechend schwer gestaltet es sich einen Überblick über die Thematik zu behalten. Trotzdem ist eine differenzierte Betrachtung für eine vollständige Themenbearbeitung sinnvoll. Aus diesem Grund ist es notwendig eine Untergliederung vorzunehmen. Der Verfasser definiert drei neue Kategorien, wonach sich ALM Formen unterteilen lassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Untergliederung des Asset-Liability Managements in drei Gruppen. Quelle: Eigene Darstellung.
Zuerst kann nach dem Wirkungsbereich unterschieden werden. Hierbei wird nach dem Makro und Mikro ALM unterschieden. Im Makro ALM wird das gesamte versicherungstechnische Portfolio eines Unternehmens den gesamten Kapitalanlagen gegenübergestellt.21 Im Mikro ALM hingegen findet eine segmen- tierte Betrachtung statt. Bspw. kann nach Produktarten oder Produktkategorien segmentiert werden.22 Auf dieser Basis steuern die einzelnen Bereiche die Kapi- talanlage. Die Praxistauglichkeit des Mikro ALM innerhalb der Lebensversiche- rung ist nach Ansicht des Verfassers kritisch zu bewerten, da es sich schwierig gestalten wird für jedes Lebensversicherungsprodukt ein eigenes Kapitalanlageportfolio zu generieren. Das Makro ALM erweist sich als der geeig- netere Lösungsansatz.
Darüber hinaus kann die Wirkungsrichtung untersucht werden. Das traditionelle und das sukzessive ALM werden Synonym betrachtet.23 Bei dieser Vorgehens- weise werden die versicherungstechnischen Verpflichtungen als konstant ange- sehen und beeinflussen somit einseitig die Kapitalanlagepolitik des Unterneh- mens.24 Eine Steuerung der Verpflichtungen durch die Kapitalanlage ist im Geschäftsmodell der Lebensversicherung nicht sinnvoll, da die Produktmodellierung nicht kurzfristig gesteuert werden kann.
Dem gegenüber steht das moderne oder simultane ALM. Divergierend zur erst genannten Form, zielt das simultane ALM auf eine wechselseitige Steuerung des Basisportfolios ab.25 Im Hinblick auf die externen Gegebenheiten durch Solvency II und dem Niedrigzinsumfeld reichen traditionelle ALM Ansätze nicht mehr aus. Insbesondere wenn die alleinige Modellierung der Aktiva nicht ausreicht um Ver- pflichtungen zu erfüllen, muss zwingendermaßen auf eine simultane Steuerung ausgewichen werden. Beispielhaft können Belastungen durch Garantiezinsver- sprechen genannt werden. Da sich die Erwirtschaftung der benötigten Rendite auf dem Kapitalmarkt als schwierig erweist, muss eine Neugestaltung der Pro- dukte vorgenommen werden.
Zuletzt kann erörtert werden, von welcher Rechnungsbasis ausgegangen wird. Das interne und externe Rechnungswesen geben die wirtschaftlichen Transakti- onen eines Unternehmens wieder. Das externe Rechnungswesen dient der In- formation von Adressaten außerhalb des Unternehmens wie beispielsweise Gläubiger oder Anteilseigner. Das interne Rechnungswesen dient als Grund-lage für ökonomische Rechnungen, wie beispielsweise der Wirtschaftlichkeit. Entspre- chend gelten für die zwei genannten Formen unterschiedliche Vorschriften. Das externe ALM hat das externe Rechnungswesen als Ausgangsbasis et vice versa. Eine wichtige Rolle spielt das beispielsweise in der Bewertung des Basisportfo- lios.26
2.2 Das Geschäftsmodell der Lebensversicherung
Farny versteht unter einem Versicherungsgeschäft, ein Geschäft in welchem ein Risiko von einem Versicherungsnehmer (VN) auf ein Versicherungs- unternehmen transferiert wird und ein Risikoausgleich im Kollektiv stattfindet.27 Hierbei wird nach drei essentiellen Formen unterschieden. Die erste und wichtigste Form des Versicherungsgeschäftes ist das Risikogeschäft, in dem der VN eine Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Schäden an den Versicherer überträgt.28 Hierdurch kann der VN den Einfluss von Schäden auf seine wirtschaftliche Lage teilweise oder ganz reduzieren. Das Spar- und Entspargeschäft ist die zweite Form des Versicherungsgeschäftes und ist in einigen Versicherungszweigen integriert.29 Das Dienstleistungsgeschäft ist die dritte Form und beschreibt die Abwicklung und Beratung von Risiko-, Spar- und Entspargeschäften.30 Im Hinblick auf das Produkt der Lebensversicherung sind alle drei genannten Formen wiederzuerkennen.
Das versicherungstechnische Risiko bildet den Kern des Risikogeschäftes und wird als die Abweichung der Effektivwerte der versicherten Schäden von den Erwartungswerten verstanden.31 Innerhalb der Lebensversicherung handelt es sich um sogenannte biometrische Risiken, welche an wichtige Veränderungen der Lebensverhältnisse des VN gekoppelt sind.32 Im engeren Sinn kann das Mortalitätsrisiko aufgeführt werden, welches die verhältnismäßige Anzahl der Todesfälle innerhalb einer Periode in der Bevölkerung misst33. Sofern Produkte wie die Berufsunfähigkeitsversicherung oder die Pflegeversicherung auch der Lebensversicherung zugerechnet werden, sind auch Morbiditätsrisiken zu berücksichtigen, welche analog zum Mortalitätsrisiko, die Anzahl der Erkrankungen misst.34 Ist das nicht der Fall, so kann dem versicherungstechnischen Risiko innerhalb der Lebensversicherung eine unkritische Rolle zugespielt werden, da eine hinreichend genaue Prognostizierbarkeit der Risiken aufgrund von Sterbetafeln und des Risikoausgleiches im Kollektiv möglich ist.35
Als Pendant zum versicherungstechnischen Risiko existiert das Kapitalanlagerisiko im Zusammenhang mit dem Spar- und Entspargeschäft. Das Kapitalanlagerisiko kann unterteilt werden in das Kapitalerhaltungsrisiko, das Kapitalbindungsrisiko und das Kapitalertragsrisiko.36 Gemäß den Auswertungen der fünften quantitativen Auswirkungsstudie zu Solvency II37 ist das Marktrisiko, als Bestandteil des Kapitalanlagerisikos, mit 82% der wesentliche Risikotreiber innerhalb der Lebensversicherung.38
Die Produktvariationen innerhalb der Lebensversicherung sind vielfältig und besitzen teilweise komplexe Eigenschaften. Zur Unterscheidung können demzufolge mehrere Kriterien herangezogen werden. Produkte, die an das Mortalitätsrisiko der versicherten Person geknüpft sind, werden als Todes- und Erlebensfallversicherungen bezeichnet. Zu den Todesfallversicherungen zählen klassischerweise Risikolebensversicherungen und Sterbegeldversicherungen. Im Gegensatz dazu leisten Erlebensfallversicherungen bei Erreichen eines vorher vertraglich festgelegten Alters. Beispielsweise können hier Aussteuerversicherungen genannt werden. Mischformen von Todes- und Erlebensfallversicherungen werden häufig auch als gemischte Lebensversicherungen bezeichnet. Zur Unterscheidung existieren keine festgelegten Vorgaben. So unterscheidet Ortmann bspw. nach fünf klassischen Lebensversicherungsformen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Unterscheidungsformen innerhalb der Lebensversicherung.
Quelle: Ortmann K. (2016), S. 6.
Im weiteren Sinne können auch Versicherungen die als Ausgangsrisiko das Morbiditätsrisiko haben, aber nach Art einer Lebensversicherung betrieben werden aufgeführt werden. Als Beispiel kann die Berufsunfähigkeits- versicherung, die Erwerbsunfähigkeitsversicherung oder Pflegerenten- versicherung genannt werden. Die bisher genannten Produkte sind nur eine exemplarische Auswahl von Lebensversicherungsprodukten. Charakteristisch sind für diesen Versicherungszweig ebenfalls die Optionsrechte, welche den VN zustehen. Der VN hat je nach Produkt zum Ende der Vertragslaufzeit ein Kapitalwahlrecht, wobei zwischen einer einmaligen Kapitalauszahlung, Verrentungsoption und einer Mischform zwischen Teilkapitalauszahlung und Teilverrentung entschieden werden kann. Während der Vertragslaufzeit bieten sich weitere Rechte, wie z.B. eine Dynamisierungs-, Rückkaufs-, Beitragserhöhungs- und Reduktionsoptionen, sowie gänzliche Beitrags- freistellungsoptionen an.
Für die Prämienzahlung stehen innerhalb der Lebensversicherungen zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Der VN hat die Möglichkeit zu Beginn des Versicherungsvertrages sich gegen eine Einmalprämie oder eine laufende Prämie zu versichern. Bei der Prämienberechnung findet das Äquivalenzprinzip Anwendung. Hiernach muss der Barwert der erwarteten Leistungen aus dem Versicherungsvertrag den Barwert der Prämieneinnahmen entsprechen.39 Die Höhe der Prämien muss derart kalkuliert werden, dass das Lebens-versicherungsunternehmen (LVU) seinen Verpflichtungen jederzeit nachkommen kann.40 Dies impliziert gezwungenermaßen eine vorsichtige Prämienkalkulation seitens des Versicherungsunternehmens.
Vorsichtig kalkulierte Sterbetafeln und die Erwirtschaftung von Gewinnen durch die Kapitalanlage haben die Bildung von Überschüssen zur Folge. Gemäß der Mindestzuführungsverordnung werden die Überschüsse nach dem Kapitalanlageergebnis, Risikoergebnis und dem übrigen Ergebnis unterschieden.41 Diese Überschüsse können als Puffer für einen möglichen Verlust genutzt werden, dennoch muss der größte Teil der erwirtschafteten Überschüsse zurück an den VN fließen.42 Zunächst werden jedoch die Überschüsse in der Bilanz als Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RFB) eingestellt, sofern Sie nicht bereits über eine Direktgutschrift an den VN zugeteilt worden sind.43 Mindestens 90% der erzielten Überschüsse aus dem Kapitalanlageergebnis sind in diesem Posten einzubringen.44 Für das Risikoergebnis gelten ebenfalls 90% der erzielten Überschüsse.45 Zuletzt werden die Überschüsse aus dem übrigen Ergebnis zu 50% in die RFB zugeführt.46 Dementsprechend ergibt sich folgende Formel für die Zuführung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Garantiezins ist die vertraglich vereinbarte Mindestverzinsung der Sparprämien des VN.47
Ferner wird für ein Verständnis des Geschäftsmodells eine Betrachtung der Bilanz eines LVU notwendig. Die Bilanz gibt an, welche Vermögenswerte (Mittelverwendung) durch welche Mittel (Mittelherkunft) finanziert worden sind. Die rechtlichen Vorgaben zum Aufbau der Aktivseite sind in §§ 6 - 21 und der Passivseite in §§ 22 - 35 der RechVersV angegeben. Das Formblatt 1 der RechVersV gibt den detaillierten Aufbau der Lebensversicherungsbilanz wieder. Eine beispielhafte Untersuchung der Bilanz der Allianz Lebensversicherungs-AG aus dem Jahr 2015 gibt Aufschluss über die Bilanzstruktur.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Bilanz der Allianz Lebensversicherungs-AG aus dem Jahr 2015.
Quelle: Eigene Darstellung (Excel Kalk. 1), (CD-ROM LQ GLHVHU 9HU|IIHQWOLFKXQJ QLFKW HQWKDOWHQ).
Die dominierende Größe der Aktivseite sind die Kapitalanlagen mit 95,09%. Auf der Passivseite hingegen dominieren die versicherungstechnischen Rückstellungen mit 93,559%. Während Bilanzen bei anderen Unternehmen im Wesentlichen Informationen über den betriebswirtschaftlichen Zustand geben, ergibt sich bei Lebensversicherungsunternehmen die Besonderheit, dass die Bilanz Auskunft über die Summe aller Leistungsverpflichtungen der bestehenden Vertragsverhältnisse mit VN wiedergibt.48
Weiterhin fällt auf, dass die Eigenkapitalquote mit 0,85% äußerst gering ist. Nach Wöhe/Döring ist ein hoher Verschuldungsgrad49 ein Indiz für ein hohes Finanzierungsrisiko.50 Dem Geschäftsmodell der Lebensversicherung bedingt, ist die niedrige Eigenkapitalquote anders zu bewerten. Die Pufferfunktion der RFB, welches durch Prämieneinnahmen gefüllt wird, ermöglicht eine derart niedrige Quote.51 Obwohl Lebensversicherer im Branchendurchschnitt eine Eigenkapitalquote (EKQ) von 2,24% aufweisen, sind besonders kapital-marktorientierte Versicherer wie bspw. die Allianz darauf bedacht die EKQ weiter zu senken, um die Eigenkapitalkosten so gering wie möglich zu halten.52
2.3 Die Versicherungsaufsicht unter Solvency II
2.3.1 Grundlagen von Solvency II
Solvency II ist ein Projekt der EU-Kommission zur Reformierung der Versiche- rungsaufsicht und löste die bisher geltenden aufsichtsrechtlichen Vorschriften zum europäischen Solvabilitätssystem unter Solvency I ab. Die Vorarbeiten hierzu begannen bereits im Jahr 2001.53 Die Ursache für die Reform ist, dass das alte System hinsichtlich der gegenwärtigen Marktentwicklung als nicht mehr an- gemessen bewertet worden ist.54 Mit der neuen Richtlinie soll in Zukunft eine ganzheitliche Risikobetrachtung Anwendung finden.55 Unter Solvency I wurden hauptsächlich Versicherungsrisiken berücksichtigt, unter Solvency II hingegen ist Kapital auch für die Sicherung weiterer Risiken, wie bspw. das Marktrisiko zu- rückzustellen.56 Versicherer sollen hierdurch Anreize erhalten, Risiken adäquat zu bewerten und die Insolvenzgefahr auf ein Minimum zu beschränken.57
Als Hauptziel verfolgt Solvency II den Schutz von VN und Begünstigte von Versicherungsleistungen.58 Weitere Nebenziele sind die Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems und eine bessere Koordinierung zwischen den Aufsichtsbe-hör- den.59 Die neue Aufsicht lässt sich in drei Säulen untergliedern.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Das Drei-Säulenmodell nach Solvency II.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gründl et al. (2015), S.10 f.
Maßgeblich für das ALM ist die Säule I, welche sich mit den quantitativen Anforderungen an Versicherungsunternehmen beschäftigt. Versicherungsunternehmen sollen für die eingegangenen Risiken genug Eigenmittel besitzen, um die Ansprüche der VN nicht in Gefahr zu bringen.60
Hierzu ist im ersten Schritt eine Solvenzbilanz aufzustellen, welche sich divergie- rend zu einer herkömmlichen Bilanz durch eine marktnahe Bewertung der Ver- mögenswerte, Verbindlichkeiten und Rückstellungen auszeichnet.61 Aus Artikel 75 Abs. 1 a der Solvency II Richtlinie wird ersichtlich, dass für die Bewer- tung der Vermögensgegenstände ein Market-to-Market Ansatz vorgesehen ist.62 Dies bedeutet, dass die Assets divergierend zu § 252 Abs. 1 Satz 4 HGB nicht nach dem Vorsichtsprinzip bilanziert werden. Vielmehr ist unter Solvency II eine ökonomische Bewertung der Vermögenswerte in Anlehnung an die International Financial Reporting Standards (IFRS) vorgesehen.63 Der Market-to-Market An- satz gilt ebenfalls für die Bewertung von Verpflichtungen.64 Sofern Zahlungs- ströme von Verpflichtungen in gleicher Form mit einem Finanzinstrument repli- ziert werden können, ist der Marktwert des Finanzinstrumentes als Wert für die Verbindlichkeit anzusetzen.65 Stark vereinfacht könnte ein Lebensversicherungs- vertrag gegen einen Einmalbeitrag mit einem Zero Bond verglichen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Analogie eines Lebensversicherungsvertrages mit einem Zero Bond. Quelle: Eigene Darstellung.
In diesem Fall wirkt das Lebensversicherungsunternehmen wie ein Emittent einer Anleihe, dessen Zinszahlung und Tilgung zum Ende der Laufzeit erfolgt. Somit kann der Marktwert eines Zerobonds für die Verbindlichkeit des Lebensversicherungsvertrages übernommen werden.
Ist die Verbindlichkeit nicht mit einem Finanzinstrument abbildbar, sind für die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen der beste Schätzwert und die Risikomarge zu ermitteln.66 Der beste Schätzwert wird durch den wahr- scheinlichkeitsgewichteten Durchschnitt der zukünftigen Cash-Flows unter Berücksichtigung des erwarteten Barwerts der künftigen Zahlungsströme anhand der risikofreien Zinskurve errechnet.67 Grundlage für die Berechnung des sog. „Best Estimates“ ist die Verwendung von realistischen Annahmen und glaubhaf- ten Informationen.68 Hierzu müssen beispielsweise Annahmen über die Entwick- lung von Marktgrößen wie z.B. die Inflation, aber auch das Verhalten der Anleger im speziellen hinsichtlich der Ausübung von Optionsrechten ein-kalkuliert wer- den.69
Die Risikomarge bildet die Kapitalkosten ab, welche der Gegenpartei bei Über- nahme der Verbindlichkeiten entstehen würde, da diese ebenfalls Solvenzkapi- talanforderungen (SCR) für die Übernahme des Risikos unterliegt.70 Das ökono- mische Eigenkapital ergibt sich als Differenz der neu bewerteten Assets und Li- abilities.
Besondere Bedeutung für das ALM haben in diesem Kontext die SCR für die Risiken der Aktiva und Passiva. Diese werden so kalkuliert, dass ein Value-at- Risk der Basiseigenmittel von 99.5% über den Zeitraum eines Jahres existiert.71 Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass ein Versicherungsunternehmen im Durchschnitt durch unerwartete Verluste einem Ausfall einmal in 200 Jahren aus- gesetzt ist. Die Berechnung des SCR kann durch die Standardformel oder durch die Verwendung eines internen Modells erfolgen.72 Das interne Modell wird in dieser Arbeit nicht betrachtet. Die Standardformell ist in der Solvency II Richtlinie näher beschrieben und bildet einen mehrstufigen Prozess ab.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Die Solvenzkapitalanforderung des Basis SCR.
Quelle: Gründl et al. (2016), S. 32.
Die Gesamtkapitalanforderung ergibt sich aus der Summe der Basissolvenz-ka- pitalanforderung (BSCR), des operationellen Risikos und Anpassungen durch Verlustausgleichsfähigkeiten. Der BSCR wird durch die Summierung der Kapital- anforderungen der Submodule unter Berücksichtigung der Korrelationen ermittelt.73
Die Solvenzkapitalanforderung muss durch Eigenmittel gedeckt sein. Die rele- vanten Informationen zur Definierung und Ermittlung von Eigenmitteln finden sich in §§ 87 - 99 der Solvency II Richtlinie und in §§ 89 - 96 des VAG. Für die Finanzierung der eingegangenen Risiken sind ausreichend Eigen- mittel mit entsprechender Qualität vorzuweisen.74 Sie lassen sich in Basis-eigen- mittel und ergänzende Eigenmittel unterscheiden.75 Die Basiseigenmittel werden berechnet aus dem Überschuss der ökonomisch bewerteten Vermögenswerte über die ökonomisch bewerteten Verbindlichkeiten und werden ergänzt um nachrangige Verbindlichkeiten.76 Weiterhin können zur Deckung der Risiken auch ergänzende Eigenmittel verwendet werden.77 Hierzu ist jedoch die Erlaubnis der Versicherungsaufsicht einzuholen.78 Sie setzen sich z.B. zusammen aus Teilen des nicht eingezahlten Gründungskapitals, Kreditbrie- fen und Garantien und sonstige rechtsverbindlichen Verpflichtungen.79 Die fol- gende Abbildung gibt einen Überblick über die Eigenmittel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Zusammensetzung der Eigenmittel nach Solvency II.
Quelle. Eigene Darstellung in Anlehnung an Gründl (2016), S. 45.
Des Weiteren werden die Eigenmittel in drei Kategorien unterteilt, welche die un- terschiedlichen Verlustausgleichsfähigkeiten der Mittel widerspiegelt. Die soge- nannten „Tiers“ werden nach bestimmten Merkmalen wie z.B. die ständige Ver- fügbarkeit oder Nachrangigkeit bemessen.80 Wichtig ist in diesem Kontext, dass für die Bedeckung der Mindestkapitalanforderung81 lediglich Eigenmittel der Qua- litätsstufe 1 und 2 verwendet werden dürfen.82 Für die Bedeckung der Solvenz- kapitalanforderung sind hingegen Eigenmittel aller Qualitätsstufen zulässig.83
Die Säulen 2 und 3 werden im Rahmen dieser Arbeit aufgrund der untergeordneten Rolle für ALM nicht weiter betrachtet.
2.3.2 Die Kapitalanforderung für das Marktrisiko
Von besonderer Bedeutung für die Kapitalanlage der Lebensversicherer ist das Modul Marktrisiko. Für die Ermittlung des Markt SCR werden die Ergebnisse aus den Teilmodulen unter Berücksichtigung von Korrelation und Diversifikation genutzt. Es ergibt sich die Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für die Korrelation ist folgende Tabelle vorgegeben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Korrelationswerte der Teilmodule unter Solvency II.
[...]
1 Vgl. Rudolf (2016), S. 35.
2 Vgl. International Monetary Fund (2015) (online), S. 22.
3 Siehe Kapitel 2.3.2.
4 Vgl. Führer (2010), S. 24.
5 Vgl. Führer (2010), S. 24.
6 Vgl. Spremann (2005), S. 118.
7 Vgl. Spremann (2005), S. 118 f.
8 Vgl. Spremann (2005), S. 119.
9 Vgl. Spremann (2005), S. 119.
10 Vgl. Spremann (2005), S. 119.
11 Vgl. Führer / Grimmer (2009), S. 273.
12 Vgl. Lebensausschuss der DAV (2005), S.1.
13 Vgl. Rothe (1999), S. 19f.
14 Vgl. Albrecht (2003), S. 428.
15 Vgl. Köhler (1994), S. 30-38.
16 Vgl. Gerstner et al. (2008), S.704-716.
17 Vgl. Führer (2010), S. 47.
18 Vgl. Farny (2006), S. 198.
19 Vgl. Abrecht (1995), S. 8.
20 Vgl. Führer (2010), S. 50.
21 Vgl. Albrecht (2003), S. 431.
22 Vgl. Albrecht (2003), S. 431.
23 Vgl. Albrecht (2003), S. 432, vgl. Rothe (1999), S. 22.
24 Vgl. Rothe (1999), S. 22.
25 Vgl. Rothe (1999), S. 23.
26 Vgl. Rothe (1999), S. 21.
27 Vgl. Farny (2006), S. 21.
28 Vgl. Farny (2006), S. 21.
29 Vgl. Farny (2006), S. 21.
30 Vgl. Farny (2006), S. 21.
31 Näher beschrieben in Wagner (2000), S. 139 f.
32 Vgl. Wagner (2011), S. 117.
33 Vgl. Wagner (2011), S. 433.
34 Vgl. Wagner (2011), S. 433.
35 Vgl. Rathmann (2009), S.30.
36 Näher beschrieben in Wagner (2000), S. 149-154.
37 Näher beschrieben in Kapitel 2.3.
38 Vgl. BaFin (2011) (online), S. 16.
39 Vgl. Führer / Grimmer (2009), S. 76.
40 Vgl. § 138 VAG.
41 Vgl. § 4 MindZV.
42 Vgl. Förterer (2000), S. 9.
43 Vgl. § 139 Abs. 1.
44 Vgl. § 6 Abs. 1 MindZV.
45 Vgl. § 7 MindZV.
46 Vgl. § 8 MindZV.
47 Vgl. Wagner (2011), S. 249.
48 Vgl. Führer (2010), S. 8.
49 Verschuldungsgrad = (Fremdkapital/ EK) x 100, Vgl. Wöhe / Döring (2010), S. 911.
50 Vgl. Wöhe / Döring (2010), S. 911.
51 Vgl. o.V. (2016a), S. 47.
52 Vgl. o.V. (2016a), S. 47.
53 Vgl. BT-Drucksache 17/9432 (2012), S.134.
54 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Erwägungsgrund 14.
55 Vgl. BT-Drucksache 17/9432 (2012), S.134.
56 Vgl. BT-Drucksache 17/9432 (2012), S.134.
57 Vgl. BT-Drucksache 17/9432 (2012), S.134.
58 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Erwägungsgrund 16.
59 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Erwägungsgrund 16.
60 Vgl. Bennemann / Oehlenberg / Stahl (2011), S.6.
61 Vgl. Bennemann / Oehlenberg / Stahl (2011), S.6.
62 Vgl. BT-Drucksache 17/9432 (2012), Artikel 75 Abs. 1 a.
63 Vgl. Gründl et al. (2016), S. 42.
64 Vgl. BT-Drucksache 17/9432 (2012), Artikel 75 Abs. 1 b.
65 Vgl. § 76 Abs. 2 VAG.
66 Vgl. § 76 Abs. 1 u. 2 VAG.
67 Vgl. § 77 Abs. 1 VAG.
68 Vgl. § 77 Abs. 2 VAG.
69 Vgl. EIOPA (2010) (online), S. 25-31.
70 Vgl. Gründl et al. (2016), S. 43.
71 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 101.
72 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 100 i. V. m. Artikel 112.
73 Vgl. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (2015), S. 72.
74 Vgl. Gründl et al. (2016), S. 44.
75 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 87.
76 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 88 Abs. 1 u. 2.
77 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 89 Abs. 1.
78 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 90.
79 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG (2009), Artikel 89 Abs.1 a, b u. c.
80 Näher beschrieben in Richtlinie 2009/138/EG (2009) Artikel 93-97.
81 Mindestkapitalanforderung: Regulatorische Untergrenze des zu haltenden Solvenzkapitals.
82 Vgl. Gründl et al. (2016), S. 46.
83 Vgl. Gründl et al. (2016), S. 46.
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