Inwiefern verstößt Molière in seinem Werk "Le malade imaginaire" gegen die genormte Literatursprache des 17. Jahrhunderts?


Dossier / Travail de Séminaire, 2012

19 Pages, Note: 1,3

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Molière und sein Theater

III. Le malade imaginaire
III.1. Aufbau und Inhalt
III.2. Editionsgeschichte

IV. Sprachnormierung

V. Analyse: Inwiefern verstößt Molière in seinem Werk Le malade imaginaire gegen die genormte Literatursprache des 17. Jahrhunderts?

VI. Bibliographie

I. Einleitung

In dieser Hausarbeit befasse ich mich mit folgender Fragestellung:

Inwiefern verstößt Molière in seinem Werk Le malade imaginaire gegen die genormte Literatursprache des 17. Jahrhunderts?

Um diese Frage beantworten zu können, stelle ich zunächst Molière als Person vor.

Einen besonderen Fokus möchte ich auf seine Entwicklung zum Theatermenschen und seine Beziehung zu Louis XIV. legen.

Danach gehe ich auf sein Werk Le malade imaginaire ein, wobei ich dieses zunächst inhaltlich darstellen möchte um anschließend auch einen kurzen Abriss der Aufführungs- und Editionsgeschichte zu geben. Gleichzeitig werde ich versuchen in diesem Abschnitt auch mögliche historische Gründe für die Editionsgeschichte anzugeben.

Des Weiteren möchte ich die Sprachnormierungsbestrebungen im 17. Jahrhundert erläutern.

Dabei werde ich Malherbes Sprachpurismus, Vaugelas Unterteilung in ›Bon/Mauvais Usage‹ und die ›Doctrine classique‹ erklären. Zudem möchte ich an dieser Stelle auch die ›Académie française‹ vorstellen. Daran anschließend werde ich kurz auf das ›privilège du roi‹ und die damit verbundene Buchzensur eingehen. Zum Schluss möchte ich Le malade imaginaire auf die vorher erläuterten Kriterien untersuchen. Im besonderen Maße konzentriere ich mich dabei auf den Sprachpurismus Malherbes und die ›Doctrine classique‹.

Theorie- und Analyseteil meiner Arbeit gehen teilweise ineinander über. Außerdem muss noch erwähnt werden, dass ich vor allem bei der Analyse nicht auf Vollständigkeit achten werde, sondern eher punktuell die mir exemplarisch erscheinenden Textstellen erläutern möchte.

II. Molière und sein Theater

Molière wird 1622 in Paris unter dem Namen Jean-Baptiste Poquelin als Sohn eines wohlhabenden Hoftapezierers geboren (Grimm 2002: S. 11). Er wächst im Hallenviertel auf, einem Stadtteil von Paris, in dem vor allem Handwerker und Händler leben und das gleichzeitig in unmittelbarer Nähe zum königlichen Hof liegt

(Grimm 2002: S. 11-12).

Er erhält eine über seinen Stand hinausgehende Ausbildung. Nach seinem Abschluss am Pariser Collège de Clermont (www.kll-online.de, s.v. ›Molière‹), folgt ein Jurastudium in Orléans (Grimm 2002: S. 14).

1643 begründet er zusammen mit der befreundeten Schauspielerin Madeleine Béjart die Schauspielgruppe ›L'Illustre théâtre‹ (ebd. S. 14). Ein Jahr darauf nimmt er den Künstlernamen Molière an (Schlitzer 2010: S.119). Das ›Illustre théâtre‹ muss jedoch nach von zwei Jahren aufgrund finanzieller Problem aufgegeben werden. Gründe dafür sind aufwendigere Inszenierungen nach einem Umzug an die rechte Seine- Seite, wo die Gruppe zusätzlich in Konkurrenz zu den benachbarten Theaterhäusern steht (Grimm 2002: S. 14).

Es folgen 13 Jahre, in denen Molière und Madeleine Béjard zusammen mit einer neuen Gruppe und einer Wanderbühne durch die Provinz ziehen (ebd. S. 17). In dieser Zeit macht Molière wahrscheinlich auch Bekanntschaft mit der ›Comédie italienne‹, die sich durch ihr Maskenspiel und ihr Improvisationstheater auszeichnet (ebd. S. 46).

Es entstehen Molières erste eigene Farcen und Verskomödien. Zugleich lernt Molière den Umgang mit den unterschiedlichsten Publikumsschichten kennen. Er unterhält seine adeligen Gönner ebenso wie das bürgerliche und das einfache Volk (ebd. S. 19).

Während dieser Zeit stehen er und seine Gruppe unter verschiedenen Schirmherrschaften, bis sie 1658 endgültig und finanziell gut ausgestattet nach Paris zurückkehren (Schlitzer 2010: S.120).

Dort bietet Louis XIV. ihnen spontan die Nutzung des Petit-Bourbon an (Grimm 2002: S. 18). Die nun beginnende Freundschaft mit dem noch jungen König begründet sich zum einen darauf, dass der König sich gerne von Molières Stücken unterhalten lässt, zum anderen auf den ähnlichen libertinistischen Ansichten der beiden. Des Weiteren unterstützen Molières Stücke, die auf das Publikum von ›la cour et la ville‹ ausgerichtet sind, das politische Bemühen des Königs um eine Gleichschaltung des Adels und des Bürgertums (ebd. S. 20-21).

So entstehen zahlreiche in Auftrag gegebene Ballett-Komödien. Ab 1665 darf sich Molières Gruppe sogar ›troupe du roi‹ nennen (Schlitzer 2010: S. 120). Als es jedoch 1668 zum Krieg mit Holland kommt, wendet sich der König wieder verstärkt dem Adel zu (Grimm 2002: S. 21). Zudem gilt seine Aufmerksamkeit spätestens ab 1672 dem Komponisten Lully. Damit verbunden kommt es zu weitreichenden Erlassen, die Molières Arbeit erschweren (ebd. S. 151).

Ein weiterer schwerer Schlag für Molière muss der Tod von Madeleine Béjard am 17. Februar 1673 gewesen sein (ebd. S. 26).

Genau ein Jahr darauf stirbt er selbst kurz nach der vierten Aufführung des Malade imaginaires an den Folgen eines Bluterbrechens (ebd. S. 26).

III. Le malade imaginaire

III.1. Aufbau und Inhalt

Um den Inhalt und den Aufbau des Malade imaginaires vorzustellen, habe ich auf Kindlers Online-Lexikon unter dem Stichwort ›le malade imaginaire‹ zurückgegriffen.

Bei Molières Theaterstück Le malade imaginaire handelt es sich um eine dreiaktige Ballettkomödie, die erstmals 1673 im Palais Royal mit der Musik von Charpentier uraufgeführt wurde. Zwischen den Akten befinden sich drei sogenannte ›Intermèdes‹, in denen gesungen und getanzt wird.

Die Hauptfigur heißt Argan, der sich allerlei Krankheiten einbildet und sich eine Genesung durch den Arzt Purgon und den Apotheker Fleurent verspricht. Diese beiden beuten ihn jedoch aus und sind weniger an seinem Wohlergehen als an seinem Geld interessiert.

Auch Béline, Argans zweite Ehefrau, hat es auf sein Geld abgesehen und wartet nur auf sein Ableben. Angélique, eine seiner beiden Töchter aus erster Ehe, verliebt sich in den jungen Cléante, kann diesen aber zunächst nicht heiraten, da Argan schon ganz eigennützig den Mediziner Thomas Diafoirus für sie zum Ehemann auserwählt hat.

Mit Hilfe von Toinette, dem Dienstmädchen, und Béralde, Argans Bruder, erkennt Argan das hinterlistige Spiel von Béline und den Medizinern. Indem Argan seinen eigenen Tod vortäuscht, erkennt er schließlich die Scheinheiligkeit Bélins und die aufrichtige Traurigkeit Angéliques. Letztendlich erhält Angélique die gewünschte Heiratserlaubnis. Da Argan dennoch nicht auf einen Arzt verzichten will, promoviert er in einer Farce ähnlichen Zeremonie auf der Stelle zum Arzt.

Molière thematisiert hier nicht nur eine ergreifende Liebesthematik, sondern auch weitere Konflikte, die ins Themenfeld der Medizin einzuordnen sind.

Zum einen geht es um den Gegensatz zwischen der akademischen und zugleich antiken Medizin und der modernen empirischen Medizin, zum anderen um das Thema Krankheit und Tod. Auch die Medizingläubigkeit und die Autoritätshörigkeit werden angesprochen, genauso wie die Erkenntnis von Sein und Schein.

III.2. Editionsgeschichte

Während meiner Recherchen bin ich auf verschiedene Ausgaben von Molières Le malade imaginaire gestoßen, die noch im 17. Jahrhundert veröffentlicht wurden. Im folgenden Abschnitt werde ich nur auf die mir am wichtigsten erscheinenden Ausgaben Bezug nehmen.

Die 1674 in Amsterdam von Daniel Elzévir veröffentlichte Ausgabe mit dem Titel Le malade imaginaire, comédie en trois actes, mêlez de danses et de musique unterscheidet sich grundlegend von der 1683 durch La Grange et Vinot erschienenen Ausgabe Le malade imaginaire: comédie mêlée de musique, de chansons, & de dances.

Zudem existiert noch ein weiteres Werk mit dem Titel Le malade imaginaire comedie, meslée de musique, & de dançe Representée sur le theatre du Palais Royal, herausgebracht 1673 von Christophe Ballard, der sich selbst als ›seul imprimeur du Roy pour la musique‹ ausgibt.

Jedoch enthält diese Ausgabe nur einen kurzen, dem König gewidmetem Prolog, den auch in den anderen Ausgaben vorhandenen Eclogue und die Intermèdes. Die Akte selbst fehlen jedoch vollständig.

Der Vergleich der beiden erstgenannten Werke zeigt, dass sie in vielen Punkten voneinander abweichen.

Am offensichtlichsten sind wohl die Namensvertauschungen. So wird aus Argan Orgon, aus Toinette Cato, aus Béline Mariane usw.

Diese Namensvertauschungen kann man entweder als bewusste Veränderungen oder einfach als Hörfehler bewerten, die der Schreiber während der Aufführung machte. Zudem gibt das 1683 erschienene Werk Le malade imaginaire : comédie mêlée de musique, de chansons, & de dances in einem ›Avis au lecteur‹ an, dass schon oft innerhalb und außerhalb Frankreichs Molières Le malade imaginaire veröffentlicht wurde, jedoch »sans en laisser imprimer la veritable copie« (S. 3-4).

Des Weiteren spricht der Herausgeber davon, dass diese Veröffentlichungen weit vom Original und dem eigentlichen Thema entfernt seien. Seiner Meinung nach handelt es sich bei diesen Ausgaben jedoch nur um »une pièce à la quelle il ont donné ce mesme titre«. Er argumentiert, dass ein so geschickter Mann wie Molière kein so erbärmliches Stück geschrieben hätte. Schließlich stellt der Herausgeber auf seine Ausgabe bezogen fest, dass »le lecteur n'aura pas de peine à connoitre que cellecy est l'originale« (S. 3-4).

Für die Authentizität der ersten Ausgabe ließe sich jedoch Molières Nähe zur ›Commedia Italiana‹ sehen. Also kann auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass gar kein ausgeschriebener Text, sondern vielmehr ein stichpunktartiges Skript vorlag.

Dieser Deutungsansatz erscheint mir aber unwahrscheinlich, da Molière bekannterweise aus dem niedrigen Steh-Greif-Theater der ›Commedia Italiana‹ ein hohes Theater schuf, zu dem keineswegs Improvisationstechniken gehören. Wie kam es dazu, dass die ersten beiden Ausgaben sich so stark von der Dritten unterschieden?

Zunächst einmal muss man sagen, dass es wichtig war möglichst schnell eine gedruckte Ausgabe vom Malade imaginaire anzufertigen, da der Buchmarkt zeitgleich zur Aufführung des Theaterstücks auch Interesse an dem Werk in gedruckter Form zeigte.

So nahm man in Kauf, dass diese ersten gedruckten Ausgaben weder von der Wortwahl, noch vom Inhalt dem entsprachen, was Molière auf die Bühne gebracht hatte (Regnier 1925: S. 252).

Warum musste man überhaupt den Malade imaginaire scheinbar verfälscht veröffentlichen?

Da Molières Komödie nicht der genormten Literatursprache entsprach (vgl. dazu auch das 5. Kapitel) und auch auf der Ebene der histoire enorme Kritik an der Autoritätshörigkeit sowie der Medizingläubigkeit übte, wenn auch eher indirekt und durch den heiteren Stil der Komödie verdeckt, so schien man sich anscheinend sicher zu sein, dass der malade imaginaire keine Druckerlaubnis des Königs (vgl. dazu auch das 4. Kapitel) erhalten würde.

So hat man also den brisanten Teil der Komödie, die Akte selbst, in den ersten Ausgaben weggelassen und konnte sich folglich auch sicher sein die Komödie in dieser Form auf jeden Fall veröffentlichen zu dürfen.

Warum übt Molière im malade imaginaire überhaupt so offensichtlich Kritik?

Zu aller erst kann man feststellen, dass Le malade imaginaire eigentlich eine unterhaltsame Komödie für den Königshof werden sollte. Das zeigt sich schon im Genre der Ballet-Komödie.

Jedoch nahm das Interesse Louis XIV. an Molière zugunsten des Musikers Lully ab. In denselben Briefen, in denen Lully 1672 die Erlaubnis erhielt eine ›Académie royale de la musique‹ zu gründen, wurde das Verbot ausgesprochen Musik ohne Lullys Erlaubnis aufzuführen. Kurz darauf verbot der König Komödien mit der Begleitung von mehr als sechs Musikern aufzuführen (Grimm 2002: S. 151). Dies war das Ende für Molières Stücke, die nicht ohne musikalische Begleitung auskamen (Regnier 1925: S. 211).

Aus dieser Ablehnung des Königs ihm gegenüber entschied Molière sich schon 1672 gegen Lully und für Charpentier als Komponisten für die Musik seiner folgenden Komödien (Grimm 2002: S. 151).

So kam es auch dazu, dass die Uraufführung des Malade imaginaires 1673 nicht in Saint-Germain, dem Theater des Königs, sondern im ›Palais-Royal‹ stattfand (Grimm 2002: S. 166)

Diese Hintergrundinformationen bekräftigen die Annahme, dass Molière seinen Malade imaginaire auch tatsächlich so aufgeführt hat, wie es in der 1682 erschienenen Ausgabe geschrieben steht.

Daraus erklärt sich auch der Wechsel in der Publikumsstruktur zum Bürgertum hin, denn das authentische Stück von 1682 zielt nicht mehr so stark auf das Königshaus ab, wie es die früheren Stücke Molières taten. So sind die Figuren allesamt dem bürgerlichen Millieu zu zuordnen, jedoch bleiben die Intermèdes erhalten, die eigentlich zur Belustigung der Adeligen gedacht waren.

IV. Sprachnormierung

Die Sprachnormierung des Französischen beginnt zeitgleich mit dem einsetzenden 17. Jahrhundert. Die für die Renaissance typische, kaum genormte Literatursprache, die zu einer sprachlichen Vielfalt im Französischen, einem sogenannten ›enrichissement de la langue‹ beitrug und im Barock ihren Gipfelpunkt fand, wird im Laufe des 17. Jahrhundert rückgängig gemacht (Klare 2007: S. 110). Zu den Freiheiten der Renaissance typischen Literatursprache gehört vor allem die Möglichkeit aus einem breitgefächerten Wortregister zu schöpfen.

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Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Inwiefern verstößt Molière in seinem Werk "Le malade imaginaire" gegen die genormte Literatursprache des 17. Jahrhunderts?
Université
Ruhr-University of Bochum
Note
1,3
Année
2012
Pages
19
N° de catalogue
V375957
ISBN (ebook)
9783668524491
ISBN (Livre)
9783668524507
Taille d'un fichier
546 KB
Langue
allemand
Mots clés
Molière, Le malade imaginaire
Citation du texte
Anonyme, 2012, Inwiefern verstößt Molière in seinem Werk "Le malade imaginaire" gegen die genormte Literatursprache des 17. Jahrhunderts?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375957

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