Die Personalisierung der Politik. Ursachen, die Rolle der Medien und Kritikpunkte

Mit aktuellen Beispielen aus dem Wahljahr 2013


Seminararbeit, 2014

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Qual der Wahl

2. Die Personalisierung der Politik
2.1 Was ist Personalisierung? – Begriffsbestimmung
2.1.1 Grundlegendes
2.1.2 Die Personalisierung der Wahlkampfführung
2.1.3 Die Personalisierung der Medienberichterstattung
2.1.4 Die Personalisierung des Wählerverhaltens
2.2 Ursachen für Personalisierung
2.2.1 Politisches System
2.2.2 Verändertes Wählerverhalten
2.2.3 Medienwandel
2.3 Aspekte personalisierter Politik
2.3.1 Kandidatenimages
2.3.1.1 Zustandekommen von Kandidatenimages
2.3.1.2 Zusammensetzung von Kandidatenimages
2.3.2 Medien im Kontext der Personalisierung
2.3.2.1 Bedeutung der Medien für Spitzenkandidaten
2.3.2.2 Besondere Wichtigkeit des Fernsehens
2.3.3 Personalisierung des Wählerverhaltens im Ländervergleich
2.4 Fallbeispiel für Personalisierung – Das Wahljahr
2.5 Kritik an Personalisierung
2.6 Fazit

3. Schlusswort

Literaturverzeichnis

1. Die Qual der Wahl

Wen oder was soll ich wählen? Welchem Kandidaten oder welcher Partei soll ich meine Stimme geben? Diese Frage stellt sich den über 60 Millionen wahlberechtigten Deutschen alle vier Jahre aufs Neue. Aber sie ist nicht einfach zu beantworten.

Bei 34 Parteien, die bei der diesjährigen Bundestagswahl teilnahmen, muss man sich erst einmal einen Überblick verschaffen. Auch das ist schon nicht einfach. Zu unterschiedlich sind die Parteiprogramme und Wahlversprechen der Parteien und zu ungewiss ist deren tatsächliche Erfüllung. Hat man sich erst einen Überblick verschafft, ist es zudem oft der Fall, dass mehrere Parteien in Frage kommen, da sich einige in ihren politischen Programmen überschneiden. Wenn sich Wähler aufgrund von politischen Inhalten nicht für eine Partei entscheiden können, kommen die Spitzenkandidaten ins Spiel. Doch auch die Bewertung der jeweiligen Spitzenkandidaten der Parteien ist mit der Zeit nicht einfacher geworden. Durch ihre ständige mediale Präsenz können sich die Wähler zwar gut ein Bild von ihnen machen, doch ist nicht gesagt, ob dieses Bild auch der Wahrheit entspricht, zumal den Politikern zunehmende Inszenierung ihrer Medienauftritte vorgeworfen wird. Nichtsdestotrotz sind die Spitzenkandidaten elementarer Bestandteil unserer Bundestagswahlen. Sie sind die potentiellen Regierungschefs der Bundesrepublik, die mächtigsten Personen unseres Landes. Dementsprechend müssen sie auch mit in die Wahlentscheidung einfließen, was sie auch zweifelsohne tun. Wie stark der Einfluss der Politiker jedoch tatsächlich ausfällt, ist viel diskutiert. Der Personalisierungsbehauptung zufolge gewannen Spitzenkandidaten in den letzten Jahren und Jahrzenten erheblich an Bedeutung.

Was die Personalisierungsbehauptung außerdem beinhaltet, was Ursachen für diesen Trend sind, welche Rolle die Medien, insbesondere das Fernsehen in diesem Zusammenhang spielen und was für Kritikpunkte gegen Personalisierung angeführt werden können, soll nun im Folgenden geklärt werden. Außerdem soll die Personalisierung der Politik anhand aktueller Beispiele aus dem Wahljahr 2013 veranschaulicht werden.

2. Die Personalisierung der Politik

2.1 Was ist Personalisierung? – Begriffsbestimmung

2.1.1 Grundlegendes

Zunächst ist zu sagen, dass Personalisierung in der Politik bis heute lediglich eine Hypothese ist. Sie konnte bislang mit empirischen Mitteln noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Dennoch spricht man in der Forschung mit guten Gründen seit einiger Zeit von diesem Trend. Die Personalisierungshypothese besteht hauptsächlich aus zwei Thesen:

1. Politische Akteure und Kandidaten haben gegenüber politischen Inhalten, Parteien und Institutionen an Bedeutung gewonnen.[1]

2. Nicht-politische und persönliche Eigenschaften von Politikern rücken gegenüber poli- tischen Eigenschaften und Kompetenzen mehr in den Vordergrund.[2]

Die Personalisierung der Politik wird grundsätzlich auf drei Ebenen untersucht: Man spricht von der Personalisierung der Wahlkampfführung, der Personalisierung der Medienberichterstattung und der Personalisierung des Wählerverhaltens.

2.1.2 Die Personalisierung der Wahlkampfführung

Bei der Personalisierung der Wahlkampfführung kommt vor allem die erste These zum Tragen. Spitzenkandidaten gewinnen in der modernen Wahlkampfführung gegenüber ihren Parteien stark an Bedeutung. Die Tendenz, Spitzenkandidaten in den Mittelpunkt von Wahlkämpfen zu stellen, wird häufig auch als Teil der Amerikanisierung von Wahlkämpfen gesehen. Dort sind die beiden Kandidaten von Republikanern und Demokraten selbstverständlich das Zentrum des Präsidentschaftswahlkampfs, da der amerikanische Präsident praktisch direkt vom Volk gewählt wird.[3] Obwohl es in parlamentarischen Demokratien, wie sie Deutschland eine ist, keine solche Direktwahl des Regierungschefs gibt, wird auch in Deutschland von einer „Kanzlerdemokratie“[4] gesprochen. Auch bei den diesjährigen Bundestagswahlen war die zentrale Frage: Merkel oder Steinbrück? Diese große Bedeutung der Spitzenkandidaten im Wahlkampf ist allerdings bei weitem kein neues Phänomen. Bereits 1965 hieß es in der Wahlkampfkon-zeption der CDU-Bundesgeschäftsstelle für den Bundestagswahlkampf: „Personalisierung des Wahlkampfes und der Werbung bedeutet für die CDU = absolute Konzentration auf Ludwig Erhard“[5]. Personalisierung der Wahlkampfführung ist an sich also keineswegs eine Neuheit. Neu hingegen sind einige Merkmale, die damit einhergehen.

Eines dieser Merkmale ist die Entkoppelung von Kandidat und Partei. Die Hauptaufgabe des Spitzenkandidaten ist nicht mehr nur die reine Repräsentation seiner Partei. Auch dieser Trend wurde, aufgrund des politischen Systems, zuerst in den USA beobachtet. Dort fällt eine solche Entkoppelung leichter, da Präsidenten bzw. Präsidentschaftskandidaten weniger parteigebunden sind als z.B. der Bundeskanzler bzw. Spitzenkandidaten der einzelnen Parteien in Deutschland. Zudem führte in Amerika der Zuwachs an Primaries[6] seit den 70er Jahren zu zunehmend eigenständigen Wahlkämpfen der Präsidentschaftskandidaten. Auch in Deutschland wurden ähnliche Tendenzen festgestellt, die jedoch aufgrund der unterschiedlichen politischen Systeme nicht so klar festzumachen waren wie in Amerika. Dennoch erkannte man z.B. bei Gerhard Schröder 1998 deutlich, wie er andere Meinungen vertrat, als die in seiner eigenen Partei vorherrschenden. Ein anderes Beispiel ist ein Wahlplakat der CDU zur Bundestagswahl 1994, auf dem Helmut Kohl alleine aus einer Menschenmenge herausragt ­– sowohl ohne Text als auch ohne Parteisignet.[7]

Ein weiteres neues Merkmal der personalisierten Wahlkampfführung ist die veränderte Wahlkampforganisation. Wieder sind die USA Vorläufer dieses Trends. Präsidentschaftskandidaten bilden in modernen Wahlkämpfen eigene Wahlkampfstäbe aus, da die Stellung der Parteien, wie oben erwähnt, seit der Verbreitung der Primaries nur noch schwach ausgeprägt ist. Diese Wahlkampfstäbe setzten sich zum großen Teil aus sog. „Spin-Doctors“[8] zusammen: politische Berater, Werbefachleute, Medienbeauftragte, Demoskopen und Experten für die Beobachtung der gegnerischen Parteien.[9] Letztere werden immer wichtiger, da die Personalisierung der Wahlkampfführung längst nicht mehr nur aus positiver Selbstdarstellung besteht. Ein wesentlicher Bestandteil ist auch die negative Darstellung des Gegenkandidaten, das sog. „negative campaining“[10]. So personalisierte z.B. die SPD 1980 den Wahlkampf, indem sie Franz Josef Strauß als unberechenbar darstellte.[11] Auch im Falle dieser Veränderungen der Wahlkampf-oganisation sind in parlamentarischen Demokratien parallele Entwicklungen zu erkennen.

„Eine ähnliche Tendenz zur Verlagerung der Wahlkampfführung weg von der Parteibasis hin zu Wahlkampfstäben sowie von Amateuren zu Wahlkampfprofis ist in den meisten westlichen Demokratien festzustellen“[12].

So auch in Deutschland. Mit der ‚Kampa‘, einer Parteizentrale bestehend aus 90 Mitarbeitern, orientierte sich die SPD 1998 in der Wahlkampfführung an hochprofessionellen Wahlkampfzentralen wie dem ‚War Room‘ der Clinton-Kampagne in den USA und den ‚Millbank-Towers‘ der Labour Party. Damit war die SPD die erste Partei, die ihren Wahlkampf nicht von der Bundesgeschäftsstelle aus leitete.[13] So entwickeln sich auch Parteien in parlamentarischen Demokratien von „klassischen Programmparteien hin zu Wahlkampfapparaten“[14].

2.1.3 Die Personalisierung der Medienberichterstattung

„Media discuss the qualifications of presidential candidates more amply than… issues”[15]. Dieses Zitat veranschaulicht die Kernaussage der Personalisierung der Medienberichterstattung recht gut. Politische Akteure haben in der Medienberichterstattung im Vergleich zu Parteien und deren Parteiprogrammen an Bedeutung gewonnen.

Auch hier sind die USA wieder Vorreiter. Seit den 50er Jahren werden in amerikanischen Zeitungen während des Präsidentschaftswahlkampfes häufiger Kandidaten als Parteien erwähnt. Und dieser Trend geht steil nach oben: Während 1952 bei zwei Kandidatenerwähnungen noch eine Parteierwähnung fiel, entfielen 1980 auf eine Parteierwähnung schon 5 Kandidatenerwähnungen.[16] Trotz unterschiedlicher Mediensysteme zeichnet sich auch in Deutschland eine zunehmend personalisierte Medienberichterstattung ab. Ein besonders gutes Beispiel hierfür liefert 1998 die Landtagswahl in Niedersachsen, wenige Monate vor der Bundestagswahl. Damals machten die Medien diese Landtagswahl zu einer Art Primary nach amerikanischem Vorbild, indem sie den Wahlausgang als Entscheidung über die Frage nach dem Kanzlerkandidaten der SPD darstellten. So funktionierten die Medien eine Landtagswahl erstmals zu einer Volksabstimmung über den Kanzlerkandidaten um.[17] „Bemerkenswert war am Wahlabend die nahezu totale Konzentration der Medien auf die Person Schröder… Nirgendwo zeigte sich […] Personalisierung deutlicher“[18].

Das Verhältnis zwischen der Personalisierung der Wahlkampfführung und der Personalisierung der Medienberichterstattung ist umstritten. Einige Autoren behaupten, die personalisierte Wahlkampfführung, dabei v.a. die veränderte Wahlkampforganisation, seien die Ursache für die Personalisierung der Medienberichterstattung. Mediengewandte Politiker wie Gerhard Schröder oder auch Toni Blair legten zu viel Wert auf Images und seien bloß mehr Produkte ihrer Spin-Doctors und ließen den Medien dadurch keine andere Möglichkeit als den Fokus zunehmend auf sie zu lenken, so die Vertreter dieser Theorie. Andere hingegen behaupten, die personalisierte Medienberichterstattung sei eine wesentliche Ursache für die Personalisierung der Wahlkampfführung. So sei insbesondere das Fernsehen, das stärker als andere Medien auf Bildtauglichkeit und Verkürzung ausgerichtet ist, verantwortlich für die Hervorhebung einzelner Kandidaten. Ein großer Teil sieht aber auch eine Wechselwirkung zwischen den beiden Trends. Sie sind der Auffassung, die beiden Trends verursachen sich und fördern einander gegenseitig.[19]

2.1.4 Die Personalisierung des Wählerverhaltens

Unter der Personalisierung des Wählerverhaltens werden grundsätzlich zwei Tendenzen zusammengefasst, welche den grundsätzlichen Tendenzen der Personalisierung der Politik stark ähneln. Erstens: Die individuelle Wahlentscheidung werde anstatt von politischen Sachpositionen immer mehr von der Einstellung zu den Spitzenkandidaten abhängig. Zweitens: Politische Akteure würden verstärkt aufgrund ihrer außerpolitischen Persönlichkeitsmerkmale anstatt ihrer politischen Kompetenzen beurteilt.[20]

Neben den beiden anderen Arten von Personalisierung, die das personalisierte Wählerverhalten erwartungsgemäß stark fördern, gibt es weitere Gründe für das zunehmend an Spitzenkandidaten orientierte Wählerverhalten, allen voran die schwindenden Parteibindungen in der Wählerschaft. Um die Veränderung des Wählerverhaltens zu veranschaulichen wird das sozialpsychologische Modell zur Erklärung des Wählerverhaltens herangezogen. Das Modell besagt, dass es drei große Einflussgrößen auf das Wählerverhalten gibt: die Parteiidentifikation, die Themenorientierung und die Kandidatenorientierung. Die Parteiidentifikation gilt als stabilste und entscheidende Einflussgröße für das Wählerverhalten. In den vergangenen Jahrzenten wurde jedoch eine abnehmende Parteiidentifikation[21] in weiten Teilen der Bevölkerung analysiert. Diese Entwicklung lässt mehr Raum für Themenorientierung und Kandidatenorientierung. Diese beiden Einflussgrößen sind situationsabhängiger und somit auch deutlich instabiler als die Parteiidentifikation. Die Zielgruppe der Personalisierungsstrategien der Wahlkampfstäbe sind also in erster Linie Wähler mit keiner oder nur schwach ausgeprägter Parteiidentifikation.[22] Ganz besonders effektiv gestalten sich Personalisierungsstrategien bei Wählern, die keine klaren politischen Positionen vertreten oder auch politisch ungebildet sind, da bei diesen Leuten weder die Parteiidentifikation noch die Themenorientierung unbedingt wahlentscheidende Faktoren sind. Gemäß dem sozialpsychologischen Modell kommt für diese Gruppe von Wählern daher der Kandidatenorientierung viel Bedeutung zu. Dennoch ist die Frage nach dem Verhältnis des Einflusses von Themenorientierung bzw. Kandidatenorientierung auf das Wählerverhalten außerhalb solcher speziellen Gruppen in parlamentarischen Demokratien noch weitestgehend unerforscht, da das Modell zur Erklärung des Wahlverhaltens seinen Ursprung in den USA hat und auf parlamentarische Systeme nicht ohne Weiteres anwendbar ist. Nichtsdestotrotz spricht auch auf der Ebene des Wählerverhaltens vieles für eine Tendenz hin zum Kandidaten und weg von politischen Inhalten.[23]

[...]


[1] Vgl. http://www.uni-koblenz-landau.de/landau/fb8/ikms/ikm/forschung/pp (3.11.2013)

[2] Vgl. ebd.

[3] Vgl. Brettschneider, Frank: Spitzenkandidaten und Wahlerfolg: Personalisierung ­­­– Kompetenz – Parteien: ein internationaler Vergleich, Wiesbaden 2002, S. 15

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Vorläufiges Auswahlverfahren in den USA, bei dem Kandidaten innerhalb der Parteien für politische Ämter aufgestellt werden

[7] Vgl. ebd., S.16f.

[8] Ebd., S.17

[9] Ebd.

[10] Ebd., S.16

[11] Vgl. ebd.

[12] Ebd., S. 17

[13] Vgl. ebd.

[14] Ebd., S. 18

[15] Graber, Doris A.: Mass Media and American Politics, Washington D.C. 41993 zitiert nach: Brettschneider, S. 20

[16] Vgl. Brettschneider: Spitzenkandidaten und Wahlerfolg, S. 20

[17] Vgl. ebd.

[18] Falter, Jürgen: Alle Macht dem Spin Doctor. Die Amerikanisierung der Wahlkämpfe ist auch in Deutsch­land fortgeschritten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 97 (1998), S. 11f. zitiert nach: Brettschneider,

S. 20

[19] Vgl. Brettschneider: Spitzenkandidaten und Wahlerfolg, S. 21f.

[20] Vgl. ebd., S. 23

[21] Vgl. Gliederungspunkt 2.2.2

[22] Vgl. Brettschneider: Spitzenkandidaten und Wahlerfolg, S. 24

[23] Vgl. Gliederungspunkt 2.2.2

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Personalisierung der Politik. Ursachen, die Rolle der Medien und Kritikpunkte
Untertitel
Mit aktuellen Beispielen aus dem Wahljahr 2013
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
24
Katalognummer
V371413
ISBN (eBook)
9783668493278
ISBN (Buch)
9783668493285
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Personalisierung, Politik, Wahlkampf, Bundestag, Amerikanisierung
Arbeit zitieren
Florian Huber (Autor:in), 2014, Die Personalisierung der Politik. Ursachen, die Rolle der Medien und Kritikpunkte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371413

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