In dieser Arbeit soll es um die Gewissensfrage aus der Sicht der christlichen Ethik gehen. Besonders die Frage, ob das Gewissen ein „zuverlässiger Wegweiser“ ist, wie es Tolstoi beschreibt, wird vor diesem Hintergrund erörtert werden.
Wenn es um das Gewissen geht, sind alle Menschen Experten, denn jeder macht Erfahrung mit seinem Gewissen. Mal „beißt“ es, mal ist es verängstigt, dann wieder getrost und froh. In einem Sprichwort heißt es: „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen“ und in der Tat ist es so, dass die Stimme des Gewissens so laut und deutlich in unserem Inneren sprechen kann, dass wir schlaflose Nächte haben. Denn dann kommen vielleicht Schuldgefühle hoch und wir sind innerlich total unruhig.
Doch was verstehen wir genau vom Begriff Gewissen und wie wurde es im Laufe der Geschichte verstanden? Von der Etymologie des deutschen Wortes ist der Begriff des Gewissens nicht erklärbar. Eher von der altdeutschen Form giwizzani als Übersetzung vom lateinischen con-scientia (Mit-Wissen), das auf das griechische Wort syn-eidesis zurückgeht. Den ältesten Beleg finden wir schon um 400 v. Chr. beim gr. Dichter Euripides wieder. Dort bekennt eine Figur: „Ich weiß (synodia), daß Schreckliches ich getan.“ Hier klagt er sich selbst als Verbrecher an. Syn-eidesis wurde früher auch nicht zuerst als ein philosophisches Phänomen betrachtet, sondern ist zunächst im alltäglich-umgangssprachlichen Gebrauch mehrheitlich vorgekommen. Erst bei den Stoikern, wie Seneca (5-65 n.Chr.) wird der Begriff auch in den philosophischen Sprachgebrauch eingebunden. Seneca gebraucht den Begriff vor allem als innere Stimme Gottes und er ist der Erste, der zwischen gutem und schlechtem Gewissen unterscheidet. Häufig spricht auch der jüdische Philosoph und Theologe Philo über diesen Begriff. Dort gebraucht er das Bild vom inneren Gerichtshof für die Erklärung des Begriffes. Doch es bildeten sich noch weitere Metaphern raus: „Das Innere; die innere Stimme (daimonion), auch als Stimme Gottes in der Seele gedeutet; innerer Gerichtshof, indem die Selbstprüfung in der täglichen Gewissenserforschung praktiziert wird.“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Gewissen
- Begriffsklärung und das Verständnis in der Geschichte
- Seneca: Gewissen – Stimme Gottes im Menschen?
- Exkurs: Gewissensfreiheit im Deutschen Grundgesetz
- Grundirrtum zum Begriff
- Das Gewissen aus christlich ethischer Sicht
- Biblisch-theologische Lehre vom Gewissen
- Altes Testament – Herz und Nieren
- Das Gewissen im Neuen Testament
- Syneidesis – als selbstständige, “objektive” Instanz im Menschen
- Persönliches Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit dem Gewissen aus christlich ethischer Sicht und untersucht dessen Bedeutung in der christlichen Tradition. Ziel ist es, das Verständnis des Gewissens als "Stimme Gottes" im Menschen zu beleuchten und dessen Abgrenzung von anderen Stimmen wie der Kultur oder der eigenen Gedanken zu erforschen.
- Definition und Entwicklung des Gewissensbegriffs
- Das Gewissen in der Bibel: Altes und Neues Testament
- Die Rolle des Gewissens in der christlichen Ethik
- Die Unterscheidung zwischen Gewissen und der Stimme Gottes
- Die Frage der Gewissensfreiheit im Kontext der christlichen Lehre
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach dem Gewissen und dessen Abgrenzung von anderen Stimmen im Menschen. Dabei wird der Bezug zu Leo Tolstoi hergestellt und der christlich-ethische Fokus der Arbeit betont.
Das Gewissen
Dieses Kapitel beleuchtet den Begriff des Gewissens in seiner Etymologie und historischen Entwicklung. Dabei wird die Bedeutung der "inneren Stimme" als Ausdruck von Kultur, Erziehung und Gottes Stimme diskutiert. Die Position Senecas, der das Gewissen als Stimme Gottes interpretiert, wird ebenfalls vorgestellt.
Das Gewissen aus christlich ethischer Sicht
Das Kapitel erörtert die biblisch-theologische Lehre vom Gewissen, wobei die Interpretationen im Alten und Neuen Testament sowie das Konzept der "Syneidesis" als selbstständige Instanz im Menschen im Mittelpunkt stehen.
Schlüsselwörter
Gewissen, christliche Ethik, Stimme Gottes, biblische Theologie, Syneidesis, Senecas Philosophie, innerer Gerichtshof, Selbstprüfung, Gewissensfreiheit.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2017, Das Gewissen aus der Sicht christlicher Ethik. Subjektive und individuelle Bewertung oder die "Stimme Gottes"?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372057