Ein zentrales Problem der Europäischen Union zeigt sich im Vermittlungsdefizit zwischen ihrem politischen System und den Bürgern der Mitgliedstaaten. Die Konsequenz äußert sich darin, dass auch nach Jahrzehnte langem Bestehen der Staatenunion eine europäische Öffentlichkeit nur fragmentarisch zu konstatieren ist.
Die Bedeutung dieser Öffentlichkeit ist jedoch kaum zu überschätzen. Denn die Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags durch Frankreich und die Niederlande im Jahr 2005 sowie die Ablehnung des Vertrags von Lissabon durch Irland drei Jahre später gelten als zentrale und jüngste Beispiele einer „graduellen Erosion der Unterstützung“ der europäischen Politik. Die Betrachtung der Gründe dieser Erosion macht deutlich, dass die ablehnende Haltung der Unionsbürger zum Integrationsprozess in erster Linie auf Kommunikationsschwierigkeiten und -fehlern fußt.
Ursache dieser defizitären Kommunikation sind unzureichende Informationen, die Distanz zwischen den europäischen Institutionen und der Zivilgesellschaft sowie der Mangel öffentlicher Kontroversen im europäischen Raum. Als zentrales Element dieser Problematik wird das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit als eine in beide Richtungen vermittelnde Instanz identifiziert.
Die Europäische Kommission stellte diesbezüglich bereits in den späten 80er Jahren Handlungsbedarf fest und versucht seitdem die Entwicklung der Medienpolitik voranzutreiben. Erklärtes Ziel dieser Politik ist die Stärkung einer europäischen Identität und damit auch die Förderung der Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit. Dabei wird der Begriff und das Phänomen der europäischen Öffentlichkeit überwiegend in die Nähe einer massenmedial erzeugten Öffentlichkeit gestellt, "denn nur die Medien bieten eine stabile Infrastruktur, um die Informationen und Meinungen zu einer Vielzahl an Themen kontinuierlich an ein Massenpublikum zu vermitteln" (Pfetsch/Heft 2009: 11). Insofern ist den Massenmedien eine Schlüsselrolle in der Förderung einer europäischen Öffentlichkeit zu attestieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Problemstellung und Thesen
- 1.2 Themenrelevanz und Forschungsstand
- 1.3 Eingrenzung und Untersuchungsziel
- 1.4 Methodik und Gang der Arbeit
- 2. Theoretischer Bezugsrahmen
- 2.1 Öffentlichkeit
- 2.1.1 Begriff
- 2.1.2 Funktionen
- 2.1.3 Ebenen
- 2.2 Öffentlichkeit in Europa
- 2.3 Akteurzentrierter Institutionalismus
- 2.3.1 Institutioneller Kontext
- 2.3.2 Akteure
- 2.3.3 Akteurkonstellation
- 2.3.4 Interaktionsformen
- 3. Ergebnis des Entscheidungsprozesses: AVMD-Richtlinie
- 4. Fallanalyse: Der Entscheidungsprozess über die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und die Förderung einer europäischen Öffentlichkeit
- 4.1 Institutioneller Kontext
- 4.1.1 Europäische Kommission
- 4.1.2 Rat der Europäischen Union
- 4.1.3 Europäisches Parlament
- 4.1.4 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
- 4.1.5 Ausschuss der Regionen der Europäischen Union
- 4.1.6 Fazit
- 4.2 Akteure
- 4.2.1 Europäische Kommission
- 4.2.2 Rat der Europäischen Union
- 4.2.3 Europäisches Parlament
- 4.2.4 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
- 4.2.5 Ausschuss der Regionen der Europäischen Union
- 4.2.6 Fazit
- 4.3 Akteurkonstellation
- 4.4 Interaktionsformen
- 4.4.1 Audiovisuelle Konferenz „Zwischen Kultur und Handel“
- 4.4.2 Vorschlag zur Revision der Fernsehrichtlinie
- 4.4.3 Allgemeine Ausrichtung des Rats der Europäischen Union
- 4.4.4 Erste Lesung des Europäischen Parlaments
- 4.4.5 Geänderter Vorschlag der Europäischen Kommission
- 4.4.6 Gemeinsamer Standpunkt des Rats der Europäischen Union
- 4.4.7 Zweite Lesung des Europäischen Parlaments
- 4.4.8 Fazit
- 5. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit analysiert den Entscheidungsprozess über die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) im Rahmen eines akteurzentrierten Institutionalismus. Sie untersucht, wie die europäischen Institutionen und Akteure im Prozess der Gesetzgebung zusammenwirken, um eine europäische Öffentlichkeit zu fördern. Dabei stehen die Interaktionen und Kommunikationsformen zwischen den verschiedenen Akteuren im Vordergrund.
- Europäische Öffentlichkeit und ihre Förderung
- Akteurzentrierter Institutionalismus als theoretischer Rahmen
- Analyse des Entscheidungsprozesses über die AVMD-Richtlinie
- Interaktionen und Kommunikationsformen zwischen den Akteuren
- Rolle der audiovisuellen Medien im europäischen Integrationsprozess
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Problemstellung und die Thesen der Arbeit ein. Es beleuchtet die Relevanz des Themas und den aktuellen Forschungsstand. Außerdem wird die Eingrenzung des Untersuchungsziels und die Methodik der Arbeit erläutert.
Kapitel 2 stellt den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit vor. Es behandelt den Begriff der Öffentlichkeit, ihre Funktionen und Ebenen sowie die Besonderheiten der europäischen Öffentlichkeit. Anschließend wird der akteurzentrierte Institutionalismus erläutert, der als theoretisches Modell für die Analyse des Entscheidungsprozesses dient.
Kapitel 3 präsentiert das Ergebnis des Entscheidungsprozesses über die AVMD-Richtlinie. Es beleuchtet die wichtigsten Inhalte und die Auswirkungen der Richtlinie auf die europäische Medienlandschaft.
Kapitel 4 analysiert den Entscheidungsprozess über die AVMD-Richtlinie im Detail. Es untersucht den institutionellen Kontext, die beteiligten Akteure und ihre Konstellation sowie die Interaktionsformen zwischen ihnen. Im Fokus stehen die verschiedenen Phasen des Entscheidungsprozesses und die Rolle der audiovisuellen Konferenz „Zwischen Kultur und Handel“.
Kapitel 5 fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutiert die Bedeutung der gewonnenen Erkenntnisse für die Förderung einer europäischen Öffentlichkeit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen audiovisuelle Medien, europäische Öffentlichkeit, Entscheidungsprozess, AVMD-Richtlinie, akteurzentrierter Institutionalismus, Interaktionen, Kommunikationsformen, europäische Integration und Medienpolitik.
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- M.A. Céline Kuscheck (Autor), 2013, Die audiovisuelle Politik der Europäischen Union, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376720