Leseprobe
Inhalt
1. Bedingungsanalyse
1.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
1.2 Allgemeine Voraussetzungen
2. Didaktische Analyse
2.1 Sachanalyse.
2.2 Didaktische Reduktion
2.3 Einordnung in die Stoffeinheit
2.4 Lernziele
3. Methodische Analyse.
4. Tabellarischer Unterrichtsverlauf
5. Reflexion.
6. Literatur
7. Anhang
7.1 Arbeitsblätter, Folien, Darstellungen
7.2 Tafelbild
1. Bedingungsanalyse
1.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
In der Zeit vom 16. April 2012 bis zum 20. Juli 2012 habe ich mein Praktikum an einer Gesamtschule (im Folgenden X genannt) absolviert. Diese ist eine von insgesamt zwei Gesamtschulen in E. Momentan lernen an der X rund 800 Schülerinnen und Schüler und werden von etwa 80 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Darüber hinaus wird das Lehrerteam von insgesamt 5 Sonder- und Förderpädagogen unterstützt, die sich um die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf kümmern. Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern haben ergeben, dass eine pauschale Aussage über das Einzugsgebiet der Schule nicht ausreichend ist, da viele Eltern vielmehr auf Grund der Schulform und des Schulkonzepts inklusive der damit verbundenen besonderen Art und Weise des Lehrens und Lernens ihre Kinder an dieser Schule anmelden. Es gibt zu diesem Zweck vor Beginn jedes Schuljahres Aufnahmegespräche, die eine potenzielle Passung von Schule und Kind eruieren sollen.
1991 als Schulversuch entstanden verfolgte man von Anfang an das Ziel, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlicher Begabung und sozialer Herkunft länger gemeinsam zu unter-richten, um so eine Grundlage für dauerhaftes soziales Lernen zu legen. Länger gemeinsam unterrichtet zu werden meint hierbei, dass eine Entscheidung für einen bestimmten Bildungs-weg erst nach dem 8. Schuljahr getroffen werden muss. Damit wird die Schule ihrem An-spruch als integrierte Gesamtschule gerecht, da eine abschlussbezogene Differenzierung in Fachkurse erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt als im allgemeinen dreigliedrigen Schul-system. Es ist darüber hinaus auch möglich, gesetzt den Fall, dass ein Schüler die geforderten Leistungen erbracht hat, in die gymnasiale Oberstufe zu wechseln und dort in der 13. Klasse ein Abitur zu erwerben. Für mich als angehenden Realschullehrer ist vor allem die Sekundarstufe I bedeutsam, wes- wegen ich im Folgenden noch näher auf die Strukturierung und Besonderheiten dieser Stufe eingehen werde.
Schülerinnen und Schüler, die sich für die X entscheiden, werden in der 5. Klasse einge- schult und lernen von da an bis einschließlich des 8. Schuljahrs in 24 Schüler starken Klassen. Diese festgelegte Anzahl ermöglicht es, dass feste Tischgruppen, bestehend aus jeweils vier Schülerinnen und Schülern, gebildet werden können. Die Klassen werden von jeweils zwei so- genannten Tutoren geführt, welche entlang ihrer Aufgaben und Möglichkeiten auch als Klassenlehrer beschrieben werden können. Alle Tutoren eines Jahrgangs bilden ein Lehrerteam und teilen sich einen Teamraum. Es existiert demnach kein gemeinsames Lehrerzimmer für alle an der Schule arbeitenden Lehrerinnen und Lehrer, sondern sieben Teamräume (Jahrgänge 5-10, und das Oberstufenteam).
Die X verfolgt darüber hinaus das Doppeljahrgangs-System, was bedeutet, dass die 5./6. Klasse, die 7./8. Klasse und die 9./10. Klasse als Einheit betrachtet wird. Dies wurde nicht nur formal so festgesetzt, sondern auch inhaltlich/methodisch begründet: Im Doppel- jahrgang 5/6 findet jeden Tag (ausgenommen Montag) der so genannte „Offene Unterricht“ statt.
Ab der 7. Klasse wird der „Offene Unterricht“ durch den so genannten „Epochenunterricht“ ersetzt. In dieser Form des Unterrichtens steht die Interdisziplinarität verschiedener Themen im Kern der Arbeit. Zweimal pro Woche werden bestimmte Themenkomplexe in einer Dop- pelstunde bearbeitet, wobei diese Komplexe von verschiedenen Disziplinen aus betrachtet werden. So wurde beispielsweise in der Zeit meines Praktikums in Klasse 7 das Thema Mit- telalter aus der Sicht der Fächer Deutsch, Kunst, Musik, Mathematik und Geschichte behan- delt. Problemlösungs- und Handlungsorientierung stehen dabei im Vordergrund. Die Themen werden darüber hinaus vielfach in Partner- oder Gruppenarbeit bearbeitet. Am Ende eines Themenkomplexes werden die Ergebnisse der Gruppen präsentiert, wobei die beobachtenden Schülerinnen und Schüler die Arbeiten verbal einschätzen. Es wird demnach auch die Reflexions- und Evaluationskompetenz der Schülerinnen und Schüler intensiv trainiert.
Nach der 8. Klasse findet, wie bereits beschrieben, die fachleistungsdifferenzierte Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in abschlussbezogene Klassen statt. Es werden demnach Haupt- und Realschulklassen (RH-Klassen) auf der einen und gymnasial orientierte Klassen (S- Klassen) auf der anderen Seite gebildet. Während die Schülerinnen und Schüler der RH- Klassen stärker auf den bevorstehenden Berufseinstieg orientiert werden, findet in den S- Klassen eine Vorbereitung auf die gymnasiale Oberstufe statt. Beide Klasse-Typen werden nach dem Lehrplan für die Realschule unterrichtet, allerdings sind die Anwendungsfelder, an denen gelernt wird, jeweils andere und die Komplexität der Lernziele unterscheidet sich auch.
1.2 Allgemeine Voraussetzungen
Der Unterrichtsversuch wurde in der Klasse 7 durchgeführt. In dieser Klassenstufe lernen sowohl Haupt- und Realschüler als auch Gymnasiasten gemeinsam. Unterrichtet wird jedoch durchgängig auf der Grundlage des Lehrplans für die Realschule. Insgesamt lernen in der Klasse 24 Schülerinnen und Schüler, wobei das Verhältnis 14 (Mädchen) zu 10 (Jungen) beträgt. Unter diesen befinden sich in der Klasse zwei Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Sie lernen mit Hilfe eines individuell auf sie zuge-schnittenen Förderplans. Eine intensive sonderpädagogische Betreuung während des Unter-richts ist bei jenen Schülern dagegen nicht von Nöten.
Wie bereits beschrieben befinden sich auf Grund der integrativen Ausrichtung der Schule in der Klasse Schülerinnen und Schüler mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen. Zwei Schülerinnen sind bezüglich des Fachs Geschichte an der Leistungsspitze anzusiedeln, vier können als sehr leistungsschwach eingestuft werden. Die restlichen achtzehn Schülerinnen und Schüler bewegen sich im Mittelfeld. Diese Einteilung ergab sich auf Grundlage von Be-obachtungen und Befragungen der Lehrerin.
Auch die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zum Fach Geschichte gehen sehr weit auseinander. Während eine Schülerin sämtliche Tests verweigert und sich nie am Unterrichts-geschehen beteiligt, interessiert sich eine Schülerin in ganz besonderem Maße für das Fach. Dies macht sich vor allem durch eine sehr starke Unterrichtsbeteiligung bemerkbar. Darüber hinaus steuert sie oftmals Zeitungsartikel bei, in denen unterrichtliche Inhalte behandelt wer-den. Dies signalisiert eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Unterricht auch in der Freizeit.
Nimmt man all diese Erkenntnisse zusammen, so kann man von einer sehr heterogenen Lern- gruppe ausgehen. Es ist demnach wichtig, dass der Unterricht so gestaltet wird, dass mög-lichst alle Schülerinnen und Schüler angesprochen, gefordert und gefördert werden. Geht man davon aus, dass die Schülerinnen und Schüler demnach über unterschiedliche Lernvorausset-zungen verfügen, so ist dies erst einmal eine sehr allgemeine Feststellung. Auf das Fach Ge-schichte bezogen bedeuten das, dass sich die Schülerinnen und Schüler psychologisch gese-hen auf unterschiedlichen Stufen des historischen Denkens befinden. Michael Sauer be- schreibt dies in seinem Buch „Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik“, indem er eine Untersuchung der Spanier Dominguez und Pozo (1998) wiedergibt. Diese gehen von 5 Stufen des historischen Denkens aus, wobei Schülerinnen und Schüler auf der ersten Stufe nur geschichtliche Fakten und Ereignisse, allerdings keine Ursachen wahr- nehmen, Schülerinnen und Schüler auf der fünften Stufe hingegen geschichtliche Ereignisse in komplexen Ursache-Folge-Beziehungen begreifen und unter des Berücksichtigung des his- torischem Kontexts interpretativ erklären können. Es gilt im Weiteren dieses sehr breite Spektrum didaktisch-methodisch aufzufangen, was nach Meinung von Dominguez und Pozo vor allem dann gelingen kann, wenn der Unterricht so strukturiert ist, dass sowohl eigenstän- dig anhand von historischen Quellen interpretiert werden kann, der Lehrer aber hin und wie- der auch über „Erklärungsprozeduren“ unterrichtet, das heißt, mit der Gruppe Aufgaben und Antworten bespricht und auswertet.2
Wie genau dieses Unterrichten schließlich umgesetzt werden soll, darauf wird im Kapitel „Methodische Analyse“ näher eingegangen.
2. Didaktische Analyse
2.1 Sachanalyse
Im Zentrum der gehaltenen Lehrprobe stehen Ursachen und Ausbreitung des Deutschen Bau- ernkriegs von 1525. Zeitlich gesehen wird hierbei eine Spanne von knapp fünf Jahren abge- deckt.
Das Thema „Bauernkrieg“ wird heute in der Wissenschaft als Forschungsgegenstand mit internationalem Ausmaß behandelt. Früher noch als Bewegung interpretiert, die dem Gesetz der Irrationalität und der Wut der „Menge“ folgte, ist man heute auf dem Stand den Bauernkrieg als Revolution des Gemeinen Mannes zu sehen, die in keiner umfassenden modernen Geschichte der Revolutionen fehlen darf.3
Eingebettet ist der Bauernkrieg in eine Epoche, die stark von mittelalterlichen Strukturen ge- kennzeichnet ist: Die Gesellschaft war einerseits ständisch organisiert und auch der Feudalis- mus beherrschte noch immer den Alltag der Menschen. Auf der anderen Seite war diese Epo- che aber auch gekennzeichnet von sehr vielen Veränderungen und Umwälzungsprozessen. Die Reformation war in vollem Gange, womit die katholische Konfession ihre Monopolstel- lung verlor.4
Unter diesen Bedingungen lebten im Deutschen Reich ca. 12 Millionen Bauern. Durch das Ständewesen an die unterste Stelle der Gesellschaft gedrängt waren es aber gerade sie, die das Leben aller durch ihre tägliche Arbeit aufrechterhielten. Durch die feudale Organisation der Gesellschaft lebten die Bauern in einer starken Abhängigkeit zu ihren Feudalherren und in großer Armut. Die Abhängigkeit verlangte es nämlich, dass sie hohe Abgaben leisten, Wucherzinsen und den Zehnten zahlen und Frondienste erbringen mussten.5
Im Zuge der Reformation, der damit verbundenen Bibelübersetzung und der Argumentation Luthers in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) gelangten die Bauern zu der Erkenntnis, dass alle Menschen vor Gott gleich sind und sie von den Landes- herren ungerecht behandelt wurden. Plötzlich hatten sie eine biblische Begründung und konn- ten göttlich gerechtfertigte Ansprüche an Adel und Klerus stellen, etwas an ihrer Situation zu verändern.6
Mit diesen Argumenten bewaffnet schlossen sich viele Bauern in so genannten „Rotten“ oder „Haufen“ zusammen und radikalisierten sich. Um einen offenen Konflikt zu vermeiden drang von Seiten der Landesfürsten die Forderung an die Bauern, ihre Beschwerden schriftlich fest- zuhalten. Dieser Forderung nachkommend entstanden im März 1525 in Memmingen die „zwölf Artikel der Bauernschaft“, ausgearbeitet von Sebastian Lotzer und Christoph Schappe- ler.7
2.2 Didaktische Reduktion
Zum Verständnis des Ereignisses „Deutscher Bauernkrieg“ ist es für die Schülerinnen und Schüler relevant, die Epoche und die damit verbundenen Lebensumstände der Bauern zu ver- stehen. Eine sozial- und landesgeschichtliche Ausrichtung des Unterrichts ist damit unerläss- lich.
Es soll darum gehen nachzuvollziehen, warum es den Bauern zur damaligen Zeit schlecht ging und wie es plötzlich möglich wurde, dass sie sich gegen die ihnen entgegengebrachten Ungerechtigkeiten zur Wehr setzten. Die Rolle der Reformation und speziell Luthers ist hier- bei von sehr großer Wichtigkeit. Allerdings geht es nicht darum, möglichst jede theologische Feinheit nachzuvollziehen. Der Satz „Der Christ ist im Glauben nur an das Wort Gottes ge- bunden, sonst aber ein freier Herr und niemandem untertan.“ aus Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ soll hier exemplarisch vollkommen ausreichen.
[...]
2 Vgl. Sauer, Michael (2012): S. 31.
3 Vgl. Blickle, Peter (2002): S. 7 ff.
4 Vgl. Lutz, Heinrich (2002): S.4 ff.
5 Vgl. Blickle, Peter (1995): S.38 ff.
6 Vgl. Lutz, Heinrich (2002): S. 35.
7 Vgl. ebd. S. 35.