Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsabgrenzung
3. Theoretische Grundlagen
3.1 Carl Rogers Entwicklung der klientenzentrierten Beratung
3.2 Die klientenzentrierte Gesprächsführung
3.3 Die Rolle des Beraters
4. Die Anwendung
4.1 Bedingungen der Anwendung in der Beratung
4.2 Der Gesprächsablauf
4.3 Grenzen des klientenzentrierten Ansatzes
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der klientenzentrierten Gesprächsführung, die in den sechziger Jahren von dem Humanpsychologen Carl R. Rogers entwickelt wurde, liegen verschiedene psychologisch-therapeutische Prägungsphasen zur Grunde. Nachdem zunächst vorranging lemtheoretische und verhaltenstherapeutische Überlegungen großen Einfluss auf die Gesprächsführung nahmen, leitete das Erscheinen der Werke des Gesprächstherapeuten Carl R. Rogers hier einen grundlegenden Wandel ein.
Es folgte die Etablierung des klientenzentrierten Ansatzes in den verschiedensten Beratungssituationen.
Carl Rogers, ein bedeutender Vertreter der humanistischen Psychologie[1], entwickelte in den sechziger Jahren ein psychotherapeutisches Verfahren, dass den Fokus auf die Beziehung zwischen Beraterin und Klientin legt. Rogers geht von der Grundannahme aus, dass alle Menschen gut sind und danach streben, ihre volle Leistung zu entfalten. Dieses Menschenbild stellt einen gewissen Unterschied zur Psychoanalyse dar, da dieser humanistische Theorieansatz besagt, dass sich jeder Mensch optimal entwickelt, wenn er eine Chance dazu erhält.
Durch diese Auffassung wird die Selbstexpl orati on[2] des/der Klientenlnnen gefördert. In der Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild und dem Selbstideal verändert und flexibilisiert sich das Selbstkonzept und der/die Klientin kann seine eigenen Erfahrungen besser integrieren. Ziel ist die Veränderung des inneren Bezugssystems. So liegt der Fokus nicht in einer konkreten Problemlösung, sondern in der Unterstützung des Individuums mit dem gegenwärtigen Problem und später auftretenden Problemen in eigener Weise umzugehen (vgl. Pfeiffer 1994).
In der folgenden Ausarbeitung wird zunächst Bezug auf den Begriff „klientenzentriert“ und die theoretischen Grundlagen dieses Ansatzes genommen. Im Anschluss wird die klientenzentrierten Gesprächsführung in Hinblick auf Anwendung und Grenzsetzung analysiert. Die Ausarbeitung schließt mit einem vergleichenden Fazit mit einem Bezug auf die vorangegangene Fragestellung in wie weit die klientenzentrierte Gesprächsführung eine sinnvolle Anwendung findet und wo ihr Grenzen gesetzt sind.
2. Begriffsabgrenzung
Im Bereich der klientenzentrierten Beratung gibt es verschiedene Begriffsbezeichnungen, die häufig synonym verwendet werden.
So ist häufig die Rede von nicht-direktiver oder non-direktiver Beratung sowie von personenzentrierter Psychotherapie und klientenzentrierter Beratung oder der Gesprächspsychotherapie (vgl. Geschwinder 1999).
Die nicht-direktive Beratung ist der Vorläufer einer Phase, in der Rogers nicht das Problem und die Lösung dessen in den Mittelpunkt stellt, sondern der/die Klientin als ein Individuum betrachtet, dass die Fähigkeit besitzt, im Rahmen eines bestimmten Beziehungsangebotes zu einem besseren Verständnis ihrer selbst zu kommen. Folglich ist daraus eine Einstellungs - und Verhaltensänderung möglich.
Aus diesem Begriff entwickelte sich die Bezeichnung „klientenzentriert Phase“, da Rogers den Fokus auf den/die Klientin und dessen Potenzial zentriert um das Missverständnis zu vermeiden, dass das Wort „nicht-direktiv“ auch ‘nicht-aktiv“ bedeuten könnte (vgl. Galuske 1998).
In den siebziger Jahren konzentrierte Rogers sich dann mehr und mehr auf Menschen in den verschiedensten Lebensbereichen und weitete seine Beratungsangebote dementsprechend aus.
Kennzeichnend für diese letzte „personenzentrierte Phase“ ist unter anderem das 1977 erschienene Buch „On personal power - Inner strength and ist revolutionary impact“. Mit dem Begriff „personenzentriert“ möchte Rogers zum Ausdruck bringen, dass die Person als Mensch im Mittelpunkt steht und nicht in ihrer Funktion als Klientin (Weinberger 2008).
In der folgenden Ausarbeitung wird jedoch auf die klientenzentrierte Phase Bezug genommen, da sich diese häufig in den heutigen Beratungssituationen wiederfinden lässt.
3. Theoretische Grundlagen
3.1 Carl Rogers Entwicklung der klientenzentrierten Beratung
Die Wurzeln der klientenzentrierten Beratung nach Carl Rogers lassen sich auf die humanistische Psychologie zurückführen.
Rogers beschäftigte sich schon in frühen Jahren mit der Erziehungsberatung und der Psychoanalyse, entwickelt nach einem der bekanntesten Psychologen, Sigmund Freud (vgl. Geschwinder 1999). Freud, der die Psychoanalyse seiner Zeit begründete, war nur ein Wegweiser nachdem sich Rogers gering richtete. Später konzentrierte er sich ebenfalls auf die Ansätze der Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie. Seine Tätigkeit als Psychologe nutze Rogers eher, um in eine klientenzentrierte Richtung zu denken. Grundlage für seine Theorie findet sich in seinem eigenen Menschenbild in Verbindung mit seinen beruflichen Erfahrungen.
So beobachtete er, dass sich Veränderungen bei dem/den Klientenlnnen tiefgreifender Umsetzen lassen, wenn der Therapeut eine angenehme Therapie situati on schafft, die nicht durch Autorität oder direktives Verhalten geprägt ist (vgl. ebd.).
Rogers Aufmerksamkeit bei der Entwicklung seiner Theorie richtete sich im Besonderen auf das Selbstkonzept und die Lebenswelt der Klientenlnnen.
Das Selbstkonzept beinhaltet die Wahrnehmung eines Menschen von sich selbst und seiner Beziehung zur Umwelt. Diese Wahrnehmungen bestimmen sein Verhalten und Erleben.
Entscheidender Aspekt des Selbstkonzeptes ist der Sozialisationsprozess, der einen bildenden Einfluss besitzt.
So werden neue Erfahrungen in das Selbstbild integriert oder verdrängt und Anschauungen, Anreize und Interessen aus dem Selbst entwickelt.
Um diesen Prozess besser nachvollziehen zu können wird im nächsten Abschnitt auf die klientenzentrierte Gesprächsführung näher eingegangen. Hierbei wird auch die schwierige Abgrenzung zwischen Beratung und Therapie deutlich, insbesondere im Zusammenhang mit dem klientenzentrierten Ansatz (vgl.ebd.).
3.2 Die klientenzentrierte Gesprächsführung
Rogers Ansatz beruht auf der Hypothese, dass jeder Mensch ein Wachstumspotenzial besitzt, dass in der Beziehung zu einer Einzelperson (etwa einem Beraterin) freigesetzt werden kann.
Im Sinne der klientenzentrierten Beratungstheorie ist es die Aufgabe des/der Beraterin, eine Atmosphäre zu schaffen, in der der/die Klientin wachsen kann.
Der entscheidende Fokus in der klientenzentrierten Gesprächsführung liegt auf dem Beziehungsangebot.
Ausgehend von der Überzeugung, dass der/die Klientin in sich die Fähigkeit besitzt, sich in konstruktiver Weise weiter zu entwickeln, geht es in der Gesprächsführung darum, Bedingungen herzustellen, die dieses Entwicklungspotential aktivieren.
Hierfür ist die Beziehung zwischen Klientin und Beraterin entscheidend.
Dafür unterstützend formulierte Rogers einige Beratervariablen, die zur Umsetzung einer angenehmen Atmosphäre der Beziehungssituation hilfreich sein könnten, auf die im späteren Verlauf näher eingegangen wird.
Innerhalb der beratenden Beziehung wird so ein Prozess in Gang gesetzt, in welchem dem/der Klientin zunehmend Gefühle und Erfahrungen bewusstwerden, die ihm/ihr in der Vergangenheit nicht zugänglich waren oder die er/sie nur verzerrt wahmehmen konnte, da er/sie mit ihrem Selbstkonzept nicht in Verständnis gebracht werden konnte (vgl. Weinberg 2008). Macht das Individuum Erfahrungen, die nicht mit dem Selbstbild übereinstimmen, so entsteht ein Zustand der Inkongruenz (vgl.ebd.).
An diesem Punkt setzt die Gesprächspsychotherapie an. Hier findet sich oft ein fließender Übergang zwischen einer beratenden Situation und einer therapeutischen Situation. Generell sind die Grenzen zwischen Beratung und Therapie oft sehr verschwommen, sodass Rogers sein Konzept auf beide Bereiche bezieht.
[...]
[1] Richtung der Psychologie, die ¡ท Abgrenzung zur Theorie und Behandlungsweise von Psychoanalyse und Behaviorismus entstand; ihr Ziel ist die Entwicklung der Persönlichkeit, V. a. hinsichtlich der Selbstverwirklichung (Spiegel 2009).
[2] Selbsterkundung; die Fähigkeit ¡ท sich selbst hineinzusehen