Ritual und Tourismus in Taiwan. Das amisische Fest Ilisin


Thèse de Bachelor, 2015

30 Pages, Note: 1,3


Extrait


2
Inhalt
1. Einleitung
3
2. Ritual und Tourismus
4
2.1 Rituale
4
2.2 Tourismus
5
2.3 Authentische Darstellung im Tourismus
8
3. Amis in Taiwan
9
3.1 Taiwanische Ureinwohner
9
3.2 Taiwan und seine Geschichte
10
3.3 Amis
12
3.4 Ilisin
13
4. Ilisin und Tourismus
17
4.1 Touristisches Ilisin
17
4.2 Analyse
20
5. Zusammenfassung
22
6. Ausblick
23
7. Bibliographie
24
7.1 Monographien
24
7.2 Sammelbände
24
7.3 Internet
25
7.4 Filme
26
7.5 Weiterführende Quellen:
26
8. Anhang
27
8.1 Glossar
27
8.1.1 Chinesisch
27
8.1.2 Amisisch
28
8.2 Abkürzungen
28
8.3 Tabellen
29
8.4 Ursprungsmythos der Amis
30

3
1. Einleitung
"Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme". Dieser
vielzitierte Satz von Thomas Morus steht als Fürspruch für die aktive Bewahrung von
Gebräuchen und Ritualen. Auch im Tourismus lässt sich dieser Gedanke wiederfinden,
vorrangig wenn es um die Vermarktung der "authentischen Rituale" geht. Anhand des
amisischen Erntedank- und Neujahrfestes
Ilisin
werde ich die Fragen klären, warum und wie
ein Ritual in den Tourismus integriert wird. Zudem gehe ich auf die Problematik der
Authentizität eines Rituals im Tourismus ein. Ich beschränke mich dabei auf einen
theoretischen Ablauf des
Ilisins
, da stammesspezifische Unterschiede existieren, aber der
Tourismus in ganz Taiwan denselben Einfluss besitzt. Im theoretischen Teil erkläre ich
zunächst anhand von Theodore W. Jennings Artikel über "Rituelles Wissen" und Burckhard
Dückers "Rituale" wie ein Ritual aufgebaut ist und welche Funktionen ein Ritual hat.
Anschließend erläutere ich die Zusammenhänge zwischen Ritualen und Tourismus sowie die
Bedeutung der Authentizität und gehe auf Robert Schäfers Dissertation "Tourismus und
Authentizität" ein. Im zweiten Teil greife ich die Situation der Ureinwohner in Taiwan unter
Berücksichtigung des geschichtlichen Hintergrundes auf und beziehe mich auf das Volk der
Amis und ihr höchstes Fest
Ilisin
. Als Grundlage nutze ich Michael Rudolphs Forschungen zu
den Amis, einen ethnographischen Dokumentarfilm von Mayaw Biho über den
Malakacaway
-
Aufstieg, einem Bestandteil des
Ilisins
, und eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, die ich
in Taiwan machte. Im dritten Teil lege ich dar, welchen Einfluss der Tourismus auf das
Ilisin
hat, worauf eine Analyse folgt. Des Weiteren waren Nachforschungen innerhalb der Presse
und der Social Media notwendig, um einen aktuellen Überblick auf ganz Taiwan zu
bekommen. Ergänzend zur Literatur bringe ich meine eigenen Erfahrungen mit ein, die ich
durch teilnehmende und spontane Beobachtungen sowie informelle Gespräche mit Taiwanern
gewann. Ich erhielt die Möglichkeit diese Erfahrungen zu sammeln, da ich als Stipendiat des
Huayu Enrichment Scholarships
an einer taiwanischen Universität die chinesische Sprache
lernte und ordentliches Mitglied in einer universitären Arbeitsgemeinschaft, einem
club
, wurde.
Die Arbeit des
clubs
zielt auf die Bewahrung und Weitergabe der Traditionen (insbesondere
der Tänze und Gesänge) der Ureinwohnervölker Taiwans. Die Mitgliedschaft wurde durch
meine Teilnahme am
club
-eigenen
Ilisin
bekräftigt, da die Initiierung über das Ritual stattfindet.
In meiner Freizeit habe ich des Öfteren die Rolle des Touristen eingenommen. Meine
Beobachtungen, die ich dabei machte, sind gleichermaßen mit eingeflossen. Meine Thesis
bietet nicht nur einen theoretischen und historischen Überblick an, sondern stellt eine
Verbindung zur aktuellen Situation in Taiwan her.
Ich verwende für chinesische Begriffe das Hanyu Pinyin als Umschrift. Eine Ausnahme hierfür
sind feststehende Begriffe, die sich in der deutschen Sprache in einer anderen Umschrift

4
etabliert haben. Für die bessere Lesbarkeit verzichte ich auf die Tonzeichen. Für die
verwendeten chinesischen und amisischen Worte befindet sich im Anhang das Glossar.
2. Ritual und Tourismus
2.1 Rituale
Rituale haben im Gegensatz zu Gewohnheiten, die umgangssprachlich ebenso als Rituale
bezeichnet werden, eine höhere Bedeutung. Bergesen unterscheidet hier zwischen Makro-
und Mikroriten (Bergesen, in: Belliger/Krieger 2008, 52). Durch die Zusammenkunft erhalten
Rituale nicht nur die Tradition und somit sich selbst, sondern sind auch sinnstiftend und
gemeinschaftserhaltend. Sie verdeutlichen die geprägten sozialen Strukturen und erneuern
diese. Rituale erlauben zudem die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur und
ermöglichen ein tieferes Verständnis (Dücker 2007, 217). Die Möglichkeit an einem Ritual
aktiv teilzunehmen, setzt voraus, dass eine Gruppenidentität existiert, man zu der
ausführenden Gemeinschaft dazugehört und seine Rolle kennt. "Rituale zählen zu jenen
Handlungssequenzen, welche die soziale Architektur einer Gesellschaft und ­ im weiteren
Sinne auch ­ Kultur fundieren und formen" (Dücker 2007, 1). Außer dem soziokulturellem
Nutzen können noch weitere Faktoren bei den Inhalten und der Ausführung eines Rituals eine
Rolle spielen. Die Einflüsse aus Politik, Ökonomie und Religion müssen ebenso berücksichtigt
werden. Weitere wesentliche Aspekte innerhalb eines Rituals sind, wie Jennings es
bezeichnet, die kognitiven Funktionen. Darunter zählen die Wissensgewinnung, die
Wissensvermittlung und die Zurschaustellung (Jennings, in: Belliger/ Krieger 2008, 158). Erst
durch die Teilnahme an einem Ritual ist es möglich zu verstehen, welche tiefere Bedeutung
das Ritual für die Gemeinschaft und für einen selbst hat. Das eigene Handeln erzeugt ein
Wissen, dass über die theoretische Reflexion hinausgeht und im Körper erfahrbar wird
(Jennings, in: Belliger/Krieger 2008, 161). "Rituelles Handeln ist ein Mittel, durch welches die
Teilnehmer entdecken, wer sie in der Welt sind und `um was es in der Welt geht'" (Jennings,
in: Belliger/ Krieger 2008, 159). Die Wissensvermittlung erfolgt bei der Vorbereitung des
Rituals und durch die Nachahmung erfahrener Teilnehmer (Dücker 2007, 60). Sie ist nicht nur
rein theoretisch in Form des Frontalunterrichtes, sondern kann auch praktische Elemente
enthalten, wie das Erlernen von Tänzen und Gesängen. Die Zurschaustellung richtet sich
nach der Zielgruppe, die erreicht werden soll. Die Zielgruppen lassen sich dabei grob in interne
(Familie, Stamm), nahestehende (Freunde, Verbündete), externe (Touristen, Wissenschaftler,
Journalisten) und übernatürliche Zuschauer (Götter, Geister, Ahnen) unterscheiden. Hinzu
kommt, dass die Möglichkeiten zur Betrachtung sich nicht nur auf Livedarbietungen
beschränken, sondern auch in Schrift, Bild und Ton fixiert werden. Durch den technologischen

5
Fortschritt sind auch Videoaufzeichnungen keine Seltenheit mehr und lassen sich auf den
verschiedenen Speichermedien und Übertragungsarten (Radio, Fernsehen, Internet)
verbreiten. Dies kann zu einem größeren Publikum führen (auch am Ort der Darbietung) und
dadurch Einfluss auf das Ritual selbst nehmen. So kann es sein, dass besondere Rücksicht
während des Rituals auf Kameras und Mikrofone genommen werden muss oder sich der
Veranstaltungsort wegen erhöhten Besucheraufkommens verlagert. Schon die Einbindung
der Medien zeigt, dass Rituale wandelbar sind, wenn die ausführende Gemeinschaft
beziehungsweise die Gemeinschaftsordnung es zulassen. Allein die Überlegung, ob man ein
Ritual an die veränderten Umstände anpassen sollte, bedeutet, dass der Sinn und Zweck
eines Rituals variabel oder zumindest erweiterbar ist (vgl. Dücker 2007, 44).
Jungaberle beschreibt die Gründung eines Rituals in drei Punkten: Legitimation, das
Gründungsereignis und den Mut dafür einzustehen (Jungaberle, in: Jungaberle/
Verres/DuBois 2006, 391). Auch bei der Veränderung eines Rituals kann man diese drei
Punkte wiederfinden, ohne dass daraus ein neues Ritual entsteht. Jede Veränderung ist eine
Anpassung an den Wandel der Umwelt. Daraus ergeben sich Begründungen für die
Legitimatoren bei der nächsten Ausführung des Rituals, die Veränderung zuzulassen oder
abzulehnen. Wird sie zugelassen, muss sie weiterhin gegen Kritiker verteidigt werden oder es
kommt zu einer erneuten Veränderung in Form der Wiederherstellung oder des Findens eines
Kompromisses. Je größer eine Gemeinschaft ist und je mehr innerhalb zwischen "ihr" und
"wir" (oder auch "ich") unterschieden wird, desto stärker ist der Einfluss auf das Ritual. Es
werden einzelne Elemente oder das ganze Ritual eher und konsequenter hinterfragt, was zur
Auflösung, Veränderung oder zur Stärkung führt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das Ritual
eine Vielfalt an möglichen Ausführungen entwickelt (vgl. Bergesen, in: Belliger/Krieger 2008,
70; Jungaberle/Verres/DuBois 2006, 13). Das Hinterfragen wird erleichtert, wenn die
Grundfeste des Rituals weniger stark ausgeprägt ist und eine Anpassung an die momentane
Situation im Vordergrund steht (Assmann 2013, 17).
2.2 Tourismus
Wie oben beschrieben, spielt die Zurschaustellung eine zentrale Rolle für das Ritual. Eine
Zurschaustellung ist dementsprechend nur möglich, wenn es Zuschauer gibt (Jennings, in:
Belliger/Krieger 2008, 167). Durch den Tourismus haben sich die Zielgruppen (intern, extern,
nahe stehend, übernatürlich) verändert. Demgemäß sind Rituale, an denen früher nur der
eigene Stamm und die Götter zuschauen durften, nun auch externen Zuschauern zugänglich.
Laut Platvoet hat das Ritual die besonderen Fähigkeiten, nämlich "die Aufmerksamkeit seiner
Zuschauer [...] auf sich zu ziehen, und welche die Zuschauer dazu bringen, das Ritual als ein
besonderes Ereignis [...] wahrzunehmen" (Platvoet, in: Belliger/Krieger 2008, 187). Die
Fähigkeiten des Rituals, Aufmerksamkeit zu erzeugen und als etwas Besonderes gesehen zu

6
werden, machen das Ritual interessant, um in den Tourismus eingebunden zu werden oder
sind sogar der Auslöser für (Regional-) Tourismus (siehe auch Walcher, in: Luger/Wöhler
2010, 81). Ermöglicht wird es, da die genannten Fähigkeiten grundlegende Voraussetzung für
jegliche touristischen Attraktionen sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Ritual für die
Gemeinschaft immer einen Nutzen erbringt, der von ihr neudefiniert werden kann (vergleiche
Dücker 2007, 52). Dabei spielt nicht nur der ökonomische Gewinn eine Rolle, sondern es
können unter anderem auch der politische und religiöse Nutzen wichtig sein. Zum Erreichen
des angestrebten Nutzens sind die verschiedenen Darstellungsmedien und Symbole, wie
Tänze, Gesänge, Gebete und eingesetzte Objekte wichtige Elemente. Sie werden einzeln,
gleichzeitig (von einer Person) oder parallel (von mehreren Personen) verwendet, um
verschiedene Botschaften den Zuschauern zukommen zu lassen. Die Botschaften werden so
übermittelt, dass sie direkt verstanden werden können oder mit einem kulturellen Vor- bzw.
Insiderwissen (Platvoet, in: Belliger/Krieger 2008, 187). Tourismus und Rituale haben somit
gemeinsame Aspekte, wie auch "Sehenswürdigkeiten [...] gewisse Ähnlichkeiten mit
religiösen Kultobjekten" haben (Schäfer 2015, 23). Man kann auch sagen, dass
Sehenswürdigkeiten einen pseudo-religiösen Kultcharakter erhalten, indem regelrechte
Pilgerfahrten zu den
must see
-Attraktionen abgehalten werden. Auch wird der Tourismus
durch Reiseanbieter, Veranstalter und Touristen immer mehr ritualisiert, beginnend beim
Preisvergleich bis hin zu den feststehenden Tagestouren zu Sehenswürdigkeiten. Durch die
Ritualisierung und den Kultcharakter bekommen Sehenswürdigkeiten eine zusätzliche
Bedeutung oder ändern sie vollkommen (Thurner, in: Schnepel/Girke/Knoll 2013, 151). Es
lässt sich Émile Durkheims Theorie zur sakral-profanen Dichotomie anwenden. Durch die
Veränderung der Aufmerksamkeit wechselt der Zustand von einer rein profanen Sache zu
etwas Besonderem ­ etwas Heiligem ­ das im Gegensatz zu dem alltäglichen steht. Das
Ritual, dass selbst etwas Besonderes und sakrales darstellt, kann aber durch die erhöhte
Anzahl der Durchführungen für die Ausführenden profan werden, während es gleichzeitig für
die touristischen Zuschauer zu etwas Besonderem und Sakralem wird. Ob die Verschiebung
von sakral zu profan (et vice versa) stattfindet oder nicht, hängt vom Umgang mit dem Ritual
durch alle beteiligten Parteien zusammen und welches Ziel mit der Übernahme des Rituals in
den Tourismus erreicht werden soll. Eines der möglichen ­ und wohl auch der
offensichtlichsten ­ Ziele der veranstaltenden Gemeinschaft ist die Stärkung der lokalen
Wirtschaftskraft durch die Kommodifizierung des Rituals und den Aufbau eines neuen
Wirtschaftszweiges beziehungsweise der Erweiterung der bestehenden Tourismusindustrie.
Ein weiteres Ziel (oder eine daraus folgende Konsequenz) kann sein, die eigene Kultur in
Teilen zu konservieren oder neu zu beleben, sodass sie trotz Einflussnahme anderer Kulturen
fortbesteht. Eine Folge daraus ist, dass teils die Landflucht aufgehalten und ein wirtschaftlicher

7
Aufschwung in anderen Wirtschaftszweigen geschaffen werden kann (Schnepel, in:
Schnepel/Girke/Knoll 2013, 23; Smith, in: Smith 1990, 8) und somit auch die eigene Kultur
wieder gestärkt wird. Weniger offensichtliche Ziele sind das Zeigen der politischen Präsenz
und das Hinweisen auf die eigene Situation.
Die Touristen haben hingegen andere Ziele: Sie suchen nach Spannung und Entspannung in
der Fremde ­ am besten mit einem höheren Standard als daheim. Hasso Spode sagt, dass
Reisen "immer auch Zeitreisen" sind. Das Fremde ist nicht nur als eine andere Region und
ein anderes Volk zu verstehen, sondern auch als eine "andere Zeit" (Spode, in:
Schnepel/Girke/Knoll 2013, 99; Schnepel, in: Schnepel/Girke/Knoll 2013, 28). Dabei wird die
"futuristische" Bedienung in einem Restaurant durch einen automatisierten Roboter als
ebenso exotisch und fremd wahrgenommen wie ein "urtümliches" Ritual im Dschungel,
obwohl beides Dinge der Jetztzeit sind. Der Tourist unternimmt nicht nur die metaphorische
Zeitreise, sondern noch eine weitere, in der er sich für die Dauer seiner Reise aus seiner
"gewohnten Welt" herausnimmt. Der Ort, den er vorübergehend verlassen hat, verändert sich
jedoch während dieser Zeit. Dies kann zur Minderung der gewünschten Entspannung und zu
einer anderen Wahrnehmung des Erlebten führen, wenn der Tourist sich schon mit den
Gedanken in der "Zukunft" bei der Ankunft des verlassenen Ortes befindet. Obwohl die Reise
in die Fremde bevorzugt wird, ist die Auseinandersetzung mit dem Neuem währenddessen
nicht ein zwingender Bestandteil, sondern wird nur dann als "gut" empfunden, wenn alles so
abläuft, wie man es erwartet und sich die Fremden so verhalten, wie man es gewohnt ist (vgl.
Schäfer 2015, 93 und 99). Dennoch ist es wichtig über das Leben anderer zu erfahren und
die damit verbundene eigene Neugierde zu befriedigen. Außerdem glaubt mancher Tourist,
durch das "Wagnis" in die Ferne zu gehen und sich das auch leisten zu können, dass er bei
den Daheimgebliebenen an Prestige gewinnt. Der Tourismus ist ein fortwährendes Ritual mit
ständig wechselnden Akteuren, Ritualplätzen und Handlungen, die sich zwar ähneln aber nie
gleichen und sich nahezu über die gesamte Welt erstrecken.
Um ein Ritual als touristische Attraktion (gezielt) zu etablieren, müssen Autoritäten von Politik,
Wirtschaft, Kultur, Religion und Gesellschaft den Rahmen festsetzen, in dem das touristische
Ritual stattfinden soll. Deshalb kann es zu einer Verlagerung der Machtverhältnisse zwischen
den Autoritäten kommen (siehe Wöhler, in: Luger/Wöhler 2010, 54; Görlich, in:
Schnepel/Girke/Knoll 2013, 206). Das bedeutet wiederum Einfluss auf das nicht-touristisch
genutzte Ritual, sogar wenn Veränderungen in dem verhandelten Rahmen für das touristische
Ritual untersagt wurden. Wie bei jeder Veränderung eines Rituals muss sie gegen Kritiker
verteidigt werden. Durch die Aufspaltung des Rituals ergeben sich drei wesentliche
Kritikpunkte: die Aufspaltung selbst, die Anpassung an den Tourismus und die weiteren
Veränderungen, die durch das Verlagern der Machtverhältnisse entstehen. Dementsprechend

8
müssen die gesetzten Rahmenbedingungen so eingehalten werden, dass die Auswirkungen
auf das eigentliche Ritual und die daraus resultierenden Kritiken minimiert werden.
2.3 Authentische Darstellung im Tourismus
Wer sich mit Tourismus beschäftigt ­ egal ob im wissenschaftlichen Kontext oder für die
nächste Urlaubsreise ­ wird immer mit den Begriffen Authentizität, Ursprünglichkeit oder
Tradition konfrontiert. Auch in der Werbung für alltägliche Produkte finden sich Worte wie "das
Original" und "nach Hausmannsart" wieder, die dasselbe suggerieren sollen. Dass aber bei
diesen Produkten die Rezeptur und die Herstellungsweise seit den Anfängen sich gewandelt
haben, merkt man spätestens, wenn mit einer neuen Sorte oder verbesserter Rezeptur
geworben wird. Die Werbung agiert mit diesen Worten, um die Kunden mit ihrer Suche nach
Beständigkeit in einer unbeständigen Welt an sich zu binden (vergleiche Bachleitner, in:
Luger/Wöhler 2010, 231). Oft wird dabei vernachlässigt, dass sich Traditionen ebenso im
Wandel befinden, wie die darin befindlichen Rituale und dass jeder Ursprung eine Bewegung
(also eine Zustandsveränderung) zur Folge hat und dadurch in sich selbst wandelt. Der Begriff
Authentizität hingegen kann vielfältig ausgelegt werden ­ und wird es auch in den
verschiedenen Fachrichtungen. So beschreibt das griechische Wort
(
authentikós
)
die "Echtheit" oder die "Zuverlässigkeit" einer Sache (Pfeifer, Version 1.0.133). Das Marketing
nutzt die Bedeutung der "Zuverlässigkeit" nicht auf das angepriesene Produkt, sondern auf
den Vergleich von Produkt und Beschreibung (Burmann/Schallehn 2010, 44). Wenn die
Beschreibung genau das widerspiegelt, was das Produkt ausmacht, ist es als authentisch
anzusehen. Bei Werbetexten muss man dementsprechend davon ausgehen, dass diese
Definition des Wortes verwendet wird. Im Vergleich dazu steht bei der UNESCO die
Bedeutung der "Echtheit" im Vordergrund (Schäfer 2015, 166). Die Beschreibung eines
Rituals mag noch so korrekt sein und von der UNESCO (oder einer anderen Autorität) als echt
bezeichnet werden, dennoch muss sich bei dem Touristen nicht das Gefühl einstellen, dass
das Ritual authentisch ist (Luger, in: Luger/Wöhler 2010, 28). Für die einen mag die
Vorstellung zu eingeübt wirken, für die anderen zu fehlerhaft, um als authentisch empfunden
werden zu können (Hüncke, in: Schnepel/Girke/Knoll 2013, 231). Andererseits kann es auch
auf der Seite der Darsteller vorkommen, dass die Wahrnehmung sich unterscheidet. Während
die einen es als authentisch empfinden, weil alle Handlungsabläufe gleich sind wie beim
"heiligen" Ritual, wird es von den anderen als nicht-authentisch angesehen, weil es eben nicht
"das" Ritual ist. Bei der umgangssprachlichen Verwendung des Wortes Authentizität spielen
nicht nur die Echtheit und die Zuverlässigkeit eine Rolle, sondern ebenso die Stimmigkeit des
Wahrgenommenen (vergleiche Schäfer 2015, 133). Sobald ein Tourist oder ein Darsteller
hinterfragt, ob die Aufführung authentisch ist, kann sie im Sinne der subjektiven Betrachtung

9
nicht als echt eingestuft werden, da das Gefühl der Stimmigkeit nicht erzeugt wurde. Man
kann somit sagen, dass die Stimmigkeit einer Sache der Übergang vom Fakt der Echtheit zum
Gefühl der Authentizität ist. Authentizität wird über die Wahrnehmung bestimmt, und im
Regelfall nimmt der Tourist nur die Bühne (
frontstage
) wahr. Aber weil es eine Bühne ist, wird
es gerade nicht als authentisch angesehen, sondern als Inszenierung. Als authentisches
Gebaren eines Touristen wird gleichermaßen die Mystifizierung des Backstages angesehen,
der dort das Nicht-Inszenierte vermutet und quasi den Einblick verlangt (Schäfer 2015, 27).
Um die Darstellung authentisch wirken zu lassen, muss der Anbieter die Backstage für das
Publikum öffnen. Dadurch entsteht eine Bühne in der Backstage und das Privatleben wird zur
eigentlichen Backstage (Schäfer 2015, 25). "Wer oder was sichtbar ist, scheint berechenbar
und daher nicht bedrohlich zu sein, hat nichts zu verbergen, sei es weil er die Situation
beherrscht, sei es weil diese ihn beherrscht" (Dücker 2007, 55). Es spielt also bei der Reflexion
eines Rituals, ob es authentisch ist, nicht das Vorwissen einer Rolle, dass benötigt wird, um
einzelne Teile verstehen zu können, sondern die ästhetische
1
Beurteilung (Schäfer 2015,
166). Wenn der ästhetische Zusammenhang besteht und die gewünschte "Ursprünglichkeit"
bei einem Ritual ausgestrahlt wird, ist es irrelevant, ob es aus einer Kultur stammt, ein
Verbund aus verschiedenen Kulturen ist oder in einer neuen Form umgesetzt wird.
3. Amis in Taiwan
3.1 Taiwanische Ureinwohner
Während es in den europäischen Sprachen jeweils mehrere Bezeichnungen für Ureinwohner
und indigene Völker gibt, existiert in Taiwan heutzutage nur ein offizieller Begriff:
Yuanzhumin(zu)
. Die offizielle englische Übersetzung in Dokumenten wird dementsprechend
unterschiedlich gehandhabt. Obwohl der Zusatzartikel der Verfassung der Republik Chinas
die Übersetzung
aboriginal
beinhaltet (siehe
Additional Articels of the Constitution of the
Republic of China
­ Artikel 10), wurde für den englischen Namen der Vertretung der
Ureinwohner der Begriff
indigenous
gewählt (genauer:
Council of Indigenous Peoples
) und
durchgängig verwendet. In der taiwanischen Umgangssprache werden diese beiden
englischen Begriffe synonym verwendet, wobei
aboriginal
eine größere Verwendung findet.
Der Zusatzartikel stellt zwar die staatlichen Verpflichtungen gegenüber den Ureinwohnern
klar, doch findet sich dort keine Definition, wer als Ureinwohner anerkannt ist. Die Definition
findet man im Artikel 2 des
Indigenous Peoples Basic Law
des
Council of Indigenous Peoples
:
1
Ästhetisch nicht im Sinne der Kallistik

10
1. The term "Indigenous Peoples" means peoples, under the State's jurisdiction, who
usually live within (or maintain attachments to) geographically distinct ancestral
territories; who tend to maintain distinct social, economic, and political institutions within
their territories; who typically aspire to remain distinct culturally, geographically and
institutionally rather than assimilate fully into national society; and who self-identify as
Indigenous Peoples and/or Tribal Peoples, such as, but not limited to, the Amis tribe,
the Atayal tribe, the Paiwan tribe, the Bunun tribe, the Puyuma tribe, the Rukai tribe,
the Tsou tribe, the Saisiyat tribe, the Yami tribe, the Tsao tribe, the Kavalan tribe, the
Taroko tribe, and any other such tribes as may self-identify as Indigenous Peoples and
duly obtain official recognition and approval from the Central Competent Authority of
Indigenous Affairs upon official petition and/or application.
2. The term "Indigenous Persons" means nationals who are registered either as
Mountain Region Indigenous Peoples or as Plain Region Indigenous Peoples, and
thereby obtain legal Indigenous status, being evidenced by the household registration
records of aforesaid Indigenous Persons. [...] (The Indigenous Peoples Basic Law).
Zurzeit
2
sind 16 Völker offiziell anerkannt, während weitere um ihre Anerkennung als
eigenständiges Volk kämpfen. Seit der letzten Überarbeitung der Übersetzung des
Zusatzartikels der taiwanischen Verfassung haben die Sakizaya, Seediq, Hla'alua und
Kanakanavu die Anerkennung erhalten.
Ich werde für diese Arbeit die Bezeichnung "Ureinwohner" nutzen, da in den englischen
Gesprächen mit meinen taiwanischen Kontakten vor allem das Wort
aboriginal
verwendet
wurde.
3.2 Taiwan und seine Geschichte
Die ethnische Zusammensetzung der taiwanischen Bevölkerung ist sehr heterogen. Rund
98% der mehr als 23 Millionen Einwohner gehören zu den Han-Chinesen (The World
Factbook, 2015). Dennoch existiert unter ihnen eine große kulturelle Vielfalt. Man muss
zwischen den Hoklo, den Hakka und den Waishengren, den sogenannten "Festlandchinesen",
unterscheiden. Hinzu kommen die kulturellen Unterschiede durch die Drei Lehren
Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus sowie diversen Synkretismen. Die restlichen 2%
bilden die Ureinwohnervölker, während Personen ohne taiwanischen Pass nicht mit in die
Statistik aufgenommen werden.
Über die Besiedlung Taiwans durch die heutigen Ureinwohner ist nur wenig bekannt.
Archäologische Funde weisen auf mehrere Immigrationswellen hin, wovon die älteste bis in
die Jungsteinzeit zurückreicht
3
(Baldick 2013, 2; Kending National Park). Die schriftliche
Niederlegung der Geschichte auf Taiwan beginnt erst im Jahre 1623 mit dem Aufbau des
Forts Zeelandia durch die Niederländer im heutigen Tainan und kurze Zeit später durch die
2
stand Juni 2015
3
rund 4.000 v.Chr., von manchen Autoren auch älter geschätzt

11
Spanier in der Nähe von Keelung. Der Name Formosa, die schöne Insel, wurde aber schon
rund 80 Jahre früher durch die Portugiesen geprägt (ebd.). Um die Kontrolle über die
westlichen Ebenen Taiwans zu erhalten, führten die Niederländer Kriege gegen einzelne
Stämme und Völker, die sie anschließend teils umsiedelten und versklavten. Später
verbündeten sie sich mit Stämmen aus der Region gegen die Spanier und gegen die Stämme,
die als hinderlich für die eigenen Vorhaben angesehen wurden. Um den wirtschaftlichen
Interessen nachkommen zu können, reichten die Sklaven und heimischen Lohnarbeiter nicht
aus, deshalb wurden zusätzliche Arbeiter vom chinesischen Festland angeworben (Baldick
2013, 5). Durch die engeren Kontakte zu den Niederländern ergaben sich die ersten
westlichen Einflüsse bei den Völkern Taiwans und die ersten (Zwangs-) Missionierungen zum
Christentum (ebd.).
Durch den Sturz der Ming-Dynastie durch die Mandschu (der Qing-Dynastie) im Jahr 1644
flüchteten viele Anhänger der Ming nach Taiwan, sodass sich 1661 die Ming-treue Flotte vor
Taiwan sammelte und die Stellungen der Niederländer einnahmen. 1683 übernahm die Qing-
Dynastie Taiwan. In den Kämpfen waren auf beiden Seiten Ureinwohner vertreten, wenn auch
nur um einen verfeindeten Stamm besiegen zu können. Die Qing-Dynastie erklärte die Berge
zum Sperrgebiet für die Han-Bevölkerung, um einerseits eine bessere Kontrolle der
Steuereinnahmen zu haben, andererseits aber auch um ethnische Konflikte zu verhindern
(Quelle unbekannt). Die in den Ebenen verbliebenen Ureinwohner waren gezwungen, wie
Sklaven ohne Lohn zu arbeiten, während die Frauen gezwungen wurden, chinesische Siedler
zu heiraten. Daraus entstanden immer wieder Konflikte und Aufstände. Obwohl es strikte
Gesetze bei der Einwanderung gab, kam es durch die Zwangsehen zu einer Stärkung der
chinesischen und einer Schwächung der indigenen Population, da die ethnische
Zugehörigkeit bis heute in Taiwan patrilinear bestimmt wird (Quelle unbekannt).
Während der japanischen Besetzung Taiwans von 1895 bis 1945 wurde versucht, die
gesamte Bevölkerung zu japanisieren, da Chinesen und Ureinwohner gleichermaßen als
Barbaren angesehen wurden. Bei der "Zivilisierung" fokussierten sich die Japaner vor allem
auf die
Gaoshanzu
4
, die Ureinwohner der Berge, die nicht sinisiert waren. Auch unter der
japanischen Okkupation gab es viele Unruhen und Aufstände in der Bevölkerung, trotzdem
kämpften taiwanische Ureinwohner während des zweiten Weltkrieges in der japanischen
Armee. Als 1945 Japan die Kontrolle an die Republik China abgeben musste, endete die
Japanisierung und die Sinisierung setzte wieder ein. Sie verschärfte sich 1947 mit dem 228-
Massaker und der Ausrufung des Kriegsrechts sowie 1949 mit der Flucht der nationalistischen
Partei Koumintang (KMT) nach Taiwan (Vogelsang 2013, 578) Mit der Beendigung des
4
In der Volksrepublik China sind die Ureinwohner Taiwans unter dem Begriff
Gaoshanzu
zu einer
Ethnie zusammengefasst. In Japan sind sie in der Ausprache Kzanzoku bekannt. In Taiwan gilt dieser
Begriff als veraltet.

12
Kriegsrechtes 1987 begann die KMT eine neue politische Ära einzuleiten, die 1996 die ersten
freien Wahlen ermöglichte. Mit der Aufnahme der Ureinwohner in den zehnten Zusatzartikel
der Verfassung wurden sie 1994 als Minderheiten anerkannt, wodurch 1996 die Gründung
des
Council of Aboriginal Affairs
(dem heutigen
Council of Indigenous Peoples
) als notwendig
erachtet wurde.
Durch diesen geschichtlichen Hintergrund ergibt sich für die taiwanische Gesellschaft die
Frage der gemeinsamen Identität (Behne 1999, 367f). Einerseits wird versucht die Frage als
multikultureller Staat zu beantworten und andererseits versuchen die Minderheiten (hierzu
zählen neben den Ureinwohnervölkern auch die Hakka) ihre kulturelle Unabhängigkeit wieder
zu beleben.
Eine Problematik für die Minderheiten besteht darin, dass durch die chinesische Politik der
letzten Jahrzehnte die hochchinesische Sprache (Mandarin) die indigenen Sprachen
verdrängt und als Muttersprache ersetzt hat. Jüngere müssen meist "ihre" Sprache als
Fremdsprache in der Schule lernen und können diese dann auch fast nur mit ihren Großeltern
oder in Ritualen nutzen (Liu/Klein 2013). Eine andere Problematik ist, dass in den Dörfern
meist nur schwer Geld zu verdienen ist und dadurch eine Abwanderung in die Städte (vor
allem in den Großraum Taipeh) stattfindet. Dadurch können traditionelle Handwerke und Riten
kaum oder gar nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form ausgeübt werden. Eine Folge ist ein
Kulturwandel, in dem neue Riten geschaffen oder alte angepasst werden, wenn nicht sogar
eine vollständige Sinisierung stattfindet.
3.3 Amis
Das größte Volk der taiwanischen Ureinwohner bilden die rund 200.000 Amis (auch
Amei
genannt) (China Post 2015). Die Stämme der Amis leben im Osten und an der Südspitze
Taiwans zwischen der pazifischen Küste und dem taiwanischen Bergkamm (vgl. mit
http://www.vidiani.com/large-detailed-administrative-map-of-taiwan/
). Die "Nordamis" nennen
sich selbst Pangcah, was "Mensch" oder "Person mit derselben Abstammung" bedeutet,
während die "Südamis" die Eigenbezeichnung Amis wählen, dessen Bedeutung "Norden" ist.
Woher diese Bezeichnungen stammen, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Des Weiteren wird Amis
auch als Name für ihre Sprache verwendet, die zu der austronesischen Sprachfamilie gehört.
Sie war eine schriftlose Sprache und wird heute ­ wie auch andere austronesische Sprachen
­ mit lateinischen Lettern geschrieben. Amis gilt als eine Sprache die sich in Entwicklung
befindet (EGIDS Level 5) (Ethnologue 2015).
Die soziale Struktur ist geprägt von einer matrilinearer Erbschaftsfolge und einem
altersbedingten Rängesystem der männlichen Stammesmitglieder. Es ist heute noch
Tradition, dass nach der Eheschließung der Bräutigam bei der Braut einzieht. Ist sie die älteste

13
Tochter, erbt sie das Haus der Eltern, während die anderen Töchter in der Nähe ein Haus
beziehen oder bauen (Council of Indigenous People:
The Tribes in Taiwan
). Das
Familienoberhaupt ist die Älteste und sie verwaltet die Finanzen und den Familienbesitz,
während die wichtigsten Stammesangelegenheiten von einer Versammlung der Rangesführer
bestimmt werden (ebd.). Das System der Altersränge bestimmt die Rolle und Aufgabe einer
Person innerhalb der Gemeinschaft (siehe Tabellen 1). Der Haupterwerb wird vor allem durch
Hirse- oder Reisanbau sowie Fischerei und Viehzucht bestritten. Die Fischerei spielt eine
spezielle Rolle, da sie die Verbundenheit mit dem Ozean symbolisiert. So endet jegliche
Unternehmung erst, wenn gemeinsam gefischt oder zumindest Fisch verzehrt wurde (Taiwan
Indigenous Culture Park:
Amis Tribe)
. Durch das geringe Einkommen in der Landwirtschaft
und für einen höheren Bildungsgrad, der in Taiwan als sozial notwendig erachtet wird, sind
vor allem die jüngeren Amis gezwungen, in die Städte zu gehen. Dadurch sind in den
Großstädten urbane Stämme entstanden, die teils aus einem ländlichen Stamm hervorgingen,
teils aber auch stammesübergreifend sind. Die urbanen Stämme pflegen nicht nur die
Traditionen ihres ländlichen Stammes, sondern haben zusätzlich Rituale an die städtischen
Gegebenheiten angepasst.
Obwohl die Amis schon im 17. Jahrhundert Kontakt mit dem Christentum hatten, spielt der
amisische Polytheismus noch immer eine Rolle. Rund 75% der Amis sind seit den 1970er
Jahren bis heute zum Christentum konvertiert (Joshua Project:
Amis, Ami in Taiwan)
. Der
Polytheismus zeichnet sich neben der Zuschreibung von Naturphänomen durch Götter auch
dadurch aus, dass es eine starke Verehrung der Ahnengeister zum Schutz der Familie und
des Stammes gibt. Die Verehrung der Ahnen und Naturphänomene wird in die christlichen
Lehren integriert und auch toleriert, sodass an den wichtigsten Festen, wie dem
Ilisin
, auch
der christliche Priester involviert ist. Die christlichen Traditionen werden dabei in die
Traditionen der Amis eingefügt, aber nur Teile des Glaubens der Amis in das Christentum.
Die christliche Kirche stellt mittlerweile eine der wichtigsten Institutionen beim Erhalt der
Traditionen und Sprache der Amis dar (Liu/Klein 2013).
3.4 Ilisin
Das wichtigste Fest der Amis ist das
Ilisin
und wird in mehrere Tage mit unterschiedlichen
Funktionen gegliedert. Traditionell wird es gefeiert, um den Götter für die Ernte zu danken und
für das kommende Jahr eine reiche Ernte zu erbitten. In den christianisierten Stämmen ist es
nur noch gestattet den christlichen Gott, der von manchen auch als der Himmelsgott
Makadao
angesehen wird, zu verehren (Rudolph, in: Köpping/Leistle/Rudolph 2006, 224). Es wird mit
dem gesamten Stamm gefeiert, dennoch haben bei vielen Zeremonien die Frauen traditionell
ein Verbot, aktiv daran teilzunehmen, um nicht die Ahnen und Götter zu erzürnen (Rudolph,
in: Köpping/ Leistle/Rudolph 2006, 231). Auch die Stammesmitglieder, die in den Städten

14
wohnen, kommen in die Dörfer, um mitzufeiern. Rund alle vier Jahre werden auch die neuen
Ränge der Männer gefeiert. Des Weiteren dient das Fest als Heiratsmarkt und teils wird auch
die Hochzeitsfeier in das
Ilisin
integriert.
Das
Ilisin
wurde ursprünglich nach der Hirseernte gefeiert. Während der japanischen
Besatzung mussten die Amis auf Reisanbau umstellen, um die japanischen Bedürfnisse stillen
zu können (Rudolph, in: Köpping/Leistle/Rudolph 2006, 228). Dadurch änderte sich die
Erntezeit. Die zeitliche Verschiebung machte sich die KMT in den 1990er Jahren zunutze, um
das Fest in die Sommerferienzeit (Juli bis September) zu legen. Mit dem Eingriff der KMT in
das
Ilisin
veränderte sich auch die Dauer des Festes in der Regel auf drei bis fünf Tage, wobei
die "urbanen Stämme" auch nur einen Tag feiern (ebd.). Ursprünglich betrug die Dauer des
Ilisins
zwölf Tage, die ersten sechs Tage dienten der Vorbereitung. Mit der Verkürzung der
Festzeit muss die Vorbereitung nun an den Abenden nach der Arbeit stattfinden. Dazu zählen
vor allem das
Milunu
, die Aufbauarbeiten und die Einführung in die neuen Ränge (Biho 2007,
00:18:15; Taiwan Info 1983). Die Rangeseinführung findet nur rund alle vier Jahre statt. Die
Rangesaufteilung und auch der Turnus des Rangesaufstiegs ist von Stamm zu Stamm
unterschiedlich geregelt (siehe Tabelle 1). Bei der Einführung wird den Mitgliedern des
niedrigeren Ranges erklärt, welche Aufgaben sie mit dem Rangesaufstieg beim
Ilisin
für die
Gemeinschaft übernehmen müssen und wie sie am besten zu bewältigen sind.
Milunu
bedeutet "Hirse einsammeln gehen" und ist ein feststehender Begriff, der auch im
Chinesischen gebraucht wird. Hierfür geht eine Gruppe, die durch den Rang bestimmt ist (z.B.
beim Stamm der
Makuta'ay
die Gruppe der
Malakacaway
), von Haus zu Haus und sammelt
eine vorher festgelegte Menge an Hirse oder Reis sowie Geld ein. Für das gesammelte Geld
werden Getränke, Gemüse und Fleisch gekauft, wenn nicht selbst angebaut und gejagt
werden kann. Bei den Getränken spielt vor allem der Hirse- oder Reiswein eine besondere
Rolle. Bei der Gruppe, die das
Milunu
durchführt, wird sehr auf gutes Benehmen geachtet, da
sie den gesamten Stamm repräsentiert (Biho 2007, 00:17:10).
Weitere Vorbereitungen waren die Überprüfung der Versammlungshütte sowie die Jagd und
das Worfeln des Getreides. Während die Jagd noch stattfindet, ist das Schälen des Getreides
durch den Einkauf von weißem Reis obsolet geworden. Auch die Überprüfung der
Versammlungshütte hat sich gewandelt, da sie in jüngster Zeit aus den beständigeren
Materialien Stahlbeton und Wellblech gebaut werden und für das Fest nicht mehr neu mit
Stroh gedeckt werden muss. Nur noch kleinere Unterstände werden aus den traditionellen
Materialien wie Bambus und Stroh für das Fest gebaut.
Die feierliche Eröffnung des Festes beginnt mit einem christlichen Gottesdienst. Da aber nicht
mehr zu den "alten Götter" gebetet wird, bringt ein Priester des "alten" Glaubens (teils auch
als Schamane oder Medium bezeichnet) vorher in kleiner Runde den Göttern am

15
Festtagsplatz Opfergaben dar, bestehend aus Hirse- oder Reiskuchen, Schweinsleber und
Hirse- beziehungsweise Reiswein. Als Abschluss des mittlerweile inoffiziellen Teils benetzt
der Priester den Erdboden (Rudolph, in: Köpping/Leistle/Rudolph 2006, 221) und
gegebenenfalls auch die Ahnenstele oder einen geschmückten Torbogen mit Reiswein, um
symbolisch mit den Göttern und den Ahnen zu trinken. Da für den Gottesdienst sich schon die
ersten versammeln ­ oder auch absichtlich früher kommen ­ nehmen sie an der
"Trinkzeremonie" teil und kommen so auch den "alten Göttern" und Ahnen wieder näher. Der
Gottesdienst wird ebenso in der amisischen Sprache gefeiert wie die Opferung. Neben den
abgewandelten (von polytheistischen Inhalten zu christlichen), traditionellen Gebeten und
Gesängen werden christliche mit eingebracht. Amisische Tänze untermauern den Charakter
des Gottesdienstes. Die verschiedenen Tänze werden bis in die Nacht getanzt und nur für die
Mahlzeiten unterbrochen. Sie sind ein Rückblick auf das beendete Jahr und schildern Gott/den
Göttern und Ahnen durch Tanzfiguren, welche Arbeiten verrichtet wurden. Während früher die
Frauen nicht an den Tänzen und der Opferzeremonie teilnehmen durften (Rudolph, in:
Köpping/Leistle/Rudolph 2006, 231), hat die katholische Kirche das Verbot aufgehoben. Vor
Tagesanbruch des zweiten Tages geht der unterste Rang zum gemeinsamen Fischen, um
der Verbundenheit mit dem Ozean Ausdruck zu verleihen. Währenddessen wird das Feuer
für die Zubereitung der Fische vorbereitet. Die drei besten Fische sind den drei ranghöchsten
Alten vorbehalten und werden ihnen in extra gefertigten Schalen aus Betelnusspalmrinde
serviert (Taiwaninfo 1983). Am Nachmittag und auch in den nächsten Tagen (beim fünftägigen
Ilisin
) wird gemeinsam getanzt und gesungen. Es werden Wettkämpfe ausgetragen, bei denen
die Männer ihre Fähigkeiten als Jäger und Krieger unter Beweis stellen. An einem der Abende
treffen sich die Unverheirateten. Während die Männer gemeinsam tanzen, schauen die
Frauen nach potentiellen Partnern. Ist einer ausgemacht, geht sie zu ihm und zieht an seiner
Umhängetasche. Ist das Interesse beidseitiger Natur, zieht er die Tasche auf die andere
Schulter, sodass sie leichter abzunehmen ist. Wenn sie nun ein weiteres mal daran zieht,
übergibt er ihr die Tasche und tanzt mit ihr. Danach wird er sich wieder dem Tanz der Männer
anschließen. Sobald der Gruppentanz vorüber ist, findet sich das Paar zusammen und nutzt
die Nacht, um sich besser kennenzulernen (Taiwaninfo 1983). Einige Paare entscheiden sich
ihre Hochzeitsfeier in die Festtage, vor allem auf den Tag nach dem Partnerwahltanz, zu
legen. Zum Abschluss des
Ilisins
verbringen die einzelnen Ränge zusammen mit ihren
Familien den letzten Tag beim gemeinsamen Angeln und Essen.
Wenn in dem Jahr auch die Aufstiegszeremonien stattfinden, wird neben dem Gottesdienst
der Hauptaugenmerk darauf gelegt. Da, wie oben schon beschrieben, die Rangesaufteilung
und somit auch die dazugehörigen Zeremonien unterschiedlich sind, beschreibe ich nur einen
möglichen Ablauf anhand der
Malakacaway
, dem sechsten Rang, vom Stamm der Makuta'ay.

16
Die Männer aller Ränge versammeln sich auf dem Festplatz in ihrer Stammes- und
Rangestracht und formieren sich zum Kreis. Einige tragen allerdings nur ihre Alltagskleidung
mit der traditionellen Umhängetasche. Dabei finden sich immer die Mitglieder eines Ranges
zusammen. Es werden bis in die späte Nacht Kreistänze getanzt und dabei Volkslieder
(vorwiegend in amisischer Sprache) gesungen. Die Frauen und Kinder dürfen die Zeremonie
beobachten, aber nicht mittanzen und -singen (Taiwaninfo 1983; Biho 2007), da sie ein
anderes Rängesystem haben (siehe Tabelle 2).
In der Mitte des Kreises stehen Reiswein in Eimern und eine große Menge an
selbstgemachten Schnapsbechern aus Bambus bereit. Mehrere Mitglieder der "neuen"
Malakacaway
gehen gleichzeitig in die Mitte, nehmen sich einen Reisweineimer und einen der
Schnapsbecher. Anschließend tanzen sie innerhalb des Kreises denselben Tanz, allein und
in ihrem eigenen Stil, dem Kreis zugewandt. In der einen Hand den Eimer, in der anderen den
Becher, befüllen sie tanzend den Becher und prosten nacheinander den Tanzenden zu. Dabei
dürfen sie entscheiden, ob sie bei dem Kettenende der Jüngsten oder der Ältesten anfangen,
auch wenn sie meist von dem Zeremonienmeister, dem Rangesführer der
Malakacaway
, dazu
gedrängt werden, bei den Ältesten anzufangen. Mit jedem Toast müssen die Einzeltänzer den
Becher leeren. Die höheren Ränge fordern dabei zu mehreren Toasts zu Ehren der Familie,
der Ahnen oder auch erfundenen Tatsachen auf, bevor sie selber dem Einzeltänzer zu prosten
und er zum nächsten in der Kette übergehen darf. Das kann bei den Alten und beim Rang der
Mama nu Kapah
dazu führen, dass über zehn Toasts pro Kreistänzer gesprochen und
dementsprechend so viele Becher getrunken werden müssen. Je niedriger der Rang, desto
weniger Toasts muss der Einzeltänzer sprechen. Es kommt auch vor, dass die Älteren die
Machart und das Fassungsvermögen der Schnapsbecher beanstanden und deshalb sie
wegwerfen, zertreten oder zerbeißen. Es geht nicht um den Becher, sondern mit dessen
Zerstörung soll die emotionale Stabilität des Initianden in schwierigen Situationen geprüft
werden. Obwohl der Einzeltanz schon eine Herausforderung ist, wird die emotionale
Hemmschwelle durch den übermäßigen Alkoholkonsum herabgesenkt. Wenn bei einem der
Tänzer die Übelkeit einsetzt, steht er in der Pflicht, den Platz rechtzeitig zu verlassen, um ihn
nicht zu entweihen. Anschließend muss er wieder in den Kreis zurück oder sich einreihen.
Sobald einer der Einzeltänzer sich wieder in den Kreis einreiht, übernimmt der nächste der
Malakacaway
die Position des Einzeltänzers (Biho 2007, 01:05:00).
Der Aufstieg zum
Malakacaway
bedeutet für den Einzelnen, dass er zum ersten Mal mit den
Alten gemeinsam trinken darf, was innerhalb der Amis als eine große Ehre angesehen wird
(Biho 2007, 00:28:30). Egal wieviel Alkohol getrunken wird, am nächsten Morgen muss sich
jeder wieder seiner Aufgabe für das Fest stellen.

17
4. Ilisin und Tourismus
4.1 Touristisches Ilisin
Es liegt zwar nahe, dass die Veränderung des
Ilisins
hin zum Tourismus mit der Beendigung
des Kriegsrechtes 1987 und dem Verlegen des Festtages in den 1990er Jahren einhergeht,
jedoch sind schon die ersten rein touristischen Veränderungen in den späten 1890er Jahren
zu finden. Damals wurde das Fest von den japanischen Besatzern besucht, und für sie wurden
die meist schwarzen Trachten größtenteils durch die heute noch verbreiteten roten
ausgetauscht. Das Fest wurde durch die Japaner verändert, da sie neue Ge- und Verbote
setzten, die bei Nichteinhalten sofort sanktioniert worden wären. Die Götterverehrung musste
im Rahmen der japanischen Toleranz stattfinden und durfte nicht gegen die Lehren des
Buddhismus und des Shintoismus oder gegen die japanischen Gesetze verstoßen. Zu Beginn
der Besatzung wurde taiwanweit die Kopfjagd verboten (Yamada 2002, 234). Damit fiel eine
wichtige Opfergabe für die amisischen Götter weg.
Unter dem Kriegsrecht der KMT (1947-1987) kam es zu zahlreichen Veränderungen, und
einige betrafen direkt das
Ilisin
. Durch das Versammlungsverbot und der eingeschränkten
Pressefreiheit bestand nicht die Möglichkeit das
Ilisin
touristisch zu vermarkten, um es der
Han-chinesischen Bevölkerung bekannt zu machen. Somit war der Tourismus (sofern man
ihn als solchen bezeichnen möchte) auf kommunale Vertreter der KMT beschränkt, die aus
politischen Gründen am Fest teilnahmen. Anstelle des Rängesystems wurde ein
Planungsgremium eingesetzt und nationale Symbole wie die Flagge und die Hymne mussten
in die Zeremonie integriert werden (Rudolph, in: Köpping/Leistle/Rudolph 2006, 241). Hinzu
kommen die bereits genannten Einflüsse des Christentums.
Nach dem Ende des Kriegsrechtes wurden nach und nach viele der staatlichen
Veränderungen rückgängig gemacht und die Planung wieder in die Hände der Amis
übergeben, wobei die Frage der Autoritäten neu geklärt werden musste. Die weltliche Autorität
übernahm wieder der Stammesrat der Rangesführer, dessen Vorsitz die Ältesten innehaben.
Die Rolle der geistlichen Führer wurde zwar nicht durch die KMT beeinflusst, aber durch die
christliche Kirche. Während die Ältesten weiterhin auch eine geistliche Autorität blieben,
wurden in den meisten Stämmen die amisischen Priester durch die christlichen Pfarrer ersetzt.
Dennoch verloren sie nicht in Gänze ihre Position als geistliche Führer, da sie weiterhin ihren
Rang als Älteste einnehmen können. Weitere Autoritäten kommen hinzu, wenn das Fest für
den Tourismus geöffnet wird. Eine davon ist das staatliche Büro für Tourismus (zugehörig
zum Ministerium für Verkehr und Kommunikation), dass Stämme bei der Finanzierung des
Festes unterstützt, die ein "offenes"
Ilisin
feiern. Nicht die finanzielle Förderung macht die
Autorität aus, sondern das Mitbestimmungsrecht bei der Vermarktung und der Steuerung der

18
Touristenströme. Durch die Förderung und den Tourismus ergibt sich die Möglichkeit für
einige Stämme, das kostspielige Fest wiederaufzunehmen und somit das
Ilisin
in ihrem
Stamm neu zu begründen. Das Fest wird durch den Faktor des ökonomischen Nutzens
erweitert und muss neben der sozio-kulturellen und religiösen Bedeutung gesondert beachtet
werden. Als Prämisse kann hier gesehen werden, dass das Fest dem Stamm dienlich sein
muss. Der Kontrast dazu: Der Stamm dient dem Fest und den zu verehrenden Ahnen und
Gott/Göttern. Der ökonomische Faktor ist auf die eigene Arbeit ­ und die eigene Finanzierung
­ beschränkt und nur wenige externe Zuschauer werden explizit eingeladen. Das lässt sich
bei den Stämmen wiederfinden, die auf eine touristische Nutzung des Festes verzichten, aber
nicht generell gegen den Tourismus in der eigenen Region sind. In Gebieten, in denen das
Ilisin
nicht gefeiert wird, aber für touristische Aufmerksamkeit gesorgt werden soll, wie zum
Beispiel im
Taiwan Indigenous Peoples Culture Park
in Majia, übernehmen Tanz- und
Musikensembles die Zurschaustellung des Festes (oder einzelner Teile daraus). Dafür
werden nicht nur professionelle Ensembles engagiert, sondern auch Laienensembles, die
gegründet wurden, um den Kulturerhalt der Ureinwohner zu fördern oder der
Freizeitbeschäftigung dienen. Bei der Bildung der Ensembles sind vor allem
Arbeitsgemeinschaften, die sogenannten
clubs
, von Schulen und Universitäten
erwähnenswert. Da in den größeren Städten die Mitglieder der
clubs
und Ensembles sich aus
verschiedenen Völkern zusammensetzen, werden Tänze, Gesänge und Riten nicht nur eines
Volkes einstudiert. Dabei wird das zu Lernende stilisiert und die Erzählung innerhalb der
Tänze und Lieder nicht an das Jahr angepasst, im Gegensatz zum nicht-touristischen
Ilisin
,
sondern es werden ästhetische Figurenkombinationen und feststehende, lyrische Texte
gewählt. Im Rahmen der Japanisierung, Sinisierung und der Indigenisierung haben sich
mehrere Musikstile (wie Enka, chinesische Volksmusik, Jazz und die verschiedenen Formen
des Pops) in der amisischen Musik etabliert ­ und auch weiter gewandelt. Durch die
Ensembles und den Tourismus wird jedoch parallel dazu die indigene Musik mit ihren
traditionellen Musikinstrumenten (z.B.:
Tipolo
­ Nasenflöte,
Kakeng
­ Röhrenglocke,
Latuk
­
Mundbogen) wiederbelebt. Durch die Aufführungen und Trainings der Ensembles wird das
theoretische und praktische Wissen nicht nur innerhalb des Volkes weitergegeben, zu dem
das Ritual gehört, sondern allen Mitgliedern und Zuschauern. Da die Gruppenarbeit zeitlich
begrenzt ist, kann nicht der gesamte Hintergrund (Mythen und deren Varianten) oder die
inhaltliche Bedeutung der Tanzelemente erläutert werden. Die interessierten Mitglieder eignen
sich das Wissen eigenständig an. Neben den traditionellen Quellen, wie die eigene Familie,
der Stamm und Freunde aus anderen Völkern oder ethnographische Schriften, haben sich die
Massenmedien etabliert, um das kulturelle Wissen weiterzugeben. Auf nationaler und
regionaler Ebene existieren Fernseh- und Radiokanäle, die speziell (teils auch in den

19
jeweiligen Sprachen) über die Angelegenheiten der Ureinwohner informieren und von
Traditionen berichten. Als Quelle hat sich besonders das Internet bewährt. Vor allem die
Social Media
5
spielen eine wichtige Rolle, in denen eigenes Wissen als Text oder Video mit
Interessierten im In- und Ausland geteilt, diskutiert und kommentiert wird. Hinzu kommen leicht
erreichbare Websites, die man ohne Vorwissen oder eigenes Benutzerkonto aufrufen kann.
Das sind staatliche, kommerzielle und private Seiten für die verschiedensten Zielgruppen. Die
Existenz der
clubs
und der unterschiedlichen indigenen Medienkanäle zeugt trotz der
Kommerzialisierung der großen Feste
6
, wie dem
Ilisin
, von einem starken Interesse aller
Altersklassen an ihrer eigenen Kultur. Gute Dokumentationen und die unterschiedlichen
Quellen
7
ermöglichen es die Varianten des
Ilisins
der Stämme und deren Veränderungen auch
für Außenstehende zu vergleichen.
Die Touristen, die überwiegend Taiwaner und Japaner sind, erfahren von der Existenz des
Festes durch den jährlichen Medienrummel, kurz bevor die ersten Feste beginnen. Zum Fest
werden die Touristen durch Handzettel und einer Moderation mit Wissen zum
Ilisin
und zu
den Amis versorgt. Die Moderation begleitet nicht nur das Programm, sondern wird oft auch
während
Tanzvorstellungen
weitergeführt.
Die
Zuschauer
werden
über
den
Minderheitenstatus und die Unterschiede zur gesamttaiwanischen Kultur aufgeklärt.
Obwohl eine Funktion des
Ilisins
die Stärkung der Gemeinschaft ist, werden gerade diese
Bestandteile bei der touristischen Vermarktung vernachlässigt oder in ein nicht öffentliches
Fest ausgelagert. Die Hochzeitsfeiern werden nicht mehr in das
Ilisin
integriert und die Tänze,
die für die Partnersuche gedacht sind, werden durch neue Tänze ersetzt, wie den
Amei Cha
Cha
. Die Wettkämpfe der Stammesmitglieder, die eigentlich die Gemeinschaft und vor allem
die Rangesgruppen stärken sollen, werden so verändert, dass sie zur Unterhaltung der
Touristen ausgetragen werden. Arbeiten aus der eigentlichen Vorbereitung, wie dem Worfeln
oder dem Stampfen des Reis- bzw. Hirsekuchens, werden in das Fest als Mitmachdarbietung
integriert. Das
Milunu
, das eine wesentliche Institution des Festes ist, wird im rein touristischen
Ilisin
weggelassen, da die Finanzierung durch die Vorjahreseinnahmen und Geldgeber
geregelt wird. Beim Stammes
ilisin
, an dem auch die Touristen teilhaben können, sind die
Finanzierungen von äußeren Institutionen nur eine Unterstützung. Der Tourist hat nicht (oder
nur selten) die Möglichkeit, den privaten und stammesinternen Bestandteil zu erleben. Aus
diesem Grund bleibt das
Milunu
ein nicht einsehbares Element des Festes. Er bekommt also
nie das gesamte Fest mit, sondern erlebt meist nur den Festakt des ersten Tages. Das ist im
Interesse des Touristen in Taiwan, da er das zu lange Verweilen an einem Ort weder als
5
In Taiwan sind das neben Facebook, Youtube und privaten Blogs auch die Dienste von Line, Youku
und NicoNico; früher auch vermehrt
Bulletin Board
Systeme und Foren.
6
Die Kommerzialisierung wird innerhalb der Amis stark diskutiert.
7
Die vor allem in japanischer und chinesischer Sprache verfasst sind.

20
spannend noch als entspannend empfindet. Um die Verweildauer der Touristen zu erhöhen,
wird versucht, den Bedürfnissen nachzukommen und die vorhandenen Erwartungen zu
erfüllen. Dem nachkommen zu können, müssen in unmittelbarer Nähe Unterkünfte und
Parkplätze vorhanden sein. Beim touristisch genutzten
Ilisin
besteht kein Bedarf für
Versammlungshütten. An ihre Stelle treten Bühnen oder Tribünen, die aufgebaut oder
instandgehalten werden. Für die Moderation und eine angenehme Akustik sorgt die
Tontechnik. Bei einem Tagesevent stellt die Verpflegung einen wichtigen Punkt dar. Dabei
sollte sie authentisch amisisch sein, aber dennoch auch die "Vorzüge der Moderne" (z.B.
Softdrinks) bieten. Außerdem müssen diverse Einkaufsmöglichkeiten für Souvenirs und
Geschenke geschaffen werden. Der Verkauf traditioneller Waren wie Schmuck, Körbe und
Stickereien dient dem Erhalt des Handwerks und der Handwerkskünste. Das
Ilisin
begünstigt
die saisonale Verdienstmöglichkeit und führt zu einer Bekanntheit der Region(en). Um
ganzjährige Einnahmequellen zu haben, werden weitere amisische Rituale dem Tourismus
zugänglich gemacht und auch außerhalb der festgeschriebenen Jahreszeit als rein-
touristische Aufführung dargeboten. Zudem wird das Freizeitangebot innerhalb dieser
Regionen für Touristen erweitert. Es haben sich Anbieter für diverse Sportarten, wie
Paragliding und Klettern, und für Rundreisen und thematische Führungen etabliert. Durch die
bessere finanzielle Situation wird die Abwanderungswelle in die Städte abgeschwächt und es
erfolgt wieder eine Migration in die ländlichen Regionen. Amisische Kritiker weisen jedoch
daraufhin, dass die indigenen Kulturen (besonders ihre Kultur) ausgenutzt und die Rituale zu
einer Ware degradiert werden. Um darauf aufmerksam zu machen, werden Protestaktionen
durchgeführt, wie eine Tourführung durch die Dienstzimmer des örtlichen Büros für Tourismus
(Ho 2014). Weitere Kritiken, die auch von anderen Völkern und Organisationen kommen, sind
die vermehrte Zerstörung der Natur und die Entweihung heiliger Orte durch Touristen. Trotz
aller negativen Kritiken wird ein Interesse für die Region und das Land erzeugt und der
Bekanntheitsgrad gefördert. Weiteres Interesse am Land weckt das Büro für Tourismus, das
weltweit auf Tourismusmessen vertreten ist und dort gezielt mit der taiwanischen
Multikulturalität und den verschiedenen Festen ­ insbesondere dem
Ilisin
­ als Erlebnis wirbt.
Der Tourismus fördert durch das gesteigerte Interesse an Taiwan auch die internationale
Relevanz des Landes, was dazu führt, dass internationale Journalisten mehr über innen- und
außenpolitische Belange berichten.
4.2 Analyse
Die Zielorte passen sich an die neue Kundschaft aus Europa und Nordamerika, z.B. durch
englischsprachige Beschilderung, an. Dennoch sind an den touristischen Zentren die
begleitenden Moderationen (nicht nur beim
Ilisin
) vorwiegend in chinesischer und selten in

21
englischer oder japanischer Sprache. Es ist aber nicht nur mit der sprachlichen Anpassung
getan, denn das Wahrnehmen eines anderen Volkes und die Beweggründe, sich mit diesem
auseinanderzusetzen, ist in jeder Kultur unterschiedlich. Ob eine touristische Attraktion als
authentisch wahrgenommen wird, hängt davon ab, aus welchem Grund sie besucht wird. Das
Interesse der Taiwaner am
Ilisin
und an anderen indigenen Festen spiegelt die Suche nach
der Identität des eigenen Volkes und des Staates wider und bringt eine Sicherheit, da Fremdes
vertraut wird. Für sie wurde in den letzten Jahrhunderten das Kennenlernen der Völker des
eigenen Landes durch die Politik erschwert. Japanische Touristen hingegen wollen die eigene
Landesgeschichte nachvollziehen und die Schauplätze kennenlernen. Außerdem spielen die
Kosten und geringe Flugzeit eine wesentliche Rolle, sodass auch Kurzreisen im Bereich des
Machbaren liegen. Für Europäer und Nordamerikaner liegt wohl eher in der Entfernung (nicht
bezogen auf die lange Flugzeit) und der Unabhängigkeit zur eigenen Geschichte und Kultur
8
der Reiz sowie die Neugierde an "Fernost". Daraus ergeben sich die verschiedenen
Betrachtungsweisen, ob das besuchte
Ilisin
authentisch ist. Inwieweit einzelne (touristisch
genutzte) Feste und Darbietungen des
Ilisins
von den verschiedenen Nationalitäten als
authentisch angesehen werden, ist noch nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Ein
Grund ist, dass der europäische und nordamerikanische Massentourismus in Taiwan noch
am Anfang steht. Ein anderer mag sein, dass man jedes Fest und jede Aufführung einzeln
betrachten müsste, da die Stämme eigene Traditionen in ihr
Ilisin
einfließen lassen ­ und teils
einen eigenen Ursprungsmythos besitzen, der die Entstehung des Festes erklärt (siehe
Anhang "Mythos"). Auch wenn es keine wissenschaftliche Erhebung gibt, findet sich die
Infragestellung des authentischen Festes umso mehr bei den oben genannten Kritikern
wieder, während die Vermarkter und Werbetreibenden es als authentisch ­ in der Definition
der Zuverlässigkeit ­ bewerben
9
. Die widersprüchlichen Argumente und Ansichten sowie die
verschiedenen Verwendungen des Wortes Authentizität innerhalb des Tourismus lassen eine
generelle Beantwortung der Frage, ob das touristische
Ilisin
authentisch bzw. stimmig ist, nicht
zu. Da es aber von den Amis selbst touristisch genutzt wird und somit nicht nur eine Kopie
darstellt, kann das touristische
Ilisin
als eine neue Form des Rituals angesehen werden. Die
Entstehung einer neuen Form weist auf sozio-kulturelle Veränderungen innerhalb des Volkes
hin, wodurch man es aus ethnologischer Sicht als authentisch bezeichnen muss. Damit haben
sich drei Ausführungsarten des Festes etabliert, die nebeneinander existieren und sich nicht
nur in der Darstellung, sondern auch in ihren Funktionen unterscheiden lassen. Die erste Form
ist das private
Ilisin
, das für die reiche Ernte dankt. Zur zweiten Form gehören jene Feste, die
8
Die geschichtliche Verbindung von Europa mit China im 19.-20. Jhdt. bzw. mit Taiwan im 17. Jhdt.
durch die verschiedenen (auch deutschen) Kolonien wird dabei nicht berücksichtigt.
9
O-Ton: "
Visitor can share the happy moment with local aboriginee and experience the authentic
indegeneous culture on the spot during the festival
." (Round Taiwan Round)

22
auch außenstehende Zuschauer erlauben. Somit ist nicht nur der Dank der Ernte gegeben,
sondern es wird eine zusätzlich Ernte eingebracht. Sie besteht aus den Einnahmen, die durch
die Zuschauer ermöglicht werden, wie Beherbergung, Verpflegung und Verkauf von
Handwerkswaren. Die neueste Form ist die touristische, die nicht von einem Stamm als Dank
für die Ernte gefeiert wird, sondern für ein Ensemble die Verdienstmöglichkeit (im weitesten
Sinne also selbst eine Ernte ist) darstellt. Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt der
Akteure ­ sei es ein Stamm oder ein Ensemble ­ wird bei allen drei Formen gestärkt. Die
Authentizität eines Rituals lässt sich also nicht durch die historische Korrektheit feststellen,
sondern erst die Veränderung lässt einen authentischen Einblick in die gelebte Kultur zu.
5. Zusammenfassung
Obwohl die Amis schon seit 400 Jahren Kontakt zu seefahrenden Nationen hatten, begann
die große Einflussnahme erst vor rund 125 Jahren durch die japanische Besatzung, die
darauffolgende Herrschaft der KMT sowie die Missionierungen durch die christlichen Kirchen.
Einen nicht unerheblichen Anteil an diesen Veränderungen hatte die Einführung der
unterschiedlichen Medien und des Tourismus bei den Amis (und in Taiwan). Gerade bei den
Festen, allen voran dem Erntedank- und Neujahrsfest
Ilisin
, sind die Einflüsse erkennbar und
auch forciert worden. Daraus ergab sich eine neue politische Dimension, die über die
Stammeshierarchie hinausging und im Tourismus immer noch eine Rolle spielt. Durch das
Zusammenspiel von Medien und Tourismus haben sich zwangsläufig der Zuschauerkreis und
das Ritual verändert, was zur Folge hatte, dass das
Ilisin
in drei Formen existiert: eine private,
nicht-touristische; eine dem Tourismus geöffnete und eine rein-touristische Form. Da Rituale
und Tourismus eine ähnliche Struktur aufweisen, konnten die neuen Formen entstehen.
Beides ist fähig, die nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen, um ein neues ­ touristisches ­
Publikum zu erreichen. Die Einbindung des Festes in den Tourismus ermöglicht nicht nur den
Akteuren, die Kosten für das Fest zu tragen, sondern führt auch zur wirtschaftlichen Belebung
der Stammesregionen und ihrer Handwerke. Bei der Bildung des touristischen
Ilisins
sind
zudem die Wandelbarkeit von Ritualen und die Anpassung an städtische Gegebenheiten
wichtige Aspekte zur Bewahrung der eigenen Kultur. Eine Anpassung ist die Gründung von
Ensembles, die sich auf die reine Aufführung spezialisiert haben und nicht nur aus Amis
bestehen. Eine andere ist die Bildung von urbanen Stämmen, die eine städtische
Interpretation des Festes besitzen. Daraus wird eine Wechselwirkung zwischen der
Gesellschaft und ihren Ritualen erkennbar. Rituale bilden das Fundament für
Gemeinschaften, die innerhalb der Gesellschaft neu entstehen und sind gleichzeitig einer
Veränderung unterworfen. Jede Veränderung bringt neue Kritiker hervor, insbesondere wenn

23
Institutionen als Autoritäten eingesetzt werden, die dem Ritual eine neue Wichtigkeit geben.
Da die größten Veränderungen vor allem im Zusammenhang mit dem Tourismus auftraten,
sind hier besonders viele Kritiken laut geworden. Dennoch wird von staatlicher und
wirtschaftlicher Seite vieles unternommen, die amisischen Feste (und Feste anderer
Ureinwohner) auf dem globalen Tourismusmarkt bekannter zu machen, was langfristig
gesehen weitere Veränderungen bedeuten wird. Sie lassen sich nur begrenzt voraussagen,
nehmen aber weiterhin Einfluss auf die amisische Kultur. Besonders die touristischen
Varianten des
Ilisins
ermöglichen einen Einblick in den Kulturwandel der Amis. Aus dem
Grund lässt sich das
Ilisin
, zumindest aus ethnologischer Perspektive, als ein authentisches
Fest, egal in welcher Form es zelebriert wird, einstufen.
Das
Ilisin
mit seiner komplexen Struktur, seinen drei Formen und den Stammesvarianten ist
nicht mehr nur für die Amis essenziell, sondern repräsentiert, neben anderen Festen, die
vielfältige gesamttaiwanische Kultur. Die Entstehung der neuen Formen des
Ilisins
verdeutlicht den Taiwanisierungsprozess und die Suche nach einer gemeinsamen Identität
der Völker Taiwans. Gleichzeitig wird gerade den Amis durch die erhöhte Aufmerksamkeit ihre
eigene Volksidentität bewusster.
Esse est percipi.
6. Ausblick
In dieser Arbeit habe ich mich hauptsächlich dem generellen Aufbau des
Ilisins
und der
touristischen Nutzung gewidmet. Jedoch konnte ich nur begrenzt auf die Vielschichtigkeit und
Vielfältigkeit des Festes eingehen. Das
Ilisin
bietet eine gute Grundlage für Forschungen, um
die sozialen und kulturellen Eigenheiten der einzelnen amisischen Stämme in Erfahrung zu
bringen und ermöglicht einen guten Einblick in die Gemeinschaft. Die einzelnen Religionen
und Konfessionen (amisischer Polytheismus sowie katholische und evangelische Kirchen)
und ihre Bedeutungen für das tägliche Leben spiegeln sich ebenso wider wie die Sinisierung
und Taiwanisierung. Bei der Fokussierung auf einen Stamm über mehrere Jahre (auch
rückblickend durch Videoaufzeichnungen) lassen sich Veränderungen innerhalb des Festes
und im Alltag feststellen.
Für die Untersuchungen sind grundlegende Fähigkeiten in der amisischen Sprache von
Vorteil, um Gebete, Gesänge und Mythen wiedergeben und übersetzen zu können und nicht
nur auf chinesische Übersetzungen zurückgreifen zu müssen. Um historische Quellen mit in
weitere Arbeiten einfließen lassen zu können, sind außerdem Japanischkenntnisse oder ein
Übersetzer unverzichtbar.

24
7. Bibliographie
7.1 Monographien
Assmann, Jan 2013:
Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in
frühen Hochkulturen
. 7. Auflage. München: Verlag C.H. Beck.
Baldick, Julian
2013:
Ancient Religions in the Austronesian World
­
From Australasia To
Taiwan
. London: I.B.Tauris & Co. Ltd.
Behne, Mathias 1999:
Harmonie und Konflikt
­
soziokulturelle Entwicklung auf Taiwan: Eine
Untersuchung zum Zusammenhang von Handlungsstrukturen, soziale, Wandel und Konflikt
in der Gesellschaft Taiwans mit einem ausführlichen chinesisch-deutschen Glossar.
Münster:
Lit Verlag.
Dücker, Burckhard 2007:
Rituale: Formen
­
Funktionen
­
Geschichte
. Stuttgart: J.B.Metzler.
Rudolph, Michael 2003:
Taiwans multi-ethnische Gesellschaft und die Bewegung der
Ureinwohner.
Münster: Lit Verlag.
Schäfer, Robert 2015:
Tourismus und Authentizität
­
Zur gesellschaftlichen Organisation von
Außeralltäglichkeit
. Bielefeld: transcript Verlag.
Vogelsang, Kai 2013:
Geschichte Chinas.
Stuttgart: Reclam.
7.2 Sammelbände
Belliger, Andréa und David J. Krieger (Hrsg.) 2008:
Ritualtheorien: Ein einführendes
Handbuch
. 4. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Jungaberle, Henrik und Rolf Verres, Fletcher DuBois (Hrsg.) 2006:
Rituale erneuern:
Ritualdynamik und Grenzerfahrung aus interdisziplinärer Perspektive.
Gießen: Psychosozial-
Verlag.
Köpping, Klaus-Peter und Bernhard Leistle, Michael Rudolph (Hrsg.) 2006:
Ritual and
Identity
­
Performative Practices as Effective Transformations of Social Reality
. Berlin: Lit
Verlag.
Luger, Kurt und Karlheinz Wöhler (Hrsg.) 2010:
Kulturrelles Erbe und Tourismus
­
Rituale,
Traditionen, Inszenierung
. Innsbruck: Studienverlag.
Schnepel, Burkhard und Felix Girke, Eva-Maria Knoll (Hrsg.) 2013:
Kultur all inclusive
­
Identität, Tradition und Kulturerbe im Zeitalter des Massentourismus
. Bielefeld: transcript
Verlag.

25
Smith, Valene (Hrsg.) 1990:
Hosts and Guests
­
The Anthropology of Tourism
. Second
Edition. Philadelphia: University of Pennsylvania Press.
7.3 Internet
Burmann, Christoph und Mike Schallehn. 2010.
Arbeitspapier Nr.44: Konzeptualisierung
von Marken-Authentizität.
Bremen.
http://www.lim.uni-bremen.de/files/burmann/publikationen/LiM-AP-44-
Markenauthentizitaet.pdf (abgerufen 2015-05-01).
Ho, Yi. 2014.
Indigenous matters.
In: Taipei Times.
http://www.taipeitimes.com/News/feat/archives/2014/07/30/2003596231/1?utm_content=buff
er2efc0&utm_medium=social&utm_source=facebook.com&utm_campaign=buffer
(abgerufen 2015-01-15).
Pfeifer, Wolfgang.
Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache. Etymologisches
Wörterbuch: Authentizität.
Version 1.0.133.
http://www.dwds.de/?qu=Authentizität (abgerufen 2015-03-26).
Yamada, Hitoshi.
Religiös-mythologische Vorstellungen bei den austronesischen Völkern
Taiwans. Ein Beitrag zur Ethnologie Ost- und Südostasiens.
München.
http://edoc.ub.uni-muenchen.de/7335/1/Yamada_Hitoshi.pdf (abgerufen 2015-04-25).
Additional Articels of the Constitution of the Republic of China (Taiwan).
http://english.president.gov.tw/Default.aspx?tabid=1037 (abgerufen 2015-01-15).
China Post. 2015. Amis remains Taiwan's biggest aboriginal tribe at 37.1% of total.
http://www.chinapost.com.tw/taiwan/national/national-news/2015/02/16/429129/Amis-
remains.htm (abgerufen 2015-02-22).
Ethnologue
: Amis.
http://www.ethnologue.com/language/ami (abgerufen: 2015-04-08).
Joshua Project:
Amis, Ami in Taiwan.
http://joshuaproject.net/people_groups/10295/TW (abgerufen 2015-02-22).
Round Taiwan Round:
Taibalang Tribe.
http://www.rtaiwanr.com/taibalang-tribe (abgerufen 2015-05-02).
Taiwan Indigenous Culture Park:
Amis Tribe.
http://www.tacp.gov.tw/tacpeng/home02_3.aspx?ID=$3051&IDK=2&EXEC=L (abgerufen
2015-04-09).

26
Taiwan Info, 1983:
the past and present of the tribes of Ami.
http://taiwaninfo.nat.gov.tw/ct.asp?xItem=117769&CtNode=124&htx_TRCategory=&mp=4
(abgerufen: 2015-02-03)
The Indigenous Peoples Basic Law.
http://www.apc.gov.tw/portal/docDetail.html?CID=74DD1F415708044A&DID=3E651750B40
06467D4B40DD3AC1D7378 (abgerufen 2015-01-15).
Council of Indigenous People:
The Tribes in Taiwan: Amis.
http://www.apc.gov.tw/portal/docList.html?CID=C1F3A60A42545179 (abgerufen 2015-04-
08).
The World Factbook:
Taiwan.
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/tw.html (abgerufen 2015-01-
30).
7.4 Filme
Malakacaway
­
The rice wine filler.
[Malakacaway ­
]. R.: Mayaw Biho. TW:
Tatokem Culture Workshop 2007. Fassung: DVD. 71 Min.
The Lost Language of the Amis People.
R.: Flora Liu, Sam Klein. TW. 2013. Fassung:
Stream [https://www.youtube.com/watch?v=DntiuVEU6bY]. 14 Min.
7.5 Weiterführende Quellen:
Yuan, Chang-Rue 1967: Gangkou Amei de nianling zuzhi. In: Bulletin of the Institute of
Ethnology Academia Sinica. Number 24. Autumn 1967. S.123 -186.

27
8. Anhang
8.1 Glossar
8.1.1 Chinesisch
Hanyu Pinyin
Chinesisch
Deutsch/ Englisch
Amei Cha Cha
mi qiàqià
Moderner, amisischer Tanz
Ameiren
mi-rén
Der Amis, die amisische Person
Ameizu
mi-zú
Volk der Amis
Gaoshanzu
Goshn-zú
Ureinwohner der Berge
Hakka
Kèji
Han-Chinesen mit eigener
Sprache und Kultur
Hoklo
Fúlo
Han-Chinesen mit Muttersprache
"Min-Nan" bzw. dessen Dialekt
"Taiwanisch"
Koumintang
Zhngguó
Guómíndng
taiwanische Partei (Nationale
Volkspartei Chinas)
Waishengren
Wàishng-rén
"Festlandchinese"
Chinesische Staatsbürger, die
mit der Flucht vor der
Kommunistischen Partei Chinas
nach Taiwan kamen
Yuanzhumin
(zu)
Yuánzhùmín (zú)
( )
Ureinwohner, indigenes Volk,
indigene Völker
Yuanzhuminzu
Weiyuanhui
Yuánzhùmínzú
Wiyuánhuì
Ausschuss der indigenen Völker
Council of Indigenous Peoples

28
8.1.2 Amisisch
Amisisch
Deutsch
Amis
Eigenbezeichnung der Amis; auch: Norden
Ilisin
Erntedank- und Neujahrsfest
Makadao
Himmelsgott im amisischen Pantheon,
auch mit christlichem Gott gleichgesetzt
Malakacaway
Rang innerhalb der männlichen Amis
Milunu
"Hirse einsammeln gehen" - Sammeln von Geld und Getreide für das
bevorstehende Ilisin
Sauliyau
allmächtige Göttin
Tatakosan
Sohn von Sauliyau
Pangcah
Eigenbezeichnung der Amis; auch: Mensch, Person mit derselben
Abstammung
8.2 Abkürzungen
bzw. ­ beziehungsweise
ebd. ­ ebenda
Jhdt. ­ Jahrhundert
KMT ­ Koumintang
vgl. ­ vergleiche
z.B. ­ zum Beispiel

29
8.3 Tabellen
Tabelle 1: Rängesystem der
Makuta'ay
in Hualien (Biho 2007, 00:07:10).
Altersklasse Alter
Übersetzung
Aufgabe
1
Wawa
1-15
Kinder
2
Kapah
15-46
Die Jungen
2.1 Miafatay
15-18
Feuerfunken
Ausführen aller gestellten
Aufgaben
2.2 Midatongay
19-22
Daton
- Holz
verantwortlich für das Feuerholz
2.3 Palalanay
23-26
Lalan
- Weg/Straße Wegemeister, um an neue Felder
zu kommen
2.4 Miawaway
27-30
Awaw
- übermitteln
Signal von einem Berg zu einem
anderen geben
2.5 Cirumiaday
31-34
"Daytime"
Aufseher der Arbeiten
2.6 Malakacaway 35-38
Die Nachfüllenden
Sammler der nötigen Ressourcen,
Administrative
2.7 Cifiracay
39-42
Cifar
- Speise
Verteilung der Speisen.
Ressourcen
2.8 Mama nu
Kapah
43-46
"
Mama
" - Vater,
"
kapah
" - Jünglinge
Verantwortliche der
Stammesangelegenheiten
3
Matuasay
47-70
Die Alten
4
Kalas no
Niyaro
71+
Die weisen Männer
Altersklasse unter 2: Klassenname nach der Aufgabe
Jeder Rang wählt sich zusätzlich einen Gruppennamen, der nur bei dem Tod eines Mitgliedes
gewechselt wird und sonst auch über die Altersklassen hinweg gleichbleibt.
Tabelle 2: Rängesystem der Frauen der
Makuta'ay
in Hualien (Yuan 1964, S.129)
Altersklasse
Alter
Übersetzung
1
Wawa
1-15
Die Kinder
2
Kaiin
16-20* Jugendliche
3
Vavahei
verheiratete Frauen
4
Matuasay
40+
Die Alten
Die Altersklasse
Kaiin
endet erst mit der Hochzeit, traditionell im zwanzigsten Lebensjahr.

30
8.4 Ursprungsmythos der Amis
Der Ursprungsmythos des
Ilisins
vom Stamm der Vata'an ist eng verwoben mit der Entstehung
der ersten Stämme der Amis
10
. Einem Mythos zufolge kam es nach einem Götterstreit zu einer
großen Flut, die die gesamte Welt überschwemmte. Drei Geschwisterpaare trieben in der Flut,
bis sie unabhängig voneinander Land entdeckten. Zwei Geschwisterpaare gründeten neue
Stämme, doch dass dritte Paar konnte nur Frösche und Schlangen gebären, die sie in einem
Rattankorb verbergen wollten. Die Göttin
Sauliyau
entdeckte das Geheimnis und entsandte
ihren Sohn
Tatakosan
zur Erde, um die Hintergründe zu erfahren.
Tatakosan
verbot dem Paar
das Aufziehen der Schlangen und Frösche, da sie ihre eigene Sicherheit gefährden würden.
Die Göttin
Sauliyau
schenkte ihnen daraufhin Hirse, Reis, Bambus, Rattan und andere
Pflanzen, die sie anbauen sollten.
Tatakosan
erklärte ihnen, wie die Felder zu bestellen sind
und wie die Ernte verwertet werden muss. Als dies geschehen war, kamen die Götter zu
Besuch. Als Geschenk erhielt das Paar ein riesiges Bambusrohr, aus dem ein junges
Wildschwein erschien und in kürzester Zeit auswuchs. Sie schlachteten es und legten zu
Ehren der Götter den rechten Vorderfuß, das Herz, die Leber, die Lunge und die Haut
zusammen mit einem Reiskuchen in einen Rattankorb. Nachdem die Götter mit dem Paar
gespeist hatten, erklärten die Götter, dass das Paar keine menschlichen Kinder gebären
konnte, da sie Geschwister sind. Sie erhielten die Anweisung, eine Schafshaut zwischen sich
zu legen, um das Problem zu lösen. Dadurch waren nun auch sie in der Lage Kinder zu
gebären, die weitere Stämme hervorbrachten (nach: Taiwan Info 1983).
10
Der Mythos variiert von Stamm zu Stamm und schließt teils auch die Stämme der Atayal und
Bunun mit ein.
Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Ritual und Tourismus in Taiwan. Das amisische Fest Ilisin
Université
University of Tubingen  (Asien-Orient-Institut)
Note
1,3
Auteur
Année
2015
Pages
30
N° de catalogue
V376514
ISBN (ebook)
9783668537637
ISBN (Livre)
9783668537644
Taille d'un fichier
652 KB
Langue
allemand
Mots clés
Taiwan, Ilisin, Ritual, Tourismus, Authentizität, Ureinwohner, Indigen, Amei, Amis
Citation du texte
Friedemann Weihs (Auteur), 2015, Ritual und Tourismus in Taiwan. Das amisische Fest Ilisin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376514

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