Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dessen Anwendung auf GmbH-Geschäftsführerinnen und -Geschäftsführer


Hausarbeit, 2017

50 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

B. Die Anwendung des KSchG auf GmbH-Geschäftsführer im innerdeutschen Recht
I. Der Geschäftsführer einer GmbH
II. Der persönliche Anwendungsbereich des KSchG
1. Erster Abschnitt. Allgemeiner Kündigungsschutz
2. Zweiter Abschnitt. Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung
III. Der GmbH-Geschäftsführer nach deutschem Verständnis
1. In der Literatur
2. In der Rechtsprechung
IV. Innerdeutsche Anwendungsfälle des KSchG auf GmbH-Geschäftsführer
1. Verweisungsklausel im Anstellungsvertrag
2. Der Karrieregeschäftsführer
3. Der Geschäftsführer in Drittanstellung
4. Geschäftsführer und Arbeitnehmer zur gleichen Zeit
5. Anmerkung zu innerdeutschen Ausnahmekonstellationen

C. Anwendung des KSchG auf GmbH-Geschäftsführer bei Europarechtsbezug
I. Entscheidungen des EuGH
1. Rechtssache Danosa
2. Rechtssache Balkaya
3. Rechtssache Holtermann
II. Analyse der EuGH Entscheidungen
1. Der Arbeitsnehmerbegriff in Deutschland
2. Der Arbeitnehmerbegriff nach europarechtlichem Verständnis
3. Europäischer Einfluss auf das KSchG
4. Kritik an der EuGH Rechtsprechung
III. Ausnahmekonstellationen zum Arbeitnehmerbegriff des EuGH
1. Einteilung der Geschäftsführer
2. Besonderheiten in der GmbH-Struktur
a) § 38 Abs. 2 S. 1 GmbHG
b) GmbH innerhalb eines Konzerns
c) Mitbestimmte GmbHs

D. Ergebnis

Selbstständigkeitserklärung

Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Das KSchG normiert diverse Schutzvorschriften für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen1, insbesondere das „Filetstück des Arbeitsrechts“2, den allgemeinen Kündigungsschutz. Findet das KSchG auf bestimmte Beschäftigte Anwendung, können diese auf verfahrensrechtliche Erleichterungen und arbeitsrechtliche Schutzmechanismen hoffen. Unter diesen „Sicherungsschirm“ wollen daher auch GmbH-Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer gelangen.

Grundvoraussetzung um in diesen rechtlichen Genuss zu kommen, ist die Arbeitnehmereigenschaft.

Die GmbH-Geschäftsführerin bzw. der Geschäftsführer nimmt allerdings eine rechtliche „Zwitterstellung“ ein. Auf der einen Seite im Gesellschaftsrecht als Organ oder Teil eines Organs eingebunden und auf der anderen Seite besteht zur GmbH eine vertragliche Bindung. Seit jeher wird über den Einfluss von Wesen und Inhalt dieses Vertrags auch auf die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften gestritten. In der Regel als Anstellungsverhältnis bezeichnet, stellt sich die Frage, ob es auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages oder eines Arbeitsvertrages, welcher dem Geschäftsführer den Zugang zu den vorgenannten günstigeren arbeitsrechtlichen Normen eröffnen könnte, beruht.

Diese schon lang schwelende Diskussion wurde jüngst durch drei Entscheidungen des EuGH angeheizt.

Darin wurde jeweils dem Organmitglied unter Definitionsversuchen zum Arbeitnehmerbegriff die Stellung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer zuerkannt, was den Schutz durch arbeitsrechtliche Normen zur Folge hatte. Beginnend mit einer Gesetzesanalyse des KSchG wird im Folgenden zunächst das deutsche Verständnis zur Einordnung der GmbHGeschäftsführerin bzw. des Geschäftsführers dargestellt.

Anschließend werden Ausnahmen abgebildet, in denen das KSchG für Mitglieder des GmbH-Leitungsorgans im innerdeutschen Recht Anwendung findet.

Im zweiten Teil der Hausarbeit wird auf die Entscheidungen des EuGH eingegangen. Nach einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Judikaten und deren Folgen für die Anwendung des KSchG auf GmbH- Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer werden Ausnahme- konstellationen zur europäischen Sichtweise dargestellt.

B. Die Anwendung des KSchG auf GmbH-Geschäftsführer im innerdeutschen Recht

I. Der Geschäftsführer einer GmbH

Die Geschäftsführerin bzw. der Geschäftsführer einer GmbH ist das durch § 6 GmbHG zwingend vorzuhaltende Organ der Gesellschaft, welches die GmbH nach außen vertritt.3 Hierbei können auch mehrere natürliche Personen die Geschäftsführung bilden, sodass es insoweit keine Höchstgrenze gibt.4 Die Aufgaben bestehen in der Führung der Geschäfte und Repräsentation der GmbH. Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung haben die Mitglieder der Geschäftsleitung umzusetzen.5 Die Ausgestaltung des Kompetenzgefüges der verschiedenen Organe in der GmbH richten sich, vorbehaltlich der GmbH- Gesellschaftssatzung, nach den §§ 35 ff. GmbHG.

II. Der persönliche Anwendungsbereich des KSchG

1. Erster Abschnitt. Allgemeiner Kündigungsschutz

Grundsätzlich normiert der § 1 Abs. 1 KSchG, dass eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer rechtsunwirksam ist, wenn diese sozial ungerechtfertigt ist. Auf die betrieblichen Rahmenbedingungen als weitere Anspruchsvoraussetzungen wird in dieser Hausarbeit nicht eingegangen. Für den persönlichen Anwendungsbereich spielt daher nach § 1 Abs. 1 KSchG nur die Einordnung des GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer eine Rolle. Die mindestens 6-monatige Beschäftigungsdauer in demselben Betrieb gemäß § 1 Abs. 1 KSchG wird vorausgesetzt. Das KSchG enthält in § 14 eine spezielle Regelung für Angestellte in leitender Stellung. Danach gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts des KSchG nicht für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Da gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG die Gesellschaft durch die Geschäftsführer vertreten wird, fallen diese unter die negative Fiktion6 des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Dies führt dazu, dass die Geschäftsführer ohne weitere Prüfung, ob diese nun Arbeitnehmer sind oder nicht, aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes des KSchG ausgenommen sind.

2. Zweiter Abschnitt. Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung

Der Zweite Abschnitt des KSchG soll die Unabhängigkeit der Amtsausübung7 der Arbeitnehmervertretungen gewährleisten.

Konsequenterweise als natürlicher Gegenspieler der Arbeitnehmer- vertretungen kann der Geschäftsführer als Vorgesetzter der Belegschaft an dieser Stelle nicht geschützt sein. Dies macht auch § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG deutlich, indem dieser fast wortgleich zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Geschäftsführer aus dem Anwendungsbereich des BetrVG ausnimmt. Demzufolge können Geschäftsführer sich nicht zu Betriebsräten und ähnlichem wählen lassen und den besonderen Schutz des Zweiten Abschnitts des KSchG in Anspruch nehmen. Hierüber besteht, soweit ersichtlich, kein Streit.

3. Dritter Abschnitt. Anzeigepflichtige Entlassungen

Im Dritten Abschnitt des KSchG geht es um die Besonderheiten die bei Massenentlassungen zu beachten sind. Die Regelungen setzen die Richtlinie 98/59/EG der EU in nationales Recht um.8

Wiederum ist mit § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG eine vom Gesetzgeber klarstellende Norm zu gesellschaftsrechtlichen Organmitgliedern eingefügt worden, um unter anderem die Geschäftsführer aus dem Anwendungsbereich auch des Dritten Abschnitts des KSchG auszunehmen.

Demnach ist zumindest nach dem reinen Gesetzeswortlaut das KSchG nicht auf GmbH-Geschäftsführern anwendbar.

III. Der GmbH-Geschäftsführer nach deutschem Verständnis

1. In der Literatur

Die bereits erwähnte Doppelstellung des Geschäftsführers führt zu Diskussionsbedarf.9 Einerseits bestehen gesellschaftsrechtliche Rechte und Pflichten. Es handelt sich um körperschaftliche Rechtsakte, die gesetzliche und satzungsmäßige Kompetenzen begründen.10 Hierzu sind vor allem die Vertretungsbefugnis aus § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG und die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung zu Lasten des Geschäftsführers nach §§ 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 GmbHG zu nennen, sofern in der Gesellschaftssatzung keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Das Arbeitszeitgesetz gilt für Mitglieder von Gesellschaftsorganen nicht und zudem haben diese regelmäßig keine festgesetzten Arbeitszeiten.11 Der Arbeitnehmerbegriff passt daher nach überwiegender Meinung nicht auf diese Personengruppe.

Andererseits besteht nach der herrschenden Trennungstheorie12 parallel neben den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen auch ein Anstellungsvertrag zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH. Diese gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Beziehungen seien strikt zu trennen.13 Denn die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen, durch Gesetz oder auch Gesellschaftssatzung, bilden ein ausgeklügeltes Regelungssystem, um insbesondere die gesellschaftsrechtlichen Organkompetenzen abzugrenzen.14 Damit soll den verschiedenen Akteuren der Gesellschaft und deren Interessen Genüge getan werden.15

Im Anstellungsvertrag dagegen sind typische arbeitsvertragliche Themen wie Vergütung, Urlaub oder auch Altersvorsorge geregelt. Einige Stimmen veranlasst dies, an dieser Stelle ein Arbeitsverhältnis anzunehmen und den Geschäftsführer als Arbeitsnehmer zu identifizieren.16 Insbesondere sei der Geschäftsführer durch die jederzeit drohende Abberufung ähnlich weisungsgebunden wie ein Arbeitnehmer. Zumindest, wenn es sich um einen Fremd-Geschäftsführer oder um den Gesellschafter-Geschäftsführer handelt, der nur eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft hält17. Es liege dann eine ähnliche Schutzbedürftigkeit wie bei herkömmlichen Arbeitnehmern vor18, da insbesondere den inhaltlichen Grenzen des Weisungsrechts nach § 37 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich keinerlei Grenzen gesetzt sind.19

Die überwiegende Meinung allerdings nimmt ein freies Dienstverhältnis an und will daher arbeitsrechtlich schützende Normen wie das KSchG nicht auf Geschäftsführer anwenden.20 Denn wenn Organstellung und Anstellungsverhältnis zu trennen sind, könne die jederzeitige Abberufbarkeit nach dem Gesellschaftsrecht nicht Einfluss auf das Anstellungsverhältnis haben.21

[...]


1 Im Zuge einer geschlechtergerechten Sprache wird in dieser Arbeit insoweit ein Kompromiss zwischen sprachlicher Korrektheit und flüssiger Lesbarkeit erfolgen. Hiermit ist keinerlei Wertung verbunden.

2 Bauer/Arnold: DB 2008, 350 (352).

3 MüKoGmbHG/ Goette GmbHG § 6 Rn. 3.

4 Fastrich in: Baumbach/Hueck GmbHG § 6, Rn. 5.

5 MüKoGmbHG/ Goette GmbHG § 6 Rn. 3.

6 NK-ArbR/ Eylert KSchG § 14 Rn. 6.

7 BeckOK ArbR/ Volkening KSchG § 15 Rn. 1.

8 ErfK/ Kiel KSchG § 17 Rn. 1.

9 Reiserer: BB 2016, 1141 (1141).

10 BAG v. 26.05.1999 - 5 AZR 664/98 = NZA 1999, 987-989.

11 Fischer: NJW 2011, 2329 (2330).

12 BGH v. 24.11.1980 - II ZR 182/79 = NJW 1981, 757-759; Jaeger: NZA 1998, 961 (963); Stagat: DB 2010, 2801 (2801).

13 Goette: FS Wiedemann, 873 (873).

14 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck GmbHG, Vor § 35, Rn. 3.

15 Lücke/Simon in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 38, Rn. 1.

16 Wank: FS Wiedemann, 587, passim.

17 zur Einteilung von Geschäftsführer in diesem Zusammenhang siehe C. III. 1.

18 Preis/Sagan: ZGR 2013, 26 (27).

19 Nägele: BB 2001, 305 (305).

20 BGH v. 07.12.1961 - II ZR 117/60 = NJW 1962, 340-343; Goette: FS Wiedemann, 873 (873).

21 Preis/Sagan: ZGR 2013, 26 (28).

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dessen Anwendung auf GmbH-Geschäftsführerinnen und -Geschäftsführer
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Note
13
Autor
Jahr
2017
Seiten
50
Katalognummer
V373735
ISBN (eBook)
9783668514188
ISBN (Buch)
9783668514195
Dateigröße
827 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeits- und Gesellschaftsrecht, GmbH, Kündigungsschutzgesetz, Geschäftsführer, EuGH, KSchG, Arbeitnehmerschutz
Arbeit zitieren
Thomas Bensch (Autor:in), 2017, Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dessen Anwendung auf GmbH-Geschäftsführerinnen und -Geschäftsführer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373735

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