Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Hinführung zum Thema
2 Der Begriff „Interjektion“
3 Klassifizierung der Interjektionen
3.1 Nach Bestand
3.1.1 Prototypische Interjektionen
3.1.2 Nicht prototypische Interjektionen
3.2 Nach semantischen Funktionen
3.2.1 Emotive Interjektionen
3.2.2 Kognitive Interjektionen
3.2.3 Volitive Interjektionen
4 Zusammenfassung und Ausblick
5 Literaturverzeichnis
6 Internetquellen
1 Hinführung zum Thema
"Schon als Tier hat der Mensch Sprache. Alle hefti- gen, und die heftigsten unter den heftigen, die schmerz- haften Empfindungen seines Körpers, alle starke Leiden- schaften seiner Seele äußern sich unmittelbar in Geschrei, in Töne, in wilde, unartiku- lierte Laute."- Johann Gott- fried von Herder
Denken, Fühlen, Wollen - immer wieder findet man die Begriffe der Trias1 außerhalb und innerhalb der Linguistik. So beispielsweise in der Einleitung zu einem Reader ÄZur Philosophie der Gefühle“: ÄNeben dem Meinen und dem Wollen ist das Fühlen die Fähigkeit, die bewusstes menschliches Leben wesentlich ausmacht“ (Fink-Eitel 1993: 7) oder in der Encyclopaedia Britannica (1995, im Artikel ÄThe Philosophy of Mind“), in der behauptet wird: ÄMental phenomena are traditionally divided into three areas: the cognitive, which is concerned with knowledge; the affective, with feeling; and the volitional, with action“.
Interessant für diese wissenschaftliche Arbeit über die Interjektionen ist die Trias der Begriffe, die als relevantes Beispiel in Wierzbicka (1991: 285 ff) angesetzt wird. Wierzbicka unterschei- det zwischen emotiven (ÄI feel something“), volitiven (die zum Ausdruck bringen: ÄI want so- mething“) und kognitiven (ÄI think something“, ÄI know something“) Interjektionen. Emotive Interjektionen sind z.B. Äpfui“, Äach“, Äoh“; volitive sind Äpsst“ und Ähallo“ (Schweigen oder Aufmerksamkeit erzielen) und eine kognitive Interjektion ist beispielsweise Äaha“, das das Ver- stehen zum Ausdruck bringen soll.
Der Titel dieser Hausarbeit ÄSemantische Funktionen der Interjektionen in der russischen Spra- che“ beinhaltet schon den Kernpunkt, welcher hier näher beleuchtet werden soll. Es stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Interjektionen klassifiziert werden können. Welchen Status nehmen Interjektionen im sprachlichen Gesamtsystem ein? Betrachtet man die semantischen Funktionen der Interjektionen, ist es möglich sie zu systematisieren? Welche Bedeutungen wer- den Begriffen, wie primäre oder sekundäre Interjektionen zugeschrieben? Welche Interjektionen existieren in der russischen Sprache? Kann man diese voneinander abgrenzen? Diese interessanten Fragen werden im Folgenden behandelt und anschließend dazu mögliche Schlussfolgerungen zusammengetragen.
2 Der Begriff „Interjektion“
Die lateinische Tradition besagt: ÄInteriectio est pars orationis affectum animi significans“ = ÄDie Interjektion ist ein Redeteil, der den Zustand der Seele, die Gemütsstimmung, das Gefühl - eben den Affekt bezeichnet. [..] Interjektionen haben es mit den affectus animi zu tun; sie sind das Residuum der Emotionalität in der Sprache.“ (vgl. Ehlich 1986: 20)
Einen interessanten Ansatz führt Wundt (1911) auf: Äartikulierte Gefühlslaute“ sind Laute, Ädie im ganzen mässigere Gefühle ausdrücken, infolge der fortschreitenden Ablösung durch die Sprache aber ebenfalls seltener und auf intensivere Gefühle zurückgedrängt werden.“ Also lässt die Sprache während ihrer Geschichte die “artikulierten Gefühlslaute“ immer mehr hinter sich. (vgl. Ehlich 1986: 21)
Eine ältere Auffassung markiert Interjektionen als Primitives und Elementares, sie erscheinen als konträr in einem deskriptiven Gesamtsystem:
ÄDie primitivste Stufe verkörpern zweifellos elementare Kundgaben wie Ah! Au! Oh! I!, die lediglich Empfindungen erlebter Sachverhalte andeuten, ohne die Dinge selbst sprachlich zu schildern - also Äußerungen der Überraschung oder des Schmerzes, der Lust oder des Widerwillens, jedoch noch keine eigentlichen Aussagen«“ (vgl. Ehlich 1986: 178)
Der Kern aller Definitionen der Interjektion in Lexika, Wörterbüchern und Grammatiken ist ihre Funktion als Ausdruck einer Gemütsbewegung oder Empfindung. Interjektionen dienen dem spontanen und unmittelbaren Ausdruck von Emotionen infolge eines (non)verbalen Ereignisses (vgl. Schwarz-Friesel 2007: 154 ff.). Sie sind nicht flektierbar und weisen keine referentielle Bedeutung (Verweis auf etwas) auf. Schwarz-Friesel (2007) vertritt die Ansicht, dass der emo- tionale Ausdruck mittels Interjektionen durch Mimik, Gestik und Prosodie in der mündlichen Kommunikation gestützt wird.
Interjektionen, vom lateinischen interiectio auch ‚Einwurf’, können auch Empfindungswörter oder Ausrufewörter genannt werden. Междометия (russ. für Interjektionen) sind syntaktisch oft isoliert.2
In der reinsten Form wird die Emotionalität durch Interjektionen repräsentiert. Typisch ist, dass sie mit einer Geste oder bestimmten Mimik verbunden sind (vgl. Hermanns 1995: 146-147).3 Man unterscheidet zwischen Primärinterjektionen, wie ih! und sekundären Interjektionen (z.B. Mensch! oder meine Güte!), Inflektive (stöhn!), Onomatopoetika (wauwau), Gruß -und Glückwunschformeln (hallo! Prosit!) (vgl. Schwarz-Friesel 2007:154 ff.).4
Die russische linguistische Tradition umfasst eine weite Auffassung der Klasse der Interjektio- nen. In der russischen Akademiegrammatik werden Interjektionen als Äкласс неизменяемых слов, служащих для нерасчлененного выражения чувств, ощущений, душевных со- стояний и других (часто непроизвольных) эмоциональных и эмоциональ-но-волевых реакций на окружающую действительность“ (Švedova 1980, I:732) definiert. In die Klasse der Interjektionen werden hier neben den ursprünglichen (primären) und abgeleiteten (sekundä- ren) Interjektionen auch die Formeln der Sprachetikette miteinbezogen. Genauso werden ono- matopoetische Einheiten als eine Untergruppe der Interjektionen dargelegt.
Hier ist es erforderlich auf die Begriffe Äprimär“ und Äsekundär“ einzugehen. Reisigl (1999) setzt diese als Äkorrelative, aufeinander bezogene Begriffe, was einerseits ʻgleich, schon von Anfang an so und nicht anders verwendetʼ und andererseits ʻerst an zweiter Stelle, erst nachträglich so, nämlich als Interjektion verwendetʼ heißt“ (Reisigl 1999:15) an.
Mit Wundt (1904) unterscheidet man erstmalig nach dem lexikalischen Kriterium primäre und sekundäre Interjektionen. Laut Wundt sind primäre Interjektionen aus den tierischen und menschlichen Naturlauten entstanden und aus diesem Grund primäre, da Äsie die ursprünglichsten sind, und weil sie den Charakter von Naturlauten vollständig bewahrt haben“ (vgl. Wundt 1904: 308). Zu den primären Interjektionen werden ebenfalls Onomatopoetika (=klangnachahmendes, lautmalendes Wort) zugeordnet.5
Wundt (1904) ordnet Gefühlsäußerungen, die aus Wörtern, vor allem aus Substantiven oder Redewendungen bestehen, den sekundären Interjektionen zu, weil sie im Gegensatz zu den primären Einheiten einen lexikalischen Ursprung implizieren.
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Diagramm 1: Interjektionen im weiteren Sinne
Die russische Akademiegrammatik setzt die Begriffe Äprimär“ und Äsekundär“ mit den Inhalts- wörtern (bzw. Autosemantika) in Verbindung. Primäre Interjektionen werden somit hier als Einheiten bezeichnet, die ihrer Herkunft nach nicht mit Inhaltswörtern verbunden sind. Ebenso werden Lautnachahmungen als primär angesetzt. Sekundäre Interjektionen weisen einen Bezug zu Inhaltswörtern auf, wie zum Beispiel батюшки das auf ein Substantiv zurückgeht, вишь auf ein Verb, вон oder полно auf Pronomen und Adverbien. Außerdem werden Verbalinterjektio- nen (цап, хвать), zurufende Interjektionen (кис-кис) oder Phraseologismen, wie боже мой вот; тебе и на auch als sekundäre Interjektionen modifiziert. (vgl. Švedova, 2005: 723 f.).
3 Klassifizierung der Interjektionen
Im Folgenden werden die Interjektionen nach ihrem Bestand und ihren semantischen Funktionen klassifiziert. Hier stützt sich die Verfasserin auf die russische Akademiegrammatik (2005) sowie Graf (2011) .
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Diagramm 2: Unterteilung einer möglichen Klassifizierung von Interjektionen
Wie oben dargestellt, werden in diesem Kapitel die Interjektionen nach ihrem Bestand und ihrer Semantik klassifiziert. Geht man auf den Bestand ein, lässt sich die Unterteilung in prototypische und nicht prototypische Interjektionen erkennen. Betrachtet man die Interjektionen nach ihrer Semantik, werden auf emotive, kognitive und volitive Interjektionen verwiesen. In diesem Zusammenhäng wäre eine genaue Untersuchung erforderlich.
3.1 Nach Bestand
In der russischen Akademiegrammatik (2005) werden Interjektionen in prototypische (первообразные) Interjektionen und nicht prototypische (непервообразные) Interjektionen unterteilt. Im Folgenden werden diese näher erläutert.
3.1.1 Prototypische Interjektionen
Prototypische (primäre) Interjektionen stehen in keinem Zusammenhang zu anderen Wortarten in der modernen Sprache. Die russische Akademiegrammatik erfasst diese als einfachste Laut- gebilde, die auf die subjektiven Gemütsregungen des Sprechers als reflexartige Reaktionen zu- rückgehen, wie а, ага, ай, ау, ах, ба, брр, брысь, и, их, на, но, ну, о, ого, ох, у, ха oder хи. Ebenso wird die Lautnachahmung von Menschen, Tieren oder Gegenständen genannt, wie zum Beispiel кхе-кхе, ха-ха-ха, хи-хи; гав-гав, мяу, карр-карр; бряк, бух, грох, тра-та-та. Ein wichtiges Merkmal für prototypische Interjektionen ist darunter das Vorhandensein einer be- stimmten Anzahl von seltenen, nicht typischen Lautformen und Lautverbindungen in der russi- schen Sprache, wie брр, гм, дзинь-дзинь, тпру, тьфу, уа-уа. (vgl. Švedova 2005: 732)
3.1.2 Nicht prototypische Interjektionen
Die nicht prototypischen (sekundären) Interjektionen fallen in unterschiedlichem Maße korrelativ mit verschiedenen Wortarten zusammen. Zu Substantiven gehören Interjektionen mit Verbindungen zu bestehenden Körpern, wie батюшки, боже, господи, дьявол, матушки, создатель, творец, черт. Eine beträchtliche Anzahl von nicht prototypischen Interjektionen stehen in Verbindung mit Verben: брось, будет, вишь (из видишь), здравствуй(те), извини(те), подумаешь, пожалуйста, хватит. (vgl. Švedova 2005: 732)
Einzelne Interjektionen, wie то-то, эва, вона, эк, эка; вон, долой, полно, прочь, тс, тш; ужо oder однако sind verbunden mit pronominalen Wörtern, Adverbien, Partikeln oder Kon- junktionen. Dazu gehören auch Nicht-Mitglieder oder schwache Mitglieder von Interjektionen mit Partikeln oder Pronomen: да уж, на тебе, ну уж, ну да, ой-ли. Floskeln und Phraseolo- gismen sind wichtige Bestandteile nicht prototypischer Interjektionen, wie батюшки-светы, боже мой, боже праведный, боже правый, слава богу, я тебя, вот это да. (vgl. Švedova 2005: 732-733)
Verbale Interjektionen markieren eine spezielle Gruppe der nicht prototypischen Interjektionen: верть, глядь, мах-мах, морг, нырь, прыг, скок, стук, тык, хап, хвать. Formal und funktional schneiden sich diese mit den prototypischen Interjektionen des Typs der Lautnachahmung, wie бум, грох, тук, хлоп, щелк, кувырк. All diese Interjektionen stellen eine häufige, momentane, abrupte oder rasche Bewegung dar. (vgl. Švedova 2005: 733)
Zu den nicht prototypischen Interjektionen gehören alle vokativen Lautgebilde, mit der Bildung alltäglicher Benennung jeweiliger Haustiere oder mit denen man Befehle an Tiere erteilt, an- lockt oder verjagt: кис-кис, уть-уть, тель-тель, цып-цып; брысь, кш. (vgl. Švedova 2005: 733)
Im Unterschied zu den prototypischen Interjektionen weisen nicht prototypische Interjektionen eine ständig ausbauende Gruppe von Wörtern auf. Eine der wichtigsten Quellen hierfür sind Substantive die folgende Typen charakterisieren: горе, беда, смерть, страх, ужас, крышка, табак, труба, каюк, дудки, пропасть. Ebenso verbale Formen mit der Bedeutung der Aufforderung oder Anregung etwas zu tun: погоди, постой, давай, вали. Zu der Klasse der Interjektionen gehören ebenfalls Wörter der Entlehnungen wie: айда, алло, амба, баста, браво, даун, марш, мерси, стоп, ура. (vgl. Švedova 2005: 733)
3.2 Nach semantischen Funktionen
Die Unterscheidung der verschiedenen semantischen Klassen von Interjektionen fällt in der Forschungsbeschreibung uneinheitlich aus.
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1 Denken, Fühlen, Wollen oder Kognition, Emotion, Volition
2 Vgl. Duden, URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Interjektion (letzter Zugriff: 30.09.2016)
3 Vgl. Emotionen in den Schlagzeilen, URL: http://d-nb.info/108024493X/34 (letzter Zugriff: 30.09.2016)
4 Vgl. Emotionen in den Schlagzeilen, URL: http://d-nb.info/108024493X/34 (letzter Zugriff: 30.09.2016)
5 Vgl. Duden, URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Onomatopoetikum (letzter Zugriff: 02.10.2016)