Angstmotive in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" und Arthur Schnitzlers "Traumnovelle"

Zwischen Religion, Homosexualität und psychoanalytischer Deutung


Dossier / Travail, 2017

29 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Archetypen, der Andere und das Mittelbewusste: Vorüberlegungen zur psychoanalytischen Konzeption

3. Zwei Grundmotive in Film und Novelle
3.1 Odyssee: Die Prüfungen des Helden
3.2 Doppelgänger und Rollenwechsel
3.2.1 Reale Doppelgänger: Schnitzler, Freud und Kubrick
3.2.2 Ungleiche Brüder: Bill und Nightingale

4. Die Angst des Helden
4.1 Das Unheimliche des Mittelbewussten
4.2 Angst vor Identitätsverlust und die Isolation des Helden
4.3 Fassade, Religion und das Über-Ich
4.4. Angst vor Krankheiten

5. Homoerotische Triebkräfte und Homophobie
5.1 Vergorene Homosexualität
5.2 (Moralischer) Masochismus und der Hammerschlag-Wunsch
5.3 Verdrängung oder Bewältigung?

6. Kubricks neues Ende

7. Fazit

8. Quellenverzeichnis
8.1 Primärliteratur
8.2 Filmmaterial primär
8.3 Sekundärliteratur
8.4 Filmmaterial sekundär

1. Einleitung

In seiner Traumdeutung (1900) gibt Sigmund Freud zu - neben all seinen genialen, erhel­lenden, kühnen und manchmal etwas fragwürdigen Deutungsvorschlägen und -erkenntnis­sen - dass Träume nie ganz gedeutet werden können.[1] Dieses Eingeständnis ist sicherlich ein richtiges und wichtiges Bewusstsein der Grenzen menschlicher Fähigkeiten.

Arthur Schnitzler veröffentlichte 1926 seine Traumnovelle, die Stanley Kubrick 1999 als Eyes Wide Shut in leicht abgewandelter Form auf die Leinwand brachte. Wenn man sich die Traumhaftigkeit dieser beiden Kunstwerke vor Augen führt, sollte man zuallererst mit Freud zugeben, dass wir sie nie ganz werden dechiffrieren können.

Sowohl Eyes Wide Shut als auch die Traumnovelle deuten bereits im Titel an, was sie be­handeln: das Traumhafte, Unsichtbare, Unbewusste, Unbekannte, auch das Unheimliche. Laut Freuds Traumdeutung werden in Träumen persönliche prägende Erfahrungen, meist aus der Kindheit, verarbeitet.[2] Die Augen sind dabei geschlossen (shut) für die Außenwelt, aber gleichzeitig sehr aufmerksam (wide open) für das eigene Innenleben, wobei auch un­bewusste Wünsche und Ängste mittels komplexer Codierung zum Vorschein kommen.[3] Genau das geschieht auch bei Eyes Wide Shut und in der Traumnovelle.[4] In dieser Arbeit soll es um drei wesentliche Bezugsgegenstände der psychoanalytischen Lehre gehen, welche ebenfalls in Eyes Wide Shut prägende, wenn auch subtile Rollen spielen und die auch in der Traumnovelle teilweise angelegt sind: (bürgerliche) Religion, homoerotische Triebkräfte und die in deren Spannungsfeld wabernde Angst. Im Fokus wird dabei der männliche Hauptcharakter Dr. William „Bill“ Harford (bzw. Fridolin, ebenfalls Arzt) stehen, denn an ihn werden die genannten drei Themenkomplexe immer wieder her­angetragen.

Aufgrund der Nähe dieses Spannungsdreiecks, aber auch Schnitzlers, zur freudschen Leh­re, bietet es sich an, der Thematik mit psychoanalytischen Methoden zu begegnen. Nicht zuletzt waren Freud und Schnitzler auch Zeitgenossen und fühlten sich trotz der räumli­chen Distanz, die sie fast zeitlebens wahrten, doch geistesverwandt.[5]

Genau wie Freud war auch Arthur Schnitzler jüdischer Abstammung und ließ seine Traum­novelle im jüdischen Milieu spielen. Kubrick eliminiert in seiner Version des Stoffes das

Jüdische vollkommen. Warum dem so ist, bleibt in der Forschung meist unklar. Ebenso un­klar bleibt - abgesehen von der allgemeinen Thematik sogenannter ,Perversion‘ - warum Kubrick das bei Schnitzler fast überhaupt nicht vorhandene Motiv der Homosexualität hin­zufügt. Diese Änderungen sind sicherlich nicht, wie viele andere, auf den Medienwechsel zurückzuführen. Eine zumindest logische Antwort auf die erste Frage wäre, dass Kubrick sich Spielraum für eine erweiterte Kritik der Religion, und das heißt in der westlichen Welt natürlich vor allem der christlichen, schaffen wollte. Diese Kritik zeigt er in wenigen, dafür aber umso drastischeren Motiven: die allgegenwärtige Penetranz von Weihnachtskitsch, die gottesdienstähnliche Orgienzeremonie von Somerton, aber auch Victor Zieglers Party, die ausdrücklich eine Weihnachtsfeier ist, auf der aber die Sünde par excellence zelebriert wird: Ehebruch, Ausschweifung, Drogenkonsum, Prostitution.[6]

Eine These dieser Arbeit wird sein, was Loewenberg[7] am Beispiel der Bill/Fridolin anrem­pelnden jungen Männer herausstellt: Kubrick hat das Jüdische durch das Homosexuelle er­setzt. Beides sind gesellschaftliche Außerseiterrollen, beides sind weit verbreitete Feindbil­der christlich-abendländischer Kultur.[8] Bei allem Respekt vor dem bis heute ungelösten Problem des Antisemitismus, scheint dies doch eine sehr zeitgemäße Anpassung des Stof­fes zu sein.

Über die Motive der Odyssee/Queste, der Doppelgängerschaft und der verschiedenatigen Ängste, unter denen der Hauptcharakter leidet, soll nun ein Zugang zu möglichen psycho­logischen bzw. archetypischen Grundstrukturen gefunden werden, um in deren Licht Ku­bricks mutmaßliche Entscheidung und damit die für Bill angst- bzw. zwangverursachenden Motive des Religiösen und der Homosexualität besser verstehen zu können.

2. Archetypen, der Andere und das Mittelbewusste: Vorüberlegungen zur psycho-ana- lytischen Konzeption

Die Geschichte des Films besteht aus drei Ebenen, einer Film-Realität, einer Traum-Ebene des Films und einer unklaren Zwischenebene, welche vor allem während Bills nächtlichen Streifzügen in den Vordergrund rückt. Diese Ebenen sind alle auch in Schnitzlers Traum­novelle zu finden. Innerhalb des Kunstwerks ist ihnen nichts hinzuzufügen, da sie alle denkbaren Wahrnehmungsebenen bereits beinhalten: das Bewusste, das Unbewusste und das Mittelbewusste. Der geniale Handgriff Kubricks ist es nun, die Irreführung des Zu­schauers auf die Spitze zu treiben, indem er das Paar Bill/Alice mit Tom Cruise und Nicole Kidman besetzt, welche zur Zeit der Dreharbeiten tatsächlich ein Ehepaar waren.[9] Durch diese vierte Ebene macht er dem Publikum die grundsätzliche Fiktionalität der Kunst deut­lich, stellt aber auch den Wirklichkeitsgehalt unserer Wahrnehmung in Frage. Bills Test wird hier zum Test des Zuschauers. Der Zuschauer sieht das Filmpaar, gespielt von einem realen Paar und kann nur spekulieren, wieviel Wahrheit uns Cruise und Kidman bereit sind zu zeigen.[10] Dieses Über-die-Grenzen-Hinausdenken Kubricks wäre sicherlich auch im Sinne Arthur Schnitzlers gewesen, erinnert das verwirrungsstiftende Hinzufügen von Me­taebenen doch sehr an die Assoziative Methode[11] der Freudschen Psychoanalyse, welcher Schnitzler in ihren Grundzügen ja durchaus nahe stand. „Dennoch hatte Schnitzler Vorbe­halte gegenüber der von ihm so gesehenen Einseitigkeit der psychoanalytischen Metho­de“[12] seines geistigen, wenn auch real distanziert lebenden, Freundes Freud. Schnitzler als Fiterat fand das ihm vorschwebende, unscharf umrissenene Niemandsland des „Mittel­bewussten“ bei Freud nicht oder zu wenig repräsentiert.[13] So schreibt etwa Scheffel mit Schnitzler:

Für Schnitzlers Verständnis von der Psyche des Menschen ist der Gedanke eines »Zwischen­landes« entscheidend, in dem das anzusiedeln ist, was Schnitzler im gleichen Zusammenhang als »Haibewußtes« [sic!] bezeichnet. Gegenüber diesem »Halbbewußten« fängt das »Unbe­wußte« - ein Begriff, den auch viele Interpreten der Traumnovelle unreflektiert verwenden - nach Schnitzler »nicht sobald an, als man glaubt, oder manchmal aus Bequemlichkeit zu glau­ben vorgibt (ein Fehler, dem die Psychoanalytiker nicht immer entgehen).«[14]

Man könnte sagen, dass Kubrick durch die Einführung der vierten Ebene eine mittelbe­wusste Grauzone zwischen Fiktion und Realität erzeugt, etwas das im Medium des Schrift­stücks kaum vorstellbar ist, aber trotzdem Schnitzlers Kerngedanken mit traumwandler- ischer Sicherheit trifft.[15] Das überrascht nicht weiter, denn genau wie Freud hegte auch Ku- brick eine tiefe intellektuelle Bewunderung für Schnitzler.[15][16] So wird Kubricks kreatives Ausnutzen des Medienwechsels zu einem psychoanalytisch-therapeutischen Element für das Publikum, wodurch dieses näher an Schnitzler heranrückt, für den, im Bewusstsein des Mittelbewussten, sein Schreiben einen „lebensnotwendigen Projektionsraum für die eige­nen Ängste und Wünsche“ darstellte.[17]

Im Gegensatz dazu strebt Freud, der Wissenschaftler, nach Trennschärfe, das Unbewusste hat er als solches erkannt und eingekreist, es also zumindest formal als Element der psychoanalytischen Theorie zugänglich gemacht. Der Künstler Schnitzler strebt einerseits ebenso nach Trennschärfe;[18] da vollständige Kategorisierung in der Kunst aber unmöglich ist, braucht er andererseits aber auch fließende Übergänge. Diese findet er in seiner Idee des Mittelbewussten, die er sozusagen dem analytischen System hinzufügt. Er erzeugt mit dem Mittelbewussten ein neues Unbewusstes innerhalb des psychoanalytischen Gedanken­gebäudes, jenes Niemandsland, das er in der Traumnovelle u. a. als Spielraum für Fridolins Angst zu nutzen versteht. Schnitzler wagt einen „Widerspruch des Ästhetischen gegen die Wissenschaft“.[19] Beispielsweise Ruschei weißt mit Perlmann darauf hin, dass

Schnitzler hier einen mehrdeutigen, vielschichtigen Erzählraum kreiert, der vielfältige Ver­ständnisansätze eröffnet, um „ein Spiegelbild von Fridolins Mittelbewußtem zu geben“, zu zei­gen, „wie Realität in subjektiver Brechung zum Wunschbild oder auch zum Zerrbild der Angst wird.“[20]

Zu einem solchen Zerrbild der Angst kann die Thematik des Anderen werden. Der Andere ist ein Außenseiter, der aber unweigerlich Einfluss auf das eigene Schicksal hat, ein Sabo­teur. ,,[D]ie Hölle, das sind die anderen“, heißt es in Sartres Geschlossene Gesellschaft.[21] Psychopathologisch kann der Andere die Rolle eines ,,Trojaner[s] im Ich“ einnehmen, der das von Donald W. Winnicott benannte „heilige Incommunicado“, den unkommunizier- baren Kern der Persönlichkeit, zu zerstören droht. Ist der Andere eine Spiegelung, „ein Es oder ein Ding, das ,mich‘ denkt?“[22] Das ist die Hölle: ein gespiegelter Saboteur, den man auch gegen sich selbst wendet. Dies ist die Brutstätte des moralischen Masochismus.[23] Bleibt man zunächst bei der gesellschaftlichen Position des Außenseiters, fällt auf, dass so­wohl Kubrick als auch Schnitzler - wie auch dessen Protagonisten Albertine und Fridolin - allesamt jüdischer Herkunft sind. Dass dies, trotz Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Oberschicht, Außenseitertum bedeutet, zeigt Schnitzler beispielsweise in der Szene, in wel­cher Fridolin von dem Couleursstudenten (den er „der antisemitischen schlagenden Bur­schenschaft der Allemannen“[24] zuordnet) angerempelt wird. Beide Charaktere sehen in ih­rem Kontrahentenjeweils den Anderen:

Was fällt dem Kerl ein, dachte Fridolin und blieb unwillkürlich stehen; der andere, nach zwei Schritten, tat dergleichen, und so sahen sie einander einen Moment lang aus mäßiger Entfer­nung in die Augen. Plötzlich wandte sich Fridolin wieder ab und ging weiter. Er hörte ein kur­zes Lachenhinter sich [...][25]

Das spöttische Lachen des Anderen. Was der Andere ist, definiert sich natürlich vor allem in Abgrenzung zum bewussten Ich, über die Definition der eigenen Identität. Schnitzlers wie Kubricks Eheleute sind völlig Undefinierte, leere Charaktere, wir erfahren fast nichts über ihre Vorgeschichte, ihre Herkunft, ihre Familien. Tom Cruise als Bill zeigt über weite Strecken des Films so gut wie keine Mimik. Die Geschichte startet zudem an einem scheinbar willkürlich gewählten Nullpunkt ohne Vergangenheit.[26] Durch diese Unpersön­lichkeit werden die beiden Figuren in die Nähe von Archetypen[27] gerückt, sie sind als ,die (Ehe-) Frau' und ,der (Ehe-) Mann' schlechthin zu begreifen:[28] Adam und Eva verlassen das Paradies und begeben sich in die raue Wirklichkeit.[29] Eyes Wide Shut ist auch „ein Film über ein verlorenes Traumreich der Dekadenz [...]. Es ist ein Film über das Ende jenes Bürgertums, das seine sexuelle Ökonomie auf der Vorstellung von ,Liebe' aufgebaut hat- te.“[30] Wohlgemerkt der Vorstellung von Liebe, nicht der Liebe selbst. Für Bill und Alice stellt sich nach dem unfreiwilligen Fallen der kleinbürgerlichen Schranken also die Frage nach der eigenen sexuellen Identität. Sie sind Projektionsflächen für die unbewussten Ängste und Wünsche der Zuschauer.

Aus dieser Unpersönlichkeit ergibt sich auch die Fülle von Handlungsmöglichkeiten[31], die Bill auf seine Odyssee schicken, welche sich für ihn mehr und mehr wie Alleingelassen­werden anfühlt und ihn schließlich zum Geständnis zwingt. Eine fundamentale Kritik Ku­bricks (und auch Schnitzlers) an den häufig vereinsamenden Individualisierungsidealen in der postmodernen Welt der unbegrenzten Möglichkeiten: Arthur Schnitzler ist ein Kind der Epoche der Decadence und des Fin de Siècle, einer Zeit der Hin- und Hergerissenheit, in der alles möglich und nichts sicher ist und Kubrick erkennt die Parallelen des Zeitgeistes Schnitzlers zu dem der Jahrtausendwende.

3. Zwei Grundmotive in Film und Novelle 3.1 Odyssee: Die Prüfungen des Helden

In Homers Odyssee ist der Held für die Unglücksschläge, die er während seiner Abenteuer erleidet teils selbst verantwortlich, teils erleidet er sie durch Feindeshand, vor allem durch den Meeresgott Poseidon.[32] Genauso hat Bill/Fridolin teilweise selbst Schuld an seiner Si­tuation, ist aber natürlich auch den ,modernen Göttern' Eros und Thanatos unterworfen.[33] Letzteres, also die Schicksalhaftigkeit durch höhere Gewalt deuten auch F. Jung/Seesslen an, wenn sie heraussteilen, dass Bills erotische Odyssee im Haus der Toten beginnt.[34] Jacke dagegen verweist auf die beiden individuellen Irrtümer Bills, mit denen seine Odys­see beginnt:

Es ist eine Lüge, dass er in seinem Beruf vollständig jeden erotischen Reflex ausschließen kann, ebenso ist es eine Lüge, dass der „typische Mann“, wie der perverse Ziegler, gleich mit jeder schönen Frau schlafen möchte. Diese beiden Totalitäten sind der Irrtum, auf dem die ge­samte folgende Odyssee basiert.[35]

Bills kleinbürgerlicher Machismo[36] stellt ihn vor tiefe emotionale Probleme sobald der An­dere (z. B. der Marineoffizier) in seine heile chauvinistische Gedankenwelt eindringt. Er muss auf eine Queste durch das Labyrinth seiner widersprüchlichen Emotionen und Trieb­kräfte gehen. F. Jung/Seesslen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch „Kubricks Kamera [...] die bürgerliche Wohnung als selbstgeschaffenes Labyrinth“[37] zeigt. Eines von tausenden penibel geplanten Details in Kubricks monumentalem Gesamtwerk. Hier ist ein Spezialist am Werk:[38] Nicht erst seit dem Meisterwerk 2001: A Space Odyssey ist die Odyssee als abenteuerliche, suchende Charakterentwicklung des Helden eines der großen, zentralen Themen in Kubricks Narrativ.[39] Eyes Wide Shut ist seine „sex space odyssey“.[40]

3.2 Doppelgänger und Rollenwechsel

3.2.1 Reale Doppelgänger: Schnitzler, Freud und Kubrick

Unter anderem Peter Loewenberg merkt an, „dass Freud [...] in Schnitzler einen unheim­lichen Doppelgänger sah.“[41], weshalb es nur zu wenigen realen Begegnungen der beiden kam. Kein Einzelfall, Freud hegte eine solche Doppelgänger-Scheu auch im Fall von Friedrich Nietzsche.[42] F. Jung/Seesslen nennen auch Schnitzler und Kubrick Doppel­gänger.[43]

Ein Doppelgänger ist immer auch ein Schatten, ein Spiegel, eine Konfrontation mit einem anderen, häufig unbewussten, Teil des Selbst. Genau das macht ihn so unheimlich: es ist das archetypische Bild aus Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde, eine Projektion verbor­gener Impulse und unterdrückter Schuldgefühle.[44] Freud spricht von einer „archaischen Reaktion [...], die den Doppelgänger als unheimlich empfindet.“[45] Das ehemals Heimliche wird sichtbar und damit unheimlich.

[...]


[1] Er sieht ein ,,[...] daß man eigentlich niemals sicher ist, einen Traum vollständig gedeutet zu haben; selbst wenn die Auflösung befriedigend und lückenlos erscheint, bleibt es doch immer möglich, daß sich noch ein anderer Sinn durch denselben Traum kundgibt.“ (Freud II, S. 282.)

[2] Vgl. Freud II, v. a.S. 201ff.

[3] Vgl. Hahn (2014), S. 196.

[4] Vgl. Scheffel (1997), S. 190.

[5] Vgl. z. B. Loewenberg (2004), S. 1156ff.

[6] In der Traumnovelle ist die entsprechende Feier ein Maskenball. Die Maske ist nun bei Kubrick die pseudo-religiöse, bürgerliche Fassade.

[7] Vgl. Loewenberg (2004), S. 1171f.

[8] Ebd: „Wir verdanken der Psychoanalyse, die die Abwehr-, Projektions- und Reaktionsbildungsmechanis­men von Erniedrigung und Verfolgung von Minderheiten als aggressive Verleugnung von Anteilen des Selbst erleuchtet, Erkenntnisse über die unbewussten Formen der Homosexualität und ihrer Abwehr.“

[9] Vgl. Jacke (2009), S. 310.

[10] Bei Schnitzler wird eine solche Einbeziehung des Publikums z. B. durch das Märchen zu Beginn erzeugt, „ein den Zeitgenossen wohlbekanntes Buch“ wie Scheffel (1997, S. 181) bestätigt, genau wie heutzutage Kidman und Cruise fastjedem wohlbekannt sind.

[11] Vgl. Laplanche (1972), S. 75 - 79.

[12] Loewenberg (2004), S. 1160 f.

[13] Mglw. ahnte Schnitzler voraus, dass die Psychoanalyse auf dem Weg war, die heilige Kuh der westlichen Kultur zu werden, zu DER Religion des 20. Jahrhunderts, außerhalb deren Grenzen es gar nicht möglich ist zu denken, ähnlich dem Gottesbegriff des Mittelalters. Aber auch Freud sagte in einer seiner späten, unvollendeten Schriften, dass in einer fernen Zukunft etwas Neues kommen wird, was die Psychoanalyse ersetzt. (Kapnist/Rondinesco, 1997)

[14] Scheffel (1997), S. 186.

[15] Übrigens genau jene Sicherheit, welche dem Protagonisten Bill/Fridolin während seiner traumartigen Odyssee fehlt.

[16] „Es dürfte schwierig sein, einen Schriftsteller zu finden, der die menschliche Seele besser versteht und eine tiefere Einsicht in die Art und Weise hat, wie Menschen denken, handeln und sind.“ - Stanley Ku­brick über Arthur Schnitzler, zitiert nach: Loewenberg (2004), S. 1163.

[17] Scheffel (1997), S. 196. Zu Schnitzlers geistesgeschichtlichem Hintergrund betreffs dieser Ansicht sei mit Scheffel verwiesen auf Herrmann Bahrs (1982) Das unrettbare Ich (S. 147 - 148).

[18] Dazu Schnitzler selbst: „Die Begrenzungen zwischen Bewußtem, Halbbewußtem und Unbewußtem so scharf zu ziehen, als es überhaupt möglich ist, darin wird die Kunst des Dichters vor allem bestehen.“ Zi­tiert nach: Farese (1999), S. 265.

[19] F. Jung/Seesslen, S. 281.

[20] Ruschei (2002), S. 29 (mit Perlmann).

[21] Sartre (2007), S. 59.

[22] Däuker (2013), S. 392f. Zu Winnicott: ebd., S. 393.

[23] Vgl. Laplanche (1972), S. 304 - 306.

[24] Loewenberg (2004), S. 1171.

[25] Schnitzler: Traumnovelle (TN), S. 17, Hervorhebungen v. Verf.

[26] Wie Loewenberg (2004) auf S. 1173ff. interessanterweise berichtet, hatte Schnitzler ein eifersuchtsbe­dingtes Problem mit der sexuellen Vergangenheit seiner Frauen.

[27] Vgl. C. G. Jung (1957), S. 307 - 335.

[28] F. Jung/Seesslen (1999), S. 287: „Auch Bill macht [...] eine ganze Menschheitsentwicklung durch, alle Formen von Angst und Begehren, alle Möglichkeiten des Mannes, sich der Frau zugleich zu nähern und sich von ihr zu entfernen [...]“.

Ebd., S. 38: „Was er [Kubrick] erzählt, folgt [...] der Logik eines Traums, und darin weniger [...] Freud [...], sondern eher der des archetypischen Träumens, wie es C. G. Jung beschreibt.“ In diesem Zu­sammenhang erscheint es auch noch wichtig zu erwähnen, dass laut Kubrick und dessen Co-Autor Frede­ric Raphael die Idee „gänzlich verworfen“ wurde, „Bills Charakter einen Freudschen Hintergrund zu ge­ben“. (Loewenberg 2004, S. 1164)

[29] Lehmann (2004, S. 236) merkt zudem noch an, dass in den Masken der Geheimgesellschaft „die Traditi­on der westlichen Kultur“ versammelt wird.

[30] F. Jung/Seesslen (1999), S. 284.

[31] Und damit auch eine gewisse Bitterkeit über die in der Lebensgeschichte bereits „verpassten Möglichkei­ten“ (Duncan, zitiert nach Loewenberg 2004, S. 1163).

[32] Homer (2003). Auch Schnitzler befand sich während der Ausarbeitung der Traumnovelle in einer schwe­ren Krise - mutmaßlich teils selbstverschuldet, teils schicksalhaft - wegen der gescheiterten Beziehung zu seiner Frau Olga (Vgl. Scheffel 1997, S. 196).

[33] Vgl. „Bedrohungen des abenteuerlichen Eros“ (Rey nach Scheffel 1997, S. 184)

[34] Vgl. F. Jung/Seesslen (1999), S. 290.

[35] Jacke (2009), S. 320.

[36] Kubrick hat das sexistische Frauenbild aus Schnitzlers Zeit gelungen in die 1990er Jahre übertragen, denn er lässt Bill, den Arzt, die sexuelle Zurückhaltung der Frau (evolutions-) biologistisch erklären. (Vgl. Eyes Wide Shut [EWS], nach Hahn 2014, S. 353: Sequenz 5, 0.21.59).

[37] F. Jung/Seesslen (1999), S. 289.

[38] Ähnlich Bills Queste, stellt auchjeder von Kubricks Filmen in der Produktion eine Odyssee dar, da der perfektionistische Filmschaffende immer auch die Alternativen mitdachte und seine Entscheidungen durch eine „Anhäufung von Wissen und möglichen Problemlösungen“ (F. Jung/Seesslen 1999, S. 38) so­zusagen im Experiment fand.

[39] Weitere Beispiele: The Killing, Lolita, A Clockwork Orange oder auch Full Metal Jacket.

[40] Lehmann (2004), S. 239.

[41] Loewenberg (2004), S. 1160. Freud selbst schrieb von einer „unheimlichen Vertrautheit“ (ebd., S. 1158)

[42] Vgl. z. B. Alt (2016)

[43] Vgl. F. Jung/Seesslen (1999), S. 297.

[44] Vgl. F. Jung/Seesslen (1999), S. 41.

[45] Freud: Das Unheimliche, zitiert nach Loewenberg (2004), S. 1176.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Angstmotive in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" und Arthur Schnitzlers "Traumnovelle"
Sous-titre
Zwischen Religion, Homosexualität und psychoanalytischer Deutung
Université
University of Mannheim  (Germanistik)
Cours
Proseminar "Wiener Moderne"
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
29
N° de catalogue
V376655
ISBN (ebook)
9783668539280
ISBN (Livre)
9783668539297
Taille d'un fichier
619 KB
Langue
allemand
Annotations
Umfangreiche Arbeit (28 Seiten) mit ebenso umfangreichem Literaturverzeichnis (34 Titel). Die Arbeit wurde mit der Note 1,0 bewertet.
Mots clés
Arthur Schnitzler, Stanley Kubrik, Sigmund Freud, Psychoanalyse, Angst, Angstmotive, Eyes Wide Shut, Traumnovelle, Homosexualität, Masochismus, Sexualität, Religion, Christentum, Moral, Archetypen, Der Andere, Odyssee, Doppelgänger, Das Unbewusste, Das Mittelbewusste, Das Unheimliche, Traumdeutung, Krankheit, Hammerschlag-Wunsch, Homoerotik, Triebe, Homophobie, Friedrich Nietzsche, Gott, Jesus, Kreuzigung, Sadismus, Ehe, Beziehung, Partnerschaft, Maske
Citation du texte
Chrstian Mast (Auteur), 2017, Angstmotive in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" und Arthur Schnitzlers "Traumnovelle", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376655

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