Sozialarbeit im virtuellen Raum. Führt die Kommunikation über das Internet bei der Beratung zu Qualitätseinbußen auf emotionaler Ebene?

Professionelle Hilfe per Mausklick


Bachelorarbeit, 2016

66 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was soll Soziale Arbeit leisten?
2.1 Definitionsansatz der Sozialen Arbeit
2.2 Sozialarbeiterische Handlungsarten
2.3 Die Sprache als Kommunikationsmittel sozialarbeiterischer Tätigkeit

3. Beratung in der Sozialen Arbeit
3.1 Zum Begriff Beratung
3.2 Arbeitsfelder sozialarbeiterischer Beratung
3.3 Kommunikation als Form zwischenmenschlicher Beziehung
3.3.1 Klassische Kommunikationsmodelle
3.3.2 Bedeutung para- und nonverbaler Kommunikation für den Beratungskontakt

4. Online-Beratung
4.1 Besonderheiten und Charakteristika einer virtuellen Beratung
4.2 Zielgruppe virtueller Beratungsangebote
4.3 Beratungsformen
4.3.1 E-Mail
4.3.2 Chat
4.3.3 Foren
4.3.4 Mobile Medien
4.4 Vorgehensweisen in schriftbasierten virtuellen Beratungssettings
4.4.1 Das Vier-Seiten-Modell in der schriftlichen Kommunikation
4.4.2 Das Vier-Folien-Konzept
4.4.3 Die Metaphernanalyse
4.5 Kompensationsmöglichkeiten para- und nonverbaler Sprachelemente
4.6 Qualitätsstandards
4.7 Vor- und Nachteile der virtuellen Beratung
4.7.1 Vorteile der Online-Beratung
4.7.2 Nachteile der Online-Beratung

5. Die Rolle der in der Online-Beratung tätigen Fachkräfte
5.1 Gründe und Kompetenzen
5.2 Qualifizierungsmöglichkeiten

6. Zur Zukunft der Online-Beratung in der Sozialen Arbeit

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Eidesstattliche Erklärung über die Urheberschaft

1. Einleitung

Neue Medien und insbesondere das Internet sind aus dem Alltag der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Das Internet bietet eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten. Die Abwicklung von Online-Geschäften, die gezielte Suche nach Informationen sowie das Nutzen multimedialer Angebote wie Filme, Musik und Spiele stellen lediglich einen Bruchteil der Angebotsdimensionen im Netz dar. Die Anzahl der Internetnutzer*innen ist in den vergangenen Jahren in allen Altersgruppen angestiegen. Insbesondere aufgrund der enormen Verbreitung von Smartphones und den damit verbundenen Internet-Flatrates. Die ARD/ZDF-Onlinestudie verkündete erst kürzlich in ihrer Pressemitteilung, dass in diesem Jahr bereits 84% der deutschsprachigen Bevölkerung das Internet nutzen. Davon bewegen sich 65% sogar täglich im Netz. Auch bei der Gruppe der ab 70-jährigen ist ein starkes Wachstum zu erkennen. Im Jahr 2016 sind bereits 45% der älteren Generation online (vgl. ARD/ZDF-Mediankommission 2016, S.1). In der Altersgruppe der 14- bis 19-jährigen lag bereits im vergangenen Jahr die zumindest gelegentliche Internetnutzung bei 100% (vgl. Frees/Koch 2015, S.367). Eine besondere Bedeutung erhält jedoch die Kommunikation über digitale Kanäle. Hauptsächlich die jüngere Bevölkerung nutzt das Netz intensiv zum Kommunizieren wie z. B. in Chatrooms, Foren oder auf Sozialen Netzwerken. Im Zuge dessen wird die Soziale Arbeit in ihren Handlungskontexten geprägt. Adressat*innen der Sozialen Arbeit begeben sich vermehrt online auf die Suche nach Hilfe, Unterstützung und Beratung. Es ist bequem, anonym, mit wenig Aufwand verbunden und steht zu jeder Tageszeit zur Verfügung. Die Vielfalt an Unterstützungsangeboten in Form von Chaträumen, Foren oder anderen Kommunikationskanälen ist häufig die erste Anlaufstelle für Hilfesuchende. In diesen virtuellen Räumen findet ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch zwischen Ratsuchenden und (oftmals) Laien statt. Das Fehlen einer professionellen Beratung in diesen medialen Angeboten stellt eine nicht ganz unbedeutende Gefahr dar. Denn die subjektiven Meinungsäußerungen, im Sinne von Alltagsgesprächen, auf solchen Plattformen sind durch Halbwissen oder Weitergabe falscher Informationen geprägt. Das Angebot einer sozialarbeiterischen Online-Beratung kann dieser Gefahr entgegenwirken (vgl. Gehrmann 2010, S.104f.).

Sozialarbeit im virtuellen Raum, in Form der Online-Beratung, ist ein noch relativ junges Handlungsfeld, obwohl die virtuelle Hilfeform schon seit etwa zwei Jahrzehnten besteht. Mitte der 1990er Jahren ermöglichten unter anderem die sinkenden Preise für Computer und Modems sowie die Einführung des Webbrowsers einer breiten Bevölkerungsschicht das Nutzen des Internets. Die Zielgruppe umfasst überwiegend Heranwachsende, da diese verstärkt in der digitalen Welt aktiv sind. Aufgrund des niedrigschwelligen Zugangs und des vorhandenen Schutzraumes gewinnt die virtuelle Suche nach Hilfe an zunehmender Attraktivität (vgl. Risau/Schumacher 2005, S.246ff.). Die Unterschiede zwischen einer herkömmlichen (face-to-face) und einer schriftlichen Beratung im virtuellen Raum liegen vor allem in der Sprache. Peter Lüssi (vgl. 2001, S.182f.) bezeichnet die Sprache als Kommunikationsmittel der sozialarbeiterischen Tätigkeit, um soziale Probleme lösen zu können. Die Sozialarbeiter*innen nutzen die Sprache zum Kommunizieren mit ihren Klient*innen. Außerdem sind sprachliche Äußerungen der Personen bei der Einschätzung ihrer Gedanken, Handlungen, Gefühle und ihres Verhaltens von Nutzen. Um Probleme jedoch richtig verstehen zu können sind neben den verbalen Äußerungen das Deuten von Mimik, Gestik und dem Klang der Stimme entscheidend. Die zuletzt genannten Aspekte sind in einer rein schriftbasierten Online-Beratung nicht möglich. Aus diesem Grund steht die Soziale Arbeit vor einer Herausforderung. Demnach ist die zentrale Fragestellung dieser Bachelorarbeit: Ist Online-Beratung, aus Sicht der ratsuchenden sowie beratenden Personen, eine äquivalente Alternative zum face-to-face Beratungskontakt?

Einerseits eröffnet das Praktizieren Sozialer Arbeit im virtuellen Raum neue Zugänge zu den Hilfesuchenden. Andererseits muss sich die Frage gestellt werden, ob die virtuelle Kommunikation zu Qualitätseinbußen auf emotionaler Ebene im Beratungskontakt führt. Um dies herauszufinden, erfolgt in der vorliegenden Arbeit eine Beschränkung auf die schriftbasierte Online-Beratung. Demzufolge werden audio- und visuelle Kommunikationsformen von den nachfolgenden Betrachtungen ausgenommen. Außerdem wird es im Weiteren nicht um sogenannte routinierte Beratungen gehen, die lediglich Informationen an Personen weitergeben und schnell über das Internet abgewickelt werden können. Sondern um Beratungen, in denen eine intensive Interaktion stattfindet, sodass eine professionelle Beziehung zwischen Fachkraft und Klient*in zustande kommt bzw. zustande kommen sollte. Um über die beratende Tätigkeit in der Sozialen Arbeit schreiben zu können, wird im Folgenden zunächst geklärt, was eigentlich unter Sozialer Arbeit zu verstehen ist. Des Weiteren wird das Handlungsfeld der Beratung näher erläutert. Im Anschluss daran wird sich den Besonderheiten der virtuellen Hilfeform gewidmet. Weitere Betrachtungen beziehen sich auf die Rolle der online-beratenden Fachkräfte. Denn die meisten Sozialarbeiter*innen entscheiden sich für ihren Beruf, gerade weil sie den persönlichen Kontakt zu den Menschen schätzen. Diese Gegebenheit liegt in nahezu allen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit vor, jedoch nicht in einem Feld, welches sich auf eine rein schriftliche Kommunikation beschränkt. Den Abschluss dieser Arbeit bildet der Ausblick in die Zukunft, um prognostizierende Weiterentwicklungen in dem virtuellen Beratungsfeld herauszustellen.

2. Was soll Soziale Arbeit leisten?

Das Ziel dieses Kapitels ist eine komprimierte Darstellung von dem, was Sozialarbeit ist und was sie leisten soll. Eine ausführliche Beschreibung aller Arbeitsfelder und Funktionen der Sozialen Arbeit würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Im Kontext des Themas Sozialarbeit im Internet werden nachfolgend die Grundprinzipien erläutert, um herauszufinden, ob das Praktizieren Sozialer Arbeit im virtuellen Raum einen sinnvollen Weg darstellt. Die systemische Theorie der Sozialarbeit nach Peter Lüssi erhält hierbei eine besondere Beachtung. Das Kommunizieren im Internet, in Form der Beratung, erfolgt primär mittels textbasierter Sprache. Lüssi (vgl. 2001, S.182) ist davon überzeugt, dass die Sprache das zentrale Instrument der sozialarbeiterischen Fachkraft ist. Er ist einer von vielen der sich mit dem Berufsfeld der Sozialarbeit beschäftigt. Seine Ansätze, bezüglich deren Handlungsarten, sind für die vorliegende Arbeit am zutreffendsten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass andere Ansätze ausgegrenzt werden.

Zunächst erfolgt ein allgemeiner Definitionsansatz der Sozialen Arbeit. Im Anschluss daran werden die sozialarbeiterischen Handlungsarten nach Lüssi näher betrachtet. Diese beinhalten die Handlungsart Beratung, die den zentralen Inhalt der vorliegenden Arbeit darstellt.

2.1 Definitionsansatz der Sozialen Arbeit

Aufgrund der vielfältigen Handlungsfelder und Funktionen der Sozialen Arbeit ist eine präzise Begriffsbestimmung nahezu unmöglich, sodass nachfolgend ein Definitionsansatz laut International Federation of Social Workers (Abk. IFSW) dargestellt und näher betrachtet wird. Nach der IFSW lautet die, im Jahr 2014 auf der Generalversammlung verabschiedete, Definition von Sozialarbeit:

„Soziale Arbeit ist eine praxisorientierte Profession und eine wissenschaftliche Disziplin, deren Ziel die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen ist. Die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die Menschenrechte, gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlagen der Sozialen Arbeit. Gestützt auf Theorien zur Sozialen Arbeit, auf Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und indigenem Wissen, werden bei der Sozialen Arbeit Menschen und Strukturen eingebunden, um existenzielle Herausforderungen zu bewältigen und das Wohlergehen zu verbessern.“ (DBSH 2014, S.1)

Demzufolge ist eine Aufgabe der Sozialen Arbeit, Menschen zu befähigen Herausforderungen zu bewältigen, ihr Leben zu bereichern, Veränderungen einzugehen und ihr Wohlbefinden zu verbessern. Um strukturelle und persönliche Hindernisse zu beseitigen, verfolgt Sozialarbeit das Ziel der Stärkung und Befreiung des Menschen. Um den sozialen Wandel zu fördern, greift Soziale Arbeit dort, wo der Bedarf an Unterstützung und Hilfen entsteht (vgl. ebd., S.1ff.).

Diese sehr allgemein gehaltene Definition schließt keineswegs ein internetbasiertes Handlungsfeld aus. Das Leisten von Unterstützungen, Hilfen und das Zustandekommen zwischenmenschlicher Beziehungen können genauso im virtuellen Raum stattfinden. Wie bereits erwähnt soll Soziale Arbeit dort greifen, wo Bedarf besteht. Die Frage, in welcher Art und Weise Bedarf an virtuellen Hilfen besteht und wie bzw. ob diese aus Sicht der Sozialen Arbeit umsetzbar sind, wird im Verlauf dieser Arbeit geklärt.

2.2 Sozialarbeiterische Handlungsarten

Das Tätigkeitsspektrum der Sozialarbeit umfasst laut Lüssi (vgl. 2001, S.392ff.) sechs Handlungsarten: Beratung, Verhandlung, Intervention, Vertretung, Beschaffung und Betreuung. Nachfolgend werden diese sechs Handlungsarten kurz vorgestellt. Da der Hauptgegenstand dieser Arbeit „Sozialarbeit im virtuellen Raum“ ist, werden nachfolgend erste Überlegungen zu den jeweiligen Handlungsarten, im Hinblick auf deren Einsätze im virtuellen Raum, getätigt.

1. Beratung

Beratung ist in der sozialarbeiterischen Tätigkeit allgegenwärtig. Es findet ein Gespräch zwischen einer oder mehreren Personen statt, um zunächst ein Problem zu besprechen und im Anschluss daran eine geeignete Lösung zu finden. Ein Beratungsgespräch findet bestenfalls von Angesicht zu Angesicht statt. Aus arbeitsökonomischen Gründen werden Beratungen jedoch auch per Telefon oder Schriftverkehr ausgeführt. Der schriftliche Verkehr soll nach Lüssi (vgl. 2001, S.393f.) allerdings höchstens zusätzlich und keinesfalls ausschließlich stattfinden. Denn er sieht in einer rein schriftlichen Gesprächssituation das Problem, dass einerseits keine zeitgleiche Kommunikation stattfindet und andererseits direkte Rückfragegelegenheiten nicht möglich sind (vgl. ebd., S.186). Dies betrifft bei der Online-Beratung insbesondere das zeitversetzte Kommunizieren per E-Mail. Allerdings bietet der virtuelle Raum auch zeitgleiche Kommunikationsmöglichkeiten wie bspw. Chats. Demnach ist das Praktizieren dieser Handlungsart im Internet nicht auszuschließen. Des Weiteren hält Lüssi (vgl. ebd., S.183) eine para- und nonverbale Kommunikation als unentbehrlich für eine Gesprächssituation. Dieser Aspekt ist in einer schriftlichen Kommunikation nicht gegeben. Das Ziel einer Beratung ist es, dass die zu beratenden Personen ein Bewusstsein darüber entwickeln, worin das Problem liegt und sich dazu befähigen dieses selbstständig zu lösen. Weiterhin bestehen sozialarbeiterische Beratungsaufgaben darin, für ihre Klientel Informationen einzuholen, sie an andere Stellen weiterzuleiten, sie bei dem Ausfüllen von Behördenangelegenheiten zu beraten uvm. (vgl. ebd., S.394). Die zuletzt genannten Tätigkeiten etablierten sich bereits vielfältig im virtuellen Raum.

2. Verhandlung

Eine sozialarbeiterische Verhandlung entsteht, wenn zwischen mehreren Problembeteiligten ein Konflikt oder ein Beziehungsdefizit aufkommt. In dieser Handlungsart treten die in der Sozialarbeit tätigen Personen mit den Parteien in Kontakt, um das Problem mit ihnen gemeinsam zu verhandeln. Meist handelt es sich hier um soziale Konflikte, welche z. B. persönliche, rechtliche oder finanzielle Verhältnisse betreffen. Das Fehlen einer sozial nötigen Beziehung zwischen den Problembetroffenen kann ebenfalls Gegenstand einer sozialarbeiterischen Verhandlung sein. Die verhandlungsfördernden und -leitenden Aufgaben der Sozialarbeiter*innen bestehen darin, die Spannung zwischen den Beteiligten zu mindern und ein gegenseitiges Verständnis sowie ein sozial gerechtes Verhältnis zu schaffen (vgl. Lüssi 2001, S.404). Diese Handlungsart könnten Sozialarbeiter*innen online umsetzen, wenn Kommunikationsmöglichkeiten gegeben sind, bei denen mehrere Personen miteinander (möglichst zeitgleich) kommunizieren können.

3. Intervention

Bei der sozialarbeiterischen Handlungsart Intervention handelt es sich um einen Eingriff in eine soziale Problemsituation und zwar gegen den Willen des*der Beteiligten (oder mehrerer). In erster Linie geht es dabei um den Schutz der Betroffenen. Vorwiegend handelt es sich um Personen, bei denen eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Unter Fremdgefährdung zählt bspw. das zum Schutz des Kindes einschreitende Handeln einer sozialarbeiterischen Fachkraft gegen Eltern, die ihr Kind auf rechtlicher, physischer, psychischer oder materieller Ebene schädigen. Im Gegensatz dazu fügen sich Selbstgefährdete durch ihr eigenes Verhalten Schaden zu. Bei einer Fremd- oder Selbstgefährdung sind die Personen nicht in der Lage, ihre Lebenssituation durch eigenständiges Handeln zu verändern. „Diese ihre Hilflosigkeit angesichts schwerwiegender Gefährdung ihres persönlichen (körperlichen, seelischen, sozialen) Wohls ist die notwendige Bedingung für jenes sozialarbeiterische Handeln, das wir Intervenieren nennen“ (Lüssi 2001, S.415; Hervorh. im Original). Sozialarbeiter*innen stehen vor der Aufgabe, mittels rechtlicher und faktischer Maßnahmen, die Betroffenen zu schützen und in deren Problemzusammenhang einzugreifen (vgl. ebd.). Dieser Bereich der Intervention ist im virtuellen Raum nur bedingt umsetzbar. Da allerdings auch die Nutzung des Internets (z. B. Soziale Netzwerke, Chats, Foren) eine Vielzahl an Gefahren birgt wie etwa Cyber-Mobbing, kann dies ebenso zu Selbstgefährdung oder auch zu Fremdgefährdung führen. Um diesem Problem ein Stück weit entgegenwirken zu können, ist eine stärkere sozialarbeiterische Präsenz im virtuellen Raum eine Möglichkeit der Prävention. Dadurch werden die gefährdeten Personen dort erreicht, wo das Problem entstanden ist.

4. Vertretung

Die sozialarbeiterische Handlungsart Vertretung tritt ein, wenn die Sozialarbeiter*innen in einer rechtlichen Angelegenheit an Stelle einer anderen Person handeln. Entweder üben Sozialarbeiter*innen diese Rolle aus, indem sie von einem Vertretungsamt etwa als Vormund oder Beistand dazu verpflichtet oder sie von einer Person freiwillig dazu ermächtigt werden. Eine Vertretung kommt dann zustande, wenn Betroffene nicht in der Lage sind, ihre Rechte eigenständig zu verteidigen. Die Fachkräfte der Sozialen Arbeit üben dabei keinesfalls Macht über die Betroffenen aus. Vielmehr geht es darum, den zu vertretenden Personen eine faire Chance zu ermöglichen, ihre berechtigten Ansprüche realisieren zu können. Dadurch kann zugunsten der Klientel das Machtverhältnis innerhalb des Sozialsystems verändert werden (vgl. Lüssi 2001, S.431). Das Umsetzen einer virtuellen Vertretung ist kaum vorstellbar. Zumindest könnte eine allgemeine Beratung bzgl. der Vertretungsmaterie im virtuellen Raum stattfinden und nötige Informationen dort bereitgestellt werden. Auch das Zustandekommen des Erstkontaktes mit der (freiwillig) zu vertretenden Person wäre online vorstellbar. Des Weiteren besteht die Option für Angehörige sich im Vorfeld auf virtuellem Wege bei den sozialarbeiterischen Fachkräften über eine Vertretung zu informieren.

5. Beschaffung

Von Beschaffung wird in der Sozialarbeit gesprochen, wenn die sozialarbeiterische Fachkraft einer Person oder einer Personengruppe (z. B. Familie) Bedürfnisobjekte oder Dienstleistungen beschafft. Dadurch entsteht eine Kompensation sozialer Defizite der betreffenden Person. Diese Defizite beziehen sich auf Geld, Arbeit, Ausbildung, Nahrung, Betreuung oder andere Gebrauchsdinge (vgl. ebd., S.443). Um den Bedarf und die Notlage der Personen fachgerecht abzuschätzen, ist ein face-to-face Kontakt unumgänglich. Das Einleiten weiterer Schritte könnte jedoch, nach Abklärung, in einer virtuellen Beratungsstelle erbracht werden.

6. Betreuung

Das Handlungsfeld der Betreuung umfasst all die Dinge, die außerhalb der ersten fünf Handlungsarten anfallen. Das weite Tätigkeitsspektrum bezieht jedoch vieles mit ein, was auf die Beratung, Verhandlung, Intervention, Vertretung und Beschaffung ebenso zutrifft. Bei der sozialarbeiterischen Betreuungstätigkeit geht es darum, einer Person bei der Lebensbewältigung zu helfen, indem gewisse Angelegenheiten erledigt werden, wie etwa die finanzielle Verwaltung und die Sicherstellung von Hilfen im Bereich der Pflege, Erziehung oder des Haushaltes. Des Weiteren werden für die hilfesuchende Person Entscheidungen getroffen und kleinere Hilfsdienste geboten. Die in der Sozialarbeit tätigen Personen fungieren weiterhin als seelische Stütze und bauen eine persönliche Beziehung zu ihren Klient*innen auf (vgl. ebd., S.460). Im virtuellen Raum könnte eine Betreuung z. B. als Erweiterung des Angebotes ermöglicht werden. Allerdings ist diesbezüglich eine individuelle Betrachtung vonnöten, da die Betreuungstätigkeiten sehr weitläufig sind.

2.3 Die Sprache als Kommunikationsmittel sozialarbeiterischer Tätigkeit

Sozialarbeiterische Mittel werden nach Peter Lüssi für das Lösen von Problemen genutzt. Zu diesen Mitteln zählen bspw. die Institution, Geld, Sachen, das Recht, das Berufswissen, die Persönlichkeit und die Sprache. Für den Verlauf dieser Arbeit ist primär die Sprache von Bedeutung. Denn das Kommunikationsmittel Sprache spielt in dem Beruf der Sozialarbeiter*innen eine unverzichtbare Rolle. Die sozialarbeiterische Fachkraft spricht, denkt, schreibt, liest und hört zu. In all diesen Konstellationen geht es um das menschliche Interaktionsmedium Sprache. In Anwesenheit von Problembeteiligten verbleiben Sozialarbeiter*innen nicht in einem leeren Schweigen, sondern äußern sich ihnen gegenüber bspw. mit einem motivierenden oder erläuternden sprachlichen Verhalten, es sei denn gesonderte methodische Gründe erfordern dies. Das sozialarbeiterische Handeln erfolgt nicht allein durch Sprachäußerungen, sondern auch durch das Verstehen. Die Fachkräfte der Sozialarbeit besitzen die Fähigkeit problemrelevante Texte wie Dokumente, Berichte, Gesetze, Literatur oder Ähnliches zu verstehen. Zudem erkennen sie, was die Betroffenen mit ihren Worten ausdrücken wollen, auch wenn dies nicht immer eindeutig zu erkennen ist. Ebenso hören Sozialarbeiter*innen zu, wenn Betroffene zu ihnen oder zueinander sprechen. Diese sprachlichen Äußerungen geben Aufschluss über deren Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Den Fachkräften der Sozialen Arbeit ist es kaum möglich den Alltag ihrer Klient*innen mitzuerleben, sodass ihre Erzählungen oftmals das einzige Mittel darstellen, um Näheres über deren Probleme zu erfahren (vgl. Lüssi 2001, S.182f.).

Des Weiteren ist in Gesprächssituationen die nonverbale Kommunikation, in enger Verbindung mit den sprachlichen Äußerungen, besonders aufschlussreich und entscheidend für das Problemverständnis. Die nonverbale Kommunikation umfasst unter anderem die Mimik, Gestik sowie das körperliche Agieren in Form von schwitzen oder erröten. Paraverbale Kommunikation bezieht sich hingegen auf die Sprechweise, wie etwa der Tonfall oder die Sprachgeschwindigkeit. In telefonischen oder schriftlichen Gesprächen fehlt der visuelle Kontakt zum Gegenüber. Hierbei sind der sprachliche Inhalt und das sprachliche Verstehen immens wichtig. Umso bedeutender ist es, dass Sozialarbeiter*innen sich deutlich äußern können, bedacht in der Wahl ihrer Worte sind und vorschnelle Deutungen über Gesagtes vermeiden (vgl. ebd.). Bei der textbasierten Kommunikation im Internet fehlen diese wichtigen Merkmale wie Stimmklang, Betonungen, das Setzen von Pausen, Mimik und Gestik. Die schriftliche Kommunikation bietet hingegen andere Möglichkeiten, um bspw. Gefühlsregungen oder Betonungen auszudrücken (siehe Kap. 4.5).

Lüssi (vgl. 2001, S.184f.) nennt weiterhin vier spezifische Sprachkompetenzen, die sozialarbeiterische Fachkräfte besitzen müssen. Diese umfassen das sprachliche Verstehen, Sprechen, Schreiben und die Kommunikation mit fremdsprachigen Problembeteiligten. Mit sprachlichem Verstehen beschreibt der Autor, dass Sozialarbeiter*innen in der Lage sein müssen, das tatsächlich Gemeinte aus den verschiedensten Sprachstilen (z. B. der Jugendlichen oder alten Menschen) herauszuhören. Ebenfalls handelt es sich bei dieser Kompetenz, um das Begreifen sprachlicher Äußerungen von Kleinkindern sowie geistig- oder sprachbeeinträchtigten Menschen. Demzufolge verfügen sie über die Fähigkeit Wesentliches aus mangelhaften oder lückenhaften Sprachäußerungen herausfiltern zu können. Das Deuten und Verstehen von Fachsprachen gehören ebenso dazu. Es geht insbesondere darum, dass sozialarbeiterische Fachkräfte einen Sinn für den Ausdruck menschlicher Empfindungen entwickeln.

Da Sozialarbeiter*innen neben dem Verstehen genauso viel Sprechen müssen, ist auch diese Kompetenz unerlässlich für den sozialarbeiterischen Beruf. Die ausgebildeten Fachkräfte müssen ihre Gedanken klar zum Ausdruck bringen können, da eine missverständliche Kommunikation ihre Arbeit behindert. Außerdem müssen Sozialarbeiter*innen sprachflexibel sein, das heißt sie müssen sich auf ihr Klientel und deren Fähigkeiten des sprachlichen Verstehens einstellen können. Das Wählen einfacher Sätze und allgemein gebräuchlicher Worte sind dafür nötig. Verständlich sprechen bedeutet aber auch, dass nicht zu leise, zu schnell oder undeutlich gesprochen wird. Ebenfalls betont der Autor, dass die in der Sozialarbeit tätigen Personen keinesfalls die Redeweise anderer übernehmen sollen, indem bspw. ein kindischer oder grammatikalisch falscher Sprachstil verwendet wird. In Gesprächssituation mit Fachleuten wird jedoch eine andere Sprache verlangt. In solchen Konstellationen sollten die Sozialarbeiter*innen sich in einer differenzierten, der Situation angemessenen, Sprache ausdrücken. Dadurch sinkt vor allem die Gefahr, unterschätzt zu werden (vgl. ebd., S.185f.).

Das Schreiben gehört ebenfalls zu den Sprachkompetenzen der sozialarbeiterischen Fachkräfte. In dem schriftlichen Verkehr gelten alle vorherig genannten Aspekte des Sprechens. Im Vergleich zu einer Gesprächssituation findet bei dem Schriftverkehr jedoch keine para- und nonverbale Kommunikation statt und mögliche Rückfragen können während des Gespräches nicht direkt gestellt werden. Demnach spielen die Wortwahl und der Satzbau eine bedeutende Rolle. Dadurch wird sichergestellt, dass der Empfänger das Gemeinte nicht fehlinterpretiert. Die schriftliche Kompetenz wird insbesondere bei dem Verfassen von Berichten, Gutachten und Anträgen benötigt. Denn die Darstellung des sozialen Sachverhaltes muss präzise erfolgen, sodass die Lösungsvorschläge den zuständigen Instanzen überzeugend vermittelt werden können. Nach Lüssi (vgl. ebd., S.186f.) findet heutzutage der Kontakt zu den Problembeteiligten überwiegend per Telefon oder von Angesicht zu Angesicht statt. Sollte jedoch schriftlicher Verkehr vonnöten sein, dann muss dieser von den Fachkräften so verfasst werden, als würde verbal zu den Beteiligten gesprochen werden. Dies bedeutet, es sollte ein Sprachstil verwendet werden, der der empfangenden Person bekannt ist und verständlich die Kommunikationsinhalte wiedergibt.

Die letzte sprachliche Fähigkeit, die in der Sozialarbeit tätige Personen besitzen müssen, lautet: Kommunikation mit fremdsprachigen Problembeteiligten. Fremdsprachig ist jede Person, die nicht die Sprache der Sozialarbeiter*innen spricht. Bei dem Kommunizieren mit Menschen aus anderen Ländern entstehen oftmals Sprachbarrieren, welche zu Missverständnissen führen. Dagegen besteht die Möglichkeit des Hinzuziehens eines Dolmetschers. Da das direkte Kommunizieren mit den Beteiligten jedoch natürlicher ist, kann dafür eine Drittsprache wie etwa Englisch oder Spanisch verwendet werden. Dennoch entsteht hierbei die Gefahr, dass die eigenen fremdsprachigen Kompetenzen und die des Gegenübers überschätzt werden. Die sozialarbeiterischen Fachkräfte müssen einerseits in der Lage sein, die Situation richtig einzuschätzen. Das heißt, wenn bspw. ein*e Asylbewerber*in alles bejaht, bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig, dass er*sie den Sachverhalt auch verstanden hat. Des Weiteren muss die Fachkraft sich eine sprachliche Überforderung eingestehen und auf fachliche Unterstützung zurückgreifen können (vgl. Lüssi 2001, S.187f.).

3. Beratung in der Sozialen Arbeit

In diesem Kapitel werden zunächst grundlegende Aspekte einer herkömmlichen Beratung benannt, da die Entwicklung der Online-Beratung nicht losgelöst von der face-to-face Zusammenkunft betrachtet werden kann. Hierzulande wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Beratungsformen angeboten. Darunter fallen beispielweise das Coaching, die Unternehmens-, Finanz- und Studienberatung, Supervision, Therapie, Mentoring oder die Krisenintervention. Diese Beratungsbereiche unterscheiden sich deutlich in Methode und Inhalt. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird sich im Folgenden auf sozialarbeiterische Beratungen, die einen intensiven Austausch beinhalten, beschränkt. Genauso verhält es sich mit den vielfältigen Beratungsansätzen von der psychoanalytisch orientierten Beratung über die klientenzentrierte Beratung bis hin zur lebensweltorientierten Beratung. Die Aufführung aller Beratungsansätze und deren Methoden ist nicht Hauptgegenstand dieser Arbeit, aufgrund dessen werden nachfolgend lediglich die für den Kontext dieser Arbeit wesentlichen Aspekte erläutert.

Zunächst erfolgt eine Begriffserklärung sowie eine Darlegung der Wesensmerkmale von Beratung. Des Weiteren werden die Arbeitsfelder sozialarbeiterischer Beratung skizziert. Dabei werden vor allem die Beratungsanlässe deutlich. Außerdem wird im Folgenden der Kommunikation in einem Beratungskontakt eine gesonderte Aufmerksamkeit gewidmet.

3.1 Zum Begriff Beratung

Der Bereich der Beratung umfasst ein großes Spektrum an unterschiedlichsten Anwendungsformen. Beratende Tätigkeiten werden in nahezu allen Hilfeformen wie Betreuung, Pflege, Bildungsmaßnahmen, Erziehung, Einzelfallhilfe, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit und vielen anderen durchgeführt. In erster Linie spielt die Problemlösung und –bewältigung eine zentrale Rolle in der Interaktion zwischen Helfer*innen und Klient*innen. Nach den Autoren Engel/Nestmann/Sickendiek (2002, S.13) ist Beratung „zunächst eine Interaktion zwischen mindestens zwei Beteiligten, bei der die beratende(n) Person(en) die Ratsuchende(n) – mit Einsatz von kommunikativen Mitteln – dabei unterstützen, in bezug auf eine Frage oder ein Problem mehr Wissen, Orientierung oder Lösungskompetenz zu gewinnen“. Nach dieser allgemeingehaltenen Definition erfüllt Beratung den Zweck, einer hilfesuchenden Person in lebenspraktischen Fragen oder in psychosozialen Krisen, mittels kommunikativen Handelns, weiterzuhelfen.

In der Sozialen Arbeit stellt das Handlungsfeld der Beratung eine typische Leistung dar. Der Deutsche Bundesverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) schafft, durch eine beschlossene Qualitätsbeschreibung für die sozialprofessionelle Beratung, Klarheit über das beratende Tätigkeitsfeld. Darin heißt es:

„Sozialprofessionelle Beratung ist eine subjektangepasste, biographiebezogene, situationsadäquate, kommunikativ vermittelte und vereinbarte Unterstützungshandlung zur Verbesserung der Einsichts-, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit von Einzelnen, Gruppen und Institutionen.“ (DBSH 2002, S.3)

Die sozialprofessionelle Beratung ist demzufolge eine bestimmte Kommunikationsform, die die Ratsuchenden zu einer Bewältigung sozialer Probleme, Konflikte oder Krisen befähigt. Auch die Vermittlung von benötigten Informationen und die Aktivierung der Erkenntnisfähigkeiten der Hilfesuchenden sind darin eingenommen. Die Beratung ist eine soziale Handlungsmöglichkeit, womit der Anspruch der Profession umgesetzt bzw. erfüllt werden soll (vgl. ebd.). Allgemein formuliert, ist die durch in der Sozialarbeit tätige Personen durchgeführte Beratung eine vielfältige Form der Hilfe. Grundlegende Ziele dieser Hilfeform liegen darin, dass Bewältigungskompetenzen der zu beratenden Personen selbst und deren sozialer Umwelt (wieder-)hergestellt werden. In diesem Prozess soll den Betroffenen jedoch nicht die Lösung ihrer Anliegen abgenommen werden. Es geht vielmehr um Hilfe zur Selbsthilfe (vgl. Engel/Nestmann/Sickendiek 2002, S.13f.).

Von der professionellen (formellen) Beratung grenzen sich zwei weitere Beratungsformen ab: Die informelle alltägliche und die halbformalisierte Beratung. Die zuerst genannte Form kennzeichnet sich durch Gespräche zwischen Angehörigen, Freunden, Bekannten oder Kolleg*innen aus. Dieser Austausch von Hilfe, emotionaler Zuwendung oder Zuneigung findet außerhalb eines professionellen Rahmens statt und ist demnach an keine bestimmten Orte oder Einrichtungen gebunden. Die halbformelle Beratung geschieht durch Personen (z. B. Mediziner, Juristen) die, aufgrund ihrer Profession oder sozialen Stellung, über ein fachlich spezifisches Wissen verfügen. Dazu zählen bspw. ebenfalls Lehrkräfte, die Eltern in Erziehungsfragen beraten oder Geistliche, die über moralische Zweifel oder Sinnfragen beraten (vgl. Engel/Nestmann/Sickendiek 2002, S.14f.).

Im Verlauf dieser Arbeit soll es ausschließlich um die professionelle Beratung gehen, die von in der Sozialarbeit ausgebildeten Menschen durchgeführt wird. Häufig findet sie in spezialisierten Beratungsstellen statt. Einige davon werden in dem nachfolgenden Unterkapitel aufgeführt.

3.2 Arbeitsfelder sozialarbeiterischer Beratung

Es gibt eine Vielzahl an sozialen Beratungsstellen, die ganz unterschiedliche Beratungsaufträge in der Sozialen Arbeit verfolgen. Nachfolgend werden exemplarisch fünf institutionalisierte Beratungsfelder akzentuiert dargestellt. Diese lauten: Erziehungs- und Familienberatung, Schuldner- und Drogenberatung sowie die Schwangerschaftskonfliktberatung. Diese Auswahl wurde in Anlehnung an das Buch „Beratung. Eine sozialpädagogische Einführung“ (Akgün/Belardi/Gregor u.a. 2011) getroffen. Die in diesem Buch enthaltenen Auflistungen der beratenden Arbeitsfelder sind in sich sehr unterschiedlich und zugleich klassische Handlungsfelder im Bereich der sozialarbeiterischen Beratung.

Die Erziehungsberatung ist die historisch erste und wohl bekannteste Beratungsform Deutschlands. Ratsuchende Kinder, Jugendliche und Eltern können sich bei individuellen und familienbezogenen Problemen (z. B. Trennung, Scheidung) entweder direkt an eine Erziehungsberatungsstelle wenden oder an das Jugendamt, welches die Gewährung von Hilfen zur Erziehung den Betroffenen sicherstellt. Schwerpunktmäßig verfolgt dieser Beratungsbereich zum einen das Klären von bspw. Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen oder generellen Schwierigkeiten in der Erziehung. Zum anderen werden Hilfsmaßnahmen (z. B. Therapie) eingeleitet, gemeinsam mit den Beteiligten Lösungen erarbeitet und Unterstützung bei deren Umsetzung geboten. In Erziehungsberatungsstellen arbeiten ausschließlich ausgebildete Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Psychologie, Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Pädagogik oder Medizin (vgl. Akgün/Belardi/Gregor u.a. 2011, S.110-116).

Die Schnittstelle von Erziehung und Familie ist sehr eng gefasst und beide Beratungsbereiche sind Leistungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Aufgrund dessen werden diese zwei Bereiche des Öfteren zusammengefasst und als Erziehungs- und Familienberatung in den institutionalisierten Stellen angeboten. Die Schnittstelle beider Bereiche wird deutlich, wenn z. B. Eltern eine Beratungsstelle aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes aufsuchen, der Ursprung dieser Auffälligkeiten jedoch in familieninternen Krisen liegt. In diesem Fall wird eine Expertenschaft in Sachen Familie und Erziehung benötigt. Mithilfe der Beratung wird das Ziel verfolgt, die Familien zu begleiten, ihnen angemessen zu begegnen und Veränderungsprozesse anzuregen. Dabei sind alle Beteiligten als Problem- wie auch Lösungskonstrukteure anzusehen (vgl. Zwicker-Pelzer 2010, S.78ff.).

Die Schuldnerberatung ist an Personen gerichtet, die aus unterschiedlichsten Gründen verschuldet sind. Gründe für die Zahlungsschwierigkeiten liegen bspw. in dem Verlust des Arbeitsplatzes bzw. Verdienstwegfall eines Partners, Krankheit, Scheidung bzw. Trennung, Familienzuwachs sowie in der unzureichenden Planung der persönlichen Ausgaben. Schicksalsschläge (z. B. Tod des Partners, Unfall) können ebenfalls zur Entstehung von Schulden führen. Des Weiteren ist bekannt, dass viele Schuldner einem eher niedrigen Bildungsniveau unterliegen. Dies führt dazu, dass die Betroffenen oftmals unangemessen mit bargeldloser Zahlung oder Kreditkarten umgehen und ihnen schlichtweg das Verständnis von Kreditverträgen und Kontoauszügen fehlt. Während dem Beratungsprozess wird die gesamte Person oder Familie betrachtet und nicht ausschließlich die Schulden. Das Ziel der Schuldnerberatung liegt in einer schrittweisen Befreiung von Schulden und darin, die Betroffenen zu einem einkommensadäquaten Verhalten zu befähigen. Weiterhin muss der Entstehung neuer Schulden vorgebeugt werden. Generell ist die Nachfrage nach Terminen in diesem Beratungsbereich sehr groß. Dies führt dazu, dass die Wartezeiten in vielen Fällen sehr lang sind, denn in den Beratungsstellen arbeitet vielerorts lediglich eine Person. Aufgrund von fehlenden Finanzierungsgarantien ist den Einrichtungen eine Personalaufstockung häufig nicht möglich (vgl. Gregor 2011a, S.163-169).

Drogenberatungen werden in ambulanten Stellen oder stationären Einrichtungen angeboten. Der im Vordergrund stehende Beratungsanlass ist der Drogenkonsum. Für viele Betroffene entstehen durch das konsumierende Verhalten weitere Problemlagen, die die Lebensbewältigung gravierend beeinflussen und somit erschweren können. Darunter zählen finanzielle Notlagen, psychische und physische Belastungen, Abwendung von Familienmitgliedern oder Freunden sowie Obdachlosigkeit. Außerdem steigt das Risiko zur Durchführung von Straftaten. Die Beratung findet entweder in Form der Einzelbetreuung statt oder in einer offenen Gruppe. Die Einzelberatung setzt jedoch voraus, dass Terminabsprachen eingehalten werden, die Betroffenen einen halbwegs klaren Kopf besitzen sowie ein einsichtiges und motiviertes Verhalten zeigen. Dem gegenüber steht ein niedrigschwelliges Angebot in Form der offenen Gruppe. Diese setzt keine regelmäßige Anwesenheit voraus, ein klarer Kopf muss ebenfalls nicht gewährleistet sein und die Teilnehmer können reden, schweigen oder gar einschlafen. Durch das zuletzt genannte Beratungsangebot wird der Weg in eine Beratung für die Beteiligten erleichtert und deren Ängste ein Stück weit verringert, sodass eine Überforderung und Gebundenheit insbesondere anfangs verhindert wird. Des Weiteren dient diese Gruppenberatungsform als Übergangshilfe hin zur Einzelberatung. Die Wartezeiten auf eine Einzelbetreuung sind, aufgrund des zeitlichen und arbeitsintensiven Aufwandes, häufig sehr lang. Grundlegende Aufgaben der Drogenberatungsstellen umfassen die suchtbegleitende Betreuung, die Motivation der Beteiligten gegebenenfalls zur Durchführung einer Therapie, allgemeine Betreuung wie etwa in der Justizvollzugsanstalt, bei Gericht oder Ämtern sowie die Vermittlung zu weiterführenden Stellen (z. B. Entzugsklinik). Die Zusammenarbeit mit anderen Beratungsstellen (z. B. Schuldnerberatung) ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt in der Drogenhilfe. Auch die Angehörigenberatung und Prävention spielen eine wichtige Rolle. Denn oftmals entstehen bei Eltern, Kinder, Geschwister oder Partner der Suchterkrankten eigene behandlungsbedürftige Probleme. Die Zielgruppe der Prävention umfasst vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die dort erreicht werden müssen, wo deren Alltag sich abspielt (z. B. Schule, Jugendzentrum, Sammelplätze). Dafür ist es notwendig verschiedene Fachkräfte jeglicher Professionen wie Lehrer*innen, Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen, entsprechend zu schulen (vgl. Pütz 2011, S.179-185).

Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist gesetzlich vorgeschrieben, sodass sie von den Betroffenen in den meisten Fällen nicht freiwillig aufgesucht wird. Neben dem eigentlichen Problem der (überwiegend ungewollten) Schwangerschaft besteht eine Vielzahl an anderen wirtschaftlichen, medizinischen oder psychosozialen Schwierigkeiten. Darunter zählen finanzielle Notlagen, ein gebrochenes Verhältnis zu der Familie oder zu dem Partner, das Fehlen eines Kindesvaters, Zukunftsängste oder eine altersbedingte Überforderung mit der Situation. Auch ein kritischer gesundheitlicher Zustand der Schwangeren, eine prognostizierte schwerwiegende Erkrankung des Kindes oder die Schwangerschaft als Folge einer Vergewaltigung können Beweggründe für eine Abtreibung darstellen. Ist die Fortsetzung der Schwangerschaft für die betroffene Frau nicht tragbar, kann ein legaler Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen erfolgen. Voraussetzung hierfür ist das Aufsuchen einer Schwangerschaftskonfliktberatung und zwar mindestens drei Tage vor dem Abbruch. Wesentliche Merkmale dieser Beratungsform sind, dass die Frau anonym bleiben und eine Benennung der Gründe für den Abbruch verweigern kann. Die Beratungsstelle ist zudem verpflichtet nach der Durchführung des Gespräches einen Beratungsnachweis der Schwangeren auszuhändigen, womit sie anschließend den Abbruch vornehmen lassen kann. Die Konfliktberatung dient in erster Linie dem Schutz des werdenden Lebens. Die zu beratende Frau wird ebenfalls ermutigt ihre Schwangerschaft fortzusetzen und über mögliche Konsequenzen, welche eine Abtreibung langfristig insbesondere auf der psychischen Ebene mit sich ziehen kann, umfassend aufgeklärt. Weiterhin wird die zu beratende Frau über ihre Rechte, die Abbruchsmöglichkeiten und -methoden sowie über etwaige Hilfen, im Falle der Schwangerschaftsfortsetzung, informiert. Entstehungsgründe der Schwangerschaft und die individuelle Lebenssituation werden ebenfalls thematisiert. Schwerpunktmäßig werden die Beratungen von sozialarbeiterischen Fachkräften und verwandten Berufen durchgeführt. Aufgrund der 12-Wochen-Frist muss eine Beratung rasch erfolgen, sodass in der Regel offene Sprechstunden angeboten werden (vgl. Gregor 2011b, S.193-199).

Abschließend sind noch ausgewählte Beratungsstellen zu nennen, in denen das Leitproblem einer psychischen Krise behandelt wird. Die hohe Scheidungsrate führt in vielen Fällen zu Konflikten zwischen den Eltern, welche nicht zu selten auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Beratungen zum Thema Trennung oder Vermittlung zwischen den zerstrittenen Parteien, durch in der Sozialarbeit tätige Personen, sind zur Überwindung solcher Krisen erforderlich. Ein weiteres großes Feld betrifft die Trauerberatung. Nach Verlust naher Angehöriger oder Freunden kann die psychische Belastung in einer Lebenskrise enden. Eine weitere institutionelle Beratungsform stellt die Telefonseelsorge dar. Beweggründe der Ratsuchenden sich für eine telefonische Beratung zu entscheiden liegen etwa in plötzlich auftretenden Krisen, schwierigen Lebensfragen oder in suizidalen Vorstellungen. Die Anonymität und die permanente Verfügbarkeit der deutschen Telefonseelsorge sind deutliche Vorteile gegenüber anderen Beratungsangeboten (vgl. Akgün/Belardi/Gregor u.a. 2011, S.225-229).

3.3 Kommunikation als Form zwischenmenschlicher Beziehung

Der Begriff „Kommunikation“ findet seinen Ursprung in dem lateinischen Wort „communicare“ und bedeutet ins Deutsche übersetzt: Etwas mitteilen, miteinander besprechen (vgl. Nußbeck 2006, S.29). In einer Beratung findet Kommunikation in Interaktion zwischen einer ratsuchenden und beratenden Person statt. Was in einem Beratungsprozess auf kommunikativer Ebene geschieht und aus welchen Gründen Missverständnisse auftreten können, wird im Folgenden näher betrachtet.

3.3.1 Klassische Kommunikationsmodelle

Eine Vielzahl an Theorien zur Gestaltung und Bedeutung von Kommunikation in Beratungsgesprächen sind in der Fachliteratur zahlreich zu finden. Die verschiedenen Modelle setzen ihren Schwerpunkt jedoch ganz unterschiedlich. Nachfolgend werden zwei klassische und die wohl bekanntesten Modelle zwischenmenschlicher Kommunikation beschrieben: Die fünf Axiome (nicht zu beweisende Grundsätze) der Kommunikation nach Watzlawick, Beavin und Jackson und das Vier-Seiten-Modell nach Schulz von Thun.

Das Kommunikationsmodell von Watzlawick et al. entwickelte sich aus fünf Grundsätzen, die als Axiome bezeichnet werden. Nach diesen Regeln ist die verbale Kommunikation eng mit der Beziehung und Emotion verknüpft. Das erste Axiom besagt, dass es unmöglich ist nicht miteinander zu kommunizieren. Dies bedeutet, dass nicht lediglich der Inhalt während eines Gespräches von Bedeutung ist, sondern auch das Verhalten. Worte sind in einer Kommunikation nicht zwangsläufig notwendig, denn ein schweigendes oder abwendendes Verhalten ist ebenfalls eine Äußerungsart, wie etwa das Zeigen von Desinteresse. Somit stellt Verhalten auch immer eine Kommunikation dar (vgl. Nußbeck 2006, S.38f.).

Das zweite Axiom besagt, dass Kommunikation sowohl einen Inhalts- wie auch Beziehungsaspekt hat. Der Inhalt einer Botschaft vermittelt dem Gegenüber Informationen und der Beziehungsaspekt gibt Aufschluss darüber, wie dieser Inhalt zu verstehen ist. Dies geschieht durch para- und nonverbale Verhaltensweisen. Wenn sich Inhalts- und Beziehungsaspekt widersprechen, kann dies eine gestörte Kommunikation zur Folge haben. Zwei Beispiele hierfür zeigen folgende Gesprächssituationen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Tonfall und die Mimik während der Aussagen von der zweiten Person widersprechen dem Gesagten deutlich. In solchen Situationen kann der*die Empfänger*in nicht unterscheiden, welche der widersprüchlichen Aussagen er*sie nun als geltend annehmen soll. Eine Entscheidung ist nicht möglich, sodass die empfangende Person der Nachricht sich in einer Zwickmühle befindet und sich letztlich nur falsch entscheiden kann. Das Auftreten solcher widersprüchlichen Informationen wird „double bind“ (Nußbeck 2006, S.39) genannt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Sozialarbeit im virtuellen Raum. Führt die Kommunikation über das Internet bei der Beratung zu Qualitätseinbußen auf emotionaler Ebene?
Untertitel
Professionelle Hilfe per Mausklick
Hochschule
Hochschule Fulda
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
66
Katalognummer
V374697
ISBN (eBook)
9783668520974
ISBN (Buch)
9783668520981
Dateigröße
741 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialarbeit, Internet, Hilfe, virtuelle Kommunikation, Beratung, Psyche
Arbeit zitieren
Sandra Kraft (Autor:in), 2016, Sozialarbeit im virtuellen Raum. Führt die Kommunikation über das Internet bei der Beratung zu Qualitätseinbußen auf emotionaler Ebene?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374697

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