Technologiestrategien etablierter Akteure in der Phase des diskontinuierlichen Wandels in der Automobilindustrie


Masterarbeit, 2016

131 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau und Zielsetzung der Arbeit
1.3 Methodische Vorgehensweise
1.4 Limitationen

2 Grundlagen und theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Innovationen innerhalb der Schumpeter-Theoreme
2.1.1 Radikale und inkrementelle Innovationen
2.1.2 Disruptive Innovationen
2.2 Technologischer Wandel und Paradigmenwechsel
2.2.1 Entstehung eines dominanten Designs
2.2.2 Pfadabhängigkeiten
2.2.3 Die Rolle von Attackern und Incumbents
2.3 Technologiestrategien
2.4 Wissenserwerb durch Kooperationen

3 Zukunftstechnologien der Automobilindustrie
3.1 Paradigmenwechsel im Antriebsbereich des Automobils
3.1.1 Aufbau eines Elektrofahrzeugs
3.1.2 Batterientechnologie
3.1.3 Elektromotor
3.1.4 Leistungselektronik
3.1.5 Hybridantrieb
3.1.6 Kritische Faktoren der Elektromobilität
3.2 Vehicle to Grid
3.3 Automatisiertes Fahren
3.3.1 Stufen der Automatisierung des Automobils
3.3.2 Bedeutende Technologiefelder in der Entwicklung des automatisierten Fahrens
3.3.3 Assistenzsysteme des assistierten und teilautomatisierten Fahrens
3.3.4 Assistenzsysteme des hochautomatisierten und vollautomatisierten Fahrens
3.4 Connected Car

4 Patentanalyse zur Untersuchung des technologischen Wandels
4.1 Grundlagen zur Verwendung von Patentdaten
4.1.1 Die Internationale Patentklassifikation (IPC)
4.1.2 T echnologiefeldklassifikation nach Schmoch
4.2 Festlegung der Betrachtungsgruppe
4.3 Bestimmung der Schlüsseltechnologiefelder
4.3.1 Befragung eines Experten
4.3.2 Ableitung der relevanten Technologiefelder
4.3.3 Untersuchung relevanter IPC-Klassen

5 Ergebnisübersicht und Beantwortung der Forschungsfragen
5.1 Beantwortung der Forschungsfrage 2
5.2 Ergebnisse der Patentanalyse
5.2.1 Beantwortung der Forschungsfrage 3
5.2.2 Beantwortung der Forschungsfrage 4
5.2.3 Beantwortung der Forschungsfrage 5
5.2.4 Beantwortung der Forschungsfrage 6
5.3 Exkurs: Revealed Technology Index (RTA)
5.4 Zentrale Aussagen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Eidesstattliche Erklärung

Abstract "Wir stehen vor einer zweiten Erfindung des Automobils. Der Antriebsstrang wird in den nächsten Jahren viel stärker elektrifiziert werden" (Herz et al. 2011). "Mit der Elektromobilität und dem automatisierten und vernetzten Fahren stehen wir vor der größten Mobilitätsrevolu­tion seit Erfindung des Automobils" (Eckardt 2016). Die bereits im Jahr 2011 getätigte Aus­sage des Daimler-Chefs Dieter Zetsche gepaart mit dem Zitat des Ministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, stehen prägnant für die Phase, in der sich die Au­tomobilindustrie aktuell befindet. Bereits zum Zeitpunkt der Erfindung des Automobils gab es einen technologischen Wettbewerb zwischen benzinbetriebenen Motoren und Elektromoto­ren, der mit der Durchsetzung von Verbrennungsmotoren endete. Nachdem sich der Ver­brennungsmotor immer stärker etablierte und stetig verbessert wurde, zeichnet sich, nach einer über 100 Jahre währenden Dominanz der Verbrennungsmotoren, ein radikaler Techno­logiewandel im Antriebsbereich ab. Neben einer technologischen Weiterentwicklung alterna­tiver Antriebe, wird der Wandel in der Automobilindustrie auch von gesellschaftlichen Mega­trends beeinflusst. Das zunehmende Umweltbewusstsein bei gleichzeitig ansteigendem Mobilitätsbedarf und die weltweite Urbanisierung sind Trends, die die Veränderungen in der Industrie mit vorantreiben. Als Resultat dieses Wandels wird langfristig mehrheitlich eine Durchsetzung von elektrischen Antrieben erwartet. Eine weitere Ursache für die aktuelle Pe­riode der technologischen Unsicherheit liegt in Entwicklungen im Bereich des automatisierten Fahrens. Bereits heute sehen viele Pendler das Führen eines Fahrzeugs als reine Zeitver­schwendung an. Selbstfahrende Fahrzeuge werden daher als eine vielversprechende Tech­nologie zur Steigerung der Effizienz der Gesellschaft angesehen. Schon zum jetzigen Zeit­punkt ist es Fahrzeugen möglich eine Vielzahl von Manövern selbst durchzuführen. Beispiele hierfür sind das Halten der Spur, selbstständiges Einparken und Folgefahren im niedrigen Geschwindigkeitsbereich. Auch in diesem Bereich werden die für die Automobilindustrie zu erwartenden Auswirkungen gravierend sein. Tesla-Vorstand Elon Musk prognostizierte jüngst: "Autos, die nicht von allein fahren können, werden auf lange Sicht das Schicksal von Pferden ereilen. Man wird nur aus sentimentalen Gründen eins besitzen“ (Hautkapp und So- kolow 2015).

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verankerung der Technologiestrategie in der Gesamtstrategie

Abbildung 2: Dimensionen von Technologiestrategien

Abbildung 3: Automatisierungsstufen

Abbildung 4: Patentanmeldungen am europäischen Patentamt

Abbildung 5: Patentanmeldungen in den Schlüsseltechnologiebereichen

Abbildung 6: Patentanmeldungen innerhalb der Elektromobilität

Abbildung 7: Anteil der OEMs an Patentanmeldungen in Schlüsseltechnologien

Abbildung 8: Anteil von Patenten im Elektromobilitätsbereich in % an Gesamtpatenten

Abbildung 9: Anteil von Patenten im automatisierten Fahren in % an Gesamtpatenten

Abbildung 10: Anteil von Patenten im Bereich Akkumulatoren in % an Gesamtpatenten

Abbildung 11: Anteil von Patenten im Bereich Hybridantrieb in % an Gesamtpatenten

Abbildung 12: Entwicklung der Patentaktivitäten der OEMs

Abbildung 13: Entwicklung der Patentaktivitäten der OEMs in der Elektromobilität

Abbildung 14: Entwicklung der Patentaktivitäten der OEMs im automatisierten Fahren

Abbildung 15: Patentanmeldungen Mitsubishi in Schlüsseltechnologien

Abbildung 16: Patentanmeldungen Toyota in Schlüsseltechnologien

Abbildung 17: Patentanmeldungen Volkswagen in Schlüsseltechnologien

Abbildung 18: Patentanmeldungen Hyundai in Schlüsseltechnologien

Abbildung 19: Patentanmeldungen BMW im automatisierten Fahren

Abbildung 20: Patentanmeldungen der OEMs im herkömmlichen Antrieb

Abbildung 21: Patentanmeldungen der OEMs in der Elektromobilität

Abbildung 22: Patentanmeldungen der OEMs im automatisierten Fahren

Abbildung 23: Patentanmeldungen der OEMs im Akkumulatorenbereich

Abbildung 24: Patentanmeldungen der OEMs im Hybridbereich

Abbildung 25: Patentanmeldungen der OEMs im in der Umfeldsensorik

Abbildung 26: Patentanmeldungen der OEMs im Bereich Datendienste

Abbildung 27: Patentanmeldungen der OEMs im Bereich Datenverarbeitung

Abbildung 28: Technologieposition der OEMs in der Elektromobilität

Abbildung 29: Technologieposition der OEMs im automatisierten Fahren

Abbildung 30: Technologieposition der OEMs im Bereich Akkumulatoren

Abbildung 31: Technologieposition der OEMs im Bereich Hybridantrieb

Abbildung 32: Technologieposition der OEMs im Bereich Umfeldsensorik

Abbildung 33: Technologieposition der OEMs im Bereich Datendienste

Abbildung 34: Technologieposition der OEMs im Bereich Datenverarbeitung

Abbildung 35: Gegenüberstellung der Aktivitäten Elektromobilität vs. herk. Antrieb

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Veränderte Fahrzeugkomponenten durch die Elektrifizierung des Antriebs

Tabelle 2: Verschiedene Elektrifizierungsgrade des Antriebs

Tabelle 3: Relevante OEMs - Vorauswahl

Tabelle 4: Relevante OEMs - Endauswahl

Tabelle 5: Betrachtete IPC-Klassen

Tabelle 6: Kooperationen der OEMs in der Elektromobilität

Tabelle 7: Einteilung der OEM anhand Integrationsstrategie

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die technologischen Veränderungen in den Bereichen Elektromobilität und automatisiertes Fahren lösen einen Strukturwandel innerhalb der ganzen Branche aus. Die Gründe für den Strukturwandel sind größtenteils ökologischer, aber auch ökonomischer Natur. Beispielswei­se pocht die Politik in der vergangen Jahren immer stärker auf eine Entkarbonisierung des Individualverkehrs und legt dazu ambitionierte Ziele fest. Nach Vorgaben der europäischen Kommission darf der Durchschnittsverbrauch an Kohlenstoffdioxid pro vollständiger Fahr­zeugflotte eines Herstellers nach 2021 nicht über 95g/km liegen (vgl. Baumann 2016). Bei einer Nichteinhaltung der Vorgaben müssen die Automobilhersteller mit Strafzahlungen rechnen. Darüber hinaus führen aus wirtschaftlicher Sicht auch das Zurückgehen der Rohöl­vorkommnisse und die damit verbundenen steigenden Ölpreise zu einem Veränderungsbe­darf.

Die größte Herausforderung innerhalb des Technologiewandels ist das Erreichen von tech­nologischer Konkurrenzfähigkeit der neuen Antriebstechnologie im Vergleich zu herkömmli­chen Motoren. Aufgrund von langen Ladezyklen und vergleichsweise geringen Reichweiten bei hohen Kaufpreisen der Elektrofahrzeuge bestehen Probleme bei der Kundenakzeptanz. Neue Mobilitätskonzepte, wie beispielsweise Car-Sharing, können die Durchsetzung der Elektromobilität unterstützen.

Für die Automobilhersteller bedeutet die Elektrifizierung des Antriebs einen Verlust von Kompetenzen. Durch die langjährige Erfahrung in der Herstellung von Verbrennungsmotoren bauten die Hersteller ein starkes technologisches Knowhow auf, was ihnen bei der Produkti­on von Fahrzeugen einen hohen Wertschöpfungsanteil bescherte. Dieses Wissen wird im Zuge des Technologiewandels mehr und mehr obsolet. Beim Bau von Elektrofahrzeugen müssen, insbesondere bei den Komponenten Akkumulator und Leistungselektronik, neue Kompetenzen aufgebaut werden. Der Wissensvorsprung liegt hier auf der Seite der neu auf den Markt tretenden Zulieferer, wie beispielsweise Akkumulatorenhersteller. Resultierend daraus, sind Veränderung des Wertschöpfungsanteils innerhalb der Automobilindustrie als sehr realistisch anzusehen. Auch die Entwicklungen im Schlüsseltechnologiebereich auto­matisiertes Fahren führen zu Veränderungen in der Wertschöpfungstiefe und zur Konkurrenz durch neue Zulieferer. Das Knowhow in kritischen Technologiefeldern, wie Umfeldsensorik, digitale Karten und Datenverarbeitung liegt verstärkt auf Seiten von IT-Firmen. Hier bleibt abzuwarten, ob die "Original Equipment Manufacturer" (OEMs) den Wissensvorsprung auf­holen können oder dauerhaft an die neuen Zulieferer gebunden sind. Wie im Bereich der Elektromobilität, ist auch im Kontext des automatisierten Fahrens mit neu auf den Markt tre­tenden Innovatoren zu rechnen. Ob es auf Seiten der Zulieferer zum Eintritt neuer Konkur­renten kommt, oder auch bisher branchenfremde Unternehmen die Produktion von Fahrzeu­gen aufnehmen, hängt stark von den Reaktionen der etablierten Unternehmen und der Höhe der Markteintrittsbarrieren ab. Mit Tesla existiert bereits heute ein Unternehmen, welches durch die Konzentration auf die beiden Zukunftstechnologien den angestammten OEMs das Feld strittig machen will.

Die Dauer des Übergangs in die Elektromobilität stellt ebenfalls eine große Unsicherheit dar. Beeinflusst wird das Zeitfenster der Durchsetzung von Elektrofahrzeugen auch stark von Veränderungen im Kontext des alten Antriebs. Entscheidende Faktoren sind hierbei die Höhe des Benzinpreises und mögliche Effizienzsteigerungen der Verbrennungsmotoren. Davon abhängig müssen Automobilhersteller abwägen, wie sie ihre Forschungs- und Ent­wicklungsausgaben zwischen der Verbesserung konventioneller Antriebe und der Entwick­lung neuer Antriebe verteilen und welche Rolle die Hybridtechnologie in ihrer strategischen Ausrichtung spielen soll. Die Geschwindigkeit der Entwicklungen hin zu vollautomatisierten Fahrzeugen hängt, neben der Weiterentwicklung der beschriebenen Technologiefelder, stark von der Festlegung eines gesetzlichen Rahmens ab. Darüber hinaus bedarf es einer Ver­besserung der IT-Sicherheit, um die Gefahr möglicher Hackerangriffe zu verringern (vgl. Brünglinghaus 2014).

Obwohl der Zeitraum und die Entwicklungsschritte des Wechsels von Verbrennungsmotoren zur Elektromobilität und vom manuellen Fahren zum pilotierten Fahren noch lange nicht si­cher vorhersagbar sind, erscheint auf lange Sicht eine Durchsetzung beider Technologien als sehr wahrscheinlich. Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei einem solchen diskonti­nuierlichen Technologiewandel Gewinner und Verlierer geben wird.

Etablierten Firmen, die auf die technologischen Veränderungen zu spät reagieren bzw. fal­sche strategische Entscheidungen treffen, droht der Verlust der guten Wettbewerbsposition oder sogar der Marktaustritt. Beispiele aus anderen Branchen findet man hierzu in der Ver­gangenheit zur Genüge. So verlor Blackberry, in den 2000er Jahren Marktführer im Bereich von Smartphones, durch die Einführung von Smartphones mit Multitouch-Bedienoberfläche den gesamten Marktanteil. Einst als Pionier in der Entwicklung von Mobiltelefonen mit Inter­netanbindung gestartet, setzte der Hersteller zu lange auf die physische Tastatur. Im Jahr 2016 wurde die Produktion letztlich eingestellt und die einstige Erfolgsgeschichte fand ihr Ende (vgl. Krempp 2016).

Der Technologiewandel birgt aber nicht nur Gefahren für die etablierten Marktteilnehmer, sondern bietet auch die Chance, mithilfe einer guten strategischen Ausrichtung eine bessere Marktposition einzunehmen als noch im alten Technologieumfeld.

Da im Kontext des diskontinuierlichen Technologiewandels für unterschiedliche Industrien keine allgemeingültige Aussage bezüglich der langfristigen Durchsetzung neuer oder etab­lierter Unternehmen möglich ist, sind Branchen im Wandel im Vorfeld stets mit folgenden Fragestellungen konfrontiert: Können neue Unternehmen das Establishment der etablierten Fahrzeughersteller ernsthaft bedrohen oder ihnen sogar die Marktführerschaft streitig ma­chen? Wird der Technologiewandel von Angreifern auf dem Markt geführt, oder bleibt die Technologieführerschaft bei den sogenannten Incumbents?

1.2 Aufbau und Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel dieses Beitrags zum Thema "Technologiestrategien etablierter Akteure in der Phase des diskontinuierlichen Wandels in der Automobilindustrie" ist, basierend auf der Analyse der Patentaktivitäten der Automobilhersteller, einen Bezugsrahmen zu bilden, der die aktuelle Technologieposition der Hersteller abbildet und gleichzeitig einen Ausblick auf Entwicklun­gen der nächsten Jahre ermöglicht. Der Vergleich erfolgt zwischen allen etablierten Automo­bilherstellern und untersucht die beiden Schlüsseltechnologiebereiche automatisiertes Fah­ren und Elektromobilität. Die Erkenntnisse aus den Analysen der Patentportfolios ermögli­chen die Ableitung der in den vergangenen drei Perioden verfolgten Technologiestrategien der Hersteller. Als etablierte Unternehmen, im weiteren Verlauf häufig OEMs oder Incumbents genannt, zählen jegliche Automobilhersteller, die bereits Fahrzeuge mit Ver­brennungsmotoren herstellten. Im Gegensatz dazu zählen zur Gruppe der neuen Anbieter, die in Folge auch Attacker genannt werden, die Unternehmen, die ausschließlich Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben produzieren.

Die Arbeit beginnt mit den theoretischen Grundlagen in denen explizit auf den Rahmen eines technologischen Paradigmenwechsels und die Begrifflichkeiten radikale Innovationen, disruptive Innovationen, dominantes Design, diskontinuierlicher Technologiewandel und Pfadabhängigkeiten eingegangen wird. Die Grundlagen für die spätere Auseinandersetzung mit Technologiestrategien und verschiedenen Kooperationsformen werden ebenfalls im The­orieteil gebildet.

Es folgt die nähere Untersuchung der Zukunftstechnologien der Automobilindustrie. Den Be­ginn macht eine ausführliche Heranführung an das Thema "Elektrifizierung des Antriebs­strangs". Zunächst erklärt die Arbeit kurz den Aufbau eines Elektrofahrzeugs. Darauf auf­bauend erfolgen eine kurze Beschreibung der wichtigsten Komponenten und eine Erläute­rung der verschiedenen Typen von Hybridfahrzeugen. Abgeschlossen wird der Gliederungs­punkt mit einer Übersicht der kritischen Faktoren bei der Durchsetzung der Elektromobilität. Ehe ausführlicher auf die Automatisierung des Automobils eingegangen wird, erfolgt ein kur­zer Einblick in den Technologiebereich "Vehicle to Grid". Neben verschiedenen Automatisie­rungsstufen betrachtet die Arbeit die technologischen Voraussetzungen. Da Fahrassistenz­systeme mehr und mehr Funktionen im Fahrzeug übernehmen und deren Weiterentwicklung letztlich in vollautomatisierten Fahrzeugen endet, werden anschließend einige Systeme nä­her erläutert. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Betrachtung des Themenbereichs "Connected Car" mit den zugehörigen Ausprägungen "Car2Car", "Car2Infrastructure" und "Car2X" ab.

Das nächste Kapitel beschreibt zunächst Grundlagen der Verwendung von Patentdaten. Desweiteren folgt die Beschreibung der Vorgehensweise zur Festlegung der Untersu­chungsgruppe und eine Erklärung der Methodik zur Bestimmung der einzelnen Technologie­felder mit den zugehörigen Patentklassen. Um eine belastbare Technologieeinteilung vor­nehmen zu können, wurde zusätzlich zur Sekundärrecherche auch eine Expertenbefragung durchgeführt. Resultierend daraus wird Forschungsfrage 1 beantwortet:

1) Welche Schlüsseltechnologien beeinflussen und treiben den disruptiven Wandel in der A utomobilindustrie?

Den Hauptteil der Arbeit bilden die Analyse und Auswertung der Patentaktivitäten etablierter Automobilproduzenten. Diese erfolgt in den drei Perioden 2003 bis 2006, 2007 bis 2010 und 2011 bis 2014, um so die Entwicklungen bezüglich der Technologieposition einzelner Unter­nehmen im Zeitverlauf zu erhalten.

Anschließend wird Forschungsfrage 2 beantwortet:

2) Auf welche Kooperationsstrategien setzen die etablierten Akteure in Zeiten des technolo­gischen Wandels?

Nun folgt die Untersuchung der Patentportfolios auf Basis der 20 relevanten OEMs. Die erste Analyse untersucht die Patentportfolios der Unternehmen angesichts des Anteils der Schlüs­seltechnologien. Danach wird das Wachstum bzw. der Rückgang einzelner Technologiefel­der zwischen Periode 1 und 3. Im nächsten Schritt liegt das Hauptaugenmerk auf der absolu­ten Patentanzahl in Periode 3. Ein Vergleich der Patentaktivitäten ermöglicht, basierend auf Patentdaten, die Bestimmung der Unternehmen mit der besten technologischen Basis. Da­rauf aufbauend erfolgt eine Gegenüberstellung des Wachstums der Patentanmeldungen mit den absoluten Patenanzahlen in Periode 3. Der Zweck der genannten Analysen ist die Be­antwortung folgender Forschungsfragen:

3) Welche Rolle spielen die Schlüsseltechnologiebereiche im Patentportfolio der etablierten Akteure?

4) Wie haben sich die Technologieportfolios der etablierten Akteure innerhalb des Untersu­chungszeitraumes verändert?

5) Welche etablierten Akteure sind, bedingt durch den disruptiven Wandel, im Untersu­chungszeitraum 2003-2014 Treiber der definierten Schlüsseltechnologien, bzw. werden im Zeithorizont 2018-2021 eine Technologieführerschaft inne haben?

Nach dem Vergleich der OEMs bezüglich relativem Wachstum und absoluten Patentanzah­len folgt darauf basierend die Beantwortung der Forschungsfrage 6:

6) Welche Technologiestrategien können aus dem Patentierungsverhalten der etablierten Akteure im Verlauf des Untersuchungszeitraumes abgeleitet werden und in wie weit unter­scheiden sich diese?

Das Ende der Arbeit bilden die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und die Dis­kussion offen gebliebener Fragen.

1.3 Methodische Vorgehensweise

Das passende Forschungsdesign der Untersuchung bedarf gründlichen Vorüberlegungen und sollte im Einklang mit der Zielsetzung der Arbeit ausgewählt werden. Das Forschungsdesign dieser Untersuchung basiert großteils auf quantitativ, nurmerischen Forschungsmethoden. Quantitative Methoden haben den Vorteil, dass die erhobenen Daten über eine hohe Objektivität verfügen, verlässlich und gut miteinander vergleichbar sind. Anwendbar ist diese Form der Forschungsmethode, wenn das Untersuchungsobjekt quantifizierbar ist und aus dem Datenmaterial theoretische Schlüsse gezogen werden können (vgl. Wetzel und Röbken 2016, S. 13). Die Analyse von Patentdaten und deren numerische Auswertung bilden in dieser Untersuchung die quantitative Methodik. Neben der quantitativen Methodik bedient sich die vorliegende Untersuchung mit dem Experteninterview auch einer Form der qualitativen Forschung. Dieser Forschungstyp hat den Vorteil der offenen Gestaltungsmöglichkeit in Abhängigkeit des zu untersuchenden Gegenstands (vgl. Hussy et al. 2010, S. 183). Als Interviewform wurde ein halbstrukturiertes Leitfadeninterview ausgewählt. Diese Interviewform hat den Vorteil, dass dank eines gewissen Strukturierungsgrades vorab sichergestellt ist, dass bestimmte relevante Themen zur Sprache kommen. Dennoch ist dem Informanten ein Freiraum gegeben, um auf für ihn bedeutende ergänzende Informationen bzw. Problematiken einzugehen (vgl. Gläser und Laudel 2010, S. 61f.). Mit der Expertenbefragung soll zusätzliches Wissen bezüglich der Abgrenzung und Einordnung der Schlüsseltechnologien aufgebaut werden, um die aus der Sekundärrecherche getroffenen Annahmen zu bestätigen bzw. einzuordnen.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Literaturrecherche und den Kernaussagen des Inter­views kann eine Technologietaxonomie erstellt werden, die als Grundlage der Patentanalyse dient.

1.4 Limitationen

Aufgrund des limitierten Umfangs der Untersuchung beziehen die Patentanalyse und die Beantwortung der Forschungsfragen ausschließlich die etablierten Automobilhersteller mit ein. Zu den Automobilherstellern werden auch die Hersteller von LKWs hinzugezählt, da auch der Nutzfahrzeugbereich zu den Entwicklungen in den Schlüsseltechnologien beiträgt. Darüber hinaus ist eine gesonderte Analyse von Patentaktivitäten ausschließlich im PKW- Bereich nur schwer möglich, da insbesondere die großen OEMs sowohl über Marken im LKW-Bereich, als auch im PKW-Bereich verfügen. Die im Zuge des Technologiewandels neu auf den Markt tretenden Unternehmen und Unternehmen der Automobilzulieferbranche sind nicht Teil der Untersuchung. Neben den Entwicklungen im Antriebsbereich von Hybridfahrzeugen und Elektrofahrzeugen erfolgt keine Untersuchung weiterer alternativer Antriebsformen. Entwicklungen im Bereich von Brennstoffzellen oder solarbetriebenen Fahrzeugen gehören daher nicht zum Umfang dieser Untersuchung.

Das Einbeziehen der Patentdaten des Jahres 2015 wird als nicht sinnvoll betrachtet, da zwischen der Anmeldung und der Veröffentlichung von Patenten im Regelfall 18 Monate vergehen (vgl. EPO - Leitfaden für Anmelder: Der Weg zum europäischen Patent 2016). Deshalb basiert die Patentanalyse auf dem Beobachtungszeitraum 2003 bis 2014. Auch bei den Patentaktivitäten des Jahres 2014 ist ,durch noch nicht veröffentlichte Patente, mit einer etwas geringeren Patentanzahl zu rechnen. Wegen der Komplexität des Themenbereichs "Zukunftstechnologien der Automobilindustrie" und der Fülle an technologischen Veränderungen, kann die Arbeit nur die bedeutenden Technologiebereiche tiefergehend beleuchten.

2 Grundlagen und theoretischer Bezugsrahmen

2.1 Innovationen innerhalb der Schumpeter-Theoreme

Sprachwissenschaftlich stammt der Begriff der Innovation vom lateinischen Verb innovare ab, was ins Deutsche übersetzt so viel bedeutet wie erneuern bzw. verändern. Josef A. Schumpeter prägte den Begriff aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Nach seiner Definition be­schreiben Innovationen diskontinuierliche Veränderungen, die in der Entwicklung neuer Pro­dukt- und Prozesskombinationen sowie deren Durchsetzung am Markt, enden (vgl. Schum­peter 2005, S. 100). Darüber hinaus prägte er das Verständnis von Innovationen als Ursache der schöpferischen Zerstörung. Nach dieser Ansicht führen Innovationen zur Veränderung des etablierten Wirtschaftskonstrukts. Diese Veränderungen haben ihren Ursprung innerhalb des angestammten Umfelds (vgl. Schumpeter 1975, S. 82f.). Der technologische Wandel basiert auf Innovationen und wird von Schumpeter auch im Kontext der schöpferischen Zer­störung genannt (vgl. Schumpeter 2010, S. 83).

Die Modelle Schumpeter Mark I und II geben einen ersten Einblick in die verschiedenen Typen von Innovationen und zeigen auf, wie sich die Struktur von Branchen durch Innovationen verändert.

Schumpeter Mark I bezieht sich auf den Markteintritt neuer Unternehmen innerhalb eines innovativen Umfelds. Das Schlagwort, das Schumpeter I charakterisiert, ist die kreative Zerstörung. Neue Unternehmen konkurrieren durch alternative Produktions- und Distributionswegen mit den etablierten Firmen. Im Mittelpunkt steht ein Einzelunternehmer, der den technologischen Fortschritt vorantreibt. Bedingungen für die Existenz eines solchen Modells sind dynamische Industrien und geringe Markteintrittshürden (vgl. Fontana et al., S. 3).

Schumpeter Mark II ist ein Modell, welches von Schumpeter in späteren Werken, ca. ab den 1940er Jahren, verwendet wird. Es zeichnet sich durch kreative Vermehrung aus. Diese Vermehrung bezieht sich auf die großen etablierten Unternehmen, die von Markteintrittsbar­rieren profitieren, die Innovatoren am Markteinstieg hindern. Ihre Wissensbasis, ihre finanzi­ellen Ressourcen sowie das Bestehen von Produktions- und Distributionskanälen ergeben einen Wettbewerbsvorteil, der von kleinen Firmen und Entrepreneuren nicht überwunden werden kann (vgl. Breschi et al. 2000, S. 389).

2.1.1 Radikale und inkrementelle Innovationen

Innovationen werden als radikal bezeichnet, wenn sie sich nur wenig auf vergangene Pro­dukte beziehen und mit den Innovationen eine grundlegende Veränderung des bisherigen Produktdesigns einhergeht. Sie verändern den "State of the Art" und nicht selten den ganzen Entwicklungspfad einer Industrie (vgl. Pyka 1998, S. 199). Gleichzeitig entstehen neue Märk­te und Investitionsflüsse verändern sich.

Bei einer radikalen Innovation ist, im Gegensatz zur inkrementellen Innovation, die vorhan­dene Wissens- und Ressourcenbasis innerhalb des Unternehmens nicht ausreichend um den veränderten Anforderungen zu genügen (vgl. Au 2011, S. 20f.). Um mit dem technologi­schen Fortschritt mitzuhalten, muss das Unternehmen die technische bzw. fachliche Kompe­tenz sprunghaft verbessern. Dies hat häufig den Verkauf anderer Kompetenzbereiche und einen starken Mitarbeiterzuwachs im Bereich der Schlüsseltechnologie zur Folge (vgl. Burr 2014, S. 180).

Innovationen erscheinen auf den ersten Blick und zum Zeitpunkt ihrer Erfindung meist weni­ger radikal, als im Nachhinein. Zwar basieren bahnbrechende Erfindungen auf radikalen In­novationen, ohne weitere inkrementelle Verbesserungen wäre ein Großteil der radikalen In­novationen allerdings nie als bahnbrechend in die Geschichte eingegangen. Erst inkremen­telle Verbesserungen machen aus der radikalen Idee ein wirtschaftlich nutzbares Produkt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Erfindung des Computers. Bereits in den 1940er Jahren wurden die ersten Computer entwickelt. Aufgrund ihrer Größe, der Kosten und der Fehleran­fälligkeit konnten sie sich zum damaligen Zeitpunkt nicht durchsetzen. Sir Thomas Watson, der damalige Präsident von IBM, schätzte in diesem Zusammenhang die weltweite Nachfra­ge auf eine Handvoll Computer (vgl. Rosenbloom 2010, S. 10f.).

Ein Schlüsselfaktor für den Fortschritt innerhalb einzelner Industrien ist somit die zeitgleiche Entwicklung verschiedener, aufeinander aufbauender und voneinander abhängiger Techno­logien. Rückständigkeiten einzelner Technologiebereiche führen zur Verlangsamung des kompletten Technologiekonstrukts (vgl. Stephan 2013, S.39). Diese technologischen Inter­dependenzen bildet die Lasertechnologie gut ab. Laser werden heutzutage in einer Vielzahl von Technologien eingesetzt, wie beispielsweise in der Langstreckenübertragung von Daten und Stimmen sowie bei der Aufnahme und beim Abspielen von Videos und Musik. Zum Zeit­punkt der Erfindung der Lasertechnologie konnten die genannten Funktionen noch nicht ge­nutzt werden. Erst mit dem Ausbau von Glasfaserkabeln, die die Signale übermitteln, konnte sich die Lasertechnologie in der Kommunikation durchsetzen. Für die Nutzung zur Daten­speicherung waren weitere Entwicklungen der Mikroprozessoren, Aufnahmegeräte und Computer nötig (vgl. O'Connor und Narayanan 2010).

Inkrementelle Innovationen stellen das Gegenstück dar und treten mehr oder weniger kon­stant in allen Branchen auf. Diese Form von Innovationen baut auf dem bestehenden Wis­sensstand auf und zielt auf eine Weiterentwicklung bestehender technologischer Problem­stellungen ab. Dieser Innovationstyp tritt kontinuierlich auf und Entwicklungen dieser Art ver­folgen einen bestehenden Technologiepfad. Das Resultat inkrementeller Innovationen ist häufig eine effizientere Ausschöpfung des technologischen Potentials eines Produkts. Auch Produktdifferenzierungen basieren auf diesem Innovationstyp (vgl. Lasinger 2011, S. 106f.).

2.1.2 Disruptive Innovationen

Christensen hat im Jahr 1997, auf Basis des Phänomens der Vielzahl von scheiternden Un­ternehmen im Kontext technologischer Innovationen, in seinem Werk "The innovator's di- lemma" eine Unterscheidung der Innovationen in erhaltende und disruptive Innovationen vorgenommen (vgl. Christensen 1997).

Disruptive Innovationen unterbrechen das bisherige Technologiemuster und verdrängen die­ses teilweise vollständig. Eine solche Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass im Un­ternehmen vorhandenes Wissen und vorhandene Fähigkeiten nicht ausreichend sind, um mit dem technologischen Fortschritt innerhalb einer Branche bzw. Produktkategorie mitzuhalten. Der Technologiebereich erlebt einen großen Entwicklungsschnitt und dies erfordert von der Unternehmung den Aufbau neuer Kompetenzen oder den Austritt aus dem Kompetenzbe­reich. (vgl. Burr 2014, S. 180).

Etablierte Unternehmen sehen in der technologischen Neuerung anfangs kein großes Ge­winnpotential und insbesondere im Vergleich zum angestammten Produkt wird von der disruptiven Innvation nur wenig Rentabilität erwartet. Da aus finanzieller Sicht der Anreiz fehlt, werden disruptive Innovationen verstärkt von branchenfremden Unternehmen vorange­trieben (vgl. Christensen und Overdorf 2000, S. 66f.). Nach dem Start der technologischen Neuerung als Nischenprodukt folgen die Festlegung der Produktarchitektur und das Entste­hen eines neuen Marktes. In einem nächsten Schritt übernimmt das einstige Nischenprodukt die Dominanz am Markt, was Veränderungen für die angestammte Branchenstruktur mit sich bringt. Das Resultat dieser Entwicklung ist das Scheitern der ehemals marktdominierenden Firmen. Dieses Scheitern geschieht trotz verfügbarer Kompetenzen, da die etablierten Un­ternehmen den neuen Markt nicht im richtigen Ausmaß und/oder nicht rechtzeitig als strate­gisch relevant betrachten und darüber hinaus die veränderten Kundenbedürfnisse falsch interpretieren (vgl. Tidd et al. 2005, S. 30f.). In diesem Kontext wird häufig der Begriff "kom­petenzzerstörende Innovationen" verwendet. Ein solches Beispiel ist der Existenzverlust vie­ler Baumwollhersteller seit der Möglichkeit der Kleidungsherstellung auf synthetischer Basis. Fehlendes Humankapital und fehlende finanzielle Möglichkeiten führten dazu, dass viele Baumwollproduzenten nicht weiter konkurrenzfähig waren (vgl. Christensen und Rosen­bloom 1995, S. 234). Wenn disruptive Innovationen den bisherigen Markt und die technolo­gische Trajektorie verändern, haben neue Marktteilnehmer einen grundsätzlichen Vorteil gegenüber den etablierten Unternehmen, ganz unabhängig von den technologischen Anfor­derungen und Fähigkeiten. Incumbents haben im Gegensatz zu Attackern kaum die Mög­lichkeit ihre strategische Ausrichtung voll auf die technologische Innovation auszulegen, ins­besondere sofern im bisherigen Markt starke Kundenbindungen und Umsatzpotential beste­hen (vgl. Christensen und Rosenbloom 1995, S. 255).

Disruptive Innovationen sind nicht zwangsläufig mit einer Minderung der Unternehmenskom­petenzen verknüpft. Im Falle von Innovationen innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks etablierter Unternehmen, sind diese absolut konkurrenzfähig, ganz gleich um welche Art von Innovation es sich handelt. Problematisch hingegen sind Innovationen, bei denen Incumbents weder starke Fähigkeiten noch gute Netzwerke besitzen (vgl. Christensen und Rosenbloom 1995, S. 253). Unternehmen, die flexibel auf Veränderungen im Technologie­umfeld reagieren können, profitieren von ihrem bisherigen Knowhow und sie können es nut­zen, um nach dem technologischen Wandel eine noch bessere Wettbewerbsposition einzu­nehmen. In diesem Fall spricht man von kompetenzverstärkenden Innovationen. Firmen, die aufgrund eines großen Kapitaleinsatzes an etablierte Produkte bzw. Technologien gebunden sind und nicht flexibel auf technologische Veränderungen reagieren können, sind die Verlie­rer disruptiver Innovationen. Diese kompetenzzerstörenden Innovationen sind ein guter Nährboden für den Einstieg neuer, dynamischer Firmen (vgl. Gerybadze 2004, S. 82).

Auch die Elektrifizierung des Antriebsstranges wird häufig im Zusammenhang mit disruptiven Innovationen genannt. Dies ist aber nicht in der Neuartigkeit elektrischer Antriebe begründet. Elektromotoren existieren seit der Erfindung des Automobils. Der disruptive Charakter be­gründet sich vielmehr durch den Bruch der über 100 Jahre bestehenden Branchenstruktur. Die derzeitigen Entwicklungen in den Bereichen Elektromobilität und automatisiertes Fahren führen erstmals zu Informationsdefiziten der OEMs im Bezug auf neue Technologieentwick­lungen. Das technologische Knowhow ist nur noch eingeschränkt in der Hand der Automo­bilbranche und einst branchenfremde Unternehmen, wie beispielsweise Batterien- oder Softwarehersteller, drängen auf den Markt. Um in Zeiten disruptiver technologischer Entwick­lungen gut gerüstet zu sein, benötigen OEMs eine gute Position in Wissensnetzwerken und passende Kooperationspartner (vgl. Müller et al. 2014, S. 30).

2.2 Technologischer Wandel und Paradigmenwechsel

Bereits vor mehr als einem Jahrhundert hat Schumpeter in seinem Werk "Theorie der wirt­schaftlichen Entwicklung" (1912) diskontinuierliche und kontinuierliche Entwicklungsphasen unterschieden. Für ihn ist eine Innovation die Ursache für den Übergang in eine diskontinu­ierliche Phase.

Nach Christensen und Rosenbloom (1995) gibt es mehrere Faktoren, die beeinflussen, ob bei der Einführung einer neuen Technologie ein Vorteil für neue Unternehmen besteht und wie stark dieser ausgeprägt ist. Neben dem Ausmaß der technologischen Veränderungen im Verhältnis zu den firmeneigenen Kompetenzen, spielen auch der Organisationsaufbau und die Strukturen auf Managementebene eine bedeutende Rolle. Ebenfalls von Relevanz sind das Unternehmensumfeld und die Strategie, wie mit veränderten Kundenwünschen umge­gangen wird (vgl. Christensen und Rosenbloom 1995, S. 233f.).

In der Wissenschaft versteht man unter einem Paradigma die Summe der Bemühungen, um ein definiertes Problem in einem abgegrenzten Wissensbereich zu lösen. Dosi überträgt die allgemeine Definition des wissenschaftlichen Paradigmas und bezeichnet das technologi­sche Paradigma als vorherrschende Herangehensweise bei der Lösung technologischer Herausforderungen. Das technologische Paradigma führt zu einer Fokussierung der Bemü­hungen der Unternehmen. Darüber hinaus bringt es den Akteuren eine gewisse Sicherheit hinsichtlich des technologischen Entwicklungsrahmens. Die Innovationen, die innerhalb des Paradigmas angestrebt werden sind inkrementeller Natur. Die entstehenden Strukturen in­nerhalb eines Paradigmas gehen in den organisatorischen Rahmen der ganzen Branche über, wodurch teilweise der Weitblick auf technologische Entwicklungen außerhalb des vor­gegebenen Entwicklungspfades verloren geht (vgl. Dosi 1988, S. 1129 ff.).

Die "technological trajectory", was so viel bedeutet wie "technologische Kurve", bezeichnet den Fortschritt innerhalb eines technologischen Paradigmas. Darüber hinaus beschreibt die Konzeption das Wechselspiel zwischen Phasen der radikalen, diskontinuierlichen und Pha­sen der konstanten, inkrementellen Innovationskultur (vgl. Dosi 1982, S. 152). Technologi­sche Trajektorien bezeichnen mehrere mögliche Entwicklungsszenarien im durch das Para­digma vorgegebenen Entwicklungsrahmen. Hierbei ist zu betonen, dass zumeist mehrere Entwicklungsrichtungen denkbar sind. Innerhalb der vorliegenden Grenzen des technologi­schen Paradigmas ist das Ziel die Verbesserung einzelner Produktparameter bzw. die Ver­besserung der Wechselwirkungen zwischen einzelnen Variablen (vgl. Dosi 1982, S. 154). Auf Anbieterseite geben technologische Trajektorien Unterstützung und Sicherheit bei der Auswahl der Maßnahmen auf eine veränderte Kundennachfrage (vgl. Dosi 1988, S. 1146). Neben der Bildung von Skaleneffekten und dem Setzen von Standards, fördert die technolo­gische Trajektorie den Aufbau ergänzender Technolgiebereiche (vgl. Dosi und Nelson 2009, S. 15f.).

2.2.1 Entstehung eines dominanten Designs

Der Begriff des dominanten Designs geht über den Begriff der technologischen Trajektorie hinaus und beschreibt die branchenweit akzeptierten Standards im Bezug auf Produkt und/oder Wertschöpfungsdesign. Die Durchsetzung eines dominanten Designs beendet die Ära der technologischen Unsicherheit. Im gleichen Entwicklungsschritt setzen sich Produktstandards durch und Produkte, die von diesem Standard abweichen werden mehr und mehr vom Markt gedrängt. Dieses Design ist auch gleichzeitig die Grundlage für weitere Produkt- und Prozessverbesserungen (vgl. Tushman und Anderson 1986, S. 441). Der Pro­zess von der ersten Innovationsidee bis zum branchenweit einheitlichen Design verläuft zu­meist über einen langen Zeitraum und ist nicht ausschließlich von der Kundenakzeptanz und Nutzerzahl gesteuert. Produkte bzw. Produktideen sind anfangs noch sehr unausgereift und es bedarf einer Reihe von Produktweiterentwicklungen und -Verbesserungen, ehe das Pro­dukt einen Reifegrad erreicht, der zu einem marktweiten Standard führt.

Gerybadze unterteilt diesen Prozess in zwei Phasen, vor und nach der Standardsetzung. Die Phase der technologischen Unsicherheit bezeichnet er als prä paradigmatische Phase. So­bald sich die Branche auf ein dominantes Design geeinigt hat, folgt der Übergang in die pa­radigmatische Phase. Die Phasenbestimmung spielt für Firmen und ihre Erfolgschancen eine entscheidende Rolle und die Strategieausrichtung sollte darauf abgestimmt sein (vgl. Gerybadze 2004, S. 89).

Für Suarez existieren zwei Parameter, von denen mindestens einer erfüllt sein muss, damit vom dominaten Design gesprochen werden kann. Ein dominantes Design hat sich durchge­setzt, wenn das am stärksten konkurrierende Produktdesign der Entwicklung nicht mehr Stand halten kann und vom Markt gedrängt wird. Dieselbe Schlussfolgerung kann getroffen werden, wenn ein Produktdesign einen deutlich größeren Marktanteil aufweisen kann als alle konkurrierenden Alternativen und dem Trend zufolge davon auszugehen ist, dass sich diese Dominanz weiter verstärken wird (vgl. Suarez 2004, S. 281).

In der Vergangenheit lassen sich eine Vielzahl von Beispielen finden, bei denen sich nach längerer Parallelexistenz mehrerer technologischer Designs letztlich ein Produkt durchsetzte und zum dominanten Design wurde. Ein in der Literatur häufig gewähltes Beispiel ist der so­genannte "Formatkrieg" in den 1980er Jahren. Zum Zeitpunkt der Massenmarktpenetration der Heim-Videokassettenrekorder existierten am Markt die vier Formate "VHS", "Betamax", "Video-2000" und "VCR". VHS hatte von Anfang an den größten Marktanteil und verdrängte nach und nach die anderen Formate (vgl. Verardi et al. 2007, S. 6ff.) Die Durchsetzung eines Standards findet nicht nur auf Produktebene, sondern auch auf der System- bzw. Technolo­gieebene statt. IBM setzte in den 80er Jahren den Standard für die komplette Produktklasse des Personal-Computers. Die Verknüpfung von Rechner, Software und Benutzeroberfläche war neuartig und wurde nachfolgend zum Industriestandard (vgl. Suarez 2004, S. 281).

Voraussetzung für das Entstehen eines Produktstandards ist ein starkes Zulieferer-Anbieter­Netzwerk, das sich schnell auf ein Design einigt und dadurch Kostenvorteile in der Produkti­on generieren kann. Darüber hinaus spielt eine hohe Kundenakzeptanz mit der schnellen Erreichung des "Tipping-Points" eine entscheidende Rolle (vgl. Gerybadze 2004, S. 90f.).

Innerhalb der Automobilindustrie ist der Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor seit einem Jahrhundert das dominante Design. Seitdem sich das Bewusstsein über die Risiken erhöhter Treibhausgase bei den Konsumenten immer stärker durchsetzt, neue Antriebstechnologien auf den Markt treten und Benzinpreise stetig steigen, gibt es erstmals eine Tendenz, dass auf lange Sicht dieses dominante Design durchbrochen und möglicherweise durch einen neuen Standard ersetzt wird (vgl. Altenburg 2014, S. 5f.).

2.2.2 Pfadabhängigkeiten

Pfadabhängigkeiten liegen vor, wenn zukünftige Handlungsoptionen durch aktuelle Kompe­tenzen und Ressourcen beeinträchtigt sind. Diese Pfadabhängigkeiten entstehen durch eine starke Unternehmensausrichtung auf angestammte Kompetenzfelder und Entwicklungsrich­tungen. Bei der Ausrichtung auf einen neuen Entwicklungspfad entstehen hohe irreversible Kosten und Wechselkosten. Eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit in Zeiten einer starken Umweltdynamik zu bewahren, stellt eine große Aufgabe dar (vgl. Burr 2014, S. 199f.).

Die Ursachen für Pfadabhängigkeiten sind breit gestreut. Beispiele dafür sind Skaleneffekte, die zu Kostensenkungen bei gesteigerter Outputmenge führen sowie Netzwerkabhängigkei­ten und einander komplementäre Technologien, die erst durch beidseitige Marktdurchdrin­gung attraktiv werden. Auch kundenseitig können Pfadabhängigkeiten beobachtet werden. Konsumenten bauen ihrerseits Produktwissen und Gewohnheiten auf, die die Marktakzep­tanz des neuen Produkts verlangsamen (vgl. Schewe und Liesenkötter 2014, S.24 f.).

Das Design der Computertastatur mit den Buchstaben "QWERTY" ist ein Beispiel für eine Pfadabhängigkeit. Das Design der Computertastatur entstand aus der Anordnung der Buch­staben auf Schreibmaschinen. Trotz einer leichten Veränderbarkeit des Layouts haben die Gewohnheiten der Maschinenschreiber im Zusammenspiel mit den Tastaturherstellern dazu geführt, dass die "QWERTY-Tastatur" weiterhin Standard blieb (Rosenbloom 2010, S.14).

Solche Pfadabhängigkeiten lassen sich auch innerhalb der Automobilindustrie feststellen. Die hohen Fixkosten bei der Fahrzeugentwicklung, sowie beim Kauf von Produktionsanlagen und die stark auftretenden Economies of Scale in dieser Industrie erklären, warum OEMs nicht gerade Vorreiter beim Technologiewandel sind. Sogenannte Netzwerkexternalitäten treten in dieser Branche in Form eines stark ausgebildeten Tankstellennetzes ebenfalls auf. Auch auf Nutzerseite lassen sich Pfadabhängigkeiten entdecken. Fahrzeuge mit Verbrenungsmotoren gehören seit vielen Jahrzehnten zum Standard auf den Straßen und die Kundenerwartungen bezüglich Reichweite und Fahreigenschaften haben sich daran an­gepasst. Auch das von vielen Menschen aufgebaute technologische Grundwissen wird durch den Technologiewechsel obsolet (vgl. Liesenkötter und Schewe 2013, S. 274ff.).

Der "Sailing-Ship-Effect" ist ein Beispiel für Pfadabhängigkeiten. Seinen Ursprung hat der Effekt im Konkurrenzkampf zwischen Segelschiffen und Dampfschiffen im 19. Jahrhundert. Nach beinahe 3.000 jähriger Existenz und technologischer Stagnation macht die Technolo­gie der Segelschiffe mit der neuen Konkurrenz durch Dampfschiffe deutliche Entwicklungs­schübe. Eine treffende und allgemeingültige Definition stammt von Howells, der den "Sailing- Ship-Effect" als Beschleunigung der Innovationsfähigkeit des alten Technologiebereichs in Folge der Bedrohung durch neue Technologien beschreibt (vgl. Schewe und Liesenkötter 2014, S. 29).

Innerhalb der Automobilindustrie tritt dieser Effekt tendenziell ebenfalls auf. Trotz langjähri­ger Forschung im Bereich des Elektromotors, hat sich mit den Hybridmotoren zeitgleich eine weitere Technologie aufgetan, die zumindest teilweise auf die Ursprungstechnologie des Verbrennungsmotors zurückgreift. Die Bemühungen der Automobilhersteller, möglichst lange am etablierten Verbrennungsmotor festzuhalten, spiegelt auch das nur wenig ausgeprägte Interesse am Wechsel des technologischen Pfads wider. Auf Basis des "Sailing-Ship-Effects" ist es denkbar, dass die Innovationsaktivitäten im Bereich des herkömmlichen Verbren­nungsmotors dank der Hybridtechnologie wieder aufleben oder zumindest nicht ganz zu­rückgehen (vgl. Schewe und Liesenkötter 2014, S. 29).

2.2.3 Die Rolle von Attackern und Incumbents

Etablierte Unternehmen versuchen häufig Innovationen bzw. neue Technologiebereiche in das aktuelle Business Model miteinzugliedern. Gründe dafür liegen in der Bindung des Un­ternehmens an die angestammte Produktpalette und im Drang nach effizienter Produktion, um durch Größenvorteile, Kosteneinsparungen zu generieren. Incumbents haben darüber hinaus ein Interesse daran, ihren Kunden komplementäre Güter anzubieten, anstatt die be­stehenden Produkte neuer Konkurrenz auszusetzen (vgl. Bohnsack et al. 2014, S. 286). Zu den Pfadabhängigkeiten der Incumbents gehören bewährte Organisationsstrukturen und herausragende technologische Fähigkeiten, die sie einst zum Marktführer machten. Im Kon­text des neuen Entwicklungspfades führen sie zu einer Lähmung der notwendigen Reakti­onsfähigkeit (vgl. Bergek et al. 2013, S. 1211).

Deutliche Vorteile gegenüber Attackern haben Incumbents durch ihre Ressourcenstärke. Dank ihrer Finanzkraft können etablierte Unternehmen in mehreren Bereichen gleichzeitig experimentieren und sind von zwischenzeitlichen Entwicklungsflauten weniger stark betrof­fen. Selbst im Falle der Wahl fehlerhafter Strategien bezüglich des Geschäftsmodells, haben etablierte Unternehmen häufig auch zu späteren Zeitpunkten die Chance, sich dem erfolgrei­chen Pfad anzuschließen (vgl. Bohnsack et al. 2014, S. 286).

Attacker haben die Möglichkeit mit dem neuen Produkt unvoreingenommen auf den Markt zu treten und dabei ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Dies ist zumeist auch notwendig um neue Kunden von einem Anbieterwechsel zu überzeugen. Attacker haben im Vergleich zu Incumbents größere Hürden zu überwinden, um Kunden von ihren Produkten zu über- zeugen, da die Kunden noch keine Erfahrungen mit Produkten des Unternehmens sammeln und noch keine Loyalität aufbauen konnten. Limitierte Ressourcen haben zur Folge, dass Attacker zeitgleich nur in wenigen Technologiefeldern aktiv sind. Eine missglückte Auswahl der Investitionsbereiche endet nicht selten in der Firmeninsolvenz (vgl. Bohnsack et al. 2014, S. 286f.).

2.3 Technologiestrategien

In der Literatur gibt es große Unterschiede bezüglich der Einordnung von Technologiestrate­gien innerhalb der Strategieebenen Unternehmensstrategie, Geschäftsbereichsstrategie, Wettberwerbsstrategie und F&E-Strategie. Das Ausmaß bzw. die Ebene, auf der die Techno­logiestrategie einzuordnen ist, spielt eine wichtige Rolle. Je nach Diversifikationsgrad bzw. Technologieportfolio der Firma kann eine Technologiestrategie für das Gesamtunternehmen oder nur für einzelne strategische Geschäftsfelder gelten. In diversifizierten Unternehmen hat die Technologiestrategie, als Teil der Unternehmensstrategie, die Aufgabe, knappe Res­sourcen auf die relevantesten Technologiefelder zu verteilen (vgl. Schuh 2011, S. 78f.).

Abbildung 1: Verankerung der Technologiestrategie in der Gesamtstrategie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Renz (2004), S. 47

Für Porter ist die Technologiestrategie ein Teil der Geschäftsfeld- und Unternehmensstrate­gie, mit deren Hilfe ein strategischer Wettbewerbsvorteil erzielt werden soll (vgl. Porter 1985). Für Klein hingegen liegt ein besonderes Augenmerk auf der Abstimmung zwischen Wettbewerbs- und Technologiestrategie. Er betont den Einfluss der technologischen Kompe­tenzen eines Unternehmens bei der Wahl der geeigneten Wettbewerbsstrategie. Im Gegen­zug benötigt es zur Formulierung der Technologiestrategie das Wissen über marktliche Ent­wicklungen (vgl. Klein 1998, S. 50).

Dieser Untersuchung wird die Einordnung von Fischer und Renz zugrunde gelegt. Nach ihrer Definition ist die Technologiestrategie eine Querschnittsfunktion, die integrativ mit anderen Strategiearten zu koordinieren ist. Sie steht somit in Wechselwirkung zur Unternehmensstra­tegie, zu Geschäftsbereichstrategien und zu Funktionsbereichsstrategien (vgl. Renz 2004, 47 ff.) (vgl. Fischer und Lange 2002, S. 361).

Bei der Formulierung von Technologiestrategien exisitieren mehrere Dimensionen, nach denen Unternehmen ihre Strategie ableiten.

Abbildung 2: Dimensionen von Technologiestrategien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Klein (1998), S. 58

Ein wichtiger Aspekt von Technologiestrategien ist die Beschaffung von Wissen. Entweder wird das Wissen durch eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten generiert oder es erfolgt der Fremdbezug von Knowhow über Auftragsforschung, Lizenzierungen, Akquisitionen oder Kooperationen. Die gleichen Überlegungen spielen auch eine Rolle für Unternehmen, wenn es um die Vermarktung von bestehendem Wissen geht (vgl. Schulte- Gehrmann et al. 2011, S. 74f.). Diese Thematik bildet eine starke Überlappung zu den Kooperationsstrategien (vgl. Kapitel 2.4).

Bedeutend bei der Festlegung von Technologiestrategien ist auch das technologische Leistungsniveau, auf das ein Unternehmen abzielt. Das Leistungsniveau beschreibt das Level der technologischen Kompetenz einer Firma im Vergleich zu den Wettbewerbern. Falls das Unternehmen seinen Wettbewerbern innerhalb eines Geschäftsfelds überlegen ist, spricht man von technologischer Führerschaft. Technologieführer bauen verstärkt auf Grundlagenforschung, um ihre technologischen Kompetenzen langfristig zu sichern und weiter auszubauen. Die Position des Technologieführers kann darüberhinaus genutzt werden, um Kostenvorteile aufzubauen, bspw. durch Standardisierungsprozesse in der Herstellung (vgl. Schulte-Gehrmann et al. 2011, S. 69f.). Weitere Vorteile sind die Möglichkeit der Nutzung des Pionier-Images zur Kundengewinnung, der Aufbau von Markteintrittshürden, beispielsweise in Form von Patenten, und die Festlegung von Produktstandards. Die größte Gefahr liegt in der Fehlinterpretation von technologischen Entwicklungen, die mit Fehlinvestitionen einhergehen (vgl. Bühner 1985, S. 288f.). Weist ein Unternehmen nur ein durchschnittliches Leistungsniveau auf, ist aber dennoch in allen Technologiebereichen tätig, ist die Rede von technologischer Präsenz. Die Verfolgung der technologischen Nischenstrategie bedeutet für Unternehmen die Fokussierung auf den Teil der Technologien, bei denen sie eine gute strategische Position erreichen können. Die Strategie der technologischen Rationalisierung hat einen Rückzug aller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten aus nicht als kritisch angesehenen Bereichen zur Folge (vgl.Little 1993, S. 116ff.).

Ebenfalls von großer Bedeutung ist der Zeitpunkt des Eintritts in neue Technologiefelder. Diese strategische Dimenson wird Timing-Strategie genannt und hat die Ausprägungen "Pionier" in einer Technologie, "früher Folger" und "später Folger". Dem Vorteil des Aufbaus von Marktbarrieren durch den Pionier stehen Gefahren bezüglich der Fokussierung auf langfristig nicht gewinnbringende Technologiefelder entgegen. Eine allgemeingültige Aussage, welche Timingstrategie vorteilhaft ist, ist nicht möglich (vgl. Schulte-Gehrmann et al. 2011, S. 70f.).

Bezugnehmend auf die strategische Ausrichtung von Unternehmen unterteilt Gerybadze Technologien nach deren Ausmaß der Durchdringung innerhalb der Branche und deren Ertrag bzw. Wertschöpfungsbeitrag durch den Einsatz dieser Technologie. Resultat dieses Ansatzes ist die Einteilung, aufsteigend nach dem Reifegrad, in "embryonische Technologien", "Schrittmacher-", "Schlüssel-" und "Basistechnologien" (vgl. Gerybadze 2004, S. 130f.).

2.4 Wissenserwerb durch Kooperationen

Eine Kooperation beschreibt die Zusammenarbeit mindestens zweier rechtlich, und meist auch wirtschaftlich, unabhängiger Unternehmen. Inhalte einer Kooperation sind häufig fest definierte Projekte, Produktbereiche oder einzelne strategische Geschäftsfelder. Kooperationen können nach ihrer Intensität, der Richtung und dem Kooperationsbereich un­terschieden werden. Die Intensität beschreibt hierbei neben dem zeitlichen Rahmen einer Zusammenarbeit auch den sachlichen Rahmen. Die Richtung einer Kooperation gibt an, ob sich der Partner auf der gleichen Stufe oder auf einer vor- bzw. nachgelagerten Wertschöp­fungsstufe befindet. Auch komplementäre Kooperationen, also die Verbindung zwischen Un­ternehmen verschiedener Branchen, sind eine denkbare Ausprägung. Der Kooperationsbe­reich gibt an, auf welchen Funktionsbereich sich die gemeinsame Zusammenarbeit bezieht. So existieren beispielsweise Kooperationen in der Beschaffung oder der Produktion (vgl. Hagenhoff 2004, 9 ff.).

Aufsteigend nach dem Integrationsgrad und der Dauer der strategischen Zusammenarbeit existieren die Kooperationsformen "Lieferantenvertrag", "strategische Allianz", "Joint Ventu­re" und "Akquisition". Unter Integration versteht man die Verschiebung des Organisationsbe­reichs zum Unternehmen hin. Die hunderprozentige eigene Herstellung von Produkten bzw. der Wissenszuwachs, ausschließlich generiert durch eigene F&E-Aktivitäten, stellen den höchsten Grad der Integration dar. Die Desintegration ist im Gegenzug die Verschiebung des Organisationsbereichs von der Firma zum Markt (Schade et al. 2014, S. 107f.).

Strategische Allianzen bestehen zumeist zwischen Unternehmen der gleichen Wertschöp­fungsebene und sind vertraglich auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Die Organisati­onsstrukturen der beiden unabhängigen Unternehmen werden dadurch nicht beeinflusst. Ziel ist es, durch die Fähigkeiten der einzelnen Unternehmen eine Steigerung der Wettbewerbspostion beider Firmen in einem Geschäftsfeld zu erreichen.

Bei einem Joint-Venture liegt der Fokus ebenfalls auf der Nutzung komplementärer Ressour­cen zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition. Der große Unterschied liegt in der Gründung eines rechtlich eigenständigen Unternehmens. Dies erhöht den Austausch von Knowhow zwischen den beteiligten Firmen und verringert notwendige Abstimmungen. Häufig bestehen Joint Ventures in der Automobilindustrie aus Partnern unterschiedlicher Wert­schöpfungsebenen (vgl. Kasperk und Drauz 2012, S. 398).

In Zeiten des Übergangs zur Elektromobilität sind in der Automobilindustrie verstärkt Koope­rationen zu beobachten. Dies liegt darin begründet, dass OEMs fehlendes Knowhow in bis­her nicht relevanten Technologiesektoren, zum Beispiel im Bereich der Herstellung von Ak- kumulatoren oder innerhalb der Leistungselektronik, durch die Zusammenarbeit mit strategi­schen Partnern aufbauen wollen bzw. müssen (vgl. Proff und Proff 2012, S. 190f.).

3 Zukunftstechnologien der Automobilindustrie

3.1 Paradigmenwechsel im Antriebsbereich des Automobils

Der sich anbahnende Wettbewerb zwischen Elektromotoren und Verbrennungsmotoren ist in der Geschichte des Automobils keine neue Erscheinung. Bereits um das Jahr 1890, in der frühen Phase des Personenkraftverkehrs, kurz nach dessen Erfindung, existierten am Markt parallel elektrisch betriebene Fahrzeuge und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Auf Basis der unterschiedlichen Eigenschaften wurden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehrheitlich für Fahrten über Land und Elektrofahrzeuge für den städtischen Bereich genutzt (Geels, 463ff). Schon damals waren die größten Kaufhindernisse für Elektrofahrzeuge ihr hoher Preis und ihre kurzen Reichweiten. Diese technologischen Nachteile in Kombination mit stetig steigendem Marktanteil von PKWs mit Verbrennungsmotoren sorgten letztlich dafür, dass sich Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren in den 1910er Jahren als dominantes Design durchsetzten (Geels, S. 464—465). In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich Verbrennungmotoren stetig weiter und sie bildeten, trotz einer Phase intensiverer Elektromobilitätsforschung während der Ölkrisen in den 1970er Jahren, bis in die 1990er Jahre hinein unangefochten das dominante Design (Möser 2011, 31ff.).

Die Veränderungen im Antriebsstrang von Fahrzeugen gehen ursprünglich nicht auf Initiati­ven von Automobilherstellern zurück. Vielmehr sind die technologischen Entwicklungen auf den Druck von Regierungen und Gesetzgebern zurückzuführen. Das Zero-Emission-Vehicle- Mandat (ZEV-Mandat), das im Jahre 1990 von der kalifornischen Emissionsschutzbehörde beschlossen wurde, gab den Startschuss für viele Autohersteller zur Steigerung der Forschungsaktivitäten im Bereich der Antriebstechnologien mit geringen CO2-Ausstößen. Inhalt des Mandats, das vom "California Air Ressources Board" in die Welt gerufen wurde, war eine Forderung gegenüber den Automobilherstellern, dass bis zum Jahr 1998 mindestens 2% aller in Kalifornien verkauften Neufahrzeuge keine Treibhausgase ausstoßen dürfen (vgl. Kemp 2002, S. 3). Trotz der verstärkten Forschungsaktivitäten in diesem Sektor blieb der Markterfolg aus, was vor allem an der unausgereiften Batterientechnologie lag. Die Elektrofahrzeuge aus dieser Zeit waren gegenüber Fahrzeugen mit herkömmlicher Antriebstechnologie nicht konkurrenzfähig (vgl. Oltra und Saint Jean 2009, S. 201).

Eine Ausnahme machte Toyota, die bereits Mitte der 90er Jahre großes Potential in der Herstellung von Hybridfahrzeugen sahen, und im Jahr 1997 mit dem Prius das erste serienreife Hybridfahrzeug auf den Markt brachten. Trotz zurückhaltender Erwartungshaltung des Toyota-Managements, wurde der Prius zu einem großen Erfolg und war nicht nur für Toyota ein Meilenstein in der Hybridtechnologie (vgl. Budde et al. 2015, S. 51).

2001 schlossen sich mehrere Automobilhersteller zusammen, um gegen das auferlegte Ziel des ZEV-Mandats, zu klagen. Diese Forderungen hatten Erfolg, was dazu führte, dass in den frühen 2000er Jahren die Bemühungen zur schnellen Durchsetzung von emissionsfreien Fahrzeugen erheblich zurückgingen (vgl. Sierzchula et al. 2012, S. 49f.). Nichtsdestotrotz haben die Regulierungen des ZEV-Mandats zu ersten stärkeren Forschungsaktivitäten im Bereich der Elektromobilität geführt und erstmals die Produktion von weniger umweltschädlichen Fahrzeugen angekurbelt. Neben der Emissionsreduzierung zielte das ZEV-Mandat auch auf die Reduzierung des Spritverbrauchs und eine Verringerung der Lärmemissionen ab (vgl. Oltra und Saint Jean 2009, S. 202). Neben dem ZEV-Mandat in Kalifornien, gab es auch in anderen Regionen erste Regularien zur Entkarbonisierung des Individualverkehrs. So hat beispielsweise die Europäische Union im Jahr 2014 festgelegt, dass neuzugelassene Fahrzeuge eines Autobauers bis 2020 im Schnitt nur noch 95g C02 je Kilometer ausstoßen dürfen. Im Vergleich dazu lag 2006 die Grenze noch bei 180g. Auch wenn sich die Emissionen mit gesteigerter Effizienz von Diesel- und Ottomotoren voraus­sichtlich noch um circa ein Drittel verringern lassen, können die Ziele ohne Hybrid- und/oder Elektrofahrzeuge nicht erreicht werden. Dies hat zur Folge, dass bis 2025 mit einer Zulas­sungsquote von elektrischen/teilelektrischen Fahrzeugen von ca. 50% zu rechnen ist (vgl. Schlick et al. 2011, S. 10ff).

3.1.1 Aufbau eines Elektrofahrzeugs

Ein reines Elektrofahrzeug, in der Literatur häufig mit BEV (battery electric vehicle) oder EV (electric vehicle) abgekürzt, definiert sich dadurch, dass der Antrieb ausschließlich über ei­nen Elektromotor erfolgt, der von Batterien gespeist wird. Das Aufladen der Batterie ist über klassische Haushaltssteckdosen, öffentliche Ladestationen und teilweise mit Schnelladeka- beln möglich (Backhaus et al. 2011, S. 6f.).

Der elektrische Antriebsstrang eines Elektrofahrzeugs basiert auf den drei Komponenten Traktionsbatterie, Umrichter und elektrische Maschine. Die in der Traktionsbatterie gespei­cherte elektrochemische Energie wird in der elektrischen Maschine in mechanische Energie umgewandelt. Zwischen diesen beiden Komponenten befindet sich ein Umrichter, der die Gleichspannung der Traktionsbatterie in, für die elektrische Maschine nötige, Wechselspan­nung umwandelt. Der Umrichter kann derweil auch als Generator wirken und die in der elekt­rischen Maschine umgewandelte mechanische Energie als elektrische Energie in die Traktionsbatterie zurückspeisen (vgl. Kampker et al. 2013, S. 265).

Bei der Bewertung, ob eine Innovation als radikal oder inkrementell anzusehen ist, gilt es abzuschätzen, wie sich die Wissensbasis und die Produktbestandteile verändern. Bei der Produktion von Elektrofahrzeugen ersetzen die Bestandteile Akkumulator, Leistungselektro­nik und elektrische Maschine die für Verbrennungsmotoren relevanten Vorprodukte, wie bei­spielsweise die Abgasanlage und den Kraftstofftank. Die Teilsubstitution von Komponenten und die neue Wissensbasis, die sich auf elektrotechnischem und chemischem Knowhow aufbaut, führen daher zur Bewertung der Elektrifizierung des Antriebs als radikale Innovation (vgl. Jung 2015, S. 161f.). Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über Fahrzeugkom­ponenten, die durch die Elektrifizierung des Antriebs entfallen, sich verändern oder neuartig sind.

Tabelle 1: Veränderte Fahrzeugkomponenten durch die Elektrifizierung des Antriebs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schade et al. (2014) S.187

3.1.2 Batterientechnologie

Allen elektrochemische Energiespeichern gemein sind die Funktionsweise einer galvani­schen Zelle und die Gewinnung der elektrischen Antriebsenergie aus, im Energiespeicher gelagerter, chemischer Energie. Aufgebaut sind galvanische Zellen aus zwei Zellenkam­mern, in denen jeweils chemische Reaktionen stattfinden. Kathode und Anode, auch Elekt­roden genannt, fungieren bei der Reaktion als Katalysatoren. Verbunden sind beide Kam­mern mittels einer Ionenbrücke. Die Abgabe der Elektronen des Reduktionsmittels an die Anode, die Oxidation, und die Elektronenaufnahme durch das Oxidationsmittel an der Ka­thode, die Reduktion, ergeben zusammen eine elektrochemische Redoxreaktion. Die Ionen­brücke stellt einen elektrischen Leiter dar und wird auch Elektrolyt genannt. Resultat der chemischen Reaktion ist die Gewinnung von elektrochemischem Gleichstrom. Akkumulato­ren für Elektrofahrzeuge sind aus mehreren hintereinander geschalteten Zellen aufgebaut, da die benötigte Stromspannung einer Zelle durch das elektrochemische Potential von Ano­de und Kathode bedingt, und für den Einsatz als Fahrzeugantrieb zu gering ist. Die Wirkung bzw. das Potential elektrochemischer Speicher hängt vom gewählten Elektrodenmaterial, den Redoxpartnern, den Katalysatoren sowie den Elektrolyten ab und ist aufgrund des kom­plexen Zusammenspiels der verschiedenen Parameter Basis vieler Forschungsstudien (vgl. Peters et al. 2012, S. 24f.).

In Folge der Elektrifizierung der Antriebe wächst die Nachfrage nach elektrochemischen Speichern stetig. Da je nach Fahrzeugtyp unterschiedliche Leistungsparameter im Vorder­grund stehen, existiert nicht nur eine Batterientechnologie, sondern eine Vielzahl, deren Leis­tungsparameter bei unterschiedlicher Zusammensetzung der Materialien verändert wird (vgl. Kampker et al. 2013, S. 295f.).

Für den Einsatz von Akkumulatoren spielen das Volumen und das Gewicht eine entschei­dende Rolle. Zum Vergleich verschiedener Batteriesysteme und zur Messung der Effizienz existieren die Messgrößen Leistungsdichte und Energiedichte. Die Leistungsdichte ist ein Parameter der angibt, wieviel Leistung im Verhältnis zum Gewicht aus der Batterie gewon­nen werden kann, also ein Parameter für die maximale Geschwindigkeit und das Beschleu­nigungsverhalten. Unter Energiedichte versteht man die maximale Energiemenge, die pro Gewichtseinheit speicherbar ist. Von der Energiemenge eines Akkumulators hängt somit die Reichweite eines Fahrzeugs ab. Je nach Fahrzeugtyp liegt der Fokus bei der Herstellung auf einer hohen Leistungs- oder Energiedichte. Bei Hybridfahrzeugen steht durch die Möglichkeit der Verwendung des Verbrennungsmotors die Leistungsdichte im Vordergrund, was Vorteile in der Beschleunigung mit sich bringt. Elektrofahrzeuge zielen auf eine möglichst hohe Reichweite ab, die durch die Fokussierung auf eine hohe Energiedichte erreicht wird ( Peters et al. 2012, S. 25f.).

Neben Lithium-Ionen-Batterien gibt es noch eine Reihe von Batterieformen, die aber alle­samt technologische Nachteile aufweisen. Blei-Säure-Batterien finden aktuell Verwendung in Mild-Hybriden, weisen aber eine sehr geringe Energiedichte und Lebensdauer auf. Nickel- Metall-Hydrid-Batterien, führend im Bereich von Hybridfahrzeugen, sind technologisch aus­gereift und aufgrund hoher Materialkosten und zu niedrigen Energiedichten ebenfalls auf lange Sicht nicht konkurrenzfähig. Schwungräder und elektrochemische Doppelschichtkon­densatoren, auch Supercaps genannt, haben eine sehr große Lebensdauer und eine hohe Leistungsdichte, haben aber trotz hoher Preise nur einen geringen Energiespeicher (vgl. Kampker et al. 2013, S. 297f.). Redox-Flow-Batterien, ebenfalls in der Diskussion wenn es um künftige Batterientechnologien geht, haben große Vorteile durch ihre Schnellladefähigkeit und ihrem einfach ersetzbaren Energiespeicher, sind aber aufgrund einer schlechten Leis­tungsdichte keine Alternative in Elektrofahrzeugen (vgl. Peters et al. 2012, S. 25f.). Innerhalb der Lithium-Ionen-Batterientechnologie gibt es verschiedenste Konzepte bezüglich der vier relevantesten Batterienkomponenten Seperator, Elektrolyt, Kathode und Anode. In Abhän­gigkeit des verwendeten Kathodenmaterials existieren vier Generationen von Lithium-Ionen­Batterien. Die erste Generation, die bereits ausgereiften Lithium-Kobaltdioxid-Batterien fin­den starke Verwendung bei Laptops und Smartphones, sind aber aus Sicherheitsgründen nicht für den Einsatz in Fahrzeugen geeignet. In aktuellen Fahrzeugen werden mit Lithium­Eisenphosphat und Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid als Kathodenmaterial meist Lithium­Batterien der zweiten Generation verwendet. Die dritte Generation, bisher noch nicht markt­reif, baut u.a. auf Kobalt, Nickel und Mangan als Werkstoffe für die Kathode. Die vierte Ge­neration Lithiumbatterien, die auch Post-Lithium-Batterien genannt werden, ist derzeit noch in einem sehr frühen technologischen Status. Zu dieser Batteriengeneration, die voraussicht­lich nicht vor 2020 im Kontext der Elektromobilität auf den Markt tritt, gehören Lithium­Schwefel, Lithium-Polymer, Lithium-Feststoff, Lithium-Luft und Metall-Luft-Batterien. All diese genannten Batterienkonzepte sind vielversprechend in puncto möglicher Energiedichten, sind aber derzeit aufgrund fehlender Reife, Sicherheitsdefiziten oder zu hohen Materialkos­ten nocht nicht wettbewerbsfähig (vgl. Peters et al. 2012, S. 27ff.).

3.1.3 Elektromotor

Elektromotoren sind, anders als die Batterientechnologie, eine ausgereifte Technologie mit einer beinahe 200 Jahre andauernden Geschichte. Elektromotoren wandeln elektrische in mechanische Energie um und haben dabei einen hohen Wirkungsgrad. Schon bei geringen Drehzahlen erreichen sie den höchstmöglichen Drehmoment. Weitere Vorteile des Elektro­motors sind sein geringer Wartungsbedarf und sein einfacher Aufbau. Der äußere, feste Teil des Motors nennt sich Stator und der rotierende, innere Teil heißt Rotor (vgl. Peters et al. 2012, S.38f.).

Bei der Wahl der elektrischen Maschine lässt sich in Abhängigkeit des Fahrzeugtyps bzw. in Abhängigkeit der Anforderungen eine große Auswahl von Motorentypen realisieren. Ent­scheidende Kriterien sind hierbei der Wirkungsgrad, die Lebensdauer und die Leistungsfä­higkeit. Von den grundsätzlich einsetzbaren elektrischen Maschinen Gleichstrommaschine, permanenterregte Maschine, Asynchronmaschine, geschaltete Reluktanzmaschine und Transversalflussmaschine finden in der Praxis fast ausschließlich die permanenterregte Ma- schine,sowie die geschaltete Reluktanzmaschine Anwendung. Die permanenterregte Ma­schine besticht durch den höchsten Wirkungsgrad und die größte Leistungsdichte, die ge­schaltete Reluktanzmaschine durch einen einfachen Aufbau und einen günstigen Herstel­lungspreis. Beide Motorentypen werden mit Wechselstrom betrieben (vgl. Kampker et al. 2013, S. 269ff.).

3.1.4 Leistungselektronik

Eine wichtige Rolle innerhalb eines Elektrofahrzeugs nimmt die Leistungselektronik ein. Die Kernaufgabe ist die Regelung und Steuerung der Leistung innerhalb des Antriebs. Sie be­hebt vorliegende Unterschiede zwischen den Spannungen und Frequenzen der einzelnen elektrischen Komponenten. Innerhalb eines Elektrofahrzeugs ist die Leistungselektronik mit besonderen Anforderungen konfrontiert. Häufige Brems- und Beschleunigungsvorgänge so­wie wechselhafte Umfeldbedingungen eines Automobils bedingen eine hohe Zuverlässigkeit in einem Temperaturbereich von -40°C bis 85°C. Darüberhinaus ist ein geringes Gewicht der Komponenten von großer Bedeutung. Zu den Bestandteilen gehören Microcontroller, Kon­densatoren und Leistungshalbleiter. Die bedeutendste Aufgabe besteht in der Umwandlung der in der Batterie vorliegenden Gleichspannung in Wechselstrom, der für den Antrieb benö­tigt wird. Extern, über das Ladegerät zugeführter Wechselstrom, wird ebenfalls durch Leis­tungswandler auf das notwendige Spannungsniveau des Gleichstroms transformiert (vgl. Peters et al. 2012, S.37f.).

Für das Beladen des Akkumulators existieren drei Methoden, die sich je nach Ladedauer und benötigter Ladeinfrastruktur unterscheiden. Der Aufladevorgang über die 3,5kW- Haushaltssteckdose benötigt keine Zusatzinfrastruktur, ist aber mit 7 bis 10 Stunden sehr zeitaufwendig. Ein dreiphasiger Anschluss mit 11 bzw. 22kW kann die Dauer des Garagen­ladens hingegen auf 1,5 bis 3 Stunden reduzieren. Schnellladestationen mit bis zu 50kW ermöglichen ein Aufladen des Akkumulators innerhalb einer Stunde. Ein solches Schnell- adenetz ist bisher noch kaum verfügbar (vgl. Kampker et al. 2013, S. 282.).

3.1.5 Hybridantrieb

Zwischen der Gruppe der Fahrzeuge, die mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren angetrieben werden und den reinen Elektrofahrzeugen existiert ein weiterer Fahrzeugtyp,der Teile von beiden Antriebsformen beinhaltet. Fahrzeuge dieses Typs werden allgemein Hybridfahrzeuge (Hybrid = altgr. für Mischling/Zwitter) genannt (vgl. Proff 2013, S. 26). Die Hybridisierungsphase in der Automobilindustrie ermöglicht den Herstellern eine langsamere Umstellung des Produktdesigns. Auch auf Kundenseite verringert sie die Radikalität des technologischen Umbruchs. Trotz der verstärkten Elektrifizierung des Antriebs kann der Kunde sich noch immer auf den bewährten Komfort der alten Antriebstechnologie verlassen (vgl. Wallentowitz et al. 2009, 164 ff.). Auch wenn rein elektrische Fahrzeuge ein größeres

Potential zur Einsparung von Emissionen aufweisen, kann der CO2-Ausstoß auch bereits mit Hybridfahrzeugen verringert werden, was zu einer Entkarbonisierung der Fahrzeugflotte führt und die Erreichung der Flottenziele unterstützt. Hybridantriebe bestehen aus einem Elektromotor und einem kleineren Verbrennungsmotor, der entweder mit Benzin oder Diesel angetrieben wird. Sie profitieren von den aktuell noch eklatanten Schwächen von Elektrofahrzeugen, wie beispielsweise langen Ladezyklen und kurzen Reichweiten. Hybridfahrzeuge kombinieren große mögliche Reichweiten, ein dichtes Tankstellennetz mit einem hohen Wirkungsgrad und reduzierten Emissionsausstößen. Sie profitieren also von Vozügen beider Antriebstechnologien (vgl. Oltra und Saint Jean 2009, S. 203). Aufgrund des komplexen Aufbaus erhöhen sich dadurch zwangsläufig die Kosten eines HEVs (vgl. Deut­scher Bundestag - Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikofolgenabschätzung, 2013 S. 58). In Puncto Energieeffizienz und Beschleunigung sind Hybridfahrzeuge sowohl Batteriefahrzeugen als auch herkömmlichen Fahrzeugen überlegen. Diese technologischen Vorteile kombiniert mit der höheren Nutzerpraktikabilität führen dazu, dass Hybridantriebe aller Voraussicht nach als mehr als eine reine Zwischenlösung auf dem Weg zum Elektrofahrzeug sind. Anders als rein batteriebetriebene Fahrzeuge hat dieser Fahrzeugtyp bereits jetzt Marktreife erreicht und wird zumindest mit Ausblick auf die nächsten Jahre eine vorherrschende Rolle einnehmen.

In Abhängigkeit des Grades der Elektrifizierung werden Hybride aufsteigend in "Microhybrid", "Mildhybrid", "Fullhybrid", "Plug-In-Hybrid" und "Hybridfahrzeug mit Range Extender" einge­teilt. Mikro- und Mildhybridfahrzeuge stellen die Hybridform mit dem geringsten Emissions­sparpotential dar. Sie verfügen über eine Start-Stop-Automatik und teilweise ist die Rückge­winnung der Bremsenergie möglich (vgl. Voß 2009, S. 9f.). Da bei Mikrohybriden und Mild­hybriden reinelektrisches Fahren nicht möglich ist, fallen diese Optionen aus der weiteren Betrachtung (vgl.Bickhoff et al. 2012, S. 284). Vollhybrid-Fahrzeuge bilden den ersten Fahr­zeugtyp, bei dem das reinelektrische Fahren bei abgeschaltetem Verbrennungsmotor mög­lich ist. Für die Anordnung der beiden Antriebsformen existieren vier Varianten. Bei soge­nannten parallelen Hybriden sind beide Antriebseinheiten, Elektromotor und Verbrennungs­motor, an den Antriebsstrang angebunden. In seriellen Hybriden hingegen treibt der Ver­brennungsmotor einen Generator an, wodurch die mechanische Energie in elektrische Ener­gie umgewandelt wird. Eine dritte Variante bildet der leistungsverzweigte Hybridantrieb, bei dem der Verbrennungsmotor sowohl zum Antrieb als auch zur Ladung der Batterie verwen­det werden kann (vgl. Peters et al. 2012, S. 21-22) Der Misch-Hybrid ohne Leistungsver­zweigung ist eine Kombination aus seriellem und parallelem Hybrid. Je nach Kupplungsein­stellung wird die Leistung entweder rein mechanisch oder elektrisch an die Räder übertragen (vgl. Wallentowitz et al. 2009, S. 167ff.). Bei diesem Fahrzeugtyp ist, neben dem elektrischen Fahren bei ausgeschaltetem Verbrennungsmotor, ebenfalls die Bremskraftrückgewinnung möglich. Wie bei den Mildhybriden stammt die gesamte Energie aus fossilen Brennstoffen und eine Beladung mit externer Elektrizität ist nicht möglich. Das Plug-In-Hybrid-Fahrzeug besitzt den höchsten Elektrifizierungsgrad unter den Hybridfahrzeugen. Der Akkumulator dieses Fahrzeugtyps kann externe Energie über das Stromkabel aufnehmen. Dadurch er­höht sich die Reichweite, die das Fahrzeug rein elektrisch absolvieren kann. Gleichzeitig wird ein größerer Batteriespeicher notwendig. Weiterhin ist auch der Antrieb über einen Verbren­nungsmotor möglich (vgl. Backhaus et al. 2011, S.8). Ein HEV mit Range Extender fährt ausschließlich elektrisch. Sobald die rein elektrische Reichweite des Elektromotors ausge­schöpft ist, setzt der Verbrennungsmotor ein, der den Generator betreibt. Der Verbren­nungsmotor hat hierbei keine mechanische Verknüpfung mit dem Antriebsstrang, sondern dient mit dem Antrieb des Generators zur Reichweitenverlängerung. Es existieren sowohl Vollhybride, als auch Plug-In-Hybride, die Range Extender verwenden (vgl. Ried 2013, S. 27). Die folgende Darstellung zeigt die verschiedenen Stufen innerhalb der Elektrifizierung des Antriebsstranges. Vom Microhybrid bis zum Elektrofahrzeug steigt die Leistung des Elektromotors und das CO2 -Einsparungspotential

Tabelle 2: Verschiedene Elektrifizierungsgrade des Antriebs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ried (2013), S. 27

3.1.6 Kritische Faktoren der Elektromobilität

Den großen Vorteilen von Elektrofahrzeugen, wie beispielsweise dem Fahren ohne den Aus­stoß von Emissionen und der geringen Lärmbelastung, stehen auch einige akzeptanzgefähr­dende Nachteile gegenüber. Die im Vergleich zu herkömmlichen Antrieben aktuell noch ge­ringen Reichweiten von zumeist nur 100-200 Kilometern und die lange Ladezeit der Akkumu­latoren sind Faktoren, die die Kaufbereitschaft der Kunden stark hemmen. Den gleichen Ef­fekt haben die, im Vergleich zur Baureihe mit Verbrennungsmotor, hohen Anschaffungskos- ten der Fahrzeuge. Zusätzlich zu den fahrzeugspezifischen Faktoren stellt auch die Ladeinf­rastruktur einen kritischen Faktor dar. Um die Elektromobilität alltagstauglicher zu gestalten, ist ein Ausbau von Ladestationen im öffentlichen und halböffentlichen Raum notwendig. Ne­ben dem Laden in privaten Haushalten sollte es den Nutzern auch möglich sein, während ihrer Arbeitszeit oder beim Einkauf im Supermarkt den Akku aufzuladen (vgl. Hüttl et al. 2010, S. 12ff.). Aus marktspezifischer Sicht bleibt zudem abzuwarten, wie stark Ölpreise in der Zukunft steigen und wie sehr dieser Faktor die Kaufbereitschaft erhöht. Eine weitere Stellschraube in der Durchsetzung der Elektromobilität liegt in staatlichen Aktivitäten. Die Begrenzung des Kohlenstoffdioxidausstoßes von Herstellerflotten, Innenstadtverbote für Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben, Zusatzsteuer für Benzin und Subventionen beim Kauf von Elektrofahrzeugen sind Beispiele von regulatorischen Maßnahmen, die durch den Staat ausgeübt werden (vgl. Altenburg 2014, S. 6f.).

Aktuell zeigt sich die fehlende Kundenakzeptanz noch immer in den Absatzzahlen. Zu Be­ginn des Jahres 2014 waren in Deutschland lediglich 10.500 Hybrid- und Elektrofahrzeuge zugelassen, was einen Anteil von 0,02% des Gesamtmarktes bedeutet. Auch wenn in den USA, im größten Fahrzeugmarkt der Welt, zur gleichen Zeit bereits 260.000 HEVs und BEVs verkauft wurden, wird bei Betrachtung der Zahlen schnell klar, dass BEVs und HEVs noch stark in der Unterzahl im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren sind ( vgl. Al­tenburg 2014, S. 26-27). Das größte technologische Verbesserungspotential liegt derzeit im Bereich der Akkumulatoren. Ein Hauptproblem ist hierbei der hohe Preis der vorherrschen­den Lithium-Ionen-Akkumulatoren in Höhe von 1.000 €/kwh. Die Kosten lassen sich voraus­sichtlich bis Ende des Jahrzehnts auf rund 300 €/kwh senken, allerdings nur bei Erreichen größerer Absatzmengen (vgl. Kampker et al. 2013, S. 297f.)

Darüber hinaus ist Lithium ein endliches Metall. Bei der aktuellen Produktionsmenge ist die Versorgung von rund drei Millionen Elektrofahrzeugen gewährleistet. Sollte die Elektrofahr­zeugproduktion diese Marke erreichen, ist die Erschließung neuer Vorkommen beziehungs­weise das Recycling alter Batterien notwendig. Da es in der Vergangenheit einige Probleme bei der Batteriensicherheit gab, sind die Hersteller bemüht neue Seperatoren, Batterienmanagementsysteme und Elektrodenmaterialien zu finden, die die Sicherheit erhö­hen (vgl. Kampker et al. 2013, S. 303ff.). Ebenfalls kritisch zu betrachten ist die Lebensdauer von Akkumulatoren. Sie beträgt derzeit ca. 10 bis 15 Jahre, was auch die Minimalanforde­rung darstellt, insbesondere wenn sich die Zyklenanzahl künftig durch die Schnellladefähig­keit von Akkumulatoren erhöhen wird. Die Sicherheit des batteriebetriebenen Fahrzeugs stellt einen weiteren kritischen Aspekt dar. Ein Großteil dieser Punkte lässt sich bereits tech­nologisch überwinden, allerdings sind die Kosten der notwendigen Materialien für den Mas­senmarkt derzeit noch deutlich zu hoch (vgl. Fraunhofer ISI, S. 4).

[...]

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Technologiestrategien etablierter Akteure in der Phase des diskontinuierlichen Wandels in der Automobilindustrie
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
131
Katalognummer
V371465
ISBN (eBook)
9783668554092
ISBN (Buch)
9783668554108
Dateigröße
2069 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
automobilindustrie, technologisierung, selbstfahrende autos, motor
Arbeit zitieren
Andreas Billet (Autor:in), 2016, Technologiestrategien etablierter Akteure in der Phase des diskontinuierlichen Wandels in der Automobilindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371465

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