Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung.
2. Geschichtliche Einführung.
3. Leibniz: Leben in der Bestmöglichen Welt...
3.1. Die Übel der Welt
4. Kritik: Candide oder der Optimismus
5. Kant und das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee
6. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nicht aktueller könnte die Theodizeefrage sein. Terroranschläge und Kriege beherrschen noch immer den Nahen Osten. Seit ,Charlie Hebdo’ rückt Europa immer weiter in das Fadenkreuz von Terroristen und IS-Anhängern. Passend dazu veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung (Bruckner 2016) eine erschreckende Chronologie: „2016 - Jahr des Terrors für Deutschland“.
Insgesamt neun Ereignisse, die das Jahr geprägt haben, finden ihre Darstellung. Am aktuellsten der Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016. In Anbetracht der Ereignisse scheint der Glaube an einen Gott, der uns vor dem Übel und Leid der Welt zu retten versucht, zu sinken. Trotz dessen entgegnete uns bereits Leibniz 1710, dass wir in der ,besten aller möglichen Welten’ leben. Aber wie ist diese Aussage vereinbar mit den Übeln der Welt? Konnte Gott keine bessere Welt schaffen?
Einen möglichen Erklärungsversuch dokumentierte Gottfried Wilhelm Leibniz in seinem Buch „Essais de Théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal“, kurz Théodicée (später Theodizee). Er prägte damit, die religiösen und philosophischen Überlegungen des 18. Jahrhunderts (vgl. Krauss 2011: 589f), setzte die seit der Antike diskutierte Frage nach der Rechtfertigung Gottes fort und verlieh der Frage neuen Gehalt, in dem er Gott vor dem „Gerichtshof der Vernunft“ anklagte (vgl. Oelmüller 1990: 7).
Im Folgenden soll die Theodizee von Leibniz, als eines der bedeutendsten Werke der Philosophie, unter den Fragestellungen: „Was ist die Theodizeefrage? Haben die Ansichten von Leibniz bestand? Kann Leibniz die Frage letztendlich lösen?“, untersucht werden. Aufgrund der umfassenden Arbeit von Leibniz ist es kaum möglich, alle Argumente wiederzugeben und zu analysieren. Folglich beschränke ich mich auf die grundlegende Argumentation, die zu dem Beweis führt, dass unsere Welt die beste aller darstellt. Hierzu ist es notwendig, die Einteilung der Übel ebenfalls näher zu betrachten.
Voltaires „Candide“ und Kants Abhandlung „Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee (1791)”, geben anschließend einen kritischen Blick auf die zuvor erarbeiteten Argumente.
Dessen ungeachtet möchte ich zunächst systematisch einleiten und mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Theodizeefrage bis in die Zeit der Aufklärung beginnen. Es folgt der Hauptteil mit der eigentlichen Analyse der Argumente. Letztendlich der Schluss, mit der Funktion einer Zusammenfassung und Beantwortung unserer Fragestellungen.
2. Geschichtliche Einführung
Die Wortneuschöpfung von Leibniz - Theodizee - stammt aus dem altgriechischen (șİȩȢ) the ó s,Gott‘, (įȓțȘ) d í k ē,Gerechtigkeit‘ und bezeichnet die Frage nach der Rechtfertigung Gottes: Wie kann es Übel auf der Welt geben, wenn Gott allmächtige Attribute in sich vereinigt, die solch ein Übel verhindern könnten (vgl. Kaufmann 2011: 2)?
Betrachten wir nun frühere Denkweisen, so erweist sich diese Definition als keineswegs neu. Bereits in der Antike wurde der Gottesbegriff hinterfragt. Lactantius (1919: 102) entwickelte eine erste treffende Beschreibung der ursprünglichen Fragestellung:
„Gott will entweder die Übel aufheben und kann nicht; oder Gott kann und will nicht; oder Gott will nicht und kann nicht; oder Gott will und kann. Wenn Gott will und nicht kann, so ist er ohnmächtig; und das widerstreitet dem Begriffe Gottes. Wenn Gott kann und nicht will, so ist er mißgünstig, und das ist gleichfalls mit Gott unvereinbar. Wenn Gott nicht will und nicht kann, so ist er mißgünstig und ohnmächtig zugleich, und darum auch nicht Gott. Wenn Gott will und kann, was sich allein für die Gottheit geziemt, woher sind dann die Übel, und warum nimmt er sie nicht hinweg?“
Weitere Philosophen und Theologen beschäftigten sich mit der Rechtfertigung Gottes. In der heutigen Zeit als „Theodizeeanaloge Theoreme“ (Oelmüller 1990: 7; Geyer 1990: 12) benannt, behielt die Thematik ihre Aktualität in der Antike und Mittelalter. Fragen nach dem Einklang von Leiden und Negativität in einer Welt mit gutem Sein, in christlicher Hinsicht, einer unbedingten guten Schöpfung, bestimmte das Denken (vgl. Geyer 1990: 12). Antwortversuche beschränkten sich nach Carl-Friedrich Geyer (1990: 12f) auf fünf Variationen. Erstens glaubte man an eine Instrumentalisierung, Gott habe ein übergeordnetes Ziel. Weitere Annahmen richteten sich gegen das Übel, in dem es als Fehlen des Guten interpretiert wurde. Darüber hinaus lagen Schwerpunkte möglicher Erklärungsversuche in der Pädagogisierung, Moralisierung und Ästhetisierung. Das Negative sollte den Menschen erziehen, eine Verfehlung aufgrund seiner Leibgebundenheit darstellen und als notwendiges Kontrastmittel aufgefasst werden.
Mit dem Aufkommen der Aufklärung und Fokussierung auf die Vernunft veränderten sich die Betrachtungen. Seit Leibniz steht der Begriff ,Theodizee’, für eine Frage, dessen Antwort weniger, die des Glaubens ist, sondern vielmehr ein Problem der Vernunft darstellt. Die Antwort auf die Existenz eines liebenden Gottes und die gleichzeitige Existenz von Übeln, vereinbart Leibniz (1968: 101) im ersten Teil seines Buches §8 : „[...] [G]äbe es nicht die beste (optimum) aller möglichen Welten, dann hätte Gott überhaupt keine geschaffen.“
Diese Grundannahme soll im Anblick der Theodizeefrage differenziert betrachtet werden, um die Frage zu beantworten, ob unsere Welt tatsächlich die beste aller sein kann.
3. Leibniz: Leben in der Bestmöglichen Welt
Eine Rechtfertigung Gottes setzt zwei Annahmen voraus, die es zu bearbeiten gilt: Gott existiert und besitz allmächtige Attribute. Zusätzlich werden die Übel der Welt gleichsam negativ aufgefasst und als Abwesenheit Gottes dargestellt, da seine Allmacht diese Übel hätte verhindern können.
Die Hauptthese von Leibniz bzw. das Gesamtwerk der Theodizee bestätigt unsere erste Annahme und folgt einem klar definierten christlichen Gottesbegriff.
Allmacht, Allwissenheit und Allgüte sind Gottes-Postulate, die auch in jedem traditionellen Theismus zu finden sind (vgl. Liske 2000: 202). Dies schließt die Freiheit Gottes nicht aus, die parallel zur Allmacht, Allwissenheit und Allgüte besteht. Der Freiheitsbegriff beschreibt „[...] [die] Intelligenz, die eine deutliche Erkenntnis des zu beschließenden Gegenstandes in sich faßt, [...] [die] Spontanität, mit der wir uns entscheiden, und [...] [die] Zufälligkeit, d.h. dem Ausschluß logischer oder metaphysischer Notwendigkeit“ (Leibniz 1968: 320). Gottes Taten unterstehen demnach keinem Grund der Rechtfertigung, denn niemand ist ihm übergeordnet in seinem Wissen und seiner Macht (vgl. Leibniz 1968: 97ff). Daraus folgt die Möglichkeit spontan, also frei von Bestimmungen zu handeln. Gottes Handlungen sind überdies frei, indem sie kontingent bzw. im Rahmen des möglichen sind, aber nicht eintreten müssen.
Einen Beweis führt Leibniz (1968: 100) in §7 des ersten Teils. Er behauptet, dass alle beschränkten Dinge zufällig und nicht notwendig seien. Zeit, Raum und Stoff sind geeinigt und gleichförmig, hätten aber auch anders geordnet werden können. Es folgt somit die Frage, warum die Welt überhaupt existiert wie sie existiert:
Durch den Aspekt der Zufälligkeit entsteht eine Vielzahl an möglichen Welten. Das heißt, es gibt eine geistige Substanz, die eine Rücksicht oder Beziehung zu den anderen Welten gehabt haben muss. Der Verstand dieser Substanz vergegenwärtigte sich diese Welten und wählte durch den Willen eine spezifische Welt aus. Erst durch die Macht der Substanz wird diese auch Wirklichkeit (vgl. Leibniz 1968: 100). Die Macht bezieht sich auf das Sein, der Verstand auf die Wahrheit und der Wille auf das Gute, die als verständige Ursache auf alle Weisen vollkommen und unendlich sein müssen, da alles miteinander verknüpft ist (vgl. Leibniz 1968: 100). Aus dieser Begründung scheint es logisch das Leibniz „Gott [als] die erste Ursache aller Dinge“ (Leibniz 1968: 100) definiert, denn die eine Substanz kann nur auf einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott zurückgeführt werden.
Der folgende §8 setzt die Argumentation fort und erklärt zu Beginn, dass „[...]
überlegene Weisheit [...] in Verbindung mit einer nicht weniger unendlichen Güte einzig und allein das Beste erwählen [konnte]“ (Leibniz 1968: 101). Zudem wird ein Vergleich der vollkommenen Weisheit mit der Mathematik eröffnet, denn ohne ein bestimmtes Unterschiedenes wie Minimum und Maximum verläuft alles gleichförmig aber existiert diese Einteilung nicht, so kann überhaupt nichts geschehen. Gleiches gilt für die vollkommene Weisheit: „[...] [G]äbe es nicht die beste (optimum) aller möglichen Welten, dann hätte Gott überhaupt keine erschaffen. ,Welt’ nenne ich hier die ganze Folge und ganze Beieinander aller bestehenden Dinge. […] Man muß sie insgesamt für eine Welt rechnen, oder, [...] für ein Universum. (Leibniz 1968: 101)“ Demzufolge wird Gott, neben Spontanität und Kontingenz, eine Art a priori Vernünftigkeit zugesprochen, mit der Handlungen bereits ohne Erfahrung als Gut bewertet werden können. Die beste aller möglichen Welten wurde notwendigerweise auserwählt, weil Gott mit der höchsten Vernunft handelt.
Dementgegen steht die allgemeine Auffassung einer perfekten Welt. So könnte man mit unserer zweiten Annahme behaupten, dass die beste aller Welten, eine Welt ohne Sünde und ohne Leid sein sollte.
Eine solche Gegenthese lehnt Leibniz (vgl. 1968: 101f) ab und bestreitet, dass diese Welt besser ist, da alles miteinander in Verbindung steht bzw.
[...]