Zu Nietzsche's "Geburt der Tragödie". Einflüsse auf das Werk und Wirkungen auf die Nachzeit


Dossier / Travail, 2017

13 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einflüsse: Schopenhauer, Wagner, Griechentum

3 Apollo und Dionysos
3.1 Die Bedeutung des Dionysischen
3.2 Sokrates als Gegner Dionysos’

4 Kunst als das Leben

5 Das Schöne und Erhabene bei Nietzsche

6 Spätere Ansichten Nietzsche‘s über die Geburt der Tragödie

7 Wirkungen der Tragödie
7.1 Literatur
7.2 Psychoanalyse

8 Schlussbemerkungen

9 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Jänner 1872 erschien Friedrich Nietzsches Schrift „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik”. In diesem Werk lässt sich insbesondere Nietzsches altphilologisches Interesse, seine Bewunderung für die griechische Tragödie erkennen, zudem ist ein philosophischer und musiktheoretischer Diskurs und eine gegenwartsbezogene Kulturkritik enthalten. Die Schrift selbst ist auf den Komponisten Richard Wagner hin ausgerichtet. Die „Geburt” der Tragödie bei den Griechen sollte wiederum die „Wiedergeburt” in Wagners Musikdramen einfließen.[1]

Das Werk wurde von den meisten (Alt-)Philologen mit äußerstem Vorbehalt begegnet und wurde zum Teil stark kritisiert. Von einigen wenige Zeitgenossen wurde Nietzsche hingegen durchaus verteidigt, wie zum Beispiel von Rohde, Wagner und Gersdorff[2].

Diese Seminararbeit soll die Ideen und Gedanken nachzeichnen, die Nietzsche in der „Geburt der Tragödie“ entworfen hat. Hierzu werden die Einflüsse auf das Werk, sowie dessen Wirkungen auf die Nachzeit porträtiert.

2 Einflüsse: Schopenhauer, Wagner, Griechentum

Obwohl Nietzsche als ein besonders origineller Denker gilt, sind seine Anschauungen, die er in der „Geburt der Tragödie” vertritt, durchaus durch gewisse Einflüsse mitgeprägt. Diese Impulse lassen sich hauptsächlich auf Arthur Schopenhauer, Richard Wagner und das antike Griechenland zurückführen.

Obwohl sich Nietzsche in der Entwicklung seiner Philosophie später immer mehr von Schopenhauer entfernt, ist seine Hochachtung vor ihm im Werk „Geburt der Tragödie” durchaus spürbar. Der junge Friedrich Nietzsche ist fasziniert von Schopenhauers Philosophie der Willensverneinung und von der Ästhetik der interessenlosen Kunstbetrachtung. In Richard Wagner sieht Nietzsche wiederum die künstlerische Verwirklichung der Ideen Schopenhauers. In Schopenhauer und Wagner sieht Nietzsche eine geistige Einheit, die aus Theorie (Schopenhauer) und schöpferischer Kunst (Wagner) besteht.[3]

Ein dritter wesentlicher Aspekt ist das antike Griechentum. Nietzsche schätzt das schöpferische Altertum und stellt sich gegen die – seiner Meinung nach – „unschöpferische“ Gegenwart. Dabei vertritt Nietzsche allerdings keinen normativen Klassizismus, wie er unter anderem bei Winckelmann, Goethe oder Schiller anzutreffen war. Zwar sei die Antike für Nietzsche ein zeitloser Maßstab, der allerdings nicht schlicht nachgeahmt werden sollte. Die Antike soll eher als ein Fundament betrachtet werden, welche von Künstlern durchaus produktiv weiterentwickelt werden sollte.[4] So schreibt er: „Eine Kultur, welche der griechischen nachläuft, kann nichts erzeugen. Wohl kann der Schaffende überall her entlehnen und sich nähren. Und so werden wir auch nur als Schaffende etwas von den Griechen haben können.”[5]

3 Apollo und Dionysos

Schopenhauer, Wagner und das antike Griechentum ließen sich bei Nietzsche nicht nur auf bloße (bürgerliche) Bildungserlebnisse reduzieren. Diese drei Impulse sollen insbesondere den „Lebensbegriff” des frühen Nietzsche entscheidend prägen. Die berühmte Dichotomie des Dionysischen und des Apollinischen führt bei Nietzsche zur Konzeption seines Lebensbegriffes.[6]

Die erste explizite Theoretisierung des Kontrast des Apollinischem und Dionysischem findet sich bereits in der Schrift “Die dionysische Weltanschauung”, welche 1870 verfasst wird.[7]

Die zwei gegensätzliche Impulse der Kunst sieht Nietzsche im Apollinischen und Dionysischen, zwei Prinzipien die durch die griechischen Gottheiten Apollo und Dionysos repräsentiert werden. Apollo ist einer der höchsten Götter der Griechen, der Gott der Sonne, des Lichts, der Weissagung und des rechten Maßes. Er ist zuständig für alles höher Zivilisierte und repräsentiert die Kunst, vor allem die bildende Kunst. Dionysos wiederum ist der Gott der Natur und natürlichen Fruchtbarkeit und wird häufig mit Wein, „unzivilisierten“ Orgien und dem Rausch, Tanz und Ekstase in Verbindung gebracht.[8],[9]

Nietzsche versucht in diesem Zusammenhang die klassische Trennung zwischen Kunst und Leben aufzugeben. Das Ästhetische der Kunst soll hingegen in einem schöpferischen Prinzip des Lebens Ausdruck finden. Das Apollinische setzt Nietzsche in Analogie zum Traum. Der Traum erzeugt eine phantastische, imaginäre Bilderwelt des schönen Scheins, im Sinne des Schopenhauer‘schen Begriffs der Vorstellung. Er ist geprägt durch Maß, Form, Harmonie und Schönheit, insofern ist der Traum begrenzend. Er spricht vom „schöne[n] Schein der Traumwelt, in deren Erzeugung jeder Mensch voller Künstler ist.“[10] Descartes würde es im Gegensatz zu Nietzsche ablehnen, sich selbst als träumend zu bezeichnen, schließlich käme dies einem Wahnsinn gleich. Aus einem Traum lässt sich nur solange einen Nutzen ziehen, solange man zudem die Realität vor Augen hat.[11]

Im Gegensatz dazu zeigt sich für Nietzsche das Dionysische im Rausch, welcher das elementare Leben entfesselt. Im Rausch herrscht das Elementare, Chaotische und das Zersprengende. Insofern ist der Rausch gekennzeichnet durch eine chaotische Grenzenlosigkeit[12], sorgt also für die Auflösung der Grenzen und somit dem Übertreten der apollinischen Maße und Ordnungen.[13]

Wenn Nietzsche das Apollinische bzw. das Dionysische mit dem Traum bzw. dem Rausch vergleicht, identifiziert er diese beiden Prinzipien also mit psychologischen Erscheinungszuständen. Er überträgt diese beiden Prinzipien jedoch auf die Natur, schließlich sind diese in der Natur selbst begründet. Das Apollinische und das Dionysische seien dabei „unmittelbare Kunstzustände der Natur“.[14] Kunst in einem engeren Sinne, d. h. von Menschen schöpferisch geschaffene Kunst, ist nur ein Ausdruck der in der Natur selbst angelegten, schöpferischen Kräfte. Insofern ist der Mensch immer nur ein Nachahmer der unmittelbaren Kunstzustände der Natur und damit auch gewissermaßen ihr „Vollzugsorgan“. Hierbei will Nietzsche dem aristotelischen Mimesis-Prinzip – dem Prinzip der „Nachahmung der Natur“ – wohl eine tiefere Bedeutung geben.[15] Ein Künstler als „Nachahmer“ kann dabei ein Traumkünstler sein, der dem apollinischen Prinzip verpflichtet ist, oder ein Rauschkünstler, welcher dem dionysischem dient, oder endlich, also zugleich apollinisch und dionysisch, wie beispielsweise die griechischen Tragödien.[16]

Nietzsche sieht in einem Kunstwerk, das zugleich apollinisch und dionysisch ist, eine Einheit aus reinem Leben und schönem Schein. Diese Kombination wird vor allem in der griechischen Tragödie und den Musikdramen Wagners verkörpert. Nietzsche glaubt dabei, dass der Ursprung der griechischen Tragödie im Dionysischen, also den dionysischen Dithyramben und Chorliedern, zu sehen sind.[17] Er ist der Auffassung, „dass die Tragödie aus dem tragischen Chore entstanden ist und ursprünglich nur Chor und nichts als Chor war“[18]. Der dionysische Chor wird mit einer apollinischen Bilderwelt, Dialogen und Handlung ergänzt. Das Fundament und Ursprung der griechischen Tragödie sind demnach im Chor, also in der Musik selbst, zu suchen. Die Struktur und die Form der Tragödie wiederum ergibt sich erst durch das Apollinische. Insofern ist die Tragödie als eine unauflösliche Einheit zwischen dionysischer Musik und einer apollinischen Bilderwelt zu begreifen. Nietzsche skizziert dabei die Spannung zwischen dem Apollinischen und Dionysischen allerdings nicht nur anhand griechischer Tragödien, sondern exemplifiziert es zudem anhand Wagners Musikdramen. In diesen sieht er eine optimale Kombination aus dionysischer Musik und apollinischer Bildlichkeit.[19]

3.1 Die Bedeutung des Dionysischen

Ist für Nietzsche nun das apollinische oder dionysische Prinzip wichtiger für die Kunst? Zwar sind für ihn beide Prinzipien für die Kunst gleichsam wichtig, trotzdem deutet manches durchaus darauf hin, dass er selbst dem dionysischem Prinzip einen Vorzug gewährt:

Und damit erweist sich die apollinische Täutschung als das, was sie ist, als die während der Dauer der Tragödie anhaltende Umschleierung der eigentlichen dionysischen Wirkung: die doch so mächtig ist, am Schluss das apollinische Drama selbst in eine Sphäre zu drängen, wo es mit dionysischer Weisheit zu reden beginnt und wo es sich selbst und seine apollinische Sichtbarkeit verneint.[20]

[...]


[1] Schmidt, 2012, S. XIIIf.

[2] Niemeyer, 2011, S. 83f.

[3] Meyer, 1993, S. 23f.

[4] Meyer, 1993, S. 25f.

[5] Nietzsche, KSA, 8, S. 121.

[6] Meyer, 1993, S. 27f.

[7] Venturelli, 2003, S. 17.

[8] Silk & Stern, 1981, S. 63.

[9] Himmelmann, 2006, S. 96f.

[10] Nietzsche, KSA, 1, S. 26.

[11] Danto, 1998, S. 62ff.

[12] Meyer, 1993, S. 28.

[13] Himmelmann, 2006, S. 97.

[14] Nietzsche, KSA, 1, S. 30.

[15] Meyer, 1993, S. 29.

[16] Astner, 2001, S. 13.

[17] Meyer, 1993, S. 30.

[18] Nietzsche, KSA, 1, S. 52.

[19] Meyer, 1993, S. 30f.

[20] Nietzsche, KSA, 1, S. 139.

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Zu Nietzsche's "Geburt der Tragödie". Einflüsse auf das Werk und Wirkungen auf die Nachzeit
Université
University of Innsbruck  (Philosophie)
Note
1
Auteur
Année
2017
Pages
13
N° de catalogue
V370373
ISBN (ebook)
9783668481039
ISBN (Livre)
9783668481046
Taille d'un fichier
540 KB
Langue
allemand
Mots clés
nietzsche, geburt der tragödie, tragödie, birth of tragedy, dionysos, dionysisch, apollo, apollon, apollinisch
Citation du texte
MSc Klaus Alfred Hueber (Auteur), 2017, Zu Nietzsche's "Geburt der Tragödie". Einflüsse auf das Werk und Wirkungen auf die Nachzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370373

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