Marcus Garveys Renaissance. Eine kritische Untersuchung in zeitgenössischer Populärkultur und die Darstellung von Garvey in der Literatur


Examination Thesis, 2017

47 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


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Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ... 3
2
Marcus Garvey ... 3
3
Musik ... 6
3.1
Ein Medium der Renaissance ... 6
3.1.1
Geschichtliche Entwicklung Jamaikas nach Garveys Rückkehr ... 7
3.1.2
Rastafari und Reggae ... 8
3.2
Marcus Garvey in der Musik ... 10
3.3
Fazit ... 12
4
Das Kinderbuch ,,Marcus Teaches Us" ... 13
4.1
Vorbetrachtung relevanter Literaturformen ... 14
4.1.1
Kinderliteratur ... 14
4.1.2
African-American (children's) literature ... 15
4.1.3
Biographien ... 17
4.2
Analyse ... 18
4.2.1
Formale Auseinandersetzung ... 18
4.2.2
Inhaltliche Auseinandersetzung ... 21
4.3
Fazit ... 31
5
Der Roman ,,Blood and Brotherhood: A Novel of Love in a Time of Hate" ... 32
5.1
Vorbetrachtung relevanter Literarturformen ... 33
5.2
Analyse ... 34
5.2.1
Formale Auseinandersetzung ... 34
5.2.2
inhaltliche Auseinandersetzung ... 36
5.3
Fazit ... 41
6
Schluss ... 42
7
Literaturverzeichnis ... 44

3
1
Einleitung
,,[F]irst, their African history was repudiated, then their slave past could not be acknow-
ledged, and throughout American history they have been denied full participation in the
American dream of utopian democracy" (Page 10). Menschen der afrikanischen Diaspora
sahen und sehen sich mit einer Auslassung und auch Verleugnung der eigenen Geschichte
konfrontiert. Durch den fehlenden Bezug zu den eigenen ,Wurzeln` kann es schwierig
sein, sowohl eine personale als auch eine soziale Identität zu entwickeln (Blanz 2), wes-
halb eine Rückbesinnung auf die eigene Geschichte als erstrebenswert anzusehen ist.
,,Given the historical exclusion, part of the cultural work of African-American literature
is to bridge such temporal gaps" (Page 10). Auf der einen Seite thematisiert die vorlie-
gende Arbeit, welche Kunstformen für solch eine historische Renaissance verwandt wer-
den und weshalb sich diese hierfür besonders eignen. Auf der anderen Seite wird auf die
Fragen eingegangen, weshalb Marcus Garvey häufig Inhalt solcher literarischen Wieder-
belebungen ist und auf welche Art und Weise er dargestellt wird, da ,,the leader's message
remains relevant" (Katz 251) nur einen Teil der Begründung ausmachen kann. Um diese
beiden Aspekte kombiniert in verschiedenen Literaturformen zu betrachten, ist die Arbeit
nach einem biographischen Überblick über Garvey in drei Abschnitte unterteilt. Zu
Anfang wird betrachtet, welche Rolle die Musik, die inhaltliche Gestaltung der Liedtexte
und die Person Garveys vor diesem Kontext einnimmt. Der zweite Teil befasst sich mit
der Betrachtung einiger Literaturgenres und daran anknüpfend der Analyse eines Kinder-
buches einer jamaikanischen Autorin. Im Fokus der dritten Passage steht ein historischer
Roman aus dem Jahr 2007. Auch hier werden relevante literarische Formen dargelegt und
anschließend mit der Analyse des Narrativs und der Darstellung Garveys in Bezug
gesetzt. Jedem der Abschnitte folgt ein eigenes Fazit, dass die gewonnenen Aspekte eine
Renaissance und das Bild Garveys betreffend auf das jeweilige ,Genre` ­ Musik, Kinder-
literatur, Roman ­ bezogen zusammenfasst. Abschließend werden diese drei Bereiche
wieder vereint, um Antwort auf die Frage zu geben, ob und in wie fern die von den
Autoren dargestellten Positionen eine Polarisierung bezüglich Marcus Garveys begünsti-
gen.
2
Marcus Garvey
Marcus Mosiah Garvey wurden bereits zu Lebzeiten viele unterschiedliche, teils auch
sehr gegensätzliche Namen zugeschrieben. Rief ihn seine Mutter in seiner Kindheit lie-
bevoll und mit dem Wunsch für eine bessere Zukunft ,Moses`, so wurde er von
W. E. B. Du Bois als ,,a lunatic or a traitor" in einem Leitartikel des Magazins The Crisis

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im Jahre 1924 denunziert (Cashman 39). Die Wortwahl zur Beschreibung von Garveys
Persönlichkeit reicht von ,instabil` und ,geheimnisvoll`, über ,egoistisch` bis hin zu ,cha-
rismatisch` und ,visionär`. Diese unterschiedlichen Facetten der Figur Marcus Garveys
lassen sich durch die Betrachtung seines familiären und sozialen Hintergrunds verdeutli-
chen.
Geboren 1887 als Sohn eines Maurers und einer Feldarbeiterin wuchs er in ärm-
lichen dörflichen Verhältnissen in St. Ann, Jamaika auf. Beide Elternteile hatten einen
sehr prägenden Einfluss auf ihn. Sein noch zu Zeiten der Sklaverei geborener Vater sei
ein sehr frustrierter Mann gewesen, der glaubte, die ganze Welt gegen sich stehen zu
haben. Hiervon wurde auch seine Auffassung geprägt, sich einzig auf sich allein verlassen
zu können, was er seinem Sohn im Alter von 10 Jahren beibrachte. Er ließ ihn über Nacht
in einem offenen Grab zurück, das dieser zuvor gegraben hatte und erhörte erst am nächs-
ten Tag das Bitten und Flehen seines Sohnes, ihm aus dem Grab zu helfen. Seine Mutter
war eine Quelle der Liebe und Zuversicht. Während sie neben der Feldarbeit für eine
weiße Familie kochte, um genug für die Versorgung der eigenen Familie zu verdienen,
wünschte sie sich für ihren Sohn ein besseres Leben. Ihr Zuspruch und ihre stete Unter-
stützung halfen ihm, ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein zu entwickeln, sodass auch er
sich selbst bereits früh in eine dramatische, gar epische Rolle in seinem Leben hinein-
dachte. In seiner Jugend sah er sich wiederholt mit dem Thema Rassentrennung und den
daraus resultierenden Ungerechtigkeiten konfrontiert. Aus einer Kombination dieser
Aspekte entwickelte sich sein stark ausgeprägtes Streben danach, zu beweisen, dass er
genauso viel Wert ist wie die Privilegierteren.
Durch seinen Wissensdurst lernte er, beispielsweise bei einer Reise nach Zent-
ralamerika, dass die Negroes, wenn vereint, zu Großem fähig sind, wie in diesem Fall
dem Bauen von Schiffen oder dem Panamakanal. Das Buch ,,Up from Slavery" von
Booker T. Washington fungierte bei Garvey als eyeopener, das in ihm die Sehnsucht nach
einer Regierung, einem Führer und einem eigenen Land für die Schwarzen wachsen ließ.
Noch in Jamaika gründete er 1914 die UNIA, die United Negro Improvement Association,
mit dem Streben nach ,,One Aim, One God, One Destiny" und ,,Africa for the Africans",
für die er auch schnell Anhänger gewinnen konnte. Er strebte nach racial pride und öko-
nomischem Erfolg der Schwarzen durch Bildung, Vereinigung und Führung. Seine teils
extremen Ansichten wurden allerdings nicht von allen Parteien als erstrebenswert ange-
sehen. Sein großes Selbstbewusstsein hatte auch eine Kehrseite; Garvey sah seine
Ansichten als die einzig gültigen an, tolerierte keinerlei Gegenströmung und sprach sich
auch öffentlich gegen andere etablierte Menschenrechtler aus, was großen Unmut zur

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Folge hatte. Auch für Rat und Angebote der Hilfe war er nicht offen, was schlussendlich
zum Scheitern und der Aufgabe des UNIA chapters in Jamaika führte und ihn dazu ver-
anlasste, nach New York City zu gehen.
Auf seiner Reise durch 38 Staaten der USA, vor allem, um seine Projekte in
Jamaika zu finanzieren, bekam er einen ersten Einblick in die Konflikte die verschiedenen
Rassen betreffend. Seine Ziele sollten sich jedoch bald ändern. Als es im Juli 1917 in
St. Louis zu den bisher schlimmsten rassebezogenen Ausschreitungen der jüngeren
Geschichte zwischen Schwarzen und Weißen kam, befriedigte er mit seiner Vorstellung
von aktiver Gegenwehr viele Afroamerikaner, die W. E. B. DuBois zurückhaltende
Reaktion ­ ein Trauermarsch des Schweigens ­ als nicht mehr angemessen ansahen. So
begann wenige Monate später mit der Gründung der ersten amerikanischen Division der
UNIA und der Entstehung der Zeitung Negro World der rasante Anstieg der Popularität
und Bedeutung Marcus Garveys. Seine proaktive Haltung, seine Art, sich in Szene zu
setzen und seine bisher nie dagewesenen Ziele schienen die Antwort für Viele der schwar-
zen Bevölkerung gewesen zu sein. Garvey wurde sehr bald zu einem Ziel der amerikani-
schen Regierung und schwarzer Kritiker, da er einen Großteil jener zu seinen Anhängern
zählte, die kürzlich aus Europa nach Beendigung des Ersten Weltkrieges zurückgekehrt
waren. Diese Gruppe stellte vermeintlich eine große Gefahr für die Struktur und Rassen-
trennung in den USA dar; die Schwarzamerikaner waren an der Waffe ausgebildet wor-
den, hatten gelernt sich mit dieser gegen Weiße zu stellen und sie zu töten. Die Angst vor
Aufständen seitens der schwarzen Bevölkerung unter der Vereinigung Garveys, der eine
aggressive und durchaus auch gewaltbereite Einstellung proklamierte, war immens. Als
Reaktion seitens der Regierung wurde durch J. E. Hoover der erste afroamerikanische
Agent in den Dienst des FBI gestellt, mit dem Ziel, die UNIA zu infiltrieren und an
Informationen zu gelangen. Garvey wurde Ziel eines Mordanschlages, den er überlebte
und von dem er sich nicht abhalten ließ, am folgenden Tag eine Rede in Philadelphia zu
halten. Dies brachte ihm wiederum eine quasi-religiöse Verehrung aufgrund der augen-
scheinlichen Unverwundbarkeit und Unbeirrbarkeit ein.
Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer ökonomischen Unabhängigkeit und
dem Aufstreben der Afrikaner, Afroamerikaner und jener, die anderswo in der Diaspora
leben, war die Gründung der Black Star Steamship Line, einer Reederei Garveys und an-
derer Mitglieder der UNIA im Jahre 1919. Die Schiffe sollten für den Handel und Perso-
nentransport zwischen den USA und Afrika genutzt werden. Allerdings wurde Garvey
hier wiederum seine eigene Unwissenheit und die Unfähigkeit des Bittens um Unterstüt-

6
zung zum Verhängnis, da sich herausstellte, dass sowohl das erste als auch später erwor-
bene Schiffe nicht dem versprochenen Zustand entsprachen und teils gar nicht fähig
gewesen wären, die Reise zum anderen Kontinent zu überstehen. So wandelte sich dieses
vielversprechende Symbol der Eigenständigkeit binnen weniger Jahre in ein Desaster,
sowohl für die Bemühungen der UNIA, als auch für Garvey als Person. Höhepunkt seiner
politischen Karriere lag im Sommer 1920 bei einer Versammlung und Parade in seiner
Liberty Hall und dem Madison Square Garden, dem circa 25.000 Anhänger und Mitglie-
der der UNIA beiwohnten. Der bedeutendste Nachruf dieser Veranstaltung war die
Declaration of Rights of the Negro Peoples of the World (Vincent 257).
Ab diesem Zeitpunkt nahmen die Probleme für Garvey zu. Externe Ursachen
waren hierfür die Gegenbemühungen seitens der Regierung, beispielsweise durch Sabo-
tage in der Reederei. A. Philip Randolph, der einst ein großer Unterstützer Garveys
gewesen war, begann, die Motive der UNIA und die Organisation selbst öffentlich in dem
sozialistischen Magazin The Messanger zu kritisieren. Darüber hinaus kam es wiederholt
zu Problemen, die sich aus Garveys Fehlverhalten ­ Loyalität über Kompetenz zu stellen
­ ergaben, was schlussendlich dazu führte, dass die Reederei am Abgrund des wirtschaft-
lichen Untergangs stand. Seine Gegner suchten, besonders nachdem sich Garvey 1922
mit der Spitze des Ku Klux Klans getroffen hatte, nach einer Möglichkeit, ihm seinen
Einfluss zu nehmen. Im selben Jahr wurde er für Federal Mail Fraud verhaftet und wenig
später auch zu fünf Jahren Gefängnishaft verurteilt, von denen er nicht ganz drei Jahre
verbüßte, um anschließend ­ unter anderem wiederum auf Bemühungen seiner politi-
schen Gegner hin ­ nach Jamaika abgeschoben zu werden. Dort angekommen, feierten
die Menschen ihn heldengleich. Garvey gründete im Jahr 1929 Jamaikas erste politische
Partei (die People's Political Party), setzte trotz seines Mottos ,Back to Africa` selbst nie
einen Fuß auf den Kontinent und verstarb 1940 in London.
3
Musik
3.1
Ein Medium der Renaissance
Das gesprochene Wort, sei es in Form von Märchen, Sagen oder Volksliedern, dient seit
jeher, besonders in weniger gebildeten Gesellschaftsschichten, zur Weitergabe geschicht-
licher Ereignisse oder auch aktueller Informationen. Inwiefern spielt jedoch die Musik
speziell für die Afrikaner der Diaspora eine besondere Rolle? Welche Bedeutung kann
ihr im Falle Jamaikas zugeschrieben werden und wie hängt sie mit der Rastafari-Bewe-

7
gung zusammen? Welche Aufgaben kann die Kulturform ,Musik` übernehmen, und wes-
halb eignen sich besonders Formen, die allgemein als Reggae bezeichnet werden, zur
Rückbesinnung auf historische Ideen in Jamaika? Und weshalb und in wie weit ist die
Person Marcus Garveys dies betreffend gleich von pluraler Bedeutung?
Es ist zwar nicht mehr auszumachen, wann genau der Äthiopianismus zu Beginn
des 18. Jahrunderts zunehmend die vorherrschenden afro-christlichen Religionen
beeinflußte. Diese Beeinflussung führte jedoch zu einer Vermischung von politi-
schen und religiösen Vorstellungen, die nicht nur Auflehnung gegen europäisch-
christliche Denkweisen, Reaktion auf Rassismus und Unterdrückung, sondern auch
den Glauben der Sklaven an die Macht und Größe des ehemaligen Heimatlandes
und ihre Rückkehr dorthin beinhalten. (Vieth und Zimmermann 112, sic)
3.1.1
Geschichtliche Entwicklung Jamaikas nach Garveys Rückkehr
Wie Campbell anmerkt, war Marcus Garvey der Erste, der die Ideen des Äthiopianismus
und den Anfängen des Pan-Afrikanismus mit konkreten politischen Vorstellungen ver-
band, die in der Gründung der UNIA gipfelten und ursächlich für die bis dato größte
Massenbewegung der Afroamerikaner in der modernen Geschichte war (2, 53). Garveys
größtes Anliegen war es, ein Bewusstsein der Schwarzen für ihre eigene Rasse herzustel-
len und zu stärken, was für ihn gleichbedeutend mit einer Rückbesinnung auf die eigene
Geschichte und Herkunft war. ,,Ethiopianism reached its zenith with Marcus Garvey's
back-to-Africa movement in the early 1920s" (Prahlad 14). Darüber hinaus wird Garvey
folgende Aussage zugeschrieben: ,,Seht nach Afrika, dort wird ein schwarzer König
gekrönt werden. Er wird der Erlöser sein" (Vieth und Zimmermann 116). Für viele
Anhänger der UNIA und des Garveyism erfüllte sich diese Prophezeiung, als Ras Tafari
Makkonen ­ Haile Selassie I. ­ im Jahre 1930 zum Herrscher Äthiopiens ernannt wurde.
Dies kann als Ursprung der Rastafari-Bewegung angesehen werden, mit Garvey als Pro-
pheten und Haile Selassie als Messias, ,,[...] who possessed the capacity to restore to
African peoples their respect, rights and dignity" (Campbell 70).
Diese ,neue` Bewegung fand sehr schnell fruchtbaren Boden in der Bevölkerung
der westindischen Inseln, speziell Jamaikas. Extreme Ausbeutung und Unterdrückung der
Arbeiter waren in den 1930ern noch sehr stark verbreitet; ohne das Recht für bessere
Löhne kämpfen oder wählen zu dürfen, war es für sie kaum möglich, sich aus diesem
Zustand zu befreien. Sie wurden vielmehr mit einer Verschlechterung der Bedingungen
,,in the midst of the capitalist depression of the thirties" (ebd. 76) konfrontiert. Der Blick
der Armen war in dieser Zeit besonders auf Afrika gerichtet. ,,The fact that the Ethiopian
masses had taken to arms was deliberately used as a device to strengthen the resolve of
the blacks in the Caribbean to oppose Colonialism" (ebd. 78). Das Proletariat begann sich

8
zusammenzuschließen, den Reden Garveys zu folgen, und ­ ihrem gewonnenen Selbst-
bewusstsein gehorchend ­ sich gegen die Bedingungen auszusprechen und zu handeln.
Streiks und Aufstände im Frühjahr 1938 waren das Ergebnis; das Erleben der Polizeige-
walt in Kingston führte wiederum nur zu größerer Solidarität. ,,The ferocity of the
rebellion only subsided after the employers decided to increase wages and the colonial
authorities enacted labour legislation" (ebd. 84). Nach der Zeit der Sklaverei und dem
Kolonialismus befand sich Jamaika nun im Übergang zum Neo-Colonialism, also einem
Zustand, indem das Land mit den Vorzügen und Nachteilen der politischen Unabhängig-
keit umgehen muss, zugleich allerdings nach wie vor ökonomisch komplett abhängig ist
(Nkrumah in Campbell 86). Zur politischen Unabhängigkeit Jamaikas von Großbritan-
nien kam es am 02. August 1962. Die Bevölkerung ergriff nun andere Mittel der Selbst-
verwirklichung, die Rastafari hatten vermehrt Zulauf, und der Kampf der Identitätsfin-
dung ging stetig weiter.
3.1.2
Rastafari und Reggae
Als Folge des Sklavenhandels trafen Menschen verschiedener Völker mit unterschiedli-
chen Sprachen aufeinander. Sowohl die Kommunikation untereinander als auch die mit
den Plantagenbesitzern und masters jeglicher Form stellte eine Notwendigkeit dar. Auf-
grund dessen entwickelten sich über die Zeit im karibischen Raum viele pidgin languages
und daraus später teils auch creoles, also Sprachen, deren Entstehung auf einer Mischung
verschiedener, teils sehr unterschiedlicher Ursprungssprachen beruht. ,,Robbed of their
language and forcibly tied to the institutions of capital, African peoples developed musi-
cal forms which were means both of communication and inspiration" (Campbell 125).
Einige Formen der Musik mit afrikanischer Prägung wurden von den Plantagenbesitzern
geduldet oder gar begrüßt, da sie mit ihren schweren gleichmäßigen Trommelklängen zu
diszipliniertem und zügigem Arbeiten der Sklaven führten. Die Musik war für diese Men-
schen also etwas Eigenes, etwas, das ihnen gehörte, das sie erschaffen hatten und ausleben
durften. Allein dies begründet bereits die bedeutende Rolle von Musik in Jamaika, wenn
es darum geht, sich der eigenen Geschichte und Wurzeln zu besinnen. Musik verkörpert
somit gleich zwei Aspekte der Renaissance; zum einen ist das Produzieren selbst eine
Form des Rückblickens, zum anderen kann mittels der Texte dies auch inhaltlich getan
werden. Genau dieser Blick in die eigene Geschichte und somit auch nach Afrika, und
der daraus erhoffte Aufbau einer racial consciousness waren wichtige Anliegen der Ras-
tafari. Somit ist nur naheliegend, dass die Musik zu einem wichtigen Teil in der Bewe-
gung wurde und bis heute ist. ,,[T]he Rastafari had begun to promote the cultural and

9
musical forms in the search for popular culture" (Campbell 5), wodurch Musik ein Mittel
der Kommunikation und zu einer Form des kulturellen Widerstandes wurde (ebd.). Auf
der einen Seite liegt der Nutzen der Musik für die Bewegung darin, dass über das gespro-
chene beziehungsweise gesungene Wort auch jene erreicht werden können, die des
Lesens und Schreibens nicht mächtig sind; somit stellt die Musik fast eine Notwendigkeit
dar, da ein Großteil der Anhänger vor allem aus den Slums und den ruralen Gebieten
Jamaikas kam. Auf der anderen Seite dient sie in der Form, wie sie von den Rastafari
geprägt wurde, ebenfalls zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls.
,,[T]he Rastas have built upon the foundations of the Jamaican language, resisting
the traditions of the local white, mulattoes and educated blacks which said that the
language of the people was `bad talk'. [...] This language incorporated a conceptual
system in keeping with [...] the prevalence of handicraft skills, a system of beliefs,
entertainment and those cultural values which formed the world of the poor African
Jamaican. The standard English of the schools and law courts was a second lan-
guage to the sufferers." (Campbell 123)
Vieth und Zimmermann erklären, dass der vorherrschende Musikstil ­ ,,Calyp-
so" und in Jamaika im Speziellen das ,,Mento" ­ in den fünfziger Jahren im Zuge der
beginnenden Industrialisierung und der damit einhergegangenen Veränderungen in der
Gesellschaft sein Ende fand (25). Der Rythm & Blues aus den USA kam unmittelbar nach
dem Ende des zweiten Weltkrieges in Jamaika an (Katz xi). Dies führte wiederum zur
Entwicklung der sogenannten Soundsystems, unter denen man eine Art transportable
Musikanlage inklusive Lautsprechern, Verstärkern, Plattenspielern und Mikrophon ver-
steht. Sie stellten für die Menschen ein Medium zur Selbstbestimmung und Unabhängig-
keit von Radiosendern dar, da Musik durch die Regierung teilweise zensiert wurde oder
die populären Platten einfach zu teuer für die breite Masse waren. Doch auch das große
Interesse an dieser Musikrichtung währte nur rund zehn Jahre an. So kam es in Jamaika
zum Beginn des Wandels. ,,The pride of the Rasta drums and the chants of the brethren
coincided with a period when a new musical form was taking place in Jamaica ­ called
ska" (Campbell 126). Ska war ein Produkt der Euphorie der politischen Unabhängigkeit,
in dem der schwarzamerikanische Jazz mit den trommellastigen Musikformen und der
black nationalism mit der Musik der Rastafari verbunden wurde. ,,It was this period that
the Rasta began to influence the content of Jamaican music; and despite the component
of idealism and deliverance, the songs were pregnant with criticism of the racial hierarchy
of the society" (ebd. 127). Der Wandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zeichnete
sich in den populären Musikformen ab. Wenige Jahre nach der Unabhängigkeit von der
britischen Krone, verlangsamte sich der Ska zum Rock Steady und selbst ,,[t]he more
astute politicians understood the full force of the social community embedded in rock

10
steady, so that there was an effort to co-opt the Rastafarians by inviting Haile Selassie to
Jamaica on a State visit, in April 1966" (ebd.). Abgesehen von diesen Versuchen sich
dem Volk anzunähern, bekamen die Künstler keine finanzielle Unterstützung und wurden
auch aufgrund der scharfen Kritik in den polarisierenden Liedtexten von den Plattenla-
beln ausgebeutet. Campbell erklärt den erneut eingetretenen Wechsel ­ nun von Rock
Steady zu Reggae ­ sowohl als Reaktion auf die sich verändernden sozialen Bedingungen
in der Gesellschaft als auch deren Spiegelung (134). ,,It was in the period of the develop-
ment of reggae that the masses reasserted the strong influence of cultural values in the
development of the confidence of the society"(ebd.). Wie Vieth und Zimmermann dar-
stellen, gibt es für die Ursprünge des Wortes ,Reggae` verschiedene Theorien, sei es, dass
ein Künstler diesen Begriff eigens kreierte, oder er vom afrikanischen Ragga-Stamm
abgeleitet wurde und somit nichts anderes als ,Wurzeln` bedeuten würde (35). ,,Reggae
is many things to different people ­ `conscious' music dealing with social and racial
issues; a reawakened African art form; just another danceable Caribbean rhythm" (Chang
und Chen 6). Für die Rastafari der 1970er und folgenden Jahre ist Reggae ,,[...] not just
a music, more a philosophy, with the advice handed out to a danceable beat" (ebd. 43).
Die siebziger Jahre waren eine bedeutungsträchtige Zeit, sowohl in der Politik als auch
der Musik. The People's National Party (PNP) geführt von Michael Manley benutzte für
ihre Wahlkampagne einige populäre Hits der Zeit und heuerte diverse Musiker an, für sie
durch das Land zu touren und Stimmung für sie zu machen ­ mit Erfolg. Auch dies ist
wiederum ein Beispiel dafür, wie eng Musik und Politik in Jamaika verknüpft waren und
bis heute sind. Neben ,,Perry Henzell's movie `The Harder They Come'" (ebd. 48) war
Bob Marley maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Reggae und mit ihm die Ideen der
Rastafari schließlich in die USA und andere Länder transportiert wurden.
3.2
Marcus Garvey in der Musik
Durch die direkte Verbindung Garveys zur Rastafari-Bewegung und folglich auch zum
Reggae kann die Produktion dieser Musik selbst als Renaissance Garveys angesehen wer-
den. Die Bedeutung für die Bewegung begründet natürlich auch, warum er und seine
Ideen konkrete Bestandteile der Musik geworden sind. Es gibt eine Vielzahl an Liedern,
die eine Beschreibung seines Lebens und Strebens darstellen. Die Musiker nutzten natür-
lich auch die Möglichkeit, neben bibliographischen Informationen ihre persönliche Ein-
stellung zu Garvey in die Liedtexte mit einzubinden. ,,Marcus Garvey was a Negro and
was born in Jamaica| Marcus Garvey was a hero and was born in Jamaica" (The
Skatalites). Doch nicht immer hatten die Jamaikaner und Afroamerikaner diese Ansicht,
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Details

Title
Marcus Garveys Renaissance. Eine kritische Untersuchung in zeitgenössischer Populärkultur und die Darstellung von Garvey in der Literatur
College
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Amerikanistik)
Grade
1,0
Author
Year
2017
Pages
47
Catalog Number
V373687
ISBN (eBook)
9783668533301
ISBN (Book)
9783668533318
File size
1035 KB
Language
German
Keywords
Marcus Garvey, Reggae, Rocksteady, Garvey, Polarisierung, Kultur, Literatur, Blood and Brotherhood, UNIA, U.N.I.A., NAACP
Quote paper
Franziska Schulze (Author), 2017, Marcus Garveys Renaissance. Eine kritische Untersuchung in zeitgenössischer Populärkultur und die Darstellung von Garvey in der Literatur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373687

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