Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DIE STAATSPHILOSOPHIE DES THOMAS HOBBES
2.1 DER NATURZUSTAND
2.2 DER GESELLSCHAFTSVERTRAG
2.3 DER STAAT
3. PARALLELEN ZWISCHEN HOBBES STAATSPHILOSOPHIE UND MODERNEN STAATSTRAGENDEN HALTUNGEN
3.1 DER BEGRIFF „NEUE KRIEGE“
3.2 NEUE STAATSTRAGENDE HALTUNGEN
3.3 PARALLELEN VON HOBBES STAATSTHEORIE ZUR MODERNEN HALTUNG DER „NEUEN KRIEGE“
4. SCHLUSSBEMERKUNG
LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Im Zuge des arabischen Frühlings freute sich die breite Öffentlichkeit der westlichen Zivilisation über den vermeintlichen Geistesblitz der nordafrikanischen und nahöstlichen Bevölkerung, deren Regierungen meist aus autoritären Regimen und tyrannischen Diktaturen bestand. Rund fünf Jahre später ist der arabische Frühling schon wieder vorbei, noch bevor der metaphorische Sommer beginnen konnte. Staaten wie Afghanistan oder der Irak befinden sich nach den Revolutionen so wie viele andere Länder des arabischen Frühlings auch in einer Art anarchischer Ohnmacht. Die Welt sieht sich mit der schlimmsten Flüchtlingsbewegung seit Menschengedenken konfrontiert, sodass Politikwissenschaftler vor dem Rätsel stehen, wie eine Katastrophe solchen Ausmaßes unterschwellig ausarten konnte. Mary Kaldor und Manfred Münkler sprechen im Zuge der aktuellen politischen Diskussion von „Neuen Kriegen“͘ Diese neuen Kriege finden meist in Ländern statt, deren Revolution keine stabile Staatsinstanz hervorgerufen hat, sondern den Staat nahezu zerfallen ließ. Der Ruf der Öffentlichkeit nach einer stabilen staatstragenden Haltung wird lauter, sodass Kaldor und Münkler als Lösung des „failed state buildings“ eine überstaatliche Instanz vorschlagen, ein Imperium, ein „Cosmopolis“ Die Idee einer über allen anderen stehenden Instanz hat seine Wurzeln in der Mitte des 16. Jahrhunderts, nur dass ihr Urvater einen weniger modischen Begriff verwendete. Thomas Hobbes (1588 - 1679) veröffentlichte im Jahre 1651 sein Werk „Leviathan“, dessen Intention das Beenden des englischen Bürgerkrieges (1642-1649) war. Im Laufe dieser Hausarbeit sollen Parallelen zwischen den modernen staatstragenden Haltungen wie derer von Kaldor und Münkler und der klassischen Staatsphilosophie von Thomas Hobbes aufgezeigt werden. Dazu wird im ersten Teil der Hausarbeit eben jene Staatsphilosophie des Thomas Hobbes erläutert (2. Kapitel). Hauptaugenmerk wird in den verschiedenen Unterkapiteln auf die wesentlichen, elementaren Merkmale seiner Theorie gelegt. Dazu wird in Kapitel 2.1 der Naturzustand beschrieben, woraufhin der Gesellschaftsvertrag in Kapitel 2.2 erläutert wird. Das letzte Unterkapitel, Kapitel 2.3, befasst sich mit der Funktion des Staates und der Rolle des Leviathans, der als allmächtige Instanz über der Gesellschaft steht. Um den Bogen zur aktuellen politikwissenschaftlichen Debatte zu schlagen wird in Kapitel 3: Parallelen zwischen Hobbes Staatsphilosophie und modernen staatstragenden Haltungen zuerst einmal der Begriff „Neue Kriege“ (3͘1) den Mary Kaldor prägte skizziert͘ In Kapitel 3.2 werden Kaldors und Münklers politikwissenschaftliche Beiträge bezüglich aktueller und moderner Staatenbildung diskutiert. Vor allem der Einfluss der asymmetrischen Kriege, deren Schauplätze wie bereits angedeutet oft Nationen sind, die einen Sturz der Regierung erfuhren, wird beleuchtet͘ Des Weiteren sollen Begriffe wie „fail-state-building“ und Völkerrechtsverletzung zum Verständnis der heutigen politikwissenschaftlichen Diskussion beitragen. In Kapitel 3.3 wird schließlich die Leitfrage der Hausarbeit beantwortet: Inwiefern gibt es Parallelen zwischen Hobbes klassischer Staatsphilosophie zu den modernen staatstragenden Haltungen von beispielsweise Kaldor und Münkler? Hier werden aktuelle anarchische Räume in mehr oder weniger regierungslosen Gesellschaften mit dem hobbesschen Naturzustand in Bezug gebracht. Darüber hinaus wird der Fragestellung nachgegangen, ob eine Hegemonialmacht wie die USA dazu in der Lage wäre einen Welt-Gesellschaftsvertrag nach dem Vorbild von Hobbes zu erfüllen oder ob die klassische Staatsphilosophie von Hobbes als alter Hut ad acta gelegt werden kann.
2. Die Staatsphilosophie des Thomas Hobbes
Im folgenden Kapitel wird zunächst die Staatsphilosophie des Thomas Hobbes erläutert. Auf Grundlage seines bekanntesten Werkes „Leviathan“ wird zuerst der „Naturzustand“ als Basis seiner vertragstheoretischen Argumentation skizziert (2.1). Dabei wird aufgezeigt wie der Mensch als Wesen lebt, wenn ihn als solches keine übergeordnete Instanz bezüglich seiner Handlungen einschränkt. Hobbes Affinität für Naturwissenschaften wie Mathematik und Optik münden in seiner Erläuterung der Naturgesetze im Zusammenhang mit der Entstehung der Theorie des „Gesellschaftsvertrages“ (2.2). In letzter Instanz wird der Staat beziehungsweise Leviathan als Herrschaftsform zur Festhaltung von Ordnung und Sicherheit der Bürger thematisiert (2.3).
2.1 Der Naturzustand
Der Naturzustand, auch bekannt als „das dreizehnte Kapitel“, ist eine gedankliche Konstruktion, welche laut Reese-Schäfer aus theoretischen Grundannahmen, nicht aus empirischer Beobachtung entstand.1 In diesem Gedankenkonstrukt befinden sich Menschen in einem gesellschaftlichen Zustand, der keiner höheren Macht unterliegt. Hobbes weist darauf hin, dass die Menschen in diesem Zustand nicht dazu gezwungen werden, ihre Interessen mit friedlichen Mitteln zu verfolgen.2 Büchmann verweist im Zusammenhang mit dem Naturzustand auf den nie endenden Krieg „aller gegen alle“ - „bellum omnium contra omnes“, wobei jeder Mensch das Recht auf alles hat, was sich sowohl auf Güter, als auch auf Lebewesen bezieht.3 Dieser natürlich bedingte kriegerische Zustand basiert auf verschiedenen Prämissen, wobei die erste Prämisse beschreibt, dass der Mensch hinsichtlich seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen ist, dass keiner aufgrund seiner Beschaffenheit einen selektiven Vorteil habe. So ist der von er Körperkraft schwächste Mensch trotzdem in der Lage den stärksten zu töten - sei es durch „Hinterlist oder durch ein Bündnis mit anderen, die sich in derselben Gefahr wie er selbst befinden“͘4 Die Gleichheit ist in Hobbes Theorie ein naturgegebener Fakt, aus dem negative Konsequenzen resultieren. Wenn mehrere Menschen gleich sind und nach demselben Gegenstand streben, den sie nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde.5 Aus der menschlichen Natur folgen aufgrund der Gleichheit drei Konfliktursachen: „Competition, Diffidence, Glory“ - Konkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht. Ohne übergeordnete Macht verfallen die Menschen innerhalb einer Gesellschaft also in bereits angedeuteten natürlichen Kriegszustand, der für Hobbes allerdings nicht nur aus aktiver Kampfhandlungen besteht, sondern permanenten Charakter hat auf den jedes Individuum immer und überall gefasst sein muss. Hobbes beschreibt als logische Konsequenz des menschlichen Verhaltens auf das Bestehen des Kriegszustandes, das die natürliche Vernunft des Menschen den menschlichen Trieben unterliegt. Der Kampf um materielle Güter wie Nahrung und Kleidung muss notwendigerweise mit Gewalt entschieden werden, da kein Mensch sein Gut freiwillig überlassen wird. Darüber hinaus befördert die Konkurrenz und das Misstrauen, dass Menschen in ständiger Furcht und Unsicherheit gegen feindliche Angriffe gewappnet sein müssen oder gar zu Präventivschlägen ausholen müssen. Der Trieb der Selbsterhaltung erlaubt den Menschen dabei alles und verbietet nichts.6 Die Durchsetzung der persönlichen Triebe folgt aus subjektiver Entscheidungsfreiheit, sodass im Naturzustand weder Recht noch Unrecht existiert. Ohne Staatsgewalt existiert kein Recht, Wo kein Recht existiert, da existiert auch kein Unrecht.7 Hobbes differenziert hier die Begriffe Recht und Gesetz, indem er deutlich macht, dass Recht aus der Freiheit besteht etwas zu tun oder nicht zu tun und das Gesetz die Verbindlichkeit zu eben jenem Handeln oder nicht-Handeln schließt.8 Die Gerechtigkeit basiert dementsprechend in diesem Naturzustand nicht wie für uns logisch aus einem Fundus moralischer, religiöser und gesetzlicher Gegebenheiten - sondern vielmehr auf einer Etablierung einer Staatsgewalt. Die Funktion des Naturzustandes in Hobbes Theorie liegt darin, dass er als Grund für eine Staatsgründung dienen soll, in dem die Ausgangsbedingungen der Menschen die Autorität des Staates bestimmen kann.9
2.2 Der Gesellschaftsvertrag
Im Naturzustand hat laut Hobbes jeder Mensch das Recht auf Alles, selbst auf den Körper des anderen Menschen. Der vernünftige Gegensatz zu dieser Gegebenheit ist, dass jeder Mensch im eigenen Interesse den Friedenzustand anstrebt. Solange dieser Zustand allerdings nicht gegeben ist, darf jeder sich mit allen Mitteln verteidigen. Diese Feststellung wird auch das „erste Hobbessche Gesetz der Natur“ genannt͘10 Insgesamt verfasste Hobbes 19 Naturgesetze, bei denen Hobbes an die Vernunftfähigkeit des Menschen appelliert. Ähnlich wie Kant, dessen kategorischer Imperativ die Menschen dazu auffordert, nur so zu handeln wie sie es selbst als allgemeines Gesetz haben wollen11, verlangt auch Hobbes von den Individuen eine Handlungsmaxime, die sie so handeln lässt wie sie es selbst von anderen erwarten.12 Hobbes 2. Naturgesetz bezieht sich auf eben jene Maxime. Laut Hobbes muss für die Menschen der Ersuch und die Erhaltung des Friedenszustandes gelten. Das bedingt die Aufgabe des Gebrauchsrechtes auf alles, und die Zufriedenheit mit dem Friedenszustand. Wenn alle Menschen zu dieser Handlungsweise bereit sind existiert der Friedenszustand und wird in einem Vertrag festgehalten.13 Diese Verträge gebieten den Friedenszustand, Hobbes verdeutlicht in weiteren Naturgesetzen beispielsweise, dass man die Verträge halten muss (3. Naturgesetz) und gegenseitige Anerkennung Pflicht werden muss (8. Naturgesetz).14 Gegenseitige Verträge basieren auf Vertrauen, sodass diese Verträge im Prinzip schon ungültig sind, wenn einer der Vertragspartner einen Vertragsbruch durch die andere Partei befürchtet. Deswegen gilt ein Vertrag laut Hobbes erst dann, wenn eine Gewalt installiert wird, die die Menschen zur Einhaltung der abgeschlossenen Verträge zwingt, denn mit diesem Zwang beginnt das Eigentum und der Beginn von Eigentum negiert das Recht aller auf alles.15 Die Angst vor allen anderen im Naturzustand wird laut Disselhorst durch eine neue Angst ersetzt. Der Staat als Gewalt sorgt durch Bedrohungsängste für die Einhaltung der Verträge. Denn dem Staat ist es erlaubt bei Zuwiderhandlung über den Vertragsbrechenden zu richten.
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1 Vgl. Klevesath, Lino (2010): Demokratie - Kultur - Moderne: Perspektiven der politischen Theorie - Festschrift für Walter Reese-Schäfer, Original: Reese-Schäfer, Walter, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2011, S.67.
2 Vgl. Münkler, Herfried (2001): Thomas Hobbes - Eine Einführung, Frankfurt/Main, Campus Verlag GmbH S. 94ff.
3 Vgl. Büchmann, Gerog (2005): Geflügelte Worte, Köln, KOMET-Verlag, S. 61.
4 Vgl. Hobbes, Thomas, Hrsg. Gawlick, Günter (1994, im Original 1642): Vom Menschen. Vom Bürger. Elemente der Philosophie ll/lll , Hamburg, Felix-Meiner-Verlag, S.94.
5 Vgl. ebd., S.95f.
6 Vgl. ebd., S.134f.
7 Vgl. Klevesath (2010), S. 68.
8 Vgl. Hobbes, Thomas (1994), S. 108.
9 Vgl. Klevesath (2010), S. 69.
10 Vgl. Hobbes, Thomas (1994), S.100.
11 Vgl. Kant, Immanuel, Hrsg. Timmermann, Jens (2004, im Original 1785): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Göttingen, Vandenhock und Ruprecht, S. 17.
12 Vgl. Hobbes, Thomas (1994), S. 133ff.
13 Vgl. ebd. S.163f.
14 Vgl. ebd. S.158f.
15 Vgl. ebd. S.111