Morphemerwerb im Englischen und Deutschen


Term Paper, 2004

21 Pages, Grade: 1


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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Ein Kurzer Überblick: Grammatische Morpheme im Englischen und Deutschen
2.1. Verbmorphologie
2.2. Nominalmorphologie
2.3. Adjektivmorphologie
2.4. Präpositionen
2.5. Zusammenfassung

3. Der Morphemerwerb des Englischen
3.1. Erwerbsreihenfolge nach Brown (1973)
3.2. Einflussfaktoren auf den Morphemerwerb
3.2.1. Gesetz der kumulativen Häufigkeit
3.2.2. Häufigkeit
3.2.3. Stufen beim Erwerb von unregelmäßigen Formen
3.3. Zusammenfassung

4. Der Morphemerwerb des Deutschen
4.1. Im Vergleich mit dem Englischen
4.2. Besonderheiten bei der Entwicklung der Morphologie im Deutschen
4.2.4. Frühes Stadium
4.2.5. Drei und mehr Wörter (bis 4;0)
4.2.6. Spätere Entwicklung (4;0 und älter)

5. Ergebnis

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einführung

Wie lernen Kinder Grammatik? Verschiedene Gruppen von Linguisten vertreten bei dieser Frage jeweils unterschiedliche Theorien. Während die Nativisten bei Kindern von einer angeborenen sprachlichen Struktur, einer Universalgrammatik, ausgehen, sind die Behavioristen überzeugt, dass das Kind grammatische Strukturen von Anfang an selbst und nur mit Hilfe der sprachlichen Äußerungen, die es hört, aufbaut und das menschliche Gehirn sich sozusagen von einer Tabula rasa zu einem ausschließlich durch Erfahrungen geprägten Organ entwickelt.[1]

Kognitivisten wiederum glauben, dass dem Sprachenlernen nichts anderes als allgemeine Lernmechanismen zugrunde liegen, die das Kind auch für andere Bereiche des Lebens benutzt, also wenn es zum Beispiel Zahlen oder soziale Konventionen lernt.[2] Es wird davon ausgegangen, dass kognitive Entwicklung eine Grundvoraussetzung des Sprachenlernens ist.

Der Interaktionismus stellt das Lernen der Srache als einen wechselseitigen Prozess dar, bei dem Interaktion im Mittelpunkt steht. Diese Theorie sagt jedoch weniger über das eigentliche Erlernen von grammatischen Strukturen aus.[3]

In dieser Arbeit soll es um den Grammatikerwerb und zwar im Speziellen um den Morphemerwerb bei deutschsprachigen und englischsprachigen Kindern gehen. Es soll untersucht werden, ob der Morphemerwerb dieser beiden Sprachen überhaupt vergleichbar ist, ob Ähnlichkeiten beim Erwerb zu erkennen sind und mit welcher Art Probleme deutsch- bzw. englischsprachige Kinder eventuell konfroniert werden.

Auf den ersten Blick erscheinen die beiden Sprachen ähnlich. Tatsächlich sind Englisch und Deutsch sprachgeschichtlich eng miteinander verbunden. Beides sind westgermanische Sprachen.

Vielleicht kann am Ende der Arbeit eine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit so etwas wie eine Universalgrammatik vorhanden ist. Als Schwerpunkte werden neben den morphologischen Besonderheiten der beiden Sprachen die Erwerbsreihenfolge und die Entwicklungsraten beim Morphemerwerb beschrieben. Meine Arbeit stützt sich hauptsächlich auf die Untersuchungen von Roger Brown (1973)[4] und Anne E. Mills (1985)[5]. Brown beobachtete drei Kinder längsschnittlich und veröffentlichte seine Ergebnisse in der für die englische Sprache bisher meistzitierten[6] Studie A First Language (1973). Anne E. Mills stützt ihre Aussagen über den Spracherwerb des Deutschen auf verschiedene Tagebuchstudien (Preyer, 1882; Lindner, 1898; Schädel, 1905; Scupin & Scupin, 1907, 1910; Stern & Stern, 1928; Leopold, 1949) und auf eine Sammlung von Park, der drei 2-3jährige Kinder mit Schweizerdeutsch beobachtete.[7]

2. Ein Kurzer Überblick: Grammatische Morpheme im Englischen und Deutschen

2.1. Verbmorphologie

Für die Präsensform gibt es im Deutschen vier und im Englischen zwei Personalendungen. Die Englische Verlaufsform besteht aus einem diskontinuierlichen Morphem, d.h. aus der Präsensform des Hilfsverbs be (drei Formen) und dem Vollverb mit dem Suffix – ing. Die einfache Vergangenheit (Präteritum) wird durch die Morpheme - t - bzw. – ed markiert, wobei es für das englische Morphem – ed drei phonologisch determinierte Allomorphvarianten gibt (/ d /, / t /, / id /). Obwohl sie unterschiedlich gebraucht werden, besteht das deutsche sowie auch das englische Perfekt (Present Perfect) aus einem diskontinuierlichen Morphem: aus der Präsensform des Hilfsverbs have (zwei Formen) im Englischen bzw. haben (fünf Formen) oder sein (fünf Formen) im Deutschen und dem Partizip II des Vollverbes. Im Deutschen gibt es drei Muster der Partizipbildung: stark, schwach und gemischt; wobei 1.000 Verbtypen 96% aller Verben erklären.[8] Diese 1.000 Verben wiederum bestehen aus 502 starken, 50 gemischten und 448 schwachen Verben.[9] Im Englischen liegt die Verteilung der 2.347 Verbtypen bei 91% für regelmäßige Partizipbildung (Form wie regelmäßige Vergangenheitsform) und bei 9% für die unregelmäßige Partzipbildung.[10] Die regelmäßigen Formen sind im Englischen im Gegensatz zum Deutschen also eindeutig dominant.

2.2. Nominalmorphologie

Es gibt zwei englische Substantivdeklinationen: das Plural – s und das Possessiv – s. Beide Formen sind phonematisch identisch, können aber aus dem Kontext heraus unterschieden werden. Beide Deklinationen haben drei phonologisch festgelegte Allomorphvarianten: / s /, / z / und / iz /.

Im Gegensatz zum Englischen erscheint die deutsche Nominalmorphologie mit ihren vier Fällen und drei Genera wesentlich komplexer. Hinzu kommt, dass es für die Pluralbildung (fast) keine Regeln gibt und die Wahl zwischen mehreren Pluralendungen besteht (-s, -(e)n, -e, -e mit Umlaut, -er, -er mit Umlaut, -ø, -ø mit Umlaut). Da die Substantive in der Regel nur entweder im Dativ oder Genitiv eine andere Form annehmen, sind diese Deklinationsmuster relativ unkompliziert. Komplexer wird es bei der Artikeldeklination (sechs Formen für den bestimmten Artikel und fünf Formen für den unbestimmten mit jeweils zwölf Funktionen – ohne Plural) und der Deklination der Pronomen (24 Formen für 36 Funktionen). Die letztere Deklination ist mit dem Englischen vergleichbar: dort gibt es 27 verschiedene Pronomen für 32 Funktionen. Außerdem gibt es im Englischen nur einen bestimmten Artikel (the) und zwei unbestimmte Artikel (a, an). Die Benutzung der beiden unbestimmten Artikel ist phonologisch bestimmt, wohingegen es für die Zuordnung der Artikel zum Substantiv im Deutschen keine Regel gibt, außer der Artikel stimmt auch mit dem „objektiven“ Geschlecht (der Mann, die Frau) überein.

2.3. Adjektivmorphologie

Die Adjektivendungen im Deutschen werden in schwache (mit vorhergehendem bestimmten Artikel), starke (ohne Artikel) und gemischte Endungen (mit unbestimmtem Artikel) eingeteilt. Es gibt sechs verschiedene Endungen (- ø, -e, -er, -es, -em, -en). Im Englischen gibt es zwar keine Adjektivdeklination, jedoch ebenso wie im Deutschen zwei Steigerungsflexionen (-er, -est). Außerdem wird im Englischen bei der Bildung von Adverbien in der Regel die Endung – ly angehängt.

2.4. Präpositionen

Der Gebrauch von Präpositionen unterscheidet sich vom Englischen insofern, als bestimmte Präpositionen mit dem Dativ und andere mit dem Akkusativ stehen. Einige Präpositionen (Wechselpräpositionen) können auch mit beiden Fällen stehen und haben dann eine unterschiedliche Bedeutung (entweder Zustand oder Richtung).

2.5. Zusammenfassung

Auf den ersten Blick erscheint das deutsche Morphologiesystem bei Weitem komplizierter. Tatsächlich kommt man auf 66 grammatische Morpheme (69 mit Berücksichtigung der Umlautbildung beim Plural) für das Deutsche und auf 44 Morpheme (59 mit Berücksichtigung der Allomorphvarianten beim Plural- und Possessiv – s sowie bei der Vergangenheitsbildung) für das Englische.[11] Die Menge der grammatischen Morpheme im Englischen beträgt 66,6% (bzw. 72,5%)[12] von der Anzahl im Deutschen. Nicht zu vergessen ist außerdem die kleinere Anzahl von unregelmäßigen Verben in der englischen Sprache.

Obwohl ein wesentlicher Unterschied in den Morphologiesystemen der beiden Sprachen zu erkennen ist, stellt er sich zahlenmäßig bei Weitem nicht so groß dar, wie er auf den ersten Blick erscheint. Die Unterschiede liegen größtenteils in der variierenden Komplexität verschiedener grammatischer Phänomene zwischen dem Deutschen und Englischen.

[...]


[1] Karmiloff, Kyra/Karmiloff-Smith, Annette (2001): Pathways to Language. London. S. 4

[2] ibd. S. 5

[3] ibd. S. 6

[4] Brown, Roger (1973): A First Language: The Early Stages. London.

[5] Mills, Anne E. (1985): The Acquisition of German. In: Slobin, Dan Isaac (Hg.): The Crosslinguistic Study of Language Acquisition. Band 1: The Data. Hillsdale, N.J. S.141-254.

[6] Ingram, David (1989): First Language Acquisition: Method, Description and Explanation. Cambridge. S. 451

[7] Mills. S. 151f.

[8] Vgl. Ruoff (1981) in: Clahsen, Harald (1992): Commentary. In: Marcus, Gary F. et. al.: Overregularization in Language Acquisition. Monographs of the Society for Research in Child Development 57 (Nummer 228). S. 174

[9] Vgl. Ruoff (1981) in: Clahsen. S. 174

[10] Vgl. Francis & Kucera (1982) in: Clahsen. S. 174

[11] Präpositionen und unregelmäßige Formen wurden nicht berücksichtigt. Siehe auch Anhang.

[12] Berechnung mit den in Klammern aufgeführten Zahlen

Excerpt out of 21 pages

Details

Title
Morphemerwerb im Englischen und Deutschen
College
Dresden Technical University
Grade
1
Author
Year
2004
Pages
21
Catalog Number
V37402
ISBN (eBook)
9783638367530
File size
5225 KB
Language
German
Keywords
Morphemerwerb, Englischen, Deutschen
Quote paper
Susanne Busch (Author), 2004, Morphemerwerb im Englischen und Deutschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37402

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