Literarisches und filmisches Erzählen am Beispiel von Annette Pehnts "Mobbing"


Hausarbeit, 2016

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Literaturverfilmung: Definition und Geschichte
2.2 Probleme der Literaturverfilmung

3. Das Erzählen in Literatur und Film
3.1 Die Zeit (nach Genette)
3.2 Der Modus (nach Genette)
3.3 Die Rolle des Zuschauers

4. Narratorische Analyse
4.1 Annette Pehnts Roman „Mobbing“
4.1.1 Die Erzählsituation des literarischen Texts
4.1.2 Symbolik im Roman
4.2 Der Film Mobbing
4.2.1 Die Erzählsituation der Verfilmung
4.2.2 Symbolik im Film
4.3 Vergleich zwischen Roman und Verfilmung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Erzählen ist ein Teil der menschlichen Kultur, seit der Mensch die Sprache beherrscht. Jeder einzelne von uns kann zum Erzähler werden und von seinen Träumen, Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen berichten. Während zu Beginn der Menschheitsgeschichte nahezu ausschließlich mündliches Erzählen betrieben wurde, änderte sich dieses mit der Erfindung des Buchdrucks. Bücher und die darin enthaltenen Geschichten waren ab dem Zeitpunkt für jeden zugänglich. Unzählige Geschichten wurden in Form von Büchern verewigt. Doch die Sprache ist nicht das einzige Medium der Narration. Auch mit Bildern werden Geschichten erzählt, seit einem Jahrhundert bewegen sich diese sogar. Der Film ist das neuzeitliche Medium des Erzählens und begeistert täglich Millionen von Menschen mit seinen Geschichten. Eine besondere Form des Erzählens tritt auf, wenn sich die schriftliche und die filmische Narration verbinden: Die Literaturverfilmung. Oftmals stößt diese aber vielerorts auf Kritik. Die Verfilmung sei nicht „werktreu“ und könne der Buchvorlage nicht gerecht werden.

In meiner Arbeit möchte ich mich mit dieser Problematik einer solchen Literaturverfilmung auseinandersetzen und diese mit dem literarischen Ausgangswerk vergleichen. Dazu habe ich mir Annette Pehnts Roman „Mobbing“ und die gleichnamige Verfilmung ausgesucht. Anhand dieses Beispiels möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, ob und inwiefern der Film den Roman umsetzt.

Um eine filmische Adaption mit der zugehörigen Buchvorlage vergleichen zu können, muss man sich zwingend zuerst mit den theoretischen Grundlagen vom filmischen und literarischen Erzählen auseinandersetzen. Im folgenden Abschnitt werde ich zunächst den Begriff der Literaturverfilmung definieren und die Geschichte dieser kurz darlegen. Anschließend werde ich kurz auf die Probleme der Literaturverfilmung eingehen. Danach werde ich das Erzählen in Literatur und Film näher betrachten und mich dabei auf die Kategorien Zeit und Modus nach Gerard Genette konzentrieren. Auch die Rolle des Zuschauers wird in diesem Zusammenhang näher beleuchtet. In meiner anschließenden narratorischen Analyse fasse ich zunächst den Inhalt des Romans „Mobbing“ kurz zusammen und beschäftige mich darauf mit der Erzählsituation und der Symbolik im literarischen Werk und der Verfilmung und vergleiche diese anschließend, bevor ich meine Arbeit mit meinem Fazit abschließe.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Die Literaturverfilmung: Definition und Geschichte

Der Begriff der Literaturverfilmung setzt sich aus den Teilbegriffen „Literatur“ und „Verfilmung“ zusammen. Demnach bezeichnet der Begriff der Literaturverfilmung grundlegend formuliert die Umsetzung eines bestimmten literarischen Textes in das Medium Film. Die Ausgangsbasis einer filmischen Adaption kann jegliche Form von Literatur sein, ob nun eine Kurzgeschichte, ein Roman oder ein Drama. Heutzutage wird im allgemeinen Kontext der Begriff der Literaturverfilmung deutlich enger verwendet. Obwohl insgesamt eine große Anzahl von Filmen auf schon vorher veröffentlichten Texten basieren, werden meist nur solche Verfilmungen als Literaturverfilmung bezeichnet, dessen literarische Vorlagen vorher sehr erfolgreich waren. Die Geschichte der Literaturverfilmung geht dabei bis zu den Anfängen des Bewegtbilds an sich zurück. Viele der frühesten Handlungen von Filmen wurden aus Klassikern der Weltliteratur adaptiert. Dabei wurden meist aufgrund von den damaligen beschränkten technischen Möglichkeiten einzelne Szenen aus bekannten Dramen umgesetzt. Einige Beispiele hierfür sind die Umsetzungen von „Faust“ (1896), „Onkel Toms Hütte“ (1902) oder „Die Reise zum Mond“ (1902), welche nicht ganzheitlich die Geschichte der Vorlagen zeigen, sondern einige Szenen episodenhaft darstellen. Mit der Bewegung des „Film d’Art“ Anfang der 1910-Jahre etablierte sich die ganzheitliche Literaturverfilmung. Zu dieser Zeit wurde erstmals versucht die gesamte Handlung eines literarischen Werkes als Film darzustellen. Die Intention dieser französischen Bewegung war, das weithin verrufene Medium Film in der Kunstszene zu etablieren. Da das Medium des Theaters allgemein anerkannt war, beschränkte sich die Umsetzung des Literaturfilms auf das Abfilmen einer Theateraufführung mit Hilfe einer statischen Kamera.[1] In den darauf folgenden Jahren wuchs auch der Anteil von Literaturverfilmungen mit der Produktion von Monumentalfilmen am Anfang des 19. Jahrhunderts stetig an. Die ersten Monumentalfilme, auch Spielfilme genannt, stammen aus Italien und wurden für das Kino produziert. Inhaltlich basierten sie auf populären Romanen dieser Zeit. Ein Beispiel für eine solche frühe Literaturverfilmung ist „Quo Vadis“ (1912), welcher auf dem gleichnamigen Roman von Henryk Sienkiewicz basiert.[2] Durch die Verfilmung umfangreicher Romane etablierte sich die Literaturverfilmung immer mehr und bis heute hin sind einige der bekanntesten und erfolgreichsten Filmreihen Adaptionen von literarischen Werken, wie „Harry Potter“ oder die „Der Herr der Ringe“ Trilogie.

2.2 Probleme der Literaturverfilmung

Die filmische Adaption literarischer Texte wurde von Beginn an vielerseits äußerst kritisch betrachtet und häufig sogar als „Bastard“ bezeichnet. Literaturverfilmungen würden das literarische Originalwerk trivialisieren und könnten keinesfalls die Gesamtheit des literarischen Gegenstückes adäquat darstellen.[3] Der Film sei eine weniger hochwertige Kunst als die Literatur. Während der Zuschauer bei einem Film einen direkten Zugang zur Handlung erhält, läuft dieses beim Lesen über den Umweg der Sprache. Beim Film ist nahezu keine selbstständige „Umsetzungsarbeit“ notwendig, was den Film zu einem weniger hochwertigen Medium mache.[4] Literaturkenner zeigen oft Enttäuschung, wenn ihnen ein Roman, den sie schätzen, als Literaturverfilmung wiederbegegnet. Sie empfinden die Reduktion der Komplexität, des Gehaltes oder der Form als „Verrat an der Dichtung“[5]. Insbesondere die zumeist größere Popularität der filmischen Adaption bringt bei Anhängern des literarischen Ausgangswerkes Verärgerung hervor.[6]

Des Weiteren gestaltet sich der Vergleich von dem Ausgangswerk mit der Adaption als schwierig. „Wer sich mit Literaturverfilmungen beschäftigt, muss sich dem Vorwurf der ,Grenzüberschreitung‘ gefallen lassen: der Filmwissenschaftler, weil er es auch mit Buchliteratur zutun hat; der Literaturwissenschaftler, weil er weiß, dass ,verfilmte Literatur‘ in erster Linie Film ist.“[7] Diese Problematik lässt sich auf die grundsätzliche Unterschiedlichkeit der Medien Literatur und Film zurückführen, auf die ich im folgenden Abschnitt näher eingehen werde.

3. Das Erzählen in Literatur und Film

Das Erzählen von faktualen, aber auch fiktionalen[8] Handlungen ist seit Jahrtausenden fest in der Kultur der Menschheit verankert und eine eben solange Geschichte hat auch das Nachdenken über den Akt des Erzählens. Schon Platon unterschied in einer der ältesten narratorischen Überlegungen zwischen Erzählerrede und Figurenrede. Die „diegesis“ war das Sprechen des Dichters selbst, die „mimesis“ war das Nachahmen fremder Rede. Während Platon die „mimesis“ noch als minderwertige Erzählform bezeichnet, ist Aristoteles schon anderer Meinung. Für ihn kann die nachahmende Kunstform, starke Gefühle beim Rezipienten hervorrufen, welche zur „karthasis“ führen könne. Auch er verwendet weiterhin die Begriffe „diegesis“ und „mimesis“, versteht diese aber anders als Platon zuvor. Laut Aristoteles sei die „mimesis“ ein Oberbegriff für jegliche Form von Erzählen, da jede Erzählung auch eine Nachahmung sei. Die „diegesis“ ist bei Aristoteles nur noch untergeordnet und beschreibt das „Wie“ der Nachahmung.[9] In der heutigen Filmwissenschaft gibt es einen ganz ähnlich klingenden Begriff - die „Diegese“. Dieser Begriff stammt aus dem Jahr 1953 vom französischen Philosophen Etienne Souriau und wird für das Beschreiben der Welt des Films verwendet. Später wird dieser Terminus auch häufig für das Beschreiben von literarischem Erzählen verwendet.[10]

3.1 Die Zeit (nach Genette)

Die Zeit ist sowohl beim filmischen als auch beim literarischen Erzählen ein wichtiger Faktor. Zum einen unterscheidet man zwischen der erzählten Zeit und der Erzählzeit. Die erzählte Zeit ist die gesamte vom Erzählen umfasste Zeitspanne und kann sowohl einen Tag, aber auch mehrere Jahre oder Jahrhunderte umfassen. Die Erzählzeit hingegen ist die Zeit, welche der Rezipient braucht, um die Erzählung zu lesen. Aus diesem Grund hat ein und derselbe Roman zwar immer die gleiche erzählte Zeit, aber nie die gleiche Erzählzeit, da dieses vom jeweiligen Leser abhängig ist. Hier lässt sich schon der erste Unterschied zwischen literarischem und filmischem Erzählen feststellen. Da ein und derselbe Film immer die gleiche Zeit benötigt, um vom Rezipienten geschaut zu werden, ist die Erzählzeit beim Film immer gleich.[11] In beiden Medien stimmen Erzählzeit und erzählte Zeit nur in den seltensten Fällen überein. Häufig kommt es zu sogenannten „Anachronien“.[12] Anachronien treten auf, wenn Ereignisse einer Geschichte nicht in der Reihenfolge erzählt werden, wie sie auftreten. Dabei lassen sich Anachronien in „Prolepsen“, bei denen ein späteres Ereignis im Voraus erzählt wird und in „Analepsen“, bei denen ein Ereignis im Nachhinein erzählt wird, unterteilen. Im filmischen Erzählen sind Anachronien fast immer an eine bestimmte Figur gebunden. Wo Anachronien im Film meist durch Erinnerungen oder Vorhersagen von Figuren erzeugt werden, gibt es beim literarischen Erzählen viel häufiger allgemeine, an den Erzähler gebundene Anachronien.[13] Ein weiteres narratorisches Mittel sind „Ellipsen“, auch Zeitlücken genannt. Dieses beschreibt das Überspringen einer gewissen Zeitspanne in der erzählten Zeit, um die Erzählzeit zu verkürzen. Auch bei der sogenannten „Paralypse“ entsteht eine Zeitlücke. Diese wurde aber bewusst erschaffen, um dem Leser einen bestimmten Aspekt der Erzählung vorzuenthalten und später in Form einer Analepse wieder aufzufüllen. Während im literarischen Erzählen öfter Ellipsen und Paralypsen eingesetzt werden, um die Erzählzeit zu verkürzen oder Spannung beim Leser zu erzeugen, kommt das filmisches Erzählen ohne Ellipsen gar nicht aus. Mit jedem Schnitt im Film, werden Teile der Erzählung ausgespart.[14] Ein weiterer Faktor beim literarischen und filmischen Erzählen sind die sogenannten „Rhytmuseffekte“. Entspricht die erzählte Zeit der Erzählzeit spricht man vom „zeitdeckenden Erzählen“. Ist die erzählte Zeit länger als die Erzählzeit, wird dieses „zeitraffendes Erzählen“ genannt und ist die erzählte Zeit kürzer als die Erzählzeit, nennt man dieses „zeitdehnendes Erzählen“. Wie auch beim literarischen Erzählen wird auch beim filmischen Erzählen meist das zeitraffende Erzählen verwendet. Betrachtet man aber einzelne Szenen eines Filmes kommt es auch öfter zu zeitdeckendem Erzählen. Während es beim Lesen, so gut wie nie zu einem vollkommen zeitdeckenden Erzählen kommen kann, da dieses immer von der Lesegeschwindigkeit des Rezipienten abhängig ist, sind schnittfreie Szenen in Filmen immer zeitdeckend. Zeitdehnung wird in Filmen, im Gegensatz zur Literatur, aufgrund der begrenzten Spieldauer nur sehr selten eingesetzt. Meist erfolgt dieses insbesondere in Actionfilmen über Zeitlupeneffekte, welche aber weniger narratives Mittel sind, sondern mehr zum Erreichen einer filmischen Ästhetik eingesetzt werden.[15]

3.2 Der Modus (nach Genette)

Der Modus beim literarischen aber auch filmischen Erzählen lässt sich nach Genette nochmals in die Distanz und die Fokalisierung unterteilen. Die Distanz beschreibt die Nähe zwischen dem Rezipienten und der Erzählung. „Eine Erzählung kann den Eindruck einer bestimmten Distanz zum Erzählen generieren oder aber eine unmittelbare Nähe.“[16] Schon Platon unterschied mit seinen Begriffen „mimesis“ und „diegesis“ die verschiedenen Distanzen beim Erzählen. Der Anglist Franz K. Stanzel versucht die Distanz beim Erzählen mit den Begriffen des „ showing“ und „telling“ näher zu beschreiben. Der Begriff „showing“ steht für die rezipientennahe Erzählweise, „telling“ für eine etwas distanziertere Narration. Beim filmischen Erzählen kann es bei diesem Begriffspaar aber zu Problemen kommen. Der Begriff „showing“ ist insofern irreführend, da er suggerieren könnte, dass jegliche Form von filmischer Darstellung bereits „showing“ sei, da der Zuschauer etwas visuell betrachten kann. Diese Annahme ist jedoch falsch, da beim filmischen Erzählen genauso wie beim literarischen Erzählen zwischen unmittelbarer Narration und distanzierter Narration differenziert werden kann.[17] Genette benennt drei verschiedene Arten von Rede. Bei der „erzählten Rede“ wird dem Rezipienten im narrativen Modus distanziert und knapp berichtet. Die „transponierte Rede“ lässt sich mit indirekter Rede vergleichen. Die dritte genannte Art ist die „berichtende Rede“, bei der die Aussagen der Figuren unvermittelt wiedergegeben werden. Auch innere Monologe lassen sich in die letzte Kategorie einordnen. Beim Film lassen sich ähnliche Kategorien feststellen. Während in der Literatur meist ein Modus für das gesamte Werk gewählt wird, wechseln sich die verschiedenen Arten von Rede beim Film ständig ab. Die „berichtende Rede“ in Form von Dialogen zwischen zwei Figuren und die „transponierte und erzählte Rede“ bei Voice-Over-Stimmen, auf Schrifttafeln im Film oder Textinserts.[18]

[...]


[1] Vgl. Lenk: Théâtre contre Cinéma.

[2] Vgl. Estermann: Die Verfilmung literarischer Werke.

[3] Vgl. Scheider: Der verwandelte Text. S. 13.

[4] Vgl. Wagenpfeil: Modelle der Literaturverfilmung im neuen deutschen Film. S. 10.

[5] Buddeke: Verfilmte Literatur. S.1.

[6] Ebd.

[7] Albersmeyer: Literaturverfilmungen. S. 15.

[8] Vgl. Martinez/Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. S. 11-22.

[9] Brunner: Vom literarischen zum filmischen Erzählen. S. 8 f.

[10] Ebd.

[11] Ebd. S. 11.

[12] Vgl. Genette: Die Erzählung. S. 18.

[13] Brunner: Vom literarischen zum filmischen Erzählen. S. 11 f.

[14] Ebd. S. 13.

[15] Ebd. S. 20 ff.

[16] Ebd. S. 28.

[17] Ebd. S. 28 f.

[18] Ebd. S. 30 f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Literarisches und filmisches Erzählen am Beispiel von Annette Pehnts "Mobbing"
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V375844
ISBN (eBook)
9783668523753
ISBN (Buch)
9783668523760
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Annette Pehnt, Mobbing, literarisches Erzählen, filmisches Erzählen, Campusroman
Arbeit zitieren
Christina Lindemann (Autor:in), 2016, Literarisches und filmisches Erzählen am Beispiel von Annette Pehnts "Mobbing", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375844

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