Problemfelder der Zusammenarbeit von lokalen Mitarbeitern und Entsandten in Russland. Implikationen für ein erfolgreiches Personalmanagement


Diplomarbeit, 2007

156 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Fundierung und empirischer Stand
2.1 Definition der relevanten Begriffe
2.1.1 Der Kulturbegriff
2.1.2 Interkulturalität und interkulturelle Kommunikation als Ausgangspunkt eines interkulturellen Managements
2.2 Interkulturelles Management vs. Internationales Management
2.3 Kulturdimenionskonzepte als Instrument der Systematisierung kultureller Unterschiede
2.3.1 Die GLOBE-study
2.3.1.1 Grundlegende Theoriekonzepte der integrated theory
2.3.1.2 Beschreibung des Forschungskonzeptes
2.3.1.3 Culture-Dimensionen
2.3.1. 4 Leadership-Dimensionen
2.3.2 Wichtige Ergebnisse
2.3.2.1 Allgemeine Resultate
2.3.2.2 Vergleich russischer und deutscher Kulturstandards
2.3.3 Kritische Würdigung der Ergebnisse der GLOBE-study
2.4 Zusammenfassung

3 Methodik
3.1 Qualitative Forschung
3.1.1 Das narrative Interview
3.1.2 Das rezeptive Interview
3.1.3 Die „Critical Incident“-Technik
3.1.3.1 Ursprung, Grundprinzipien und Verwendung
3.1.4 Die praktische Verwendung der Methoden in vorliegender Untersuchung
3.2 Empirische Datenerhebung
3.2.1 Planung und zeitlicher Ablauf der Untersuchung
3.2.2 Auswahl der Interviewpartner
3.2.3 Interviewdurchführung
3.2.3.1 Vorbereitung der Interviews
3.2.3.2 Interviewablauf
3.2.3.3 Sprache und Gesprächsatmosphäre
3.2.3.4 Besonderheiten der Gesprächsführung mit russischen Gesprächspartnern
3.3 Datenanalyse und Systematik der qualitativen Inhaltsanalyse
3.3.1 Transkription und Bestimmung der Analyseeinheiten
3.3.2 Erläuterung der Analysetechnik
3.3.2.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
3.3.2.1.1 Zusammenfassung
3.3.2.1.2 Explikation
3.3.2.1.3 Strukturierung
3.3.3 Kodierung der Daten
3.3.4 Datenauswertung
3.3.4.1 Kategorien Entsandter
3.3.4.2 Kategorien lokaler Mitarbeiter
3.3.5 Gütekriterien der Datenerhebung -und Analyse
3.3.5.1 Reliabilität und Interkoder-Reliabilität
3.3.5.2 Validität
3.4 Zusammenfassung

4 Untersuchungsergebnisse
4.1 Kategorien Entsandter
4.1.1 Entsandte über Entsandte (Interview 15)
4.1.2 Wahrnehmung lokaler Mitarbeiter durch Entsandte
4.1.3 Problemkategorien deutscher Entsandter
4.1.3.1 Probleme mit lokalen Mitarbeitern
4.1.3.2 Probleme mit dem Stammhaus
4.1.3.3 Probleme der Unternehmensorganisation
4.1.3.4 Probleme mit Administration/Behörden
4.1.3.5 Probleme mit dem Rechtssystem
4.1.3.6 Probleme mit Geschäftspartnern/ Kunden
4.1.3.7 Kategorienübergreifende Probleme
4.1.4 Reaktionsformen Entsandter
4.1.4.1 Passive Strategien
4.1.4.2 Aktive Strategien
4.1.5 Erfolgsfaktoren für die Arbeit in Russland
4.2 Kategorien lokaler Mitarbeiter
4.2.1 Selbstwahrnehmung lokaler Mitarbeiter
4.2.2 Wahrnehmung der Deutschen durch lokale Mitarbeiter
4.2.3 Problemkategorien lokaler Mitarbeiter
4.2.3.1 Probleme mit Entsandten
4.2.3.2 Probleme mit dem Stammhaus
4.2.3.3 Probleme der Unternehmensorganisation
4.2.3.4 Probleme mit Administration/ Behörden
4.2.3.5 Probleme mit Geschäftspartnern/ Kunden
4.2.4 Reaktionsformen lokaler Mitarbeiter
4.3 Grenzen der Aussagekraft des empirischen Materials
4.4 Zusammenfassung

5 Implikationen für ein interkulturelles Management in Russland
5.1 Implikationen für die Organisationsentwicklung
5.2 Implikationen für das HRM
5.2.1 Entsendung von Personal
5.2.1.1 Eignungskriterien für Entsendungspersonal
5.2.1.2 Vermittlung interkultureller Kompetenz für Russland
5.2.2 Lokale Mitarbeiter
5.2.2.1 Besonderheiten bei der Personalgewinnung
5.2.2.2 Besonderheiten der Personalentwicklung
5.2.3 Integrationsvorschlag der Entwicklungsmaßnahmen lokaler Mitarbeiter und Entsandter

6 Schlusswort

Anhang
I. Anschreiben zur Gewinnung der Interviewpartner (deutsche Variante
II. Informationen zur Interviewdurchführung (deutsche Variante)
III. Anschreiben zur Gewinnung der Interviewpartner (russische Variante)
IV. Informationen zur Interviewdurchführung (russische Variante)
V Kodierhilfe (Beispiel)
VI . Kodierbogen (Beispiel)
VII. Transkripte (CD im Einband)

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungen und Tabellen

Abb. 1: Systematisierung der Forschung zur internationalen Unternehmenstätigkeit

Abb. 2: Wirkungszusammenhänge der „Integrated Theory“

Abb. 3: Prozessmodell induktiver Kategorienbildung

Abb. 4: Einflussfaktoren unternehmerischen Handelns

Abb. 5: Stressmodell

Tab. 1: Ausprägungen der Culture-Dimensionen

Tab. 2: Ausprägungen der Kulturdimensionen nach Abstand vom MW

Tab. 3: Ausprägungen der Leadership-Dimensionen

Tab. 4: Untersuchungsteilnehmer nach Hierarchiestufen

Tab. 5: Kategorien Entsandter

Tab. 6: Probleme Entsandter

Tab. 7: Reaktionsformen Entsandter

Tab. 8: Kategorien Lokaler Mitarbeiter

Tab. 9: Problemkategorien Lokaler Mitarbeiter

Tab. 10: Reaktionsformen lokaler Mitarbeiter

Tab. 11: Interkoder-Reliabilitäten der Kodierung

Tab. 12: Bewertungskriterien im IAC und erfolgreiches Verhalten in Russland

Tab. 13: Lernziele und kulturspezifische Methoden

1 Einführung

1.1 Problemstellung

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland haben eine lange Tradition. Sie intensivierten sich vor allem während der Regentschaft von Pe­ter I., der für sein Ziel, die Europäisierung Russlands, ausländische Experten, nach Russland holte. Sie sollten helfen, ein leistungsfähiges Militärwesen und Verwal­tungssystem aufzubauen. Auch für andere Bereiche wie bspw. Architektur und Bau­wesen wurden intensiv Spezialisten angeworben. Diese Politik erfuhr ihre Fortset­zung unter der Regentschaft von Katharina II. Die Herkunft Katharinas aus deut­schem Adelshause sorgte dafür, dass vor allem viele deutsche Spezialisten, Hand­werker und Landwirte nach Russland kamen. Da sie für ihren Fleiß und gutes Fach­wissen bekannt waren erschienen sie geeignet, die wirtschaftliche Entwicklung Russ­lands weiter voranzutreiben. Seit dieser Zeit, mit einer kurzen Unterbrechung durch den zweiten Weltkrieg, bestanden immer sehr gute und intensive wirtschaftliche Be­ziehungen zwischen Russland und Deutschland.

Auch heute, nach der wirtschaftlichen Öffnung Russlands blühen die Wirtschaftskontakte zwischen den beiden Nationen.

Dennoch gestalten sich die Beziehungen zwischen Russen und Deutschen nicht im­mer einfach. Schwierigkeiten und Konflikte, die im Umgang miteinander entstehen, beruhen nicht selten auf kulturellen Unterschieden, die sich in u.a. in unterschiedli­chen Denk- und Handlungsweisen äußern.

Russland als flächengrößtes Land der Erde[1] nahm aufgrund seiner geografischen Lage auf dem europäischen und asiatischen Kontinent schon immer eine Sonderposi­tion ein, da in der Vergangenheit sowohl europäische als auch asiatische Einflüsse auf die russische Kultur einwirkten (Licev 2001). Auch die Russen selbst sind in die­sem Zwiespalt der Orientierungen seit jeher gefangen. Für den deutschen Entsand- ten[2] der nach Russland kommt, ist die Andersartigkeit und vor allem die asiatischen Einflüsse der Kultur, nicht sofort offensichtlich. Ein Entsandter wird mit gro­ßer/hoher Wahrscheinlichkeit durch Stereotype vorgeprägt sein. Russland ist dabei in den Köpfen der Europäer tendenziell negativ belegt. Spontan danach befragt, woran man bei Russland zuerst denke, fallen Worte wie Mafia, russischer Winter und Wod­ka ein. Vorbelastet mit diesen Stereotypen und oft ohne eine gezielte Vorbereitung auf den Auslandseinsatz in Russland und die damit verbundenen Herausforderungen, ist schon so mancher Entsandte gescheitert. Die entsprechenden Konsequenzen für das Mutterunternehmen inbegriffen. Die Tatsache, dass in den letzten 20 Jahren 50% der Auslandsakquisitionen scheiterten (Piske, 2002), lässt die Frage aufkommen, worin die Gründe für solch ein häufiges Scheitern liegen und in welchem Maße diese Misserfolge kulturell/durch kulturelle Unterschiede bedingt sind. Bittner & Reisch (1993) weisen darauf hin, dass das Scheitern von Verhandlungen oder getroffene Fehlentscheidungen in interkulturellen Wirtschaftssituationen zu wirtschaftlichen Verlusten in Millionenhöhe führen. Als Ursache identifizieren sie die Nichtbeach­tung soziokultureller Faktoren, Verletzung von Normen, Konventionen und Verhal­tensregeln.

Bezogen auf Russland wird von den Deutschen zu gern vernachlässigt, dass die rus­sische Wirtschaft in den letzten Jahren einen enormen, wenn auch hauptsächlich auf den positiven Entwicklungen im Rohstoffsektor beruhenden, Aufschwung erlebt hat und weiterhin stark wächst[3]. Als Folge entwickelt sich in der russischen Bevölkerung ein neues Selbstbewusstsein, was nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems und der schwierigen wirtschaftlichen Situation der neunziger Jahre gänzlich verloren schien. Hatte man in dieser Zeit, in dem Bewusstsein der Rückschrittlichkeit, vor allem in wirtschaftlichen Fragen, noch unbegrenztes Vertrauen in westliche Partner und akzeptierte deren dominantes, teilweise arrogantes Auftreten so ist an diese Stel­le eine verbreitete Skepsis gegenüber westlichen Methoden und westlichen Mana­gern getreten. Aus dieser Erscheinung leitet sich für Entsandte die Aufgabe ab, das Vertrauen von Mitarbeitern zu gewinnen, Gleichberechtigung zu schaffen und damit das Potential russischer Mitarbeiter für das Unternehmen auszuschöpfen. Ein Teil dieses Potentiales besteht vor allem in der Kenntnis der Rahmenbedingungen wirt­schaftlicher Tätigkeit in Russland und der Fähigkeit zum adäquaten Umgang mit den dadurch bedingten Problemen. Es geht darum die andere Sichtweise innerhalb der Planung und Umsetzung unternehmerischer Zielstellungen zu berücksichtigen und damit erheblich zum Gelingen kostenintensiver wirtschaftlicher Engagements in Russland beizutragen.

Ein Unternehmen, das sich in Russland engagieren möchte, steht vor der Aufgabe, eine funktionierende Struktur mit motivierten Mitarbeitern vor Ort aufzubauen. Da­bei trifft die soziale Kultur Russlands auf eine deutsche Führungs- und Unterneh­menskultur. Die Herausforderung besteht darin, diese divergierenden Tendenzen zu einem Ausgleich zu bringen, so dass eine möglichst große Schnittmenge zwischen den Zielen der Organisation und den persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter ent­steht. Dies ist letztendlich auch die Vorraussetzung für eine erfolgreiches wirtschaft­liches Engagement in der Russischen Föderation

1.2 Zielsetzung

Ausgangspunkt die vorliegende Arbeit ist die Fragestellung, inwiefern sich kulturelle Unterschiede auf die Zusammenarbeit von Deutschen und Russen in multikulturellen Arbeitsgruppen auswirken. Dabei wird insbesondere betrachtet, welche kulturellen Prägungen arbeitsbezogene Verhaltensweisen beeinflussen. Außerdem interessieren die soziopolitischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter denen wirtschaftliches Handeln in der Russischen Föderation stattfindet. Antworten auf die Fragestellungen sollen in dieser Arbeit auf zwei Wegen gefunden werden. Zunächst wird untersucht welchen Beitrag Kulturdimensionskonzepte zur Beantwor­tung der Ausgangsfragestellung leisten können. Erläutert werden die Kulturdimensi­onskonzepte am Beispiel der GLOBE-study von House et al. (2004). Anhand dieser aktuellen und umfangreichen Studie sollen die Hauptfragestellungen der vorliegen­den Arbeit beantwortet werden. Welche Aussagen lassen sich mit diesem Instrument über kulturelle Unterschiede zwischen Russland und Deutschland treffen? Welche Auswirkungen haben diese Unterschiede auf das Verhalten in interkulturellen Situa­tionen? Lassen sich Rückschlüsse über arbeitsbezogene Verhaltensweisen lokaler Mitarbeiter im Zusammenspiel mit deutschem Entsendungspersonal treffen? Welche Inderdependenzen zwischen Kultur und wirtschaftlichen und sozialen Faktoren gibt es? Wo liegen die Grenzen der Aussagekraft von Kulturdimensionskonzepten? An diesen Grenzen soll dann die empirische Untersuchung anknüpfen, indem von den hochaggregierten Aussagen der GLOBE-study auf die individuelle Perspektive von lokalen Mitarbeitern und deutschen Entsandten gewechselt wird. Die Interviews sollen aktuelle Problemschwerpunkte der Zusammenarbeit zwischen lokalen Mitar­beitern[4] und deutschen Entsandten aufzeigen und die unterschiedlichen Sichtweisen auf konkrete Handlungssituationen und das Verhalten der handelnden Personen deut­lich machen. Dabei interessiert insbesondere, wo die Ursachen der entsprechenden Probleme liegen und welche möglichen Lösungsstrategien von den Beteiligten an­gewendet werden. Welche Strategien sind erfolgsversprechend, welche weniger? Außerdem soll dargestellt werden, welche Schwierigkeiten sowohl für lokale Mitar­beiter als auch für deutsche Entsandte aus den wirtschaftlichen, politischen und sozi­alen Rahmenbedingungen in Russland erwachsen und mit welchen Mitteln die jewei­ligen Gruppen diese Probleme bewältigen? Mit Hilfe eines qualitativen For­schungsansatzes und einem explorativen Forschungsdesigns, das bewusst auf eine Prädeterminierung durch Hypothesen verzichtet, soll die Möglichkeit geschaffen werden, neue, in der einschlägigen Literatur bisher vernachlässigte Einflüsse und Entwicklungstendenzen aufzudecken. Ausgehend von den Ergebnissen der GLOBE- study und der empirischen Untersuchung sollen Empfehlungen für ein internationales Management in Russland abgeleitet werden. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Organisationsgestaltung und der russlandspezifischen Gestaltung von Humane Res­source Management (HRM)-Instrumenten. Der tangierte Personenkreis, Entsandte und lokale Mitarbeiter in russischen Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen, soll für das typische Verhalten der anderen Kultur sensibilisiert werden. Die ausführ­liche Darstellung der Fallbeispiele soll hierzu einen Beitrag leisten. Damit wird über ein gegenseitiges Verständnis der Andersartigkeit des Handlungspartners ein produk­tives Handeln im interkulturellen Kontext möglich.

1.3 Aufbau der Arbeit

An erster Stelle wird das Thema der Arbeit in einen theoretischen Bezugsrahmen gesetzt. Die Begrifflichkeiten „internationales Management“ und „interkulturelles Management“ werden definiert und voneinander abgegrenzt. Kultur als Element des interkulturellen Managements wird definiert und die Differenzierungen des Kultur­begriffes sowie deren Wechselbeziehungen untereinander werden dargestellt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei vor allem auf den Zusammenhängen zwischen sozialer Kultur, Unternehmenskultur und Führungskultur.

Kulturdimensionskonzepte sind ein Ansatz, um kulturelle Unterschiede zu systemati­sieren. Die Arbeiten von Hall (1969), Hofstede(1980) und Trompenaars (1993) stell- ten bisher die grundlegende Literatur zu Kulturdimensionen und ihren Konsequenzen dar. Mit der GLOBE-study von House et al. (2004), wird das aktuellste und umfas­sendste Werk, das mit dem Konzept der Kulturdimensionen arbeitet als Grundlage für diese Arbeit verwendet. Vorgestellt werden die konzeptionelle Vorgehensweise und die Resultate der Studie. Die Ergebnisse werden für die relevanten Länder Russ­land und Deutschland dargestellt, wobei Deutschland getrennt nach alten und neuen Bundesländern betrachtet wird.

Im dritten Abschnitt werden die Durchführung und die Resultate der eigenen empiri­schen Untersuchung, die im Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 in deutschen Tochterunternehmen in der Russischen Föderation durchgeführt wurde, ausführlich vorgestellt. Dabei wird mit Erläuterungen zu den methodischen Grundlagen begon­nen. Im Anschluss werden Planung und Durchführung transparent gemacht und die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse dargestellt. Dabei liegt das Hauptaugen­merk auf der Entwicklung des Kategorienschemas und der Besetzung der Katego­rien. Daran schließt sich im anschließenden Auswertungsteil, eine detaillierte Be­schreibung der Kategorien an. Von den Interviewpartnern berichteten Problemfälle werden exemplarisch einer genauen Analyse unterzogen. Es werden Einschätzungen über die Geeignetheit der situationsspezifischen Verhaltensweisen und abgegeben und Handlungsalternativen aufgezeigt. Anschließend werden davon ausgehend Rückschlüsse für ein erfolgreiches internationales Management im Allgemeinen und für das internationale Personalmanagement im Besonderen gezogen. Der Schlussteil fasst die Ergebnisse der Arbeit nochmals in Kürze zusammen

2 Theoretische Fundierung und empirischer Stand

2.1 Definition der relevanten Begriffe

2.1.1 Der Kulturbegriff

Für den Kulturbegriff existieren in der Literatur zahlreiche Begriffsumschreibungen und Definitionen. Für die vorliegende Arbeit soll dabei auf eine Definition zurück­gegriffen werden, die inhaltlich mit denen von Hall (1969), Kluckhohn (1952), Hofstede (1980) und Keller (1982) übereinstimmt. Danach ist Kultur folgenderma­ßen charakterisiert:

1. Kultur umfasst das gesamte soziale Erbe, bestehend aus dem Wissen, den Glaubensvorstellungen, den Sitten und Gebräuchen und den Fertigkeiten, die ein Mitglied der Gesellschaft übernimmt. Damit dient Kultur als Basis der in­dividuellen Persönlichkeitsentwicklung. Bestimmte Denkweisen und Verhal­tensmuster innerhalb einer Kultur werden unbewusst aufgenommen und ver­innerlicht. Mitglieder einer Kultur haben trotz individueller Unterschiede Ähnlichkeiten in der Persönlichkeitsstruktur.
2. Kultur ist identitätsstiftend, dient der Deutung des gesellschaftlichen Lebens und der Orientierung menschlichen Handelns. Durch diese Funktionen wird die handlungssichere Kommunikation der Angehörigen einer kulturellen Gruppe gewährleistet. Hofstede (1981) prägt den Begriff der „mentalen Pro­grammierung“, die auf der individuellen sozialen Umgebung und der Soziali­sation beruht. Diese „Programmierung“ findet innerhalb der Familie, im Wohnumfeld, der Schule und am Arbeitsplatz statt.
3. Gedanken, Gefühle und Handlungen von Individuen einer Kultur sind von der jeweiligen Kultur beeinflusst. Fremdkulturen werden oft als von den ei­genen Normen abweichend wahrgenommen. Individuen einer Kultur neigen deshalb dazu, die eigenen Wertvorstellungen als die „einzig richtigen“ zu be­trachten.
4. Kultur folgt nicht den Regeln nationaler Grenzziehung. Sie entsteht durch Wechselbeziehungen zwischen unterschiedlichen Nationalitäten und Völkern. Durch sog. Kulturübertragung werden einzelne Elemente von Kulturen in an­dere Kulturen übertragen. Kultur ist im Zeitverlauf dem Wandel durch Um- deutungen, Veränderungen und Vermischung mit anderen Kulturen unterwor­fen.

Diese umfassende Beschreibung des Kulturbegriffs soll als Definition für die vorlie­gende Arbeit dienen.

2.1.2 Interkulturalität und interkulturelle Kommunikation als Aus­gangspunkt eines interkulturellen Managements

Eine Betrachtung von interkultureller Kommunikation als einfache Übermittlung von Informationen vom Sender zum Empfänger ist nicht hinreichend, da sie eine einheit­liche/eindeutige Zuordnung von Bedeutungen zu den übermittelten Zeichen impli­ziert. In der Praxis kann man jedoch nicht von einer solch eindeutigen Zuordnung von Codes über kulturelle Grenzen hinweg ausgehen. Vielmehr stellen Kulturen un­terschiedliche Deutungs- und Handlungsmuster zur Verfügung, die als solche Ge­genstand und Grundlage interkultureller Kommunikation sind (Wierlacher, Hudson- W.; 2003).

Der Begriff der Internationalität bzw. Interkulturalität unterliegt der Beeinflussung des Kontextes innerhalb dessen er gebraucht wird. Eine zeitgemäße und dem Anlie­gen der Arbeit angemessene Definition führt auf die interkulturelle Germanistik zu­rück. „Das Bayreuther Institut für internationale Kommunikation und auswärtige Kulturarbeit (IIK Bayreuth) löste den Begriff „inter “ aus seiner Bezeichnungsquali­tät bloßer Globalität, gab ihm die ursprüngliche Bedeutung des zwischen, der Wech­selseitigkeit und des zusammen zurück und verband über die Kategorien des Wech­selverhältnisses und des Wechseltausches die Konzepte Internationalität und Inter- kulturalität miteinander“ (ebd., S. 218).

Das „zwischen“ deutet darauf hin, dass man sich aus der eigenen Kultur heraus be­gibt und zwischen den Kulturen seinen Blick auf die Inhalte der Kulturen, ihre Ge­meinsamkeiten und Unterscheide lenkt. Dadurch lässt sich die interkulturelle For­schung zusätzlich von der kulturvergleichenden Forschung abgrenzen, die lediglich einen Vergleich der Kulturen aus der eigenen Sichtweise heraus durchführt. Mit dem „zusammen“ ist die Entwicklung einer Situation gemeint, „wenn alle Beteiligten in der kulturellen Überschneidungssituation die Standards der jeweils anderen lernen, um daraus eine gemeinsame Orientierung zu schaffen“ (Mauritz, 1996, S. 88).

Mit dieser Bestimmung von Interkulturalität wird gleichzeitig die Brücke zu zwei wesentlichen Grundbegriffen der interkulturellen Kommunikation geschlagen, dem interkulturellen Lernen und der interkulturellen Kompetenz. Über diese beiden Ter- mini wird auch der Bezug zum interkulturellen Management hergestellt: Durch in­terkulturelles Lernen und mit dem damit verbundenen Erwerb interkultureller Kom­petenz wird die Handlungsfähigkeit der am Kommunikationsprozess beteiligten In­dividuen erhöht und ermöglicht einen effizienten Einsatz der Unternehmensressour­cen.

2.2 Interkulturelles Management vs. Internationales Management

Die internationale Tätigkeit von Unternehmen ist keine Erfindung der Neuzeit. Den­noch hat sich bis heute noch kein einheitliches Set an theoretischen Konzepten des internationalen Managements etabliert (Welge, Holtbrügge 2003). Nachstehende Grafik stellt einen Versuch dar, die vorhandenen Ansätze zu systematisieren.

Abb. 1: Systematisierung der Forschung zur internationalen Unternehmenstä­tigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Welge, Holtbrügge 2003

Kulturvergleichende Managementforschung und internationale Management­Forschung haben unterschiedliche Zielsetzungen.

Internationale Managementforschung beschäftigt sich mit der Frage nach der Ursa­che der Internationalisierung von Unternehmen und welche Wettbewerbsvorteile dadurch für das Unternehmen zu erzielen sind. Zentral ist die institutionenorientierte Perspektive der Internationalisierung. Länderübergreifende Ressourcenflüsse stehen im Mittelpunkt des Interesses. Die kulturvergleichende Managementforschung ver­folgt das Ziel, kulturbedingte Unterschiede von Managementsystemen zu beschrei­ben, zu systematisieren und die Auswirkungen auf die Unternehmensentwicklung darzustellen.

In der Diskussion um die Rolle und Bedeutung kultureller Unterschiede in Bezug auf die Gestaltung von Managementinstrumenten gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die Universalisten, zu denen bspw. (Kumar, 1998) zählt, sind Anhänger der soge­nannten Culture Free-These. Diese These besagt, dass Managementprinzipien kul­turübergreifende Gültigkeit besitzen.

Das Gegenstück dazu stellt die sogenannte Culture Bound-These dar. Die grundle­gende Annahme dieser These, die für die Notwendigkeit einer kulturvergleichenden Managementforschung spricht, besagt, dass kulturelle Unterschiede, wie sie sich in unterschiedlichen Werthaltungen, Einstellungen und Verhaltensweisen manifestie­ren, auch die Notwendigkeit unterschiedlicher Managementstile begründen. Gestützt wird diese sogenannte Culture Bound- These von zahlreichen qualitativen Länder­studien (Keller, 1982). Damit kann diese Forschungsmeinung als Begründung für die Notwendigkeit einer kulturvergleichenden Managementforschung betrachtet werden. Die kulturvergleichende Forschung beschäftigt sich mit Fragestellungen, die die kul­turbedingte Gestaltung von Managementinstrumenten betreffen. Demnach stehen im Zentrum des Interesses die unterschiedlichen Kulturen, innerhalb derer wirtschaftli­ches Handeln stattfindet.

In der interkulturellen Managementforschung werden laut Welge und Holtbrügge (2003) fünf Zielrichtungen verfolgt:

1. Deskriptives Ziel: Aufdeckung, Beschreibung und Messung von Unterschie­den und Gemeinsamkeiten von Managementstilen in unterschiedlichen Kultu­ren.
2. Klassifikatorisches Ziel: Klassifikation und Clusterbildung von Ländern be­züglich kulturell bedingter, managementrelevanter Unterschiede.
3. Heuristisches Ziel: Formulierung von Hypothesen und Theorien über den Zu­sammenhang von Kultur und Managementstilen.
4. Falsifikatorisches Ziel: Überprüfung von Managementinstrumenten auf ihre kulturübergreifende Allgemeingültigkeit und Übertragbarkeit.
5. Pragmatisches Ziel: Formulierung von Handlungsempfehlungen zum erfolg­reichen Verhalten von Managern in unterschiedlichen Kulturen.

In dieser Arbeit bewegen wir uns im Themengebiet der kulturvergleichenden Mana­gementforschung. Im Mittelpunkt stehen die Unterschiede der Managementstile zwi­schen russischen und deutschen Führungskräften und die Unterschiede des Geführ- tenverhaltens lokaler Mitarbeiter in Russland, also die deskriptive Komponente. Die heuristische Zielsetzung sowie die pragmatische Zielsetzung sind von grundlegender Relevanz für die vorliegende Untersuchung. Dem heuristischen Ziel soll durch die Aufstellung von Hypothesen Rechnung getragen werden, die als Grundlage für die weitere Forschung, z.B. für eine umfangreich angelegte quantitative Folgestudie, dienen können.

2.3 Kulturdimenionskonzepte als Instrument der Systematisierung kultureller Unterschiede

Um die Ähnlichkeiten und Unterschiede von Kulturen transparent und vergleichbar zu machen, müssen die aus der Arbeitsdefinition abzuleitenden Charakteristika einer Systematisierung unterzogen werden. Kulturdimensionskonzepte sind eine Möglich­keit Kulturen anhand von Dimensionen zu beschreiben und zu vergleichen.

Die existierenden Konzepte unterscheiden sich dabei hinsichtlich der Dimensionen und der dahinter stehenden Kulturattributen. Zu den bekanntesten Kulturdimensions­konzepten zählen die Arbeiten von Hall (1959), Kluckhohn und Strodtbeck (1961), Hofstede(1980), Schwartz (1994) und Trompenaars (1994).

In der vorliegenden Untersuchung soll versucht werden kulturelle Unterschiede zwi­schen Deutschland und Russland aufzuzeigen. In einem weiteren Schritt soll unter­sucht werden, wie sich kulturelle Unterschiede in arbeitsbezogenen Verhaltenswei­sen ausdrücken. Dabei interessieren vordergründig die Auswirkungen auf präferierte Führungsstile und Unternehmensstrukturen im deutschen und russischen Kulturkreis. Am Beispiel der GLOBE-study von House et al.(2004) soll das Prinzip der Kultur­dimensionen und ihr Aussagegehalt bezüglich des Untersuchungsgegenstandes dar­gestellt werden.

2.3.1 Die GLOBE-study

Die GLOBE-study von House et al. (2004)stellt die derzeit wohl umfassendste Zu­sammenfassung kulturvergleichender Forschung dar. Untersucht wurden 62 Kulturen weltweit. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei Dimensionen zu entwickeln, mit deren Hilfe verschiedene Kulturen voneinander unterschieden werden können und wie sich die jeweiligen Ausprägungen einer Kultur auf das Führungsverhalten von

Managern und auf die Gestaltung von Organisationsstrukturen innerhalb einer be­stimmten Gesellschaft auswirken. Die Hypothese, dass ein Zusammenhang zwischen sozialer Kultur und Unternehmenskultur sowie spezifischem Führungsverhalten be­steht, wird auf der Basis des Konstruktes interner Glaubenssysteme gewonnen (Han­ges & Dickson, 2004).

2.3.1.1 Grundlegende Theoriekonzepte der integrated theory

Folgende Theoriekonzepte bilden die Grundlage für die GLOBE-study:

Die implicit leadership theory (Lord & Maher, 1991) basiert auf der Annahme, dass ein Individuum konkrete Vorstellungen darüber hat, welches Verhalten ein idealer Vorgesetzter an den Tag legen sollte. Eine hohe Übereinstimmung des Vorgesetzten mit diesem Idealtypus führt zu höheren Akzeptanzwerten. Umgekehrt können feh­lende Übereinstimmungen zu Problemen bei der Anerkennung der Führungsrolle des Vorgesetzten führen. Die Vorstellungen darüber, wie dieser Idealtypus aussieht, wird u. a. durch gesellschaftliche Normen und Werte bestimmt.

Werte stehen im Zentrum der value belief theory of culture (Hofstede, 1980; Trian- dis, 1995). Hofstede (1980) definiert Werte als „a broad tendency to prefer certain states of affairs over others“. Sie existieren auf unterschiedlichen Ebenen. Hofstede unterscheidet dabei zwischen individuellen Werten und gesellschaftlichen Werten. Eine weitere mögliche Betrachtungsebene können aber auch Organisationen sein.

Rokeach (1972, 159-160) definiert Werte eher unspezifisch: „to say that a person ,has a value’ is to say that he has an enduring belief that a specific mode of conduct or end-state of existence is personally and socially preferable to alternative modes of conduct or end-states of existence.” Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Indivi­duum seine Handlungen auf eine lediglich geringe Anzahl von Werten stützt und noch weniger Werte verbal benennen könnte. Spezifischere, also auf bestimmte Handlungen festgelegte, Werte bezeichnet Rokeach (ebd.) als „attitudes“ oder „be- liefs“. Werte dienen der subjektiven Definition von Realität. Grundsätzlich wird da­von ausgegangen, dass alle Handlungen von Individuen durch sogenannte mentale Programme gesteuert werden. Mentale Programme, die das Handeln bestimmen be­sitzen also nahezu alle eine Wertkomponente. Werte gelten als andauernde und oft unbewusst vorhandene innere Konstrukte, da sie bereits in einer frühen Phase der individuellen Sozialisation, der Kindheit, ausgeprägt werden. Die Wertetheorie ist ein Kernelement bei der Erklärung menschlicher Verhaltensweisen. Geht man nun von der Annahme aus, dass Individuen einer Kultur oder auch Subkultur nach ähnli­chen mentalen Programmen handeln, die auf ähnlichen Werten ihrer Mitglieder be­ruhen, ist die Verbindung zum Forschungsproblem klar, nämlich die Ermittlung der für die spezifischen Handlungsweisen einer Gesellschaft verantwortlichen Werte.

Die implicit motivation theory von (Mc Clelland, 1985) beschäftigt sich mit den im­pliziten Vorstellungen von Managern darüber, welche Motivationsstrategien am er- folgsversprechendsten scheinen. Implizite Theorien basieren auf Erfahrungswerten aus der Vergangenheit, Informationen und Interpretationen. Es handelt sich um in­terne Glaubensprinzipien, die durch den Einsatz bestimmter Führungsprinzipien of­fensichtlich werden. Nicht notwendigerweise resultiert aus diesem Vorgehen ein optimales Resultat. Lediglich die jeweilige Führungskraft ist in der gegebenen Situa­tion aufgrund ihrer impliziten Theorie über wirksame Führungsmethoden davon ü­berzeugt, die beste Strategie gewählt zu haben. Grundlage für die Auswahl geeigne­ter Führungsmethoden sind Annahmen über die menschliche Natur und ihren Bezug zur Arbeit. Die verschiedenartigen impliziten Theorien über Mitarbeitermotivation sind theoretisch systematisiert wurden. Unter der Annahme, dass die Glaubenssyste­me von Managern den theoretischen Modellen entsprechen, kann davon ausgegangen werden, dass für die wesentlichen Motivationsfaktoren von Mitarbeitern heute Theo­riekonzepte zur Erklärung herangezogen werden können (Dickson & Wendorf, 1999). Beispiele für solche Theoriekonzepte sind die „Goal-Setting Theory“ von Locke & Latham (1990), die „Job-Characteristics Theory“ von Hackman & Oldham (1980), die „positive reinforcement theory“ (Welsh, Luthans & Sommer, 1993) oder die „Equity theory“ (Adams, 1965), um nur einige zu nennen.

Die „structural contingency theory of organizational form and effectiveness” (Do­naldson, 1993; Hickson, Hinings McMillan & Schwitter, 1974) beschäftigt sich mit den Bestimmungsfaktoren von Unternehmensstrukturen. Diese lassen sich hinsicht­lich horizontaler und vertikaler Differenzierung, Machtzentralisierung, Formalisie­rung der Unternehmensabläufe sowie interner Koordinations- und Kontrollmecha- nismen charakterisieren. Die Kontingenztheorie geht davon aus, dass es keine opti­male Ausprägung der Organisationsstrukturen gibt, sondern effektiver Ressourcen­einsatz innerhalb einer Organisation dann zu Stande kommt, wenn technische, perso­nelle, größenspezifische und umweltspezifische Faktoren in einer optimalen Art und Weise aufeinander abgestimmt werden.

Im Rahmen der Integrated Theory wird die Hypothese vertreten, dass Ausprägungen kultureller Attribute, Rückschlüsse über präferiertes Führungsverhalten oder ideale Organisationsstrukturen in der jeweiligen Kultur zulassen. Die GLOBE-study unter­sucht insgesamt 13 Wechselbeziehungen zwischen Kultur und anderen sozialen, or­ganisationlen und ökonomischen Attributen, die der nachstehenden Grafik zu ent­nehmen sind/ in der nachstehenden Graphik zusammengefasst sind:

Abb. 2: Wirkungszusammenhänge der „Integrated Theory“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: House et al. (2004)

Für die vorliegende Arbeit interessieren vordergründig die Beziehungen, die in der Grafik mit den Pfeilen 1 bis 5 bezeichnet sind. Danach wirken gesellschaftliche Normen und Praktiken sowohl auf präferierte Führungseigenschaften und -verhalten als auch auf Unternehmensstruktur und Unternehmenskultur. Die CLT ist ein Pro­dukt dieser Wechselwirkungen. Die CLT einer bestimmten Kultur ist ausschlagge­bend für die Akzeptanz von Führungskräften. Die Effektivität von Führungsverhalten wird erheblich durch die Akzeptanz des angewendeten Führungsverhaltens bestimmt.

2.3.1.2 Beschreibung des Forschungskonzeptes

Für die Datenerhebung im Rahmen der GLOBE-study wurden zwei Fragebögen entwickelt. Der erste Fragebogen diente der Messung von kulturellen Gesellschafts­prägungen und deren Auswirkung auf Organisationskulturen in der entsprechenden Gesellschaft. Quellen für die Entwicklung der kulturbedingten Merkmale lieferte sowohl die einschlägige Literatur zur Kultur- und Organisationsforschung als auch Interviews und Gruppeninterviews, die in den jeweiligen Kulturen gesammelt wur­den. Für den Fragebogen zur Kultur wurden 371 Kulturmerkmale in den unterschied­lichsten Kulturen gesammelt. Die Datenerhebung erfolgte auf vier unterschiedlichen Ebenen. Eine erste Differenzierung wurde dabei durch die Unterscheidung in gesamtgesellschaftliche Ebene und Organisationsebene vorgenommen. Innerhalb dieser beiden Ebenen wurde die Datenerhebung nochmals getrennt, und zwar in Einstellungsmessung und Verhaltensmessung. Die Einstellungsmessung spiegelt dabei wider in welchem Maße bestimmte Werte innerhalb einer Gesellschaft als erstrebenswert betrachtet und unterstützt werden. Die Verhaltensmessungen gibt hingegen Auskunft über die tatsächlich in der Praxis auftauchenden Phänomene, auf die sich alle im Verlauf dieser Arbeit dargestellten Werte beziehen. Diese Einschränkung wird vorgenommen, weil sich die durchgeführte empirische Studie mit Erscheinungen im Arbeitsalltag von lokalen Mitarbeitern und Entsandten beschäftigt. Es interessieren vordergründig tatsächliche Erscheinungsformen von Kultur im Alltag. Gesellschaftliche Werte hingegen sind zu weit von diesem tatsächlichen Geschehen entfernt.

Die relevanten Fragen waren für beide Fragebögen anhand einer 7-stufigen Likert- Skala zu beurteilen. Für die Entwicklung der Fragen zu den Führungseigenschaften und der Ableitung der Dimensionen und Skalen wurden Methoden der Primär- und Sekundärforschung verwendet. Sechs Dimensionen bildeten die unabhängigen Vari­ablen der Untersuchung. Die Dimensionen und die dazugehörigen Skalen wurden durch Faktoranalyse gewonnen. Dabei wurden aus den ursprünglich 112 Attributen für Führungsverhalten 21 Skalen gebildet, aus denen durch nochmalige Faktoranaly­se 4 Dimensionen gebildet werden konnten. Zwei dieser Faktoren wurden nochmals in jeweils zwei Teilskalen aufgeteilt, die mit den verbleibenden zwei Faktoren, die sechs endgültigen Dimensionen des Führungsverhaltens bilden.

Die Fragebögen wurden Managern der mittleren Führungsebene der in die Studie eingeschlossenen Zielkulturen vorgelegt und anschließend ausgewertet.

2.3.1.3 Culture-Dimensionen

In diesem Abschnitt werden die Dimensionen, auf deren Grundlage die Einordnung der an der Studie teilnehmenden Kulturen erfolgte in Kurzform vorgestellt. Die Beurteilung von Kulturen kann nie anhand einer einzelnen Dimension erfolgen. Die Erscheinungsformen von Kultur sind vielmehr als ein Bündel verschiedener Faktoren zu sehen. Innerhalb der GLOBE-study werden zur Berücksichtung dieser Interde­pendenzen Korrelationen der Dimensionen untereinander in die Darstellung aufge­nommen. Die Ergebnisse der Korrelationen werden aufgrund ihrer geringen Bedeu­tung für den Untersuchungsgegenstand hier nicht vorgestellt. Für die Darstellung wurden die Praxiswerte[5] herangezogen, da sie nicht durch Anspruchsinflation[6] ver­zerrt sind.

Performance Orientation[7]

Diese Dimension gibt Auskunft darüber, wie stark sich eine Gesellschaft an Prinzi­pien wie Innovationen, hohen Leistungsstandards und Leistungsverbesserungen ori­entiert. Gesellschaften mit starker Leistungsorientierung sind dadurch gekennzeich­net, dass für sie Werte wie Bildung und Lernen wichtig sind. In diesen Gesellschaf­ten werden hohe Zielorientierung, Ergebnisorientierung und Eigeninitiative als posi­tive Orientierungen betrachtet. Der Kommunikationsstil ist offen und direkt. Gesell­schaften mit geringerer Leistungsorientierung weisen andere Wertepräferenzen auf. Im Mittelpunkt stehen hier soziale Beziehungen, vor allem zur Familie. Loyalität, Tradition und die Herrschaft des Senioritätsprinzips sind weitere Elemente dieser Gesellschaften. Der Kommunikationsstil ist oft unterschwellig und indirekt.

Uncertainty Avoidance[8]

Diese Dimension stellt das Ausmaß dar, mit dem innerhalb einer Kultur oder Gesell­schaft versucht wird, Unsicherheit durch die Befolgung etablierter sozialer Normen und Verhaltensweisen sowie bürokratischer Normen zu verringern oder zu vermei­den. Menschen die einer solchen Kultur angehören, versuchen aktiv das Auftreten unvorhergesehener Ereignisse zu reduzieren, die sich nachteilig auf die Unterneh­mensfunktion auswirken könnten oder versuchen die Wirkungen solcher nachteiligen Effekte zu mindern.

In Kulturen mit einer hohen Ausprägung von Unsicherheitsvermeidung sind Interak­tionen mit anderen Individuen oft stark formalisiert. Vereinbarungen werden detail­liert vertraglich festgehalten. Regeln werden befolgt und dienen der Erhöhung der Vorhersehbarkeit von Verhalten. Das Brechen von Regeln gesellschaftlich sanktio­niert.. Formalität die sich im Arbeitsleben durch genaue Dokumentation von Ergeb­nissen bei Geschäftstreffen, aber auch von Arbeitsprozessen äußert, ist ein grundle­gendes Prinzip in diesen Kulturen. Man hält sich an festgelegte Regeln. Risiken wer­den im Vorfeld nach Möglichkeit kalkuliert. Die Bereitschaft Risiken einzugehen ist wenig ausgeprägt. Diese Tatsache äußert sich auch in einem tendenziellen Wider­stand gegen Neuerungen und Innovationen.

Kulturen mit einer geringen Ausprägung der Unsicherheitsvermeidung pflegen in­formelle Umgangsformen. Vertrauen basiert auf dem gegebenen Wort, Verträge ha­ben lediglich eine unterstützende Funktion. Das Handeln ist eher von informellen Normen bestimmt als von klar geregelten Verhaltensvorschriften. Es gibt die Bereit­schaft Risiken einzugehen. Es gibt eine starke Bereitschaft für Veränderungen und Innovationen. Regelbruch wird eher toleriert als in Gesellschaften mit hoher Unsi­cherheitsvermeidung.

Power Distance[9]

Diese Dimension gibt an, in welchem Ausmaß Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft erwarten und akzeptieren, dass Macht in der Gesellschaft und in Orga­nisationen hierarchisch verteilt und in den höheren Ebenen konzentriert ist.

Kulturen mit einer hohen Machtdistanz weisen eine starke Klassenbildung der Ge­sellschaft auf, die nach unterschiedlichen Kriterien erfolgt. Die Mobilität der sozialen Schichten ist gering ausgeprägt. Die Machtbasen sind knapp und wenig veränderlich, beispielsweise Grundbesitz. Macht wird in diesen Kulturen als gesellschaftsstabili­sierend betrachtet, weil sie klare Rollenverständnisse und Harmonie innerhalb der Gesellschaft fördert. Hohe Machtdistanz äußert sich ebenfalls in weniger demokrati­schen Regierungssystemen und der geringeren Beteiligung von Frauen an der politi­schen Willensbildung. Die Freiheiten der Staatsbürger sind stark beschränkt. Korrup­tion ist weit verbreitet. Information als Machtfaktor ist monopolisiert. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hat Zugang zu Ressourcen und Kompetenzen. Folge sind eine geringe Entwicklung der Bevölkerung und geringe Lebenserwartung. Die Konsumra­ten in diesen Kulturen wachsen sehr stark. Eine starke Kontrolle der Ressourcenallo­kation ist erforderlich.

Kulturen mit einem geringeren Machtdistanzindex haben typischerweise eine sehr breite Mittelschicht. Die Machtbasen in solchen Kulturen sind veränderlich und teil­bar, z.B. Wissen und Kenntnisse. Die Mobilität zwischen den sozialen Schichten ist tendenziell hoch. Das bedeutet, dass auch Gesellschaftsmitglieder aus unteren Schichten der Gesellschaft durch eine weitgehende Realisierung von Chancengleich­heit die Möglichkeit haben, eine höhere Position in der Gesellschaft einzunehmen. Macht wird als eine Quelle von Zwang, Korruption und Dominanz betrachtet. Infor­mation wird geteilt und kann daher besser ihr Potential entfalten. In der Politik be­steht aufgrund der Verwirklichung demokratischer Prinzipien für alle Gruppen die Möglichkeit auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen. Ressourcen sind breit ver­fügbar und unterstützen Eigeninitiative und unternehmerische Aktivitäten. Kulturen mit geringer Machtdistanz sind durch hohes Pro-Kopf-Einkommen und moderates Wachstum der Konsumraten gekennzeichnet.

Humane Orientation[10]

Gibt an, wie stark innerhalb von Organisationen und Gesellschaften Werte wie Fair­ness, Altruismus, Freundlichkeit und Höflichkeit sowie Freigiebigkeit akzeptiert und gefördert werden.

Individuen aus Kulturen mit einem niedrigen Punktwert auf dieser Dimension stellen eigene Interessen in den Mittelpunkt. Dies äußert sich beispielsweie in einer geringe­ren Fürsorge für andere Mitglieder der Gesellschaft/gegenüber Mitmenschen. Mate­rieller Besitz und Macht sind die Motivationstreiber solcher Gesellschaften. Der Staat übernimmt die Fürsorge für die Individuen/seine Bürger. In den Familien sol- eher Kulturen werden Kinder zu Autonomie erzogen. Es wird nicht erwartet, dass sie zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, was auch auf die Versorgung der Eltern im Alter zutrifft. Die Fallzahl psychologischer und pathologischer Erkrankungen in diesen Kulturen ist hoch.

Kulturen mit einer hohen Ausprägung der Dimension beziehen verstärkt Andere in ihre Planungen ein; gegenseitige Fürsorge ist stark verbreitet. Anschluss in der Ge­sellschaft und ein Zugehörigkeitsgefühl sind die zentralen Motive dieser Gesellschaf­ten. Der Zusammenhalt innerhalb der Familien ist enger und Kinder werden zu Ge­horsam erzogen. Von ihnen wird erwartet, dass sie ihre Eltern im Alter versorgen.

Collectivism[11]

Im Unterschied zu früheren Untersuchungen wird in der GLOBE-study eine Unter­scheidung zwischen In Group Collectivism und Institutional Collectivism vorge­nommen. Deshalb wurden für die zwei Kollektivismusformen auch separate Dimen­sionen von den Autoren entwickelt:

Institutional Collectivism gibt dabei an, in welchem Ausmaß innerhalb unternehme­rischer Praxis und innerhalb gesellschaftlicher Institutionen kollektive Ressourcenal­lokation und Handlungsweisen gefördert und belohnt werden. In Group Collectivism gibt an, in welchem Ausmaß sich Mitglieder eines Unternehmens oder einer Familie dieser Mikrogruppe gegenüber verbunden fühlen, Stolz über ihre Zugehörigkeit und Loyalität bekunden. Für die nachfolgenden Erläuterungen wird aber auf diese Diffe­renzierung verzichtet und auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen individua­listischen und kollektivistischen Gesellschaften abgestellt. Individuen in kollektivis­tischen Gesellschaften sind in stark kohärente Gruppen integriert, das Selbst wird in seiner Wechselwirkung mit den entsprechenden Gruppen betrachtet. Gruppenziele werden über die Interessen des einzelnen Individuums gestellt. Pflichten bestimmen in einem hohen Maße das Sozialverhalten innerhalb kollektiver Gesellschaften. Oft­mals sind solche Kulturen in Entwicklungsländern anzutreffen/zu finden. Das Tempo innerhalb dieser Kulturen ist langsamer. Die tendenziell geringeren Herzinfarktraten sind ein Indikator dafür. Dennoch ist das subjektive Wohlbefinden oft gering. Fami­liäre Strukturen nehmen eine wichtige Rolle ein. Liebe in Partnerbeziehungen spielt tendenziell eine geringere Rolle, jedoch ist die Scheidungsrate gering/niedrig. Es wird stärker zwischen In- und Outgroups unterschieden.

In individualistischen Kulturen definiert sich der Einzelne als selbstständiges, unab­hängiges Individuum und agiert stark selbstbezogen oder bezogen auf seine engsten Bezugsgruppen, wie beispielsweise die Familie. Daraus resultiert ein Verhalten, das sich an den eigenen Interessen orientiert. Das Verhalten ist grundsätzlich von Ratio­nalität geprägt. In individualistischen Gesellschaften herrscht ein höheres Tempo und es gibt eine hohe Herzinfarktrate. Das subjektive Wohlbefinden ist höher in diesen Kulturen. Es wird weniger zwischen In- und Outgroups unterschieden.

Gender Egalitarianism[12]

Diese Dimension gibt das Ausmaß an, zu dem eine Einrichtung oder eine Gesell­schaft die Unterschiede der Geschlechterrollen minimiert und Geschlechtergleichheit fördert. Die Einflussfaktoren, die für eine starke bzw. schwache Ausprägung dieser Dimension innerhalb einer Kultur verantwortlich sind, sind vielfältig. Geschlechter­gleichheit ist ein sehr komplexes Konstrukt.

Die Autoren der GLOBE-study haben diese Komplexität reduziert und folgende Haupteinflussfaktoren herausgestellt:

- Parental Investment
- Climate or geographic latitude
- Religion
- Economic development
- Social structure and resource control
- Mode of production
- Political system

Kulturen mit einer höheren Ausrichtung an Gender Egalitarianism sind durch ver­gleichbare Bildungsniveaus bei Männern und Frauen identifizierbar. Dies wirkt sich wiederum auf die Anzahl der berufstätigen Frauen aus; eine geschlechterspezifische Berufstrennung ist weniger verbreitet. Ein hoher Frauenanteil in Führungspositionen kann ebenfalls als Indikator für eine hohe Ausprägung von Gender Egalitarianism gewertet werden. Frauen in solchen Kulturen spielen auch eine starke gesellschaftli­che Rolle und wirken in Entscheidungsstrukturen mit.

In Kulturen mit geringer Akzeptanz von Gender Egalitarianism spielen Frauen eine geringere Rolle im gesellschaftlichen Leben. Beginnend bei einem geringeren Bil­dungsstand von Frauen in diesen Kulturen, über eine geringere Teilnahme am beruf­liehen Leben mit geschlechtsspezifischen Berufen und einer geringen Zahl von Frau­en in Führungspositionen.

Assertiveness[13]

Diese Dimension gibt an, in welchem Maße Individuen innerhalb von Einrichtungen oder als handelnde Gesellschaftsmitglieder mit Durchsetzungsvermögen vorgehen, konfrontieren und aggressive Verhaltensweisen zur Durchsetzung ihrer Ziele ver­wenden.

Kulturen mit einem hohen Punktwert für Assertiveness sind Wettbewerbs- und fort­schrittsorientiert und bevorzugen direkte und klare Kommunikation. In solchen Kul­turen gilt das Machbarkeitsprinzip. Man glaubt an Kontrolle über die Umwelt. Eigen­initiative, Wettbewerbsorientierung und Weiterentwicklung sind zentrale Prinzipien in diesen Kulturen. Handeln und Denken ist von Opportunismus bestimmt.

Kulturen mit einem geringen Punktwert für Assertiveness ziehen Bescheidenheit und Milde als Werte vor. Kooperation wird dem Wettbewerb vorgezogen. Ausgeprägtes Harmoniedenken, das sich sowohl auf soziale Beziehungen als auch auf die sonstige Umwelt erstreckt, dominiert. Indirekte Kommunikationsformen werden ebenso be­vorzugt wie abgeklärtes und selbstbeherrschendes Auftreten. Gleichheit, Solidarität und Lebensqualität sind zentrale Prinzipien dieser Gesellschaften. Leistungsabhängi­ge Vergütungen werden negativ im Sinne einer Harmoniestörung betrachtet.

Future Orientation[14]

Gibt an, wie stark die Mitglieder einer Gesellschaft oder Organisation, zukunftsori­entiert handeln. Diese Verhaltensweisen werden durch die Art der Zukunftsplanung und Investitionen in die Zukunft sichtbar. Die Belohnung von Individuen und Grup­pen erfolgt zeitversetzt.

Kulturen mit geringer Ausprägung dieser Dimension oder hoher Gegenwartsorientie­rung zeigen die Fähigkeit den Moment zu genießen und spontan zu sein. Sie tendie­ren dazu, schlechte Ereignisse der Vergangenheit schnell zu vergessen. Die intensive Beschäftigung mit Zukunftssorgen ist weniger verbreitet. Das Leben wird genossen. In solchen Kulturen ist oft eine Unfähigkeit oder auch ein Widerwille anzutreffen, konkrete Pläne zur Erreichung künftiger Ziele aufzustellen. Warnsignale in Bezug auf negative Auswirkungen aktuellen Verhaltens auf die zukünftige Zielerreichung werden oft nicht berücksichtigt (Keough et al., 1999).

In Kulturen mit hoher Zukunftsorientierung ist hingegen die Fähigkeit und der Wille zur Berücksichtigung von Zukunftseinflüssen sehr stark ausgeprägt. Ziele werden gesetzt und Wege zu ihrer Erreichung geplant. Es gibt eine Tendenz zur Vernachläs­sigung der aktuellen Realität (ebd.).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Mitglieder zukunftsorientierter Gesellschaften zur Bereicherung ihrer Lebenssituation neigen und Selbstkontrolle eine große Rolle spielt, während Kulturen mit einer geringen Zukunftsorientierung versuchen ihr Leben zu vereinfachen und sich stärker auf andere verlassen.

2.3.1.4 Leadership-Dimensionen

Die Leadership- Dimensionen wurden als zweites Element der Integrated Theory herausgegriffen und versucht typische Führungsstile und ihre Ausprägungen anhand von Dimensionen zu beschreiben. Es werden außerdem die Korrelationen zu den Kulturdimensionen betrachtet um einen direkten Bezug zwischen den beiden Syste­men herzustellen. Für die vorliegende Arbeit sind die Leadership- Dimensionen von fundamentaler Bedeutung, da sie das Bindeglied zwischen allgemeinen Kulturmerk­malen und deren Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis darstellen. Der fol­gende Abschnitt stellt die Leadership- Dimensionen sowie die Korrelationen zu den Culture- Dimensionen in Kurzform dar.

Charismatic/ Value-Based[15]

Diese Dimension beschreibt die Fähigkeit von Führungskräften zu Inspiration und Motivation. Diese geht einher mit der Erwartung hoher Ergebnissteigerungen an An­dere. Diese Dimension wird anhand folgender Teilskalen beurteilt:

(a) visionär (b) inspirational (c) self scarifying (d) integrity (e) decisive (f) performance oriented

Diese Dimension des Führungsverhaltens korreliert[16] positiv mit den kulturellen Werten Performance Orientation, In-Group Collectivism, Gender Egalitarianism, Future Orientation und Humane Orientation. Eine negative Korrelation ist zur Di­mension Power Distance festzustellen.

Team Oriented[17]

Dieser Führungsstil berücksichtigt, wie stark Teambuilding in Form der Formulie­rung gemeinsamer Ziele innerhalb des Führungsstils eine Rolle spielt

Die Dimension wird mittels folgender Skalen beurteilt:

(a) collaborative team orientation (b) team integrator (c) diplomatic (d) malevolent (e) administratively competent

Hier sind Korrelationen mit den Kulturdimensionen Uncertainty Avoidance, In­Group Collectivism, Humane Orientation und Performance Orientation festzustel­len. Negative Korrelationen zu Kulturdimensionen waren nicht festzustellen.

Participative[18]

Diese Dimension berücksichtigt, wie stark Andere in die Entscheidungsfindung ein­gebunden werden. Teilskalen dieser Dimension sind:

(a) nonparticipative-reverse scored (b) autocratic- reverse scored Bei dieser Dimension wurden Korrelationen zu den Kulturdimensionen Performance Orientation, Gender Egalitarianism und Humane Orientation indentifiziert. Nega­tive Korrelationen wurden zu den Dimensionen Uncertainty Avoidance, Power Di­stance und Assertiveness festgestellt.

Humane Oriented[19]

Diese Dimension spiegelt unterstützende and considerate leadership but also includes compassion and generiosity. Sie ist den Skalen (a) modesty (b) human orientation zu entnehmen.

Bei dieser Führungsdimension sind Korrelationen mit den Dimensionen Humane Orientation, Uncertainty Avoidance, Assertiveness, Performance Orientation und Future Orientation feststellbar. Negative Korrelationen gibt es nicht.

Autonomous[20]

Diese Dimension drückt unabhängiges, individualistisches Führungsverhalten aus, dass durch die einzige Unterskala "autonomous leadership" repräsentiert wird. Eine positive Korrelation tritt hier mit der Kulturdimension Performance Orientation auf, negative Korrelationen mit den Dimensionen Humane Orientation und Institutional Collectivism.

Self Protective[21]

Darunter ist die Tendenz zu verstehen, die Sicherheit des Individuums oder der Gruppe durch Statuserhöhung oder Gesichtswahrung zu schützen. Diese Dimension wird mit folgenden Teilskalen gemessen:

(a) self-centered (b) status conscious (c) conflict inducer (d) face saver (e) procedural

Kulturdimensionen, die mit dieser Dimension korrelieren sind Power Distance und Uncertainty Avoidance. Negativ korrelieren Gender Egalitariamism, In-Group Col­lectivism und Performance Orientation.

Die Auswertung der Leadership-Fragebögen ergab, dass es Eigenschaften gibt, deren Ausprägung in allen Kulturen eine große Bedeutung bei der Beurteilung herausra­genden Führungsverhaltens spielt. Die Dimensionen visionary und conspirational des Charismatic/Value-Based-Führungsstils konnten universell als positiv auf effek­tives Führungsverhalten wirkend identifiziert werden.

2.3.2 Wichtige Ergebnisse

2.3.2.1 Allgemeine Resultate

Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass sich kulturelle Werte nicht automatisch in der gesellschaftlichen oder unternehmerischen Praxis niederschlagen. Bei sieben der neun Dimensionen konnte eine negative Korrelation zwischen den Fragebogenwer­ten für gesellschaftliche Werte und gesellschaftliche Praxis festgestellt werden. Das ist konträr zu anderen Auffassungen in der Literatur (Hofstede, 1980; Schein, 1992), die implizit oder explizit eine positive Korrelation unterstellen. Ganz neu ist dieses Phänomen jedoch nicht. Im Marketing spricht man von sogenannter Anspruchsinfla­tion, wenn bei der Befragung von Konsumenten nach ihrer Zufriedenheit der Zufrie­denheitswert nach dem Grad der Übereinstimmung zwischen präferierten Güterei­genschaften und tatsächlichen Eigenschaften bestimmt wird. Befragt nach den ge­wünschten Gütereigenschaften neigen die Befragten dazu, extrem hohe Werte auf den Erwartungsskalen anzukreuzen, obwohl ihr tatsächliches Anspruchsniveau unter diesen Werten liegt. In der Marketingforschung begegnet man diesem Phänomen mit einer indirekten Messung der Kundenzufriedenheit, indem man verschiedene Pro- dukteigenschaften in unterschiedlichen Kombinationen präsentiert und die Kaufent­scheidung als Signal für erfüllte Erwartungen interpretiert. Diese Vorgehensweise, auch Conjoint-Measurement genannt, lässt sich allerdings nicht auf die Fragestellung der kulturellen Dimensionen übertragen, so dass hier nach anderen Möglichkeiten gesucht werden muss.

Eine weitere Erkenntnis der Autoren bezieht sich auf die Ableitung erfolgsverspre­chenden Handelns innerhalb interkultureller Kontakte. Hofstede (1980) verbindet erfolgreiches Handeln direkt mit den Ausprägungen der Dimensionen. Bei hohen Übereinstimmungen der beteiligten Kulturen würde Erfolg impliziert, bei geringer Übereinstimmung jedoch Misserfolg. Die Autoren weisen darauf hin, dass der Erfolg interkultureller Kontakte nicht ausschließlich anhand objektiver Messungen erfolgen kann, sondern die subjektiven Wahrnehmungen der fremden Kultur ebenfalls be­rücksichtigt werden müssen. Noch stärker differenziert müssen Situationen betrachtet werden, an denen mehr als zwei Kulturen beteiligt sind.Schwierig ist die Frage zu beantworten, welche Kulturdimensionen in eine bestimmte interkulturelle Situation involviert sind und welchen Einfluss sie auf den Situationsausgang haben. Eine Kon- zeptionalisierung dieser Problematik ist nicht möglich. Weiterhin unklar bleibt auch die Frage nach der Richtung kultureller Unterschiede. In der Literatur wurde bisher oft die Symmetrie kultureller Unterschiede unterstellt. Tatsächlich wird es aber auch Situationen geben, in denen asymmetrische Konstellationen vorkommen. Die Auto­ren vermuten, dass beispielsweise Konfliktpotentiale verschiedenartiger Natur sind, wenn man eine deutsche Akquisition in Russland mit einer russischen Akquisition in Deutschland vergleicht.

Konsequenzen kultureller Unterschiede und mögliche Handlungsstrategien können aus den Kulturdimensionen nur begrenzt abgeleitet werden. Die Forschungspraxis konnte dieser Problematik bisher lediglich durch Fallstudien begegnen, die aber immer nur Fragmente darstellen und keine systematischen Schlussfolgerungen erlau­ben. Auch in dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, die Aussagekraft der Kulturdimensionen durch konkrete, empirische Fälle zu verbessern.

2.3.2.2 Vergleich russischer und deutscher Kulturstandards

Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der GLOBE-study bezüglich der für diese Arbeit relevanten Kulturen, die russische und die deutsche, dargestellt. Die Darstellung vergleicht sowohl die Kulturdimensionen als auch die Leadership- Dimensionen. Die Bewertung für Deutschland erfolgt getrennt nach alten und neuen Bundesländern. Diese Differenzierung beruht auf der Tatsache, dass es in Deutsch­land über 40 Jahre hinweg eine unterschiedliche kulturelle Entwicklung gab. Deshalb vertreten die Autoren der Studie die Hypothese, dass Unterschiede in/bei den Kultur­dimensionen und den Leadership-Dimensionen erkennbar werden müssten.

Tab. 1: Ausprägungen der Cu/tare-Dimensionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die kulturelle Ausprägung auf der Dimension Performance Orientation nimmt ge­mäß der Mittelwerte für Society Practices von Ost nach West zu. Demnach ist der Wert für Performance Orientation in der gesellschaftlichen Praxis in den alten Bun­desländern am höchsten und in der Russischen Föderation am geringsten ausgeprägt.

Diese Abstufung trifft auch auf die Ausprägungen auf der Dimension Future Orien­tation zu.

Auffällig ist der Wert bei der Ausprägung für Gender Egalitarianism Geschlechter­gleichheit. Russland erreicht hier einen hohen Punktwert von 4.07. Zieht man die Definition der Dimension heran, so kann der hohe Wert mit den gleichen Bildungs­chancen, einer generell hohen Anzahl von Frauen im Berufsleben und speziell ein hoher Anteil in Männerberufen, erklärt werden. Kriterien die in der russischen Ge­sellschaft eher nicht erfüllt werden, sind der Anteil von Frauen in Führungspositio­nen sowie die starke Involvierung von Frauen in Entscheidungsprozesse. Anhand dieser Dimension wird deutlich, dass eine intuitive Einordnung von Kulturen in die entsprechenden Dimensionen nicht evident ist. Möglicherweise ergäbe sich ein ande­res Bild, wenn man das Lohnniveau in die Untersuchung einbezöge. Obwohl Löhne grundsätzlich je Berufgruppe festgelegt werden und offiziell nicht zwischen Männern und Frauen unterschieden wird, ist der Zugang zu bestimmten Berufsgruppen in Russland für Frauen schwieriger. Faktisch bleibt damit eine vergleichsweise starke Abhängigkeit vom Mann als Hauptverdiener innerhalb vieler russischer Familien Realität. Die geringe Ausprägung der Dimension für die neuen Bundesländer er­staunt ebenfalls. Ist es doch für viele Frauen in den neuen Ländern selbstverständ­lich erwerbstätig zu sein, so tritt dieser Trend in den alten Bundesländern erst mit einiger Verzögerung ein.

Auf der Dimension Assertiveness wird ein weiterer Unterschied zwischen der deut­schen und der russischen Kultur auffällig. Die Ausprägungen für Deutschland wei­chen beide mehr als eine SD vom MW ab, während sich die Werte für Russland im Bereich zwischen -1 SD und -2 SD befinden. Das bedeutet, dass entsprechend der Definition der Dimension, an dieser Stelle offensive Strategien zur Zielerreichung und Kommunikation auf Harmoniestreben und indirekte Kommunikation treffen.

Auf den beiden Dimensionen zur Beurteilung, ob eine Kultur eher kollektivistische oder individualistische Tendenzen aufweist, ist die hohe Ausprägung der Werte der russischen Stichprobe sowohl bei Organizational Collectivism als auch bei „In Group Collectivism “ auffällig. Das deutet darauf hin, dass sich Russen sehr viel stär­ker über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definieren und ihr Handeln an den Grup­penzielen ausrichten als dies bei der eher individualistisch geprägten deutschen Kul­tur der Fall ist.

Bei der Dimension Power Distance liegen alle drei Stichproben innerhalb des Berei­ches von +1 SD. Die Stichprobe für die neuen Bundesländer und Russland liegen dicht beieinander. Die geringste Ausprägung weist die Stichprobe für die alten Bun­desländer auf, die mit 0,2 SD rechts vom MW liegt. Implikationen, die sich daraus ableiten lassen, sind eine höhere Akzeptanz von Machtunterschieden in Gesellschaft und Unternehmen in Russland und den neuen Bundesländern.

Humane Orientation als Gradmesser, wie stark in der Gesellschaft Werte wie Menschlichkeit, Fairness und Rücksichtnahme eine Rolle verankert sind, wurde von der russischen Stichprobe mit dem höchsten Wert belegt, gefolgt von den neuen Bundesländern und den alten Bundesländern der Bundesrepublik. Insgesamt liegen aber alle drei Stichproben links des Mittelwertes.

Für die Dimension Uncertainty Avoidance sind die Unterschiede am auffälligsten. Während Russland mit -2,1 SD eine extrem niedrige Ausprägung aufweist, sind die Werte für Deutschland mit 1,6 bzw. 1,7 vergleichsweise hoch. Die Klassifizierung widerspricht den Ergebnissen anderer Wissenschaftler, die mit einer anderen Defini­tion und Konstruktion der Skala, die russische Kultur im Vergleich zur deutschen mit einer stärkeren Ausprägung von Unsicherheitsvermeidung klassifizieren. Die o.g. Definition für die Dimension gibt Aufschluss darüber , wie diese Einstufung mögli­cherweise zustande kam. Einerseits gibt es in der russischen Gesellschaft einen star­ken Drang Unsicherheit durch die Befolgung klarer Regeln zu vermeiden. Anderer­seits spielen informelle Beziehungsgeflechte innerhalb derer ein hohes Vertrauen herrscht und Geschäfte per Handschlag abgeschlossen werden. Meiner Einschätzung nach muss man bezüglich dieser Dimension und Russlands sagen, dass erfolgreiche Leute in Russland erfolgreich sind weil sie keine Scheu haben Regeln zu verletzen und es im Gegensatz eine breite Masse mit einer hohen Tendenz zur Unsicherheits­vermeidung und Regeltreue gibt. Die Ausprägung der Dimension für Unsicherheits­vermeidung ist dennoch irreführend.

Tab. 2: Ausprägungen der Kulturdimensionen nach Abstand vom MW

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Darstellung soll die zahlenmäßige Darstellung aus Tab. 1 plastischer machen und es erleichtern Schlussfolgerungen für die Praxis zu ziehen. Abgesehen von der Dimension Humane Orientation und Power Distance die in der Richtung der Abwei­chung bei allen drei Stichproben identisch ist, unterscheiden sich die Ausprägungen der russischen Stichprobe erheblich in Betrag und Richtung von den jeweiligen deut­schen Ausprägungen. Davon ausgehend lässt sich zunächst einmal die Vermutung ableiten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit kulturell bedingte Missverständnisse auftreten, wenn beide Kulturen aufeinander treffen.

Konkretere Ableitungen für arbeitsbezogene kulturelle Unterschiede sollen anhand der Ergebnisse aus dem Leadership- Fragebogen getroffen werden.

Folgende Werte ergeben sich für die Ausprägungen der CLT-Dimensionen im Ver­gleich zwischen Russland und Deutschland.

Tab. 3: Ausprägungen der Leadership-Dimensionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach House et al. (2004)

Auf der Charismatic/Value-Based-Dimension hat Deutschland eine höhere Ausprä­gung. Für den Führungsstiltyp Team Oriented ist der Mittelwert in Russland am höchsten, gefolgt von den alten Bundesländern und mit der geringsten Ausprägung bei den neuen Bundesländern, was verwundern mag, unterstellt man doch häufig einen Zusammenhang zwischen Kollektivismus und sozialistischem Gesellschafts­system. Möglicherweise spielt das unterschiedliche Verständnis über Team­Orientierung in der russischen und deutschen Kultur eine Rolle. Die Ausprägung für die Führungsstildimension Participative erreichte die höchsten Mittelwerte in den alten Bundesländern, gefolgt von den neuen Bundesländern und Russland mit der schwächsten Ausprägung. Die gleiche Reihenfolge trifft auch auf die Führungsdi­mension Humane Oriented zu. Autonomous Leadership erreichte in Russland die höchsten Ausprägungen, beim innerdeutschen Vergleich liegen die alten Bundeslän­der vor den neuen Bundesländern.[22]

Gehen wir von der Hypothese aus, dass sich die präferierten Führungsstile in Russ­land und Deutschland voneinander unterscheiden, kann die Hypothese von den Aus­prägungen auf den Leadership-Dimensionen nicht gestützt werden. Die Werte der drei untersuchten Stichproben liegen, ausgehend von der Spannweite der Ergebnisse, zwischen dem Mittelwert und dem Höchstwert. Die Werte weisen nur geringe Ab­weichungen auf, weswegen der Aussagewert meines Dafürhaltens nach, sehr gering bleibt.

Eine Analyse der Attribute, die für die Bildung der Dimensionen herangezogen wur­den, kann möglicherweise genauere Aufschlüsse über die relevanten Unterschiede geben. Eine solche Untersuchung sprengt aber den Rahmen dieser Arbeit und wird deshalb nicht durchgeführt.

2.3.3 Kritische Würdigung der Ergebnisse der GLOBE-study

Die Autoren der GLOBE-study waren bemüht, durch Einbeziehen von Forschern aus allen an der Studie teilnehmenden Kulturen dem emischen[23] Ansatz gerecht zu wer­den. Grundsätzlich bleibt die Untersuchung aber dem westlichen Verständnis über die Kulturmerkmale und deren Bedeutung für die Bestimmung von Kultur verhaftet.

Zur Bewertung des Aussagegehaltes der Studie können die Zielrichtungen kultureller Modellbildung herangezogen werden. Als Ziele kommen die Beschreibung von Kul­tur, Erklärung von Kultur oder die Vorherbestimmung konkreten Verhaltens in Fra­ge. Die Kulturdimensionen und die Ausprägungen einzelner Kulturen auf diesen Di­mensionen leisten in erster Linie die Beschreibung von Kultur. Durch den umfassen­den Ansatz der in der GLOBE-study beschriebenen Integrated Theory unter Berück­sichtigung der Korrelationen der Dimensionen untereinander und der Darstellung der Zusammenhänge zu anderen sozio-politischen und sozio-ökonomischen Größen konnte auch dem Erklärungsziel ein Stück weit Rechnung getragen werden.

Die Aussagen der GLOBE-study lassen dennoch keine konkreten Rückschlüsse auf das konkrete Verhalten in bestimmten Situationen zu. So ist es möglich, dass Kultu­ren die gleichen Positionen auf einer bestimmten Kulturdimension belegen und den­noch unterschiedliche Handlungskonzepte in identischen Problemsituationen anwen­den. Die in der Studie gemachten Aussagen geben lediglich Tendenzen von Verhal­tensweisen auf einem hoch aggregierten Niveau an.

Kulturdimensionskonzepte vermitteln oft den Eindruck, dass allein Kultur der Be­stimmungsfaktor menschlichen Verhaltens ist. Tatsächlich wird menschliches Ver­halten aber von weiteren Faktoren, wie Persönlichkeit, Emotion, Kognition und Er­fahrungen beeinflusst.

Es muss zwischen dem Wissen über eine Kultur und der Internalisierung einer Kultur unterschieden werden. Während Ersteres mittels rationalen Denkens erfasst werden kann, ist eine Internalisierung nur durch subjektive Erfahrungen in der fremden Kul­tur zu erreichen. Kulturdimensionskonzepte können Wissen über Kultur vermitteln. Subjektive Erfahrungen können nur über die Darstellung konkreter Verhaltenswei­sen und deren Wahrnehmung durch Angehörige der anderen Kultur, im vorliegenden Fall der deutschen bzw. der russischen, untersucht werden.

Beachtet werden muss ebenfalls der Umstand, dass die Stichproben auf der Ebene des mittleren Managements gezogen wurden. Eine Repräsentativität dieser Gesell­schaftsschicht kann aber nicht angenommen werden. Besonders im Hinblick auf die russische Gesellschaft, in der stärkere soziale Unterschiede existieren als das im deutschen Kulturraum der Fall ist, lassen sich unterschiedliche Wertausprägungen in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten vermuten.

Bezüglich der Leadership- Dimensionen müssen sich House et al. die Frage gefallen lassen, warum die einzelnen Attribute überhaupt zu Dimensionen aggregiert werden, wenn dadurch der Aussagegehalt verloren geht. Ein alternatives Vorgehen, nämlich die indirekte Ableitung durch die dargestellten Korrelationen der Kulturdimensionen mit den Führungsdimensionen gestaltet sich aufgrund der zu berücksichtigenden negativen Korrelationen als sehr schwierig.

2.4 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden Kulturdimensionskonzepte und ihre Bedeutung für die interkulturelle Forschung herausgestellt. Die typische Vorgehensweise dieser Kon­zepte, die eine theoretische Systematisierung von Kultur auf der Basis empirischer Daten liefern, wurde anhand der GLOBE-study dargestellt. Die verwendeten Culture-Dimensionen und die Leadership- Dimensionen wurden eingeführt. Anhand eines Vergleiches der jeweiligen Dimensionen für Russland und für Deutschland wurde der Aussagegehalt der Dimensionen deutlich, gleichzeitig sind aber auch die Grenzen dieses Ansatzes sichtbar geworden. Im folgenden Abschnitt sollen nun die generellen Unterschiede die die GLOBE-study liefert durch die Ergebnisse der empi­rischen Untersuchung erweitert werden. Dadurch soll dem Leser verdeutlicht wer­den, wie sich kulturelle Unterschiede konkret in der Unternehmenspraxis auswirken und welche Handlungsempfehlungen sich daraus ableiten lassen.

[...]


[1] 17,1 Mio km2

[2] Als Entsandte werden in dieser Arbeit Mitarbeiter deutscher Unternehmen bezeichnet, die befristet oder unbefristet für ein Tochterunternehmen in Russland tätig sind, unabhängig davon, ob das Anstel­lungsverhältnis in Russland oder in Deutschland besteht.

[3] lt. Angaben des VDW ist die russische Wirtschaft im Jahr 2006 um 7,4 Prozent gewachsen (Angabe beruht auf Halbjahreswerten

[4] Als lokale Mitarbeiter werden innerhalb dieser Arbeit Fach -und Führungskräfte bezeichnet welche die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation innehaben und für eine deutsche Tochtergesell­schaft in der Russischen Föderation tätig sind.

[5] Die Ausprägungen der Dimensionen wurden für gesellschaftliche Werte und für die gesellschaftliche Praxis erhoben. Die Korrelationen wurden für die Kombinationen Wert-Wert, Praxis-Praxis, Wert­Praxis, Praxis-Wert ermittelt. Die dargestellten Korrelationen beziehen sich auf Praxis-Praxis.

[6] Anspruchsinflation ist ein Phänomen aus der Marktforschung für die Kundenzufriedenheitsmessung. Es bezeichnet die Tendenz der Respondenten, bei der Befragung nach den Idealausprägungen von Konsumgütern Werte zu nennen, die über dem tatsächlichen Zufriedenheitsniveau liegen, da der Preis als restriktive Komponente keinen Entscheidungswert besitzt. Auch bei der Befragung nach Werten als ideelle Konstrukte können ähnliche Mechanismen vermutet werden. Eine Rolle spielt hierbei auch die soziale Erwünschtheit einer bestimmten Antwort. Niemand möchte sich schließlich als Träger negativer Werte outen.

[7] Die Bezeichnung der Dimensionen wurde wegen der Schwierigkeit treffender Übersetzung in ihrer englischen Originalform belassen. Eine sinngemäße Übersetzung wird für jede Dimension als Fußnote dargestellt. Performance Orientation - Leistungsorientierung

[8] Unsicherheitsvermeidung

[9] Machtdistanz

[10] Orientierung an menschlichen Werten

[11] Kollektivismus

[12] Geschlechtergleichheit

[13] Durchsetzung, Selbstbehauptung

[14] Zukunftsorientierung

[15] Charismatisch/Werteorientiert

[16] Die Dimensionen mit den höchsten Korrelationen sind in Fettdruck dargestellt.

[17] Teamorientierung

[18] Einbeziehung bei Entscheidungen

[19] Orientierung an menschlichen Werten

[20] Autonomer Führungsstil

[21] Selbstschutz

[22] Die Angabe der Differenzwerte wurde ausgehend von den Werten für Russland berechnet. Darge­stellt sind die Mittelwerte der entsprechenden Kulturen als Absolutwerte.

[23] in der kulturvergleichenden/ interkulturellen Forschung wird zwischen emischem (von innen) und ethischem (von außen) Ansatz unterschieden. Beim ethischen Ansatz entscheidet die Kulturzugehö­rigkeit des Forschers über Wahl und Gestaltung des Forschungsinstrumentariums. Der emische An­satz bezieht dagegen die Sichtweise der zu untersuchenden Kultur in die Gestaltung des Forschungs­instrumentariums ein. Durch ein emisches Vorgehen soll die Verzerrung der Untersuchungsergebnisse durch die „falsche“ Gestaltung des Instrumentariums verhindert werden.

Ende der Leseprobe aus 156 Seiten

Details

Titel
Problemfelder der Zusammenarbeit von lokalen Mitarbeitern und Entsandten in Russland. Implikationen für ein erfolgreiches Personalmanagement
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
156
Katalognummer
V372178
ISBN (eBook)
9783668500235
ISBN (Buch)
9783668500242
Dateigröße
1280 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelles Management
Arbeit zitieren
Ronny Voigt (Autor:in), 2007, Problemfelder der Zusammenarbeit von lokalen Mitarbeitern und Entsandten in Russland. Implikationen für ein erfolgreiches Personalmanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372178

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