Gerade in der Lyrik ist Kürze ein Charakteristikum und sprachliche Kürzung ein Phänomen, das in Gedichten in den verschiedensten Formen auftritt und vor allem aus ästhetischen Gründen angewendet wird. Ein Gedicht ist demnach eine besonders dichte oder verdichtete Form von Aussage. Diese literarisch-ästhetische Reduktion des Auszusagenden ist daher nicht nur Charakteristikum sondern zugleich auch Mittelpunkt in den nachfolgenden Ausführungen. An keiner anderen Stelle des literarisch entworfenen Raums wird diese Verdichtung so deutlich, wie im konzentrierten, verknappten Sprechen der Poesie.
Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Formen der sprachlichen Kürzung im Gedicht darzustellen und deren Funktionsweisen zu erläutern. In diesem Zusammenhang wird darüber hinaus eine linguistisch entziffernde Lektüre poetologischer Gedichte versucht, die sich dabei in erster Linie sprachwissenschaftlicher Analysemittel bedient.
So wird in einem ersten, theoretischen Teil der Arbeit auf die Besonderheiten von Gedichttexten allgemein eingegangen. Hierbei sollen zuerst die grundlegenden Kriterien und Charakteristika aufgezeigt werden und in einem zweiten Schritt das Prinzip der semantischen Dichte und der daraus resultierenden Vieldeutigkeit näher betrachtet werden. Schließlich werden der Verdichtungsprozess und die Kürzungsphänomene im Gedicht analysiert.
Im zweiten Teil der Arbeit wird ein kurzer Streifzug durch die Geschichte der Epoche des Expressionismus unternommen, wobei hier vor allem die wesentlichen Merkmale, Charakteristika sowie Kürzungsphänomene der expressionistischen Lyrik im Zentrum stehen. Dies ist notwendig, da in der späteren Analyse in erster Linie Gedichte dieser Epoche betrachtet und untersucht werden.
Anschließend wird in einem weiteren Teilbereich der Arbeit die Hypothese aufgestellt, dass verdichtete und konzentrierte Gedichte linguistisch, mithilfe von Methoden der klassischen Textgrammatik analysiert und dadurch ein zentrales Thema, sowie der tiefere Bedeutungsgehalt für eine Interpretation des Gedichts gefunden werden können. In diesem Zusammenhang wird ein linguistisches Analysemodell für poetische Texte vorgestellt.
Der vierte große Bereich der Arbeit stellt die Überprüfung der Hypothese dar und beschäftigt sich schließlich mit zwei konkreten, ausgewählten Beispielen von Gedichttexten des Expressionismus, anhand derer verschiedene Formen und Effekte der sprachlichen Kürzung im Gedicht unter die Lupe genommen werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Vorbemerkungen und Zielsetzung
- 2. Besonderheiten des Gedichts
- 2.1 Tendenz zu relativer Kürze: Textkürze
- 2.2 Kriterien und Charakteristika
- 2.3 Semantische Dichte - Vieldeutigkeit des Gedichts
- 2.4 Syntagmatische Ereignislosigkeit - Paradigmatische Einfachbestimmung
- 2.5 Komprimierte Sprache Bildsprache
- 2.5.1 Symbol
- 2.5.2 Farbsymbolik
- 2.5.3 Vergleich
- 2.5.4 Personifikation
- 2.5.5 Metapher
- 2.5.6 Metonymie
- 2.5.7 Reihen- und Simultanstil
- 3. Die Lyrik im Expressionismus
- 3.1 Expressionismus allgemein
- 3.2 Literarische und lyrische Praxis
- 4. Linguistische Analyse von Gedichten
- 4.1 Theoretische Begründung
- 4.2 Linguistisches Analysemodell poetischer Texte
- 5. Analyse ausgewählter Gedichttexte des Expressionismus
- 5.1 Johannes R. Becher „Mensch stehe auf“
- 5.1.1 Materielle Präsentation (Typographie des Textes)
- 5.1.2 Grammatisch-strukturelle Analyse
- 5.1.3 Semantische und kommunikativ-pragmatische Analyse
- 5.1.4 Sprach- und kulturgeschichtliche Kontextualisierung
- 5.2 Jakob van Hoddis „Weltende“
- 5.2.1 Materielle Präsentation (Typographie des Textes)
- 5.2.2 Grammatisch-strukturelle Analyse
- 5.2.3 Semantische und kommunikativ-pragmatische Analyse
- 5.2.4 Sprach- und kulturgeschichtliche Kontextualisierung
- 5.3 Literarische Gedichtinterpretation vs. Linguistische Gedichtanalyse
- 6. Abschließende Gedanken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht sprachliche Kürzungen in Gedichten, insbesondere im Expressionismus. Ziel ist die Darstellung verschiedener Formen dieser Kürzungen und deren Funktionsweisen. Dabei wird eine linguistische Analyse poetischer Texte angestrebt.
- Sprachliche Kürzung als Stilmittel in der Lyrik
- Analyse von Kürzungsphänomenen im Expressionismus
- Entwicklung eines linguistischen Analysemodells für poetische Texte
- Vergleich linguistischer und literarischer Gedichtinterpretation
- Kontextualisierung der analysierten Gedichte im Hinblick auf die Epoche des Expressionismus
Zusammenfassung der Kapitel
1. Vorbemerkungen und Zielsetzung: Die Einleitung erläutert die allgemeine Tendenz zur sprachlichen Kürzung in der Kommunikation und hebt die besondere Bedeutung von Kürze in der Lyrik hervor. Sie definiert die Zielsetzung der Arbeit, die darin besteht, verschiedene Formen sprachlicher Kürzung in Gedichten darzustellen und deren Funktionsweisen zu erläutern. Es wird ein linguistischer Ansatz gewählt, um poetologische Gedichte zu analysieren und die Hypothese aufgestellt, dass verdichtete Gedichte mit Methoden der klassischen Textgrammatik analysiert werden können, um zentrale Themen und Bedeutungsgehalte zu ermitteln. Die Arbeit kündigt eine theoretische Auseinandersetzung mit den Besonderheiten von Gedichttexten an, gefolgt von einer Analyse expressionistischer Lyrik und schließlich der Überprüfung der Hypothese an ausgewählten Beispielen.
2. Besonderheiten des Gedichts: Dieses Kapitel befasst sich mit den charakteristischen Merkmalen von Gedichten, insbesondere mit der Tendenz zur Kürze und semantischen Dichte. Es werden Kriterien und Charakteristika der sprachlichen Kürzung in Gedichten untersucht, darunter semantische Dichte, Vieldeutigkeit, syntagmatische Ereignislosigkeit, paradigmatische Einfachbestimmung und verschiedene Stilmittel der komprimierten Sprache wie Symbol, Farbsymbolik, Vergleich, Personifikation, Metapher, Metonymie und Reihen- und Simultanstil. Diese Elemente werden als Mittel zur Verdichtung und erhöhten Aussagekraft poetischer Texte präsentiert.
3. Die Lyrik im Expressionismus: Dieser Abschnitt bietet einen Überblick über den Expressionismus und dessen lyrische Praxis. Er beleuchtet die wesentlichen Merkmale und Charakteristika der expressionistischen Lyrik, mit besonderem Fokus auf Kürzungsphänomene als Ausdruck der expressiven Ästhetik. Dieser Teil dient der Vorbereitung der anschließenden Gedichtanalysen.
4. Linguistische Analyse von Gedichten: In diesem Kapitel wird ein linguistisches Analysemodell für poetische Texte vorgestellt. Es dient als theoretische Grundlage für die Analyse der ausgewählten Gedichte und liefert ein methodisches Gerüst für die Untersuchung sprachlicher Kürzungen auf grammatisch-struktureller, semantischer und kommunikativ-pragmatischer Ebene.
5. Analyse ausgewählter Gedichttexte des Expressionismus: Dieses Kapitel präsentiert die Analyse von Gedichten von Johannes R. Becher ("Mensch stehe auf") und Jakob van Hoddis ("Weltende"). Für jedes Gedicht wird eine materielle Präsentation, eine grammatisch-strukturelle, eine semantische und kommunikativ-pragmatische Analyse sowie eine sprach- und kulturgeschichtliche Kontextualisierung vorgenommen. Die Ergebnisse der linguistischen Analyse werden mit einer literarischen Interpretation verglichen, um die im ersten Kapitel formulierte Hypothese zu überprüfen.
Schlüsselwörter
Sprachliche Kürzung, Lyrik, Expressionismus, Gedichtanalyse, Linguistik, Semantik, Pragmatik, Textgrammatik, Johannes R. Becher, Jakob van Hoddis, semantische Dichte, Verdichtung, Stilmittel.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Sprachliche Kürzungen in Gedichten des Expressionismus
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht sprachliche Kürzungen in Gedichten, insbesondere im Expressionismus. Sie analysiert verschiedene Formen dieser Kürzungen und deren Funktionsweisen mithilfe eines linguistischen Ansatzes.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Ziel ist die Darstellung verschiedener Formen sprachlicher Kürzung und deren Funktionsweisen in Gedichten. Es soll ein linguistisches Analysemodell für poetische Texte entwickelt und ein Vergleich zwischen linguistischer und literarischer Gedichtinterpretation vorgenommen werden.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt sprachliche Kürzung als Stilmittel in der Lyrik, die Analyse von Kürzungsphänomenen im Expressionismus, die Entwicklung eines linguistischen Analysemodells für poetische Texte, den Vergleich linguistischer und literarischer Gedichtinterpretation und die Kontextualisierung der analysierten Gedichte im Hinblick auf den Expressionismus.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Vorbemerkungen und Zielsetzung, Besonderheiten des Gedichts, Die Lyrik im Expressionismus, Linguistische Analyse von Gedichten, Analyse ausgewählter Gedichttexte des Expressionismus und Abschließende Gedanken. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der sprachlichen Kürzung in Gedichten und der linguistischen Gedichtanalyse.
Welche Aspekte der sprachlichen Kürzung werden untersucht?
Die Arbeit untersucht verschiedene Aspekte sprachlicher Kürzung, darunter semantische Dichte, Vieldeutigkeit, syntagmatische Ereignislosigkeit, paradigmatische Einfachbestimmung und verschiedene Stilmittel wie Symbol, Farbsymbolik, Vergleich, Personifikation, Metapher, Metonymie und Reihen- und Simultanstil.
Welche Gedichte werden analysiert?
Die Arbeit analysiert die Gedichte "Mensch stehe auf" von Johannes R. Becher und "Weltende" von Jakob van Hoddis. Die Analyse umfasst eine materielle Präsentation, eine grammatisch-strukturelle, semantische und kommunikativ-pragmatische Analyse sowie eine sprach- und kulturgeschichtliche Kontextualisierung.
Welches Analysemodell wird verwendet?
Die Arbeit entwickelt ein linguistisches Analysemodell für poetische Texte, welches die Untersuchung sprachlicher Kürzungen auf grammatisch-struktureller, semantischer und kommunikativ-pragmatischer Ebene ermöglicht.
Wie wird die linguistische Analyse mit der literarischen Interpretation verglichen?
Die Ergebnisse der linguistischen Analyse werden mit einer literarischen Interpretation der ausgewählten Gedichte verglichen, um die im ersten Kapitel formulierte Hypothese zu überprüfen, dass verdichtete Gedichte mit Methoden der klassischen Textgrammatik analysiert werden können.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Sprachliche Kürzung, Lyrik, Expressionismus, Gedichtanalyse, Linguistik, Semantik, Pragmatik, Textgrammatik, Johannes R. Becher, Jakob van Hoddis, semantische Dichte, Verdichtung, Stilmittel.
Welche Hypothese wird in der Arbeit aufgestellt und überprüft?
Die Arbeit stellt die Hypothese auf, dass verdichtete Gedichte mit Methoden der klassischen Textgrammatik analysiert werden können, um zentrale Themen und Bedeutungsgehalte zu ermitteln. Diese Hypothese wird anhand der Analyse der ausgewählten Gedichte überprüft.
- Arbeit zitieren
- Michael Hüttinger (Autor:in), 2014, Sprachliche Kürzung im Gedicht. Analyse an ausgewählten Beispielen des Expressionismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375343