Die Skandalstücke "Heldenplatz" und "Holzfällen" von Thomas Bernhard. Inhalt, Interpretation und öffentliche Reaktion


Pre-University Paper, 2017

23 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhalt

1 Der Autor – Thomas Bernhard

2 „Heldenplatz“
2.1 Inhalt des Werkes
2.2 Charakterisierung der Protagonisten
Josef Schuster
Anna
Olga
Hedwig
Frau Zittel
2.3 Interpretation des Stückes
Der Schauplatz
Zeit der Handlung / historischer Kontext der Entstehung
Intention / Themen
2.4 Szenenanalyse
2.5 Der „Heldenplatzskandal“

3 Holzfällen – Eine Erregung
3.1 Inhalt des Werkes
3.2 Charakterisierung der Protagonisten
3.3 Interpretation des Werkes
3.4 Formale Analyse
3.5 Der Skandal um das Werk Holzfällen

4 Persönliche Stellungnahme / Fazit

Literaturverzeichnis

Abstract

Am 4. November 1988 war das Burgtheater Schauplatz zahlreicher Demonstrationen; es wurde unter anderem eine große Ladung Pferdemist vor dem Eingang abgeladen. Die Uraufführung von Thomas Bernhards Heldenplatz findet nach den furiosen Wochen zuvor, in denen das Stück vor allem medial enorm skandalisiert wurde, statt.

Diese Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt genauer auf das „Skandalstück“ einzugehen. Zuerst wird der Inhalt des Stückes kurz zusammengefasst. Anschließend werden die Protagonisten charakterisiert. So werden viele Charaktereigenschaften des jüdischen Professor Schuster, der Suizid begangen hat, aufgezeigt. Außerdem werden seine Kinder, sein Bruder und seine Wirtschafterin, zu der er das beste Verhältnis pflegte, charakterisiert.

Es folgt eine Werkinterpretation, in der unter anderem die Kritik an der österreichischen Bevölkerung und der österreichischen Politik zur Sprache kommt. Anschließend wird die zweite Szene des Stückes, die auch die aussagekräftigste ist, genauer analysiert. Des Weiteren wird genauer auf den Heldenplatzskandal eingegangen, wobei der historische Kontext rekonstruiert und die herausgehobene Rolle der Medien analysiert wird.

Neben dem Stück Heldenplatz, beschäftigt sich die Arbeit mit einem weiteren skandalträchtigen Werk Bernhards, dem Roman Holzfällen.

Auch der Inhalt dieses Werkes wird zusammengefasst. Der Protagonist des Werkes, ein namenloses Erzähler-Ich, wird analysiert, sowie die übrigen Anwesenden der „Gentzgassengesellschaft“, unter denen sich auch ein dilettantischer Burgschauspieler befindet. Anschließend werden die Motive des Werkes untersucht. Bernhard verarbeitet vermutlich viel Autobiographisches in seinem Roman. Es folgt eine formale Analyse, die den für Bernhard typischen musikalischen Stil bearbeitet.

Auch auf den Skandal um Holzfällen, der in einer Beschlagnahme aller Bücher resultierte, geht die Arbeit ein.

Den Abschluss bildet eine persönliche Stellungnahme, die Gedanken zu den Werken und Skandalen umfasst, und außerdem die Bedeutung des Autors für den Staat Österreich betont.

1 Der Autor – Thomas Bernhard

Nicolaas Thomas Bernhard, geboren am 9. Februar 1931 in den Niederlanden, gestorben am 12. Februar 1989 in Gmunden, war ein österreichischer Schriftsteller. In seiner Kindheit lebte Bernhard unter anderem in Wien, Seekirchen am Wallersee, Traunstein und Salzburg, wo er ab 1943 ein NS-Internat besuchte. Er brach seine schulische Laufbahn auf einem Salzburger Gymnasium freiwillig ab und absolvierte eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann. Mit 18 erkrankte der Autor an einer Rippenfellentzündung, die beinahe tödlich endete. In den 50er Jahren arbeitete Bernhard als Journalist, war gleichzeitig als freier Schriftsteller tätig und nahm nebenbei Schauspielunterricht sowie Unterricht in Musiktheorie am Salzburger Mozarteum. 1963 erschien Bernhards Debütroman „Frost“, für den er 1965 mit dem Literaturpreis der Stadt Bremen ausgezeichnet wurde. Er lebte zu jener Zeit in Wien und Oberösterreich, wo er sich häufig in Kaffeehäusern aufhielt und schrieb. Mit seinen umstrittenen, meist staatskritischen Werken sorgte Thomas Bernhard regelmäßig für Skandale, weshalb er bei großen Teilen der österreichischen Bevölkerung und vielen Politikern äußerst unbeliebt war. Er starb 1989 in seiner Gmundener Wohnung an Herzversagen.

Heute gilt Bernhard auch international als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Literaten aller Zeiten.

2 „Heldenplatz“

2.1 Inhalt des Werkes

Heldenplatz ist ein Drama, das von Thomas Bernhard anlässlich der 100-jährigen Jubiläumsfeier des Wiener Burgtheaters geschrieben wurde und dort 1988 uraufgeführt wurde. Das Stück behandelt die Zeit nach dem Suizid Josef Schusters, eines jüdischen Professors für Mathematik. Er stürzte sich aus dem Fenster seiner Wohnung, die direkt am Heldenplatz gelegen ist.

Die erste Szene spielt in dieser Wohnung am Heldenplatz; es findet ein Gespräch zwischen Herta, dem Hausmädchen und Frau Zittel, der Wirtschafterin des verstorbenen Professors statt, während sie die Wäsche machen. Es wird das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Professor und Frau Zittel beschrieben, sowie die Geschichte des Professors und dessen Suizid erzählt. So zieht dieser aufgrund der nationalsozialistisch, antisemitisch gesinnten Bevölkerung Österreichs nach Oxford, um dort an der Universität eine Lehrtätigkeit aufzunehmen. Nach Kriegsende kehrt er gegen den Willen seiner Frau, die von den Geschehnissen am Heldenplatz 1938 völlig traumatisiert ist, nach Wien zurück. Doch der Professor ist mit den Wiener Umständen nicht zufrieden und will wieder zurück nach Oxford, wozu es aufgrund seines Selbstmordes nicht kommt. Seine Frau soll nun auf Wunsch der verbliebenen Familie in ein Anwesen auf dem Land ziehen.

Der Schauplatz der zweiten Szene ist der Wiener Volksgarten, wo sich die beiden Töchter des Professors, Anna und Olga, mit seinem herzkranken Bruder Robert unterhalten. Dieser kritisiert die österreichische Bevölkerung heftig, bezeichnet sie als vom Nationalsozialismus und der katholischen Kirche geblendet. Des Weiteren bitten Anna und Olga ihn um seine Unterschrift ihres Protestschreibens bezüglich einer geplanten Straße durch ihr Grundstück in Neuhaus, was Robert allerdings ablehnt, da er sagt, dass jeder Protest den man im Leben leistet im Grunde genommen sinnlos ist.

Die dritte und letzte Szene des Stückes findet am Esstisch der Wohnung statt, wo die anwesenden Gäste, während sie auf die Frau des Professors und den Sohn Lukas warten, erneut die Stadt Wien und Österreich verurteilen. Am Ende ist das imaginäre Geschrei auf dem Heldenplatz 1938 zu hören, das sich die Frau Professor immer lauter einbildet, bis sie schließlich umkippt und mit dem Kopf auf die Tischplatte schlägt.

2.2 Charakterisierung der Protagonisten

Josef Schuster

Der Professor Josef Schuster ist eine zentrale Figur in Bernhards Drama, tritt jedoch kein einziges Mal auf. Dennoch erfährt der Leser viel über die Eigenschaften des Professors, so steht dieser auch im Mittelpunkt der ersten Szene, als vor allem Frau Zittel im Gespräch mit Herta auf seine Eigenschaften eingeht. Professor Robert erinnert sich im Laufe des Stückes an seinen Bruder und dessen Charakterzüge.

Im Umgang mit seiner Familie wird Josef Schuster als kaltherzig und dominant beschrieben. So hat er beispielsweise die Bitte seiner Frau, nicht zurück nach Wien zu ziehen, ignoriert und dies trotz der traumatischen Erlebnisse seiner Frau getan, was auf einen Egoismus der Person schließen lässt. Des Weiteren mischte er sich kompromisslos in das Leben seiner Töchter ein und bestimmte dieses. Das Verhältnis zwischen ihm, seiner Frau und seinen Kindern scheint nicht sonderlich herzlich gewesen zu sein, so zog er die Frau Zittel seiner Gemahlin stets vor. Diese die Figur des Professors prägende zwischenmenschliche Kälte innerhalb der Familie lässt sich auf eine allgemeine Abneigung Menschen gegenüber ausweiten. So wird sein Verhältnis zur Frau Zittel als das Einzige, vom Professor tatsächlich geschätzte Verhältnis beschrieben.

Auf dieses Fundament der Abneigung bauen zahlreiche weitere Eigenschaften auf, die Josef Schuster als einen schwierigen Menschen portraitieren. Seine Liebe zur Ordnung, seine stählerne Disziplin, seine Sturheit und seine Abneigung gegenüber den meisten Menschen schaffen diese, aus sozialer Sicht betrachtet, komplexe und unangenehme Figur des Professors. Außerdem liegt der Figur eine außerordentliche Intelligenz zugrunde, die den Professor zusammen mit seinen persönlichen Eigenschaften, in Österreich gesellschaftlich fehl am Platz erscheinen lassen. Hinzu kommen die Umstände des Zweiten Weltkrieges und des in Österreich tief verankerten Antisemitismus, sowie sein stark ausgeprägtes Missbehagen, das Robert Schuster in der zweiten Szene anspricht: „ … einen unglücklichen Menschen zu studieren das war an eurem Vater wie an keinem zweiten möglich.“[1] Diese Faktoren waren vermutlich ausschlaggebend für den Suizid des Professors.

Robert Schuster

Der Bruder des verstorbenen Josef Schuster spielt vor allem in der zweiten Szene des Stückes eine große Rolle. Er ist ebenfalls Professor und außerdem schwer herzkrank und muss sich dementsprechend schonen. Robert Schuster ist emotional eng verbunden mit dem Landanwesen in Neuhaus und hält sich am liebsten dort auf, da er sein Leben so ruhig wie möglich verbringen will. Ihm scheint allerdings fast alles und jeder verhasst zu sein, so kritisiert und beleidigt er vor allem Österreich aufs Heftigste. Ohne jegliche Hemmungen zieht er über die österreichische Bevölkerung und die österreichischen Politiker her.

Anna

Anna ist eine der beiden Töchter Josef Schusters. Auch sie steht in der zweiten Szene, im Gespräch mit Robert und Olga, im Fokus. Sie wird durch ihren Sinn und ihr Engagement für die Gerechtigkeit ausgezeichnet. So wehrt sie sich beispielsweise vehement gegen den Bau einer Straße über ihren Grund in Neuhaus und kritisiert die Wiener Gesellschaft.

Olga

Olga ist die zweite Tochter des Professors. Sie ist das Gegenstück zu ihrer Schwester, so verhält sie sich eher zurückhaltend und hält nicht viel von den gesellschaftskritischen Äußerungen ihres Onkels und ihrer Schwester.

Hedwig

Die Ehefrau des Professors kommt erst in der letzten Szene vor, ist aber eine wesentliche Figur des Werkes, was hauptsächlich an ihrer psychischen Störung liegt, die sie den Jubel auf dem Heldenplatz 1938 hören lässt. Ihre Figur wird als menschlich uninteressant dargestellt, weshalb sie vermutlich für den Professor auch immer nur zweitrangig war. Sie ist kein „Geistesmensch“ wie der Professor, vielmehr ist sie auf die ihr gehörige Essigfabrik bedacht.

Frau Zittel

Die Wirtschafterin des Professors, Frau Zittel, steht in der ersten Szene im Mittelpunkt, in der sie mit dem Hausmädchen Herta über den Professor redet. Dabei wird das innige Verhältnis, das sie mit Josef Schuster hatte, klar. Frau Zittel ist offenherzig und treu, zudem sehr geduldig, was im Umgang mit dem Professor sicher von großem Vorteil war.

2.3 Interpretation des Stückes

Der Schauplatz

Obwohl es im Stück oft um andere Orte geht wie beispielsweise Oxford oder Neuhaus, trägt sich die Handlung ausschließlich in der Stadt Wien zu. Der Schauplatz der ersten sowie der dritten Szene ist die Wohnung am Wiener Heldenplatz. Diese macht den Eindruck einer schönen Wiener Altbauwohnung, so werden etwa die hohen Wände und Fenster beschrieben. Die Stimmung einer hellen, großräumigen Innenstadtwohnung wird allerdings stets durch die Tatsache, dass der Professor sich aus einem der Fenster gestürzt hat, gedrückt und erzeugt eine düstere, melancholische Atmosphäre. Des Weiteren ist die Wohnung durch das imaginäre Heldenplatzgeschrei, das die Frau Professor sich einbildet, zusätzlich unangenehm behaftet.

Die zweite Szene spielt im Volksgarten, wo die zwei Schwestern mit Robert auf einer Parkbank sitzen und auf das vom Nebel verhüllte Burgtheater blicken. Das Burgtheater im Hintergrund fungiert vermutlich als Symbol für die Wiener Gesellschaft, die ja vor allem von der Figur Roberts in dieser Szene heftig angegriffen wird, da Bernhard das Burgtheater oftmals als „dilettantisches Staatstheater“ kritisierte und dieses mit der österreichischen Gesellschaft auf eine Ebene stellte.

Aber hier, in diesem Land, …, ist tatsächlich der Burgschauspieler das Höchste und mit einem Burgschauspieler … bekannt zu sein oder einen solchen Burgschauspieler im Hause … zu haben, empfindet der Österreicher, insbesondere aber der Wiener als eine Außerordentlichkeit ohnegleichen, was ihn … für mich auf abstoßendste Weise immer lächerlich macht“[2]

Zeit der Handlung / historischer Kontext der Entstehung

Das Stück spielt im Jahr 1988, also zur Zeit der Entstehung des Werkes, was Bernhard auch im Laufe des Stückes einige Male betont. Daraus lässt sich schließen, dass er der Bevölkerung die Aktualität seiner Gesellschaftskritik vermitteln und vermutlich auch einen Spiegel vorhalten wollte.

Die Zeit um 1988 war in Österreich vor allem von der „Waldheim Affäre“ geprägt, die dafür sorgte, dass Österreich auch im Fokus internationaler Medien stand. Wahrscheinlich war dieser Skandal um die NS-Vergangenheit Waldheims und die Reaktionen der Österreicher/innen auf diesen auch ausschlaggebend für die Entstehung des Stückes. Ganz wesentlich war zudem die Burgtheaterära Peymann, in der Claus Peymann die Aufgabe der Direktion des Burgtheaters inne hatte, und während der zahlreiche moderne, oft auch kontroverse Stücke aufgeführt wurden. Peymann war es letztendlich auch, der Bernhard mit dem Schreiben eines Stückes für die 100-jährige Jubiläumsfeier beauftragte.

Intention / Themen

Die vordergründige Intention Bernhards war es, mit diesem Werk Kritik am österreichischen Staat auszuüben. Bernhard rechnet in seinem Stück insbesondere mit der österreichischen Politik und der Gesellschaft ab. Vor allem die zweite Szene ist ein heftiger verbaler Schlag ins Gesicht des österreichischen Staates:

„In Österreich musst du entweder katholisch oder nationalsozialistisch sein alles andere wird nicht geduldet alles andere wird vernichtet“[3]

„In diesem fürchterlichsten aller Staaten haben Sie ja nur die Wahl zwischen schwarzen und roten Schweinen ein unerträglicher Gestank breitet sich aus von der Hofburg und vom Ballhausplatz und vom Parlament über dieses verluderte und verkommene Land Dieser kleine Staat ist ein großer Misthaufen“[4]

Ein weiteres zentrales Motiv des Werkes ist der Antisemitismus. Im Stück wird besonders die antisemitisch geprägte Wiener Gesellschaft kritisiert; es habe sich nach Kriegsende diesbezüglich nichts geändert, im Gegenteil, der Judenhass sei verbreiteter als je zuvor. So wurde beispielsweise eine der Töchter Josef Schusters, dessen ganze Familie ja jüdisch ist, nur Tage vor dem Begräbnis des Vaters mitten in der Wiener Innenstadt angespuckt. Im Zuge dieses Themas wird auch der Nationalsozialismus angesprochen, der noch tief in der österreichischen Bevölkerung verwurzelt sei.

Bezüglich diesen Themen werden im Stück einige kritische Aussagen gegenüber der Bevölkerung Österreichs getätigt:

[...]


[1] Bernhard, Thomas: Heldenplatz

[2] Bernhard, Thomas: Holzfällen, Eine Erregung, S.31

[3] Bernhard, Thomas: Heldenplatz S.63

[4] Bernhard, Thomas: Heldenplatz: S.164

Excerpt out of 23 pages

Details

Title
Die Skandalstücke "Heldenplatz" und "Holzfällen" von Thomas Bernhard. Inhalt, Interpretation und öffentliche Reaktion
Grade
1,0
Author
Year
2017
Pages
23
Catalog Number
V373385
ISBN (eBook)
9783668521377
ISBN (Book)
9783668521384
File size
1175 KB
Language
German
Keywords
thomas bernhard, heldenplatz, holzfällen, heldenplatzskandal, nestbeschmutzer, österreich
Quote paper
Antonin Schmidt-Chiari (Author), 2017, Die Skandalstücke "Heldenplatz" und "Holzfällen" von Thomas Bernhard. Inhalt, Interpretation und öffentliche Reaktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373385

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