Mode als Medium der Beeinflussung von Persönlichkeitsbeurteilungen. Eine exemplarische Feldstudie


Bachelorarbeit, 2017

38 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. »Man kann nicht nicht kommunizieren«

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Terminologische Klärungen
2.1.1 Kommunikation
2.1.2 Medium
2.1.3 Mode
2.2 Theoretische Bezüge: Halo-Effekt

3. Methode
3.1 Stichprobe
3.2 Daten
3.3 Versuchsdurchführung

4. Ergebnisse

5. Diskussion

6. Ausblick

7. Literaturverzeichnis.

Zusammenfassung

Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie ist, inwieweit die Kleidung eines Individuums dessen Außenwirkung beeinflusst. Die diesbezüglich konstruierte Hypothese lautet, dass modisch gekleideten Personen, im Vergleich mit unmodisch gekleideten, qualitativ andere Attribute und Eigenschaften zugeschrieben werden. Von dieser Annahme ist aufgrund des ersten kommunikationstheoretischen Axioms von Paul Watzlawick (1996) – »Man kann nicht nicht kommunizieren« (S. 53) – und den Auswirkungen des Halo-Effekts auszugehen.

Um die Hypothese zu prüfen, wurde ein Online-Fragebogen entworfen. Dieselbe Person wurde hierfür einmal modisch und einmal unmodisch gekleidet fotografiert. Die Probanden wurden in zwei Experimentalgruppen unterteilt und hatten jeweils lediglich Zugang zu einem der beiden Bilder. Um die Abbildungen wurde derselbe Fragebogen mit Charaktereigenschaften konstruiert, die der Person zugeordnet werden mussten.

Repräsentativ wurden die Datensätze von 132 Probanden im Alter zwischen 18 und 54 Jahren ausgewertet. Die aufgestellte Hypothese konnte durch die erhobenen Ergebnisse bestätigt werden. Darüberhinaus wurde die modisch gekleidete Person, im Vergleich mit der unmodisch gekleideten, meist positiver bewertet.

1. »Man kann nicht nicht kommunizieren«

›So gut kann man mit 50 aussehen!‹ Eine Aussage, plakativ gedruckt auf ein grelles T-Shirt. Der Träger dieses Oberteils geht erhobenen Hauptes die Passauer Innpromenade entlang, neben ihm eine Frau, die im Gleichschritt folgt. Vorbeikommende Passanten drehen sich nach dem Paar um, fangen an zu lachen oder tuscheln mit vorgehaltener Hand, während sie abwechselnd den Blickkontakt mit T-Shirt und Träger halten.

Diese Szenerie spiegelt eine sehr direkte Art der Kommunikation mittels Kleidung wieder. Der Träger dieses T-Shirts agiert offensiv und teilt seiner Umwelt auf den ersten Blick, über seine Kleidung, etwas sehr Persönliches mit: sein Alter. Dies könnte er ohne Zweifel auf subtilerem Wege tun, wählt jedoch ein humoristisches T-Shirt, das von ihm kaum ohne etwas Selbstironie getragen wird.

Die Frage nach dem Warum und eine Erörterung, wieso jemand diese Art von T-Shirt trägt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, dennoch dürfte es schließlich auf den undefinierbaren Geschmack hinauslaufen, der Menschen Entscheidungen treffen lässt, die für andere unerklärlich sind.

Die Sphären der Modewelt sind nahezu unergründlich, weshalb es auch unzählige Kleidungsstücke zu erwerben gibt. Ein kleiner Teil dieses Sortiments wurde bereits obig angesprochen und als ein direktes Kommunikationsmedium definiert. Dem gegenüber gibt es Stücke und Outfits, die zumindest auf den ersten Eindruck keine Nachrichten übermitteln, die ihre Träger kleiden, weil sie Wärme spenden oder ihrem Hautton schmeicheln. Und dennoch kommunizieren sie.

»Man kann nicht nicht kommunizieren« (S. 53), ist das erste Axiom der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick (1996). So verhält es sich auch mit der Mode der Menschen.

Um diese Theorie von Watzlawick ist die vorliegende Arbeit aufgebaut. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Kleidung eines Individuums dessen Außenwirkung beeinflusst. Dazu wurde ein Fragebogen konstruiert.

Die Erkenntnisse zurückliegender Forschungen belegen, dass die Mode durchaus ein Kommunikationsmedium darstellt: »Erstens mag sich allerlei Kommunikation mehr oder weniger indirekter Natur durch Kleidung kommunizieren oder wenigstens als Kommunikation beobachten lassen. Ästhetische, politische, ethische, oder sexuelle Botschaften werden durch Kleidung übertragen« (Schiermer, 2010, S. 129). Darüberhinaus beschäftigte sich Niklas Luhmann in seiner Rezension des Buches ›Das Modische‹ von Udo H. A. Schwarz von 1984 ausführlich mit der Mode als Kommunikationsmittel. Luhmann betont darin, der Vorstellung eines Kommunikationsmediums Mode nicht ablehnend gegenüberzustehen. (Luhmann, 1984b, S. 74) In Verbindung mit den psychologischen Theorien zum Halo-Effekt bilden diese Beobachtungen zum Rubrum Mode als Kommunikationsmedium die Grundfesten für die Annahme einer differenten Außenwirkung eines Individuums aufgrund dessen Kleidung.

Betrachtet man jene Erkenntnisse in Zusammenhang des ersten der fünf kommunikationspsychologischen Axiome von Watzlawick[1] (Watzlawick, 1996, S. 53), systematisiert sich die Hypothese, dass modisch gekleideten Personen, im Vergleich mit unmodisch gekleideten, qualitativ andere Attribute und Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Annahme wurde, wie nachfolgend dargestellt, im Rahmen einer experimentellen Befragung überprüft.

Vorausgehend wird jedoch auf terminologische Klärungen eingegangen. Die Begriffe Kommunikation, Medium und Mode werden hierfür erörtert.

Anschließend wird der Halo-Effekt als theoretischer Bezug aufgegriffen. Weiterführend wird auf die Methode, bestehend aus Stichprobe, Daten sowie Versuchsdurchführung, eingegangen. Die Ergebnisse werden anschließend ebenso dargestellt, wie die Prüfung der Hypothese in der Diskussion. Abschließend rundet ein weiterführender Ausblick die Arbeit ab.

2. Theoretischer Hintergrund

»In flachen Schuhen kann ich mich einfach nicht konzentrieren« (Brenninger, 2016). Ein Zitat der britischen Modedesignerin und Ex-Spice-Girl Victoria Beckham, das wie eine ›modesque Metapher‹ für die Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit funktioniert: Um die ›flache(n Schuhe der) Argumentation‹ in ›High Heels wissenschaftlichen Arbeitens‹ zu verwandeln, wird zu Beginn der theoretische Hintergrund der Arbeit beleuchtet. Dafür ergeben sich vorausgehend terminologische Klärungen. Anschließend wird auf theoretische Bezüge eingegangen.

2.1 Terminologische Klärungen

Um die Gänze der Arbeit zu erfassen, wird im Folgenden auf Terminologien eingegangen. Hierfür wurden drei Begriffe erwählt, die unerlässlich für die Verständlichkeit der nachfolgenden Abschnitte sind.

2.1.1 Kommunikation

»Man kann nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick, 1996, S. 53), stellt den Leitsatz der vorliegenden Arbeit dar. Darüberhinaus gibt es jedoch weitere Ansätze, die sich mit der Kommunikation im engeren Sinne beschäftigen. Aus der Vielzahl an Publizisten, die in unterschiedlichem Maße über den Begriff Kommunikation verfügten, ergibt sich, dass keine allgemein gültige Definition existiert. Daher werden im nachfolgenden Abschnitt einige Pole der Kommunikation vorgestellt.

Heinz Pürer (2003) vereinfacht den Kommunikationsbegriff in seiner Publikation ›Publizistik- und Kommunikationswissenschaft‹. Kommunikation bestünde »in einer vereinfachten Vorstellung aus mindestens vier Elementen, nämlich: einem Sender (Kommunikator), einem Kommunikationsinhalt (Aussage), einem Kanal, über den der Inhalt vermittelt wird (Medium) sowie einen Empfänger« (S. 65). Weiterführend beschreibt er: »Der Kommunikationsvorgang läuft – vereinfacht dargestellt – so ab, dass der Sender eine Information verschlüsselt (encodiert), sprachlich an den Kommunikationspartner übermittelt und der Empfänger die übermittelte Botschaft erfasst und entschlüsselt (decodiert)« (S. 65).

Klaus Merten hat in seinem Werk ›Kommunikation‹ aus dem Jahr 1977 eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen gesammelt. Im Zuge dessen entwickelte Merten ein Schema, um differenzieren zu können. Jene Differenzierung sei zwischen subanimalischer, animalischer, Human - und Massenkommunikation möglich. (Merten, 1977, S. 92)

Die subanimalische Kommunikation ist nach Merten die Kommunikation zwischen Organismen. Berücksichtigt werden sowohl technische, als auch naturwissenschaftliche Phänomene. (Merten, 1977, S. 93) Der Begriff der animalischen Kommunikation umschließt den Bereich der Kommunikation zwischen tierischen Lebewesen. Nicht relevant ist, ob es sich dabei um eine Interaktion zwischen Tieren oder zwischen Mensch und Tier handelt. (Merten, 1977, S. 98) Humankommunikation umfasst lediglich die Kommunikation zwischen Menschen. Ein Charakteristikum der Humankommunikation ist die Existenz des sprachlichen Kanals über – und parallel zu anderen – nonverbalen Kommunikationskanälen. (Merten, 1977, S. 118) Die Massenkommunikation beschreibt eine Form der Humankommunikation. Massenkommunikation ist auf technische Hilfsmittel angewiesen, zumeist einseitig und sich an ein disperses Publikum richtend. ( Merten, 1977, S. 141)

Neben den unterschiedlichen Ausprägungen von Kommunikation fügt Merten Merkmalen von interpersonaler, bzw. Face-to face-Kommunikation ebenfalls an. Reziprozität, respektive Wechselseitigkeit, sei als eines dieser Merkmale zu nennen. (Merten, 1977, S. 75) Weitere sind Intentionalität, Anwesenheit, Sprachlichkeit, Wirkung und Reflexivität. (Merten, 1977, S. 74)

Mit Intentionalität ist die Zielgerichtetheit der Botschaft und die Absichtshaftigkeit des Senders gemeint. (Merten, 1977, S. 77-78) Das Merkmal der Anwesenheit bezieht sich auf die gegenseitige Wahrnehmbarkeit in der unmittelbaren Interaktion. Im weiteren Sinne ist dies darüberhinaus ebenso beim Telefonieren der Fall. Die Kommunikationspartner nehmen sich – auch ohne körperliche Präsenz oder Anwesenheit – wahr und erfüllen somit das Kriterium der Anwesenheit. (Merten, 1977, S. 79-81) Die Sprachlichkeit ist – ungeachtet der ebenso vorhandenen non-verbalen Kommunikationskanäle – ein weiteres wichtiges Merkmal nach Merten, der dieses als leistungsfähigstes Kommunikations-instrument definiert. (Merten, 1977, S. 82) Das Merkmal Wirkung bezieht sich lediglich auf beim Kommunizieren beobachtbare Verhaltensweisen. (Merten, 1977, S. 84) Mit Reflexivität ist dagegen die Rückbezüglichkeit zu verstehen. Für Merten ist diese das wichtigste Merkmal von Kommunikation. Er unterscheidet zwischen Reflexivität in der Zeitdimension, in der Sachdimension und in der Sozialdimension. (Merten, 1977, S. 86-88)

»A convenient way to describe an act of communication is to answer the following questions: Who?; Says what?; In which channel?; To whom?; With what effect?« (S. 117), Harold D. Lasswell (1948) gab mit seinem Modell, dass später als Lasswell-Formel weltweit Bekanntheit erlangte, einen einprägsame Leitfaden vor, der alle Elemente der Kommunikation zusammenfasst. Im Folgenden soll die Lasswell-Formel in ihren Einzelteilen genauerer betrachtet werden.

Who? Dieser Satzteil bezieht sich auf den Sender, beziehungsweise die Quelle der Information. Der Kommunikator ist in diesem Modell der Initiator der Kommunikation.

Says what? Der Inhalt, beziehungsweise die Nachricht des Senders fällt unter dieses Fragment. Neben dem Inhalt ist ebenfalls die Art und Weise der Vermittlung relevant. Ein und dieselbe Nachricht wird beispielsweise unter Einfluss von sachlicher Kühle oder einem sarkastischen Beiklang entsprechend anders wahrgenommen.

In which channel? Betrachtet man diese Frage ambivalent, müssen Sender und Empfänger ›auf der gleichen Wellenlänge liegen‹. Der Empfänger muss also mit dem Sender durch den Informationskanal verbunden sein, um die Nachricht zu empfangen. Dies kann bei einem Telefonat das Anwählen der korrekten Nummer sein, das zur Folge hat, dass der Empfänger das Gespräch entgegennimmt und ein Kanal aufrechterhalten wird.

To whom? Für den Empfänger der Nachricht ist es lediglich möglich die Nachricht zu verarbeiten, wenn gewährleistet ist, dass er sie versteht. Die Aufgabe des Senders ist es entsprechend den Inhalt für den Empfänger verständlich zu formulieren. Dabei ist die Anpassungsfähigkeit des Senders gefragt, der sich, je nachdem wie groß der Radius seines Kommunikationskreises ist, an wechselnde Empfänger in seinem Alltag anpassen muss. Als Beispiel wäre ein Universitätsprofessor zu nennen, der am Vormittag Studierenden das Grundprinzip der Astrophysik vermittelt und am Abend seiner dreijährigen Tochter die Sterne erklärt.

With what effect? Die Frage nach dem Effekt beim Empfänger ist gleichzeitig auch die Frage nach der Intention des Senders. Welche Wirkung erzielt die Nachricht beim Empfänger: Ändert er seine Haltung zu einem bestimmten Sachverhalt? Lacht er über einen Wortwitz und empfindet den Sender dadurch als sympathisch?

Ein weiteres Kommunikationsmodell, das Sender-Empfänger-Modell von Warren Weaver und Claude Elwood Shannon, wurde unmittelbar danach, im Jahre 1949, entwickelt. Festzuhalten ist jedoch, dass jenes Modell, die Mathematical Theory of Communication (Shannon & Weaver, 1963, S. 3), eher formal und weniger interpersonell, wie beispielsweise die Lasswell-Formel, gestaltet wurde.

Das Sender-Empfänger-Modell setzt voraus, dass es einen Sender und einen Empfänger gibt. Beide können den jeweils anderen Part übernehmen. Lediglich festgelegt ist, dass die Partei, welche die Nachricht übermittelt, die Rolle des Senders übernimmt, und jene welche die Nachricht erhält, die des Empfängers. Zwischen beiden existiert ein Nachrichtenkanal, der das Senden und Empfangen von Nachrichten ermöglicht, jedoch nicht frei von möglichen Störungen ist – beispielsweise einem Rauschen beim Telefonieren. Das Codieren und Decodieren einer Nachricht ist Voraussetzung dafür, dass eine Nachricht übermittelt wird. Der Sender codiert, während der Empfänger die Nachricht decodieren muss. Die Kommunikation ist erst dann als erfolgreich und abgeschlossen anzusehen, wenn der Empfänger die Nachricht decodieren konnte, beide Seiten also den gleichen Code verwenden. Auch in diesem Modell ist es folglich unerlässlich, dass sich der Sender auf den Empfänger ›einstellt‹ – Mimik, Gestik, Sprache und Intellekt mit einbezieht.

Aufgrund der gegebenen Forschungsrelevanz wird im Folgenden abschließend ein Kommunikationsmodell thematisiert, dass die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung darstellt. Das Johari-Fenster wurde im Jahr 1955 von Joe Luft und Harry Ingham vorgestellt und unterscheidet vier Bereiche der Person. (Menzi & Züger, 2007, S. 38)

Abb. 1: Das Johari-Fenster besteht aus zwei Achsen: Auf der vertikalen Achse wird zwischen »Anderen bekannt« und »Anderen unbekannt« differenziert. Auf der horizontalen Achse zwischen »Mir selbst bekannt« und »Mir selbst nicht bekannt«. Aus diesem Konstrukt ergeben sich die vier Bereiche einer Person.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Bereich A zeigt die ›öffentliche Person‹. Er spiegelt den als unproblematisch zu definierenden Teil der eigenen Psyche wider. Gefühle und Gedanken dieses Bereichs sind für die Öffentlichkeit zugänglich und werden preisgegeben. Jener Bereich wird auch als Bereich des freien Handelns tituliert. (Menzi & Züger, 2007, S. 38)

Bereich B wird als blinder Fleck der Selbstwahrnehmung geführt. Unter diesen Bereich fallen Eigenschaften und Verhaltensweisen die selbst nicht wahrgenommen werden, sehr wohl jedoch vom direkten Umfeld. Folglich entsteht eine Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstbild. (Menzi & Züger, 2007, S. 38)

Der Bereich C definiert die Privatperson. Ziele, Wünsche oder Sehnsüchte die vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen, fallen in diesen Bereich. Gründe für das Verheimlichen und Verbergen sind beispielsweise ein generelles Misstrauen gegenüber der Mitmenschen, oder das bewusste Wahren gewisser persönlicher Geheimnisse. Nichtsdestotrotz beeinflusst dieser Bereich das eigene Verhalten und wird auch der Bereich der Maske genannt. (Menzi & Züger, 2007, S. 38-39)

Bereich D stellt das Feld der unbewussten Motive dar. Dieser Bereich ist der für den rational denkenden Menschen mysteriöseste, weil für die Person selbst nicht greif- und nachvollziehbar. Er ist der Teil der die Verhaltensweisen und Einstellung unterschwellig bestimmt. (Menzi & Züger, 2007, S. 39)

2.1.2 Medium

„Kommunikation ist unwahrscheinlich“ (Luhmann, 1981, 56). Lediglich aufgrund von Medien sei die Umformung von unwahrscheinlicher Kommunikation in wahrscheinliche Kommunikation möglich. (Luhmann, 1981, 58) Dieser kurze Exkurs in die Luhmannschen Kommunikationstheorien zeigt anschaulich den Stellenwert von Medien und die Notwendigkeit einer näheren Betrachtung des Begriffs Medium.

Der Begriff Medium, lateinisch für ›Mitte‹, ›Mittelpunkt‹ (Duden), ist ein vielschneidiges Schwert. Er wird in der Physik als Stoff oder Substanz verwendet, ebenso wie in der Chemie, in der Technik als Datenspeicher, sowie in der Parapsychologie als Mensch mit übersinnlichen Kräften oder in der Mode als Konfektionsgröße. (Duden)

»Der Begriff des Mediums ist ein zentraler Grundbegriff der Kommunikationswissenschaft und, wie viele andere Grundbegriffe, bislang nicht zufriedenstellend definiert« (Merten, 1999, S. 133). Aufgrund fehlender, eindeutiger Definition des Begriffs sowie unterschiedlicher Komponenten wird im Folgenden auf die verschiedenen Bedeutungen eingegangen und eine Beziehung untereinander hergestellt.

Abseits des wissenschaftlichen Terminus ist der Begriff Medium heutzutage in der Alltagssprache angekommen. Dies sorgt, in Zeiten des Web 2.0, in denen von den ehemals klassischen und neuen sozialen Medien tagtäglich die Rede ist, kaum für Verwunderung.

Medium ist seit dem 17. Jahrhundert im wissenschaftlichen Sinne Bedeutungsträger für ›Vermittler physikalischer Prozesse‹. (Pfeifer,1993, S. 854) Als Grundbedeutung können nach Hoffmann (2002, S. 27) sieben prototypische Konnotationen festgehalten werden: (1) ›Mitte, Mittleres, Mittelglied‹; (2) ›(Hilfs-)Mittel‹; (3) ›vermittelndes (Element)‹; (4) ›Kommunikationsmittel‹; (5) ›(Ver-)Mittler‹; (6) ›Stoff‹; (7) ein Genius verbi. Kommunikationshistorisch ist die Terminologie Medium eine noch junge: »Der Medienbegriff – vor allem im Plural – kommt mit der Durchsetzung des Fernsehens zum zentralen gesellschaftlichen Verständigungsmittel Ende der sechziger Jahre auf, vorher ist er eher unüblich« (Hickethier, 1999, S. 204).

Betrachtet man den wissenschaftlichen Sprachgebrauch können nach Faulstich (1991, S. 7-17) drei Verwendungszusammenhänge definiert werden: der alltägliche Sprachgebrauch wurde bereits hinreichend thematisiert. Der zweite Zusammenhang, als Fachbegriff in verschiedenen Disziplinen erklärt, beschäftigt sich mit der Verwendung, beispielsweise in der bereits obig angesprochenen Parapsychologie, Physik oder Chemie. Auffallend ist hierbei, dass das Medium insbesondere in seiner wörtlichen Bedeutung als Mittel oder Werkzeug verwendet wird. Des Weiteren wird der Medienbegriff als Ausdruck ›theoretisch reflektierter Vorstellungen‹ verwendet. In diesem Fall werden von Faulstich (1991, S. 15-17) Theorien und Modelle angefügt, die sich zentral mit den Medien befassen: (1) Die technische Übertragung von Informationen eines Senders zu einem Empfänger wird in der Informationstheorie thematisiert. (Bentele & Beck 1994, S. 21-25) (2) Eine Unterscheidung zwischen dem singulären Begriff Medium als technischer Kanal und dem pluralen Medien als Massenmedien versteht die Kommunikations-wissenschaft unter der Terminologie. Während Saxer (1999) hiervon abweichend definiert: »Medien sind komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen« (S. 6). (3) Ähnlich die Medienwissenschaft, die Medium hauptsächlich als Massenmedien versteht. (4) Soziologisch, beziehungsweise in der Systemtheorie lässt sich der Medienbegriff demgegenüber nicht vorrangig als Kommunikationsbegriff aufgefasst werden. ›Tausch- oder Interaktionsmedien‹, die Systeme oder Handlungen steuern und entlasten, werden hier thematisiert. (Parsons, 1980, S. 11) Luhmann unterscheidet zwischen Verbreitungsmedien und Erfolgsmedien dahingehend, dass jene letzteren symbolisch generalisierte Medien gar eine Art Spezialsprache darstellen und eine Konditionierung gewähren, indem sie deren Erfolg oder Annahme sicherstellen. (Luhmann, 1984a, S. 222)

Bezüglich des Medienbegriffs im Bereich der Kommunikations- und Medienwissenschaften lässt sich anführen:

›Medium‹ in diesem Sinne ist ganz allgemein die Bezeichnung für Gegen- stände, Sachverhalte oder Objekte, mit deren Hilfe Kommunikation hergestellt wird; Medien sind also zunächst und grundsätzlich immer auch ›Elemente‹ von Kommunikation, sie treten zwischen die Menschen und trennen sie gewissermaßen, indem sie sie verbinden. (Mock, 2006, S. 188)

Das Medium wird hier nunmehr als Beziehungsbegriff aufgefasst.

Bezüglich des Mediums als Mittel von Kommunikation, lassen sich genauer drei Verständnisse definieren: »(1) Medien als Mittel der Wahrnehmung (als ›Voraussetzung‹ für Kommunikation) sowie (2) Medien als Mittel der Verständigung und (3) Medien als Mittel der Verbreitung « (Mock, 2006, 189). Im Folgenden wird auf die angeführten Unterscheidungen eingegangen:

(1) Medien als Mittel der Wahrnehmung bezieht sich auf physikalische Medien, welche Grundvoraussetzung für eine jede menschliche Wahrnehmung sind. Als Beispiele lassen sich verschiedene Stoffe, wie beispielsweise Luft anführen. Nicht abzugrenzen sind hiervon ebenso die fünf Sinne Hören, Riechen, Sehen, Tasten/Fühlen, Schmecken, welche wiederum jeweils eigenständige Kanäle bedienen, die zwischenmenschliche Wahrnehmung herstellen. Hierbei lassen sich jene Kanäle keinesfalls isoliert voneinander betrachten. Das Gros der Sinneswahrnehmungen läuft schließlich parallel ab – unterschiedliche Hölzer fühlen sich beispielsweise nicht nur anders an, von ihnen geht auch ein anderer Duft aus. Problematisch ist, inwiefern Wahrnehmung von Kommunikation unterschieden werden kann. Voraussetzung dafür wäre das gesicherte Wissen vom intentional Mitgeteilten und dem lediglich dazu Wahrgenommenen. (Mock, 2006, 189-190)

(2) Medien als Mittel der Verständigung zielt auf die Grundlage der Interaktion von den Kommunikationsparteien ab. Darunter fallen Zeichen und Zeichensysteme, die ermöglichen, dass Bedeutungen, respektive Gedanken, übertragen werden können. Neben der gesprochenen und geschriebenen Sprache spielen Ton und Klang sowie Mimik und Gestik eine übergeordnete Rolle im Kontext der Verständigung. Da Sprache eine Konvergenz aus Zeichenträger (das Bezeichnende) und einer Bedeutung (das Bezeichnete) darstellt, lässt sich ein Annahme manifestieren: Die Bedeutung hängt von sozialen Zuschreibungen ab, die je nach Milieu, Kultur o.Ä. variieren. Somit könnte als zusätzliches Element der Zeichenbenutzer unter Berücksichtigung dessen sozialen Hintergrunds gesehen werden. (Mock, 2006, S. 191)

(3) Medien als Mittel der Verbreitung lassen sich generell als technische Schöpfungen ansehen, die Kommunikation über das Gegenwärtige hinweg auf unterschiedlichen Kanälen verbreiten und erhalten. Bezüglich der Verbreitungsmedien wird anhand jener Annahmen ein Spektrum von Techniken[2], wie Sozialen Netzwerken, Speichermedien (z.B. USB-Speicher), bis hin zum einfach Blatt Papier bedient. (Mock, 2006, S. 192)

Um den Medienbegriff als vollständig definiert anzusehen, ist, nachdem drei Arten des Mediums als Kommunikationsmittel angeführt wurden, schließlich eine summarische Erörterung des Mediums als Form von Kommunikation vonnöten. Unter diesen Punkt fallen beispielsweise Vorlesungen an der Universität, der Kinobesuch am Abend, das Smartphone als ständiger Begleiter oder klassische Briefe sowie die heutzutage allgegenwärtigen E-Mails. Jene Formen sind fester Bestandteil – regelrechte Institutionen – sowie sozial anerkannte Art- und Weisen der Kommunikation. (Mock, 2006, S. 193-194)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Kommunikations- und Medienwissenschaftliche Grundverständnisse von ›Medium‹ in der Übersicht. (Mock, 2006, S. 195)

2.1.3 Mode

Nachdem nun die Terminologien ›Kommunikation‹ und ›Medium‹ definiert wurden, wird nachfolgend auf den Begriff ›Mode‹ eingegangen.

»Das Wesen der Mode besteht darin, dass immer nur ein Teil der Gruppe sie übt, die Gesamtheit aber sich erst auf dem Wege zu ihr befindet« (Simmel, 1905, S. 15). Mit dieser Aussage Georg Simmels ist das Hauptcharakteristikum der Mode bereits offengelegt. Das ständige Nacheifern und Abgrenzen bedingt das ebenso ständige in, das ständige out. (Simmel, 1905, S. 13) Hier gilt direkt zu Beginn klarzustellen: Mode definiert mehr als nur den sich wandelnden Kleidungsgeschmack. Während in Deutschland Mode ab dem 17. Jahrhundert allgemeiner verwendet wurde, geschah dies in Frankreich bereits ab dem 15. Jahrhundert. (Schnierer, 2000, S. 19) Die drei zentralen Teilaspekte von Mode wurden jedoch schon im Jahre 1885 im ›Deutschen Wörterbuch‹ der Gebrüder Grimm angeschnitten und sind, nach wie vor, äußerst relevant. Einer dieser Aspekte ist der Zeitaspekt: Jene Schnelligkeit sei, so Schnierer, konstanter Hauptbestandteil der Modewelt. (Schnierer, 2000, S. 20) Hier sei es wichtig,

sich klar zu machen, dass sich die besagte ,relative Kurzlebigkeit’ nicht nur auf den Anfang, sondern auch auf das Ende einer Mode bezieht. Das heisst, dass nur dann von Mode gesprochen werden sollte, wenn nicht nur etwas Neues kommt, sondern wenn dieses Neue auch relativ schnell wieder verschwindet. (Schnierer, 2000, S. 21)

Der soziale Aspekt ist als weiterer Teilaspekt anzufügen. (Schnierer, 2000, S. 20) Mode konstituiert den »augenblicklichen zeitgeschmack [...] der gesellschaft« (Grimm & Grimm, 1885, S. 2435). Da sich Mode durch das Kollektiv aus Individuen konzipiert und auszeichnet, ist ein sozialer Aspekt nicht von der Hand zu weisen. Eine dritte Dimension ergibt sich durch den sachlichen Aspekt. (Schnierer, 2000, S. 20) Nach dem lateinischen ›modus‹ – der Art und Weise – lässt sich obiges Zitat der Gebrüder Grimm um ein Textfragment erweitern. Mode repräsentiert demnach den »augenblicklichen zeitgeschmack im benehmen und thun [Hervh. v. Verf.] der gesellschaft« (Grimm & Grimm, 1885, S. 2435).

Eine weitere Definition von Mode bezieht, abgesehen vom zeitlichen und sozialen Aspekt, im sachlichen Aspekt einen Ansatz mit ein, der eine weitere Facette vom Phänomen Mode offenlegt:

Mode ist ein fluktueller Wandel peripherer Verhaltensformen, der durch willkürliche Vorbildsetzung ohne wesentliche Beeinflussung sozialer Strukturen erfolgt und sich auf grössere Bevölkerungsteile erstreckt. [...] Die Objekte der Mode sind in unterschiedlichem Masse ‚anfällig’ für Mode, so dass Güter desto mehr der Mode unterworfen sind, je eher sie sich verfeinern, also an der Peripherie verändern lassen. Kleider und Haartracht sind demnach modeanfällige Güter, Nägel und Backsteine dagegen weitgehend modeindifferente Güter. (Wiswede, 1976, S. 395)

Wiswede fügt hier also modeindifferente Güter an, die schlicht – aufgrund von Armut an Möglichkeiten – kaum, oder nicht im besonderen Maße verändert werden und somit nicht dieselbe Relevanz für die Mode und ihre Schöpfer darstellt, wie andere Konsumgüter. Auch, wenn man durch Bemühen der Suchmaschine mit großer Sicherheit ebenso für die oben beschriebenen Güter Trends und das Wechselspiel von in und out beobachten kann.

Des Weiteren kann Mode als »Ausdruck eines vorherrschenden Zeitgeistes und […] bewusst angewendetes Mittel zur Verbreitung neuen Gedankengutes« (Mittermeier, 2010, S. 6) definieren werden. In diesem Ansatz lassen sich bereits erste Anzeichen für das Kommunikationsmedium Mode finden. Ein Mittel, das Gedankengut verbreitet, kann nach vorherigen Erörterungen durchaus als Medium angesehen werden. In eine ähnliche Richtung gehen die Ausführungen von Malcolm Barnard (1996):

Everyday experience, in which clothes are selected according to what one will be doing that day, what mood one is in, who one expects to meet and so on, appears to confirm the view that fashions and clothing are used to send messages about oneself to others. (S. 28)

Inwiefern Kleidung Rückschlüsse auf den Träger zulässt, wird nachfolgend noch ausführlich dargestellt und durch eigene Forschungsergebnisse gestützt. Vorausgehend soll jedoch der Modebegriff noch weiter charakterisiert werden und auf Theorien eingegangen werden, die sich mit der Mode im weiteren Sinne beschäftigen.

»Denn der Mensch ist ein dualistisches Wesen von Anbeginn an; und dies verhindert die Einheitlichkeit seines Tuns so wenig, daß es grade erst als Ergebnis einer Vielfachheit von Elementen eine kraftvolle Einheit zeigt« (Simmel, 1905, S. 5). Simmel legt in seinen Ausführungen das Hauptaugenmerk auf das bereits angesprochene in und out. Das menschliche Bedürfnis nach Absonderung und Zusammenschluss bedingt dieses Phänomen. (Simmel, 1905, S. 13) Aufgrund dieses Grundbedürfnisses kommt es zum Nachahmen und Absondern – einem Kreislauf, der, zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk, die Modebranche bewegt und jeglichen Stillstand verhindert. Dieser immerwährende Kreislauf stellt eine bestimmte Dynamik zwischen unterschiedlichen Schichten her: während die obere Schicht versucht, sich von der unteren abzusondern, eifert diese der oberen Schicht nach und kopiert diese. (Simmel, 1905, S. 11) Ein Ablauf, der analog zum heutigen in und out – s aisonein, saisonaus – gesehen werden kann. Zwei Aspekte lassen sich von Simmels Theorie ableiten: der soziale, die Nachahmung, sowie der zeitliche, welcher zur Folge hat, dass durch die Absonderung eine neuartige Mode entsteht.

Die Gefahr von der Vermischung und Verwischung, welche die Klassen der Kulturvölker zu den Differenzierungen von Kleidung, Benehmen, Geschmack usw. veranlasst, fehlt häufig bei primitiven sozialen Strukturen, die einerseits kommunistischer sind, andrerseits aber die bestehenden Unterschiede starr und definitiver festlegen. (Simmel, 1905, S. 13)

Es fällt also auf, dass Mode ein Produkt des Klassenunterschieds ist, denn, so Simmel (1905) weiter: »die Buschmänner dagegen, bei denen eine Klassenbildung überhaupt nicht stattgefunden hat, haben überhaupt keine Mode ausgebildet, d.h. es ist an ihnen kein Interesse für den Wechsel von Kleidung und Schmuck festgestellt« (S. 14). Jenes hierarchistische ›herabrieseln‹ von modischen Trends, beschreibt der ›Trickle-Down-Ansatz‹. (Kaiser, 2013)

»Wie sie heutzutage besteht, ist die Mode eine Form der socialen Ordnung, ähnlich […] der constitutionellen Regierung als Form der staatlichen Ordnung; denn sie stellt in der That ein Compromiss zwischen allgemein herrschen- dem Zwang und Freiheit des Einzelnen dar« (Spencer, 1885, S. 252). Im 19. Jahrhundert war Mode eine immer freier werdende ›Privatsache‹, dennoch – wie auch Simmel betont – hierarchistisch geprägt: »denn während im Durchschnitt die staatliche Beaufsichtigung der Thätigkeit des Einzelnen abnimmt, verliert auch die Mode viel von ihrer früheren Starrheit, wie sich schon aus dem grösseren Spielraum ergibt« (Spencer, 1885, S. 252). Aufgrund dieser Lockerung früherer Starrheit ergab sich in dieser Zeit eine bisher nie dagewesene Individualität der Menschen. (Spencer, 1885, S. 252) Mode spielte also schon damals als persönliche Entfaltungsmöglichkeit eine Rolle, in Zeiten, die eindeutig durch Klassifizierung der Gesellschaft und klare Hierarchien geprägt waren. Sie diente dazu, »die Zeichen der Classenunterschiede zu verwischen […] und so hat sie die Stärkung der Individualität begünstigt. Dadurch aber trug sie auch zur Schwächung des Ceremoniells bei, das ja gerade auf die Unterordnung des Individuums gegründet ist« (Spencer, 1885, S. 252). Die Kraft die von der Mode, dokumentiert bereits im 19. Jahrhundert, ausgeht, lässt sich somit als weitaus übergreifender charakterisieren, als es auf den ersten Eindruck erscheinen mag. Revolution, Aufstand, Statement – Dinge, die mit Menschen und deren Kleidung assoziiert sind. Alfred Wechsler (1904) schrieb dazu:

Erst in unserer Daseinsperiode, oder weiter genommen erst seit dem Wiener Kongress, ist der Kreis der Modewirkungen so weit geworden, dass zumindest in den Städten fast jede Lebens- und Kunstäusserung vom öffentlichen Geschmack, von den gewichtigen Regeln dieses vielbesprochenen ,Modeteufels’ abhängig gemacht ist. (S.2)

Mode wurde, insbesondere von den Geistlichen, nicht selten als Teufel oder Dämon verschrien. So erschien im Jahre 1675 ein Buch mit dem Titel ›Der à la mode Teufel. Nach der heutigen Hoffarth an Kleydern, Haaren, Schminken, Entblößen und Mannichfaltigkeit und Abscheulichkeit: der Entschuldigungen Nichtigkeit und Abstellung Notwendigkeit vorgestellet von Johannes Luduvico Hartmanno, der heiligen Schrift Doctor‹. (Lessing, 1884, S. 3) Bereits im 17. Jahrhundert waren Frauen nicht per se zufrieden mit ihrem Körper, versuchten Problemzonen durch ihre Kleiderwahl zu vertuschen, schnürten sich ein. Diese Kleider sollten auf die »recht fremde ausländische à la mode und seltsame Teufelsart verfertiget werden« (Lessing, 1884, S. 4). Zu jener Zeit galt das modische Kleiden als Sünde und Gräueltat. (Lessing, 1884, S.4)

2.2 Theoretische Bezüge: Halo-Effekt

Nachdem obig grundlegende Terminologien geklärt wurden, wird im Folgenden auf die Theorie des Halo-Effekts eingegangen.

Edward Lee Thorndike gilt als Begründer der Terminologie ›Halo-Effekt‹. (Rosenzweig, 2008, S. 72) Er bezieht sich damit 1920 auf den englischen Begriff ›Halo‹ (›Heiligenschein‹). (Thorndike, 1920, S. 25) Erstmals beobachtet wurde das Phänomen des Halo-Effekts im Jahre 1907 von Frederic L. Wells. (Wells, 1907, S. 29)

Thorndike machte während des Ersten Weltkriegs die Beobachtung, dass Instruktionsoffiziere ihre Untergebenen häufig in ähnlichem Maße positiv oder negativ auf Eigenschaften, wie beispielsweise Kondition, Intelligenz und Charakter, einschätzten und beurteilten. (Rosenzweig, 2008, S. 72) Die Offiziere waren anscheinend der Meinung, dass Soldaten mit einem guten Körperbau, guter Haltung und einem ansprechenden Gesicht, Sachen besser erledigen könnten, die faktisch nichts mit ihrem Aussehen oder ihrer Ausstrahlung zu tun hatten. (Rosenzweig, 2008, S. 72) So schätzten sie jene Supersoldaten beim Schuhe putzen oder anderen Tätigkeiten, wie Mundharmonika spielen, aufgrund jener oberflächlichen Begutachtung besser ein. (Rosenzweig, 2008, S. 72)

Solomon Asch bat in seinem Experiment Probanden, sich von jemandem einen Eindruck zu verschaffen, der als in­telligent, fachkundig, fleissig, warm, entschlossen, praktisch und vorsichtig angekündigt wurde. Anderen Probanden wurde ein und dieselbe Person als intelligent, fachkundig, fleissig, kalt, entschlossen, praktisch und vorsichtig vorgestellt. Einziger Unterschied der beiden Vorstellungsrunden war somit, dass die Beschreibung der Person als warm in der ersten Experimentalgruppe, in der zweiten Experimentalgruppe durch die Beschreibung kalt ersetzt wurde. (Asch, 1946, S. 262) Anschließend wurden den Probanden Begriffspaare, wie beispielsweise reizbar/freundlich, großzügig/geizig, glücklich/unglücklich vorgelegt. 75-95% der Probanden, denen im Voraus die Person als warm vorgestellt wurde, konnotierten diese mit den Begriffen glücklich, freundlich und humorvoll. Lediglich 5-35% der Probanden, denen im Vorhinein die Person als kalt vorgestellt wurde, schätzten diese als glücklich, freundlich und humorvoll ein. (Asch, 1946, S. 263-266) Der Heiligenschein der Charaktereigenschaft warm strahlte in diesem Fall auf andere Persönlichkeitseigenschaften ab.

Dieses Phänomen lässt sich in nahezu allen Bereichen des Alltages beobachten. Studien zum Schönheits-Halo-Effekts bestätigen die Annahme, dass als schön wahrgenommenen Menschen kompetenter und gleichzeitig auch glücklicher eingeschätzt werden. (Berscheid, Dion & Walster, 1972, S. 288) Ein Experiment von Landy & Sigall zeigt, dass eine Publikation, die angeblich von einer attraktiven Autorin stammt, von männlichen Probanden besser bewertet wird, als dieselbe welche angeblich von einer unattraktive Autorin stammt. (Landy & Sigall, 1974, S. 299-304) Alan Feingold hat in seinen Analysen zum Schönheits-Halo-Effekt festgestellt, dass schöne Menschen probandenunabhängig als dominanter, geistig gesünder, sozialkompetenter sowie wärmer und intelligenter wahrgenommen werden, diese es de facto jedoch nicht sind[3]. (Feingold, 1992, S. 313-318) An dieser Stelle anzumerken ist, dass der Schönheits-Halo-Effekt lediglich dann eintritt, wenn der Stimulus den Probanden vor der Leistung der zu beurteilenden Person offeriert wird. Passiert dies in umgekehrtem Maße – erhalten die Probanden zu Beginn die entsprechende Information über die Leistung der Person und anschließend den Stimulus, so zeigt sich der Halo-Effekt nicht. (Benassi, 1982, S. 50-53)

Das Feld des Halo-Effekts ist, wie bereits angesprochen, allgegenwärtig. Im Bezug auf die vorliegende Feldstudie spielt sie ebenfalls eine übergeordnete Rolle. Im Folgenden soll auf weitere Experimente und Fallbeispiele eingegangen werden, die den Halo-Effekt in seiner Gänze zumindest erahnen lassen.

Die Wirkung des Halo-Effekts im Bezug auf Schönheit und Attraktivität, lässt sich auch in Gerichtsprozessen nicht verhindern. Es wurde untersucht, dass Angeklagte weniger häufig – und wenn, dann zu milderen Strafen – verurteilt werden, wenn sie als attraktiv wahrgenommen werden. (Darby & Jeffers, 1988, S. 44-46) Empfindet sich der Urteilende selbst als attraktiv verstärkt sich dieser Effekt, Urteilende die sich selbst als unattraktiv empfinden, sympathisieren dagegen eher mit unattraktiven Angeklagten. (Darby & Jeffers, 1988, S. 47-48)

Im Experiment von Nisbett & Wilson wurden Studenten als Probanden angeleitet, zwei Dozenten zu bewerten, die sie zuvor in einem Interview, das auf Video aufgenommen wurde, gesehen hatten. Die Studenten wurden in zwei Gruppen unterteilt. Jeder Gruppe wurde jeweils eines von zwei Vorträgen desselben Dozenten gezeigt. (Nisbett & Wilson, 1977, S. 252) Bei dem Dozenten handelte es sich um einen englisch sprechenden Belgier, mit einem auffälligen Akzent. In einem Video präsentierte sich der Dozent als sympathisch und über seine Studierenden offen sprechend. Er redete begeistert über den Austausch mit seinen Studierenden und seine Forschungsthematik. Im anderen Video präsentierte er sich als das komplette Gegenteil. (Nisbett & Wilson, 1977, S. 252) Er wirkte kaltherzig wenn es um die Studierenden ging und dass er generell kaum Nachfragen erlaube: »›there’s a time to be a student and a time to be a professor‹« (Nisbett & Wilson, 1977, S. 252). Nachdem die beiden Experimentalgruppen das jeweilige Video gesehen hatten, bewerteten sie den Dozenten unter anderem nach dessen Aussehen und Akzent. Anschließend sollten die Probanden auf einer achtstufigen Skala bewerten, in welchem Maße sie mit dem Dozent sympathisieren.(Nisbett & Wilson, 1977, S. 252) Schließlich wurden sie gefragt, ob sie denken, dass die Sympathie für den Dozenten Einfluss auf ihre vorherigen Bewertung hatte. Andere wurden gefragt, inwiefern die im Voraus getätigten Bewertungen Einfluss auf die Sympathie hatten. (Nisbett & Wilson, 1977, S. 252)

Die Probanden waren sich sicher, dass sie ihre Bewertungen bezüglich Aussehen und Akzent unabhängig von ihren Sympathien für den Dozenten abgaben. Dennoch wurde der sympathische Dozent besser bewertet (attraktiver, kaum störender Akzent), als der unsympathische. (Nisbett & Wilson, 1977, S. 252) Nach Bekanntgabe der Ergebnisse ließ sich beobachten, wie verwirrt die Probanden auf die Ergebnisse reagierten. Immer noch waren sie davon überzeugt, distanziert und differenziert bewertet zu haben. (Nisbett & Wilson, 1977, S. 252) Dieses Experiment zeigt, wie sehr der Halo-Effekt Einfluss auf das Unterbewusstsein der Personen nimmt. Selbst nach der Konfrontation der Probanden mit den eindeutig erkennbaren Auswirkungen des Effekts, stritten diese eine Beeinflussung ab. Dies zeigt ebenso, dass eine Beeinflussung für die betreffende Person im Nachhinein nicht zweifelsfrei nachvollziehbar ist. Der Halo-Effekt konstruiert sich somit – schlichtweg – als ein ›menschliches‹ Phänomen.

3. Methode

Nachdem terminologische Klärungen sowie der theoretische Hintergrund der Arbeit ausreichend beleuchtet wurden, wird nachfolgend auf die Methode der vorliegenden Studie eingegangen.

Hierfür wird zunächst die Stichprobe dargelegt. Anschließend werden die verwendeten Daten betrachtet. Abschließend wird ausführlich die Versuchsdurchführung behandelt.

3.1 Stichprobe

Insgesamt nahmen 154 Probanden an der Studie teil. 22 Datensätze wurden nicht ordnungsgemäß oder unvollständig abgeschlossen. Daher ergibt sich schlussendlich eine Stichprobe von 132 validen Datensätzen. Diese 132 Datensätze konnten gleichmäßig auf zwei Experimentalgruppen aufgeteilt werden, so dass sich eine Verteilung von 66 Datensätzen pro Experimentalgruppe konstruiert. Das Alter der Befragten lag zwischen 18 und 54 Jahren (Mittelwert = 25,05 ; Standardabweichung = 6,01). Von den 132 Befragten waren 105 weiblichen und 25 männlichen Geschlechts.

3.2 Daten

Für die vorliegende Studie wurde ein Online-Fragebogen mit Hilfe des Portals soscisurvey.de angelegt. Verwendet wurden vorrangig Auswahlfragen. Lediglich für das Item bezüglich des Alters der Probanden wurde eine offene Texteingabe gewählt. Insgesamt enthielt der Fragebogen 28 Items. Der Fragebogen wurde selbst entworfen und das Design schlicht gehalten. Die Befragten wurden gesiezt, aus dem Grund, dass möglichst altersunabhängig Probanden akquiriert werden konnten. Das Logo der Universität Passau wurde für den Fragebogen verwendet, um den Bezug zu einer Hochschule klar und auf den ersten Blick sichtbar zu machen.

Der Fragebogen wurde durch mehrmaliges Pretesting angepasst. Hierfür wurden Kommilitonen und Dozenten gebeten, den zum Pretest freigegebenen Online-Fragebogen zu durchlaufen und Anmerkungen zu äußern. Dadurch konnten Missverständnisse und technische Probleme behoben, sowie Änderungsentwürfe berücksichtigt werden.

52 Attributszuschreibungen, konstruiert um 26 menschliche Grundeigenschaften – jeweils einmal positiv und einmal negativ konnotiert –, wurden in 26 Items getestet. Die negative Ausprägung der Eigenschaft wurde im Fragebogen jeweilig links, die positive rechts angeordnet. Außerdem wurde abschließend nach dem Geschlecht sowie dem Alter gefragt.

Als zentrales Merkmal sind die speziell für den Fragebogen angefertigten Fotos anzusehen. Um die Hypothese zu testen, wurde ein und dieselbe weibliche Person einmal modisch und einmal unmodisch gekleidet und unter sonst gleichen Voraussetzungen abgelichtet. Mit Hilfe von Randomisierung wurden die Befragten in gleichem Maße auf eines der beiden Bilder aufgeteilt, mussten anschließend jedoch die gleichen Items durchlaufen.

Aufgrund der gleichen Bedingungen und des sich lediglich ändernden Outfits musste bei der Wahl des Models kein Wert auf besondere optische Merkmale sowie auf das Geschlecht gelegt werden. Einzig auf im Volksmund – in diesem Fall passt der Terminus ›Mainstream‹ wohl besser – für die entsprechende Altersgruppe vorherrschende modische Trends, musste Rücksicht genommen werden. Hier wurden folgende Kleidungskomponenten als passend erachtet: schwarzer Kapuzenpullover; weißes T-Shirt; dunkle Skinny-Fit-Jeans mit Rissen im Kniebereich; weiße Sneaker; olivfarbene Bomberjacke; schwarzes Halsband (›Choker‹).

Eine durchaus größere Herausforderung stellte das ›unmodische‹ Outfit dar. Hierfür wurde insbesondere Wert auf unpassende Farbkombinationen und Schnitte, bzw. Fittings gelegt. Folgende Komponenten wurden für dieses Outfit gewählt: rote Fleecejacke; blaue, übergroße Jeans; dunkle Sneaker mit grellen Schnürsenkeln; dunkle Daunenjacke.

Darüberhinaus wurde für beide Experimentalgruppen das gleiche Vorstellungs-anschreiben verfasst: Mein Name ist Anna, ich bin 18 Jahre alt und komme aus München. Aktuell bereite ich mich auf meine Abiturprüfung vor, die ich im kommenden Sommer ablegen werde. Nach dem Bestehen möchte ich in einer deutschen Universitätsstadt mein Studium beginnen. Bezüglich eines möglichen Studienfachs bin ich noch unentschlossen und lasse mich aktuell von unterschiedlichen Studienangeboten inspirieren.

Der Text musste lediglich im weiteren Sinne auf das abgebildete Model zugeschnitten werden. Einzig das Alter musste in diesem Fall übereinstimmen, um einen realistischen Bezug zwischen Model und Vorstellungsschreiben herzustellen. Name, Bildungsgrad und Zukunftspläne wurden konstruiert und auf eine durchaus ambitionierte, dennoch möglichst durchschnittliche, junge Frau abgestimmt. Da dieses Anschreiben jedoch für beide Gruppen und somit für alle Probanden im gleichen Maße sichtbar war, verhält es sich hierbei wie mit dem Aussehen des Models. Es ist dennoch unstrittig, dass das Aussehen, das Geschlecht und das Vorstellungsschreiben einen gewissen Einfluss auf die Aussagen der Probanden hatten. Aus diesem Grund wird, nach der Betrachtung der Ergebnisse, lediglich die Differenz der unterschiedlichen Werte – von Experimentalgruppe zu Experimentalgruppe – interpretiert.

3.3 Versuchsdurchführung

Der Link zum Fragebogen wurde auf dem sozialen Netzwerk Facebook in verschiedene Gruppen geteilt, die sich mit Abschlussarbeiten sowie Umfragen befassen. Außerdem wurde der Link auf dem Portal surveycircle.com hochgeladen. Über den geteilten Link kam die zu befragende Person direkt zum Fragebogen auf soscisurvey.de. Es folgte eine kurze Begrüßung sowie Erläuterung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Die Start- und Begrüßungsseite

Auf der darauffolgenden Seite wurden die Probanden aufgefordert: »Bitte betrachten Sie das folgende Bild und das kurze Vorstellungsschreiben.« Unterhalb dieser Anweisung wurde mittig das Bild der ›modischen‹ beziehungsweise ›unmodischen Person‹ angezeigt. Unter dem entsprechenden Bild wurde das Vorstellungsanschreiben (siehe 2.2 Daten) eingeblendet. Durch einen Klick auf den Weiter-Button wurde der Proband auf die nächste Seite geleitet. Auf dieser Seite folgte die Frage: »Wie schätzen Sie Anna ein?« sowie die Anweisung: »Ordnen Sie Anna die folgenden Charaktereigenschaften auf einer Skala von -2 bis +2 in entsprechendem Maße zu.« Unterhalb der Anweisung befand sich mittig eine Grafik, die das entsprechende Gefälle – vierstufig, von -2, -1, +1 zu +2 – veranschaulichen sollte.

Es folgten die 52 Attribute, aufgeteilt in 26 Grundeigenschaften und Spalten. Mit Hilfe einer vierstufigen Skala wurden die Attribute von -2 bis +2 gemessen. Beginnend musste der Proband einen Skalenpunkt zwischen ›arrogant‹ und ›bescheiden‹ wählen. Anschließend zwischen ›dumm‹ und ›klug‹. Es folgten die Zuschreibungen ›oberflächlich‹ und ›tiefgründig‹. Nachfolgend wurde nach den Eigenschaften ›nachlässig‹ und ›zuverlässig‹ gefragt, gefolgt von ›verlogen‹ und ›ehrlich‹. Der Skalenpunkt zwischen den Attributen ›selbstzweifelnd‹ und ›selbstsicher‹ wurde anschließend erwählt. ›Unfair‹ und ›fair‹ wurden getestet, ebenso wie ›egoistisch‹ und ›altruistisch‹. Zwischen ›unsicher‹ und ›entschlossen‹ mussten die befragten Personen anschließend entscheiden. Darauf folgend wurde zwischen ›labil‹ und ›robust‹ gewählt. Die Skala von ›unempfindlich‹ bis ›sensibel‹ folgte. Ebenso wie die von ›faul‹ bis ›fleißig‹. Ob die Probanden Anna in gewissem Maße als ›untreu‹ oder ›loyal‹ empfanden, wurde nachfolgend erhoben. Genauso wie im Anschluss die Attribute ›ideenlos‹ oder ›kreativ‹. ›Gekünstelt‹ und ›authentisch‹ waren weitere Eigenschaften, die geprüft wurden. Anschließend wurde nach den Attributen ›zurückhaltend‹ und ›temperamentvoll‹ gefragt sowie nach ›leidenschaftslos‹ und ›leidenschaftlich‹. Die Skalierung von ›traurig‹ bis ›fröhlich‹ folgte. Ob Anna von den befragten Personen eher als ›altmodisch‹ oder ›modern‹ angesehen wurde – sowie ›erfolglos‹ oder ›erfolgreich‹ – erfragten die nächsten Skalen. Die Attribute ›geschmacklos‹ und ›elegant‹ bildeten das nächste, konträre Paar. Der Skalenpunkt zwischen den Eigenschaften ›gebunden‹ und ›frei‹ wurde anschließend ermittelt, außerdem der von ›ängstlich‹ bis ›mutig‹. Die letzten beiden gegensätzlichen Eigenschaften stellten die Ausprägungen ›ungerecht‹ und ›gerecht‹ dar.

Nachdem die 26 Skalen ausgefüllt wurden, erhob die Auswahlfrage nach dem Geschlecht und die freie Texteingabe bezüglich des Alters, die demographischen Angaben der Probanden.

Abschließend folgte eine Verabschiedung und der Hinweis, dass die gegebenen Antworten gespeichert worden sind und das Browser-Fenster nun geschlossen werden könne. Es wurde für die Teilnahme gedankt sowie eine E-Mail-Adresse angegeben, an die sich die Probanden bei Fragen und Anmerkungen wenden konnten.

4. Ergebnisse

Nachdem das Forschungsprojekt, theoretische Bezüge und terminologische Klärungen und der verwendete Fragebogen vorgestellt wurden, wird nun auf die dabei erhobenen Ergebnisse eingegangen. Um aussagekräftige Ergebnisse zu gewähren und diese in einen Kontext setzen zu können, wird der Mittelwert angegeben. Die Wertung der 52 Extrempunkte jeweiliger 26 Grundeigenschaften steht in Klammern. Die negative Ausprägung hat die Wertung (1), die positive die Gewichtung (4). Die auf einer vierstufigen Skala obligatorischen Zwischenschritte haben die Wertung (2) in negativer, (3) in positiver Richtung. Diese werden jedoch im Folgenden nicht einzeln aufgeführt.

Für die Probanden, welche die modische gekleidete Person zu sehen bekamen (im Folgenden auch › Experimentalgruppe modisch ‹ genannt), ergibt sich bezüglich der Attribute (1) ›arrogant‹ – (4) ›bescheiden‹ ein Mittelwert von 2,29 (Standardabweichung = 0,65). Dagegen ergab sich für die befragten Personen, welche wiederum die unmodisch gekleidete Person (im Folgenden auch › Experimentalgrupp e unmodisch ‹) begutachteten, ein Mittelwert von 2,68 (Standardabweichung = 0,68). Die Experimentalgruppe modisch bewertete Anna im Mittel eher als (4) ›klug‹, denn als (1) ›dumm‹ (MW = 2,92; SD = 0,47). Für die Experimentalgruppe unmodisch ergeben sich mit einem Mittelwert von 2,95 (SD = 0,57) ähnliche Ergebnisse. Anna wurde von der Experimentalgruppe modisch eher als (1) ›oberflächlich‹ und weniger als (4) ›tiefgründig‹ gesehen (MW = 2,38; SD = 0,67). Die Experimentalgruppe unmodisch bewertete sie dagegen mit einem Mittelwert von 2,7 (SD = 0,63) konträr. Bezüglich der Attribute (1) ›introvertiert‹ – (4) ›extrovertiert‹ sieht die Experimentalgruppe modisch die zu bewertende Person als eher extrovertiert (MW = 2,98; SD = 0,77), während die Experimentalgruppe unmodisch diese eher als introvertiert charakterisiert (MW = 2,23; SD = 0,85). Für die modisch gekleidete Person ergibt sich bezüglich der Eigenschaften (1) ›nachlässig‹ – (4) ›zuverlässig‹ ein Mittelwert von 2,45 (SD = 0,68). Die unmodisch gekleidete Person wird nahezu identisch charakterisiert (MW = 2,44; SD = 0,73). Während die Experimentalgruppe modisch Anna mit einem Mittelwert von 2,77 bereits eher als (4) ›ehrlich‹, denn als (1) ›verlogen‹ sieht, trifft dies auf die Experimentalgruppe unmodisch in noch größerem Maße zu (MW = 2,95; SD = 0,67). Bezüglich der Attribute (1) ›selbstzweifelnd‹ – (4) ›selbstsicher‹ wird die zu bewertende Person von der Experimentalgruppe modisch eher positiv bewertet (MW = 2,92; SD = 0,79). Demgegenüber charakterisiert die Experimentalgruppe unmodisch Anna mit einem ausgeglichenen Mittelwert von 2,53 (SD = 0,92) als weder noch. Die Probanden, welche die modisch gekleidete Person bewerten sollten, wählten im Mittel zwischen den Eigenschaften (1) ›unfair‹ – (4) ›fair‹ eher das positive Attribut (MW = 2,88; SD = 0,62). Für die unmodisch gekleidete Person ergibt sich ein marginal positiverer Mittelwert von 2,93 (SD = 0,54). Die Experimentalgruppe modisch charakterisiert Anna als eher (1) ›egoistisch‹, denn (4) ›altruistisch‹ (MW = 2,30; SD = 0,58). Etwas positiver und somit ausgeglichen wird sie dagegen von der Experimentalgruppe unmodisch bewertet (MW = 2,49; SD = 0,71). Mit einem Mittelwert von 2,62 (SD = 0,87) wird die bewertete Person von der Experimentalgruppe modisch eher als (4) ›entschlossen‹ und weniger als (1) ›unsicher‹ gesehen. Die Experimentalgruppe unmodisch bewertet sie dagegen eher als unsicher (MW = 2,37; SD = 0,99). Eher positiv wird Anna dagegen bezüglich der Eigenschaften (1) ›labil‹ – (4) ›robust‹ von den Probanden bewertet, die sie modisch gekleidet begutachteten (MW = 2,76; SD = 0,75). In ähnlichem Maße, wenn auch etwas negativer, wird sie von der Experimentalgruppe unmodisch charakterisiert (MW = 2,69; SD = 0,84). Die Experimentalgruppe modisch bewertet die modisch gekleidete Person mit einem Mittelwert von 2,76 (SD = 0,79) als eher (4) ›sensibel‹, denn (1) ›unempfindlich‹. Dagegen wird die unmodisch gekleidete Person als eher unempfindlich bewertet (MW = 2,45; SD = 0,81). Bezüglich der Attribute (1) ›faul‹ – (4) ›fleißig‹ wird die modisch gekleidete Person eher als fleißig charakterisiert (MW = 2,65; SD = 0,62). Für die unmodisch gekleidete, trifft diese Aussage noch in größerem Maße zu (MW = 2,77; SD = 0,69).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Dargestellt sind die Mittelwerte der Attribute ›arrogant‹ – ›bescheiden‹ bis ›faul‹ – ›fleißig‹. Die Mittelwerte der Experimentalgruppe modisch sind links die der Experimentalgruppe unmodisch jeweils rechts dargestellt.

Die Experimentalgruppe modisch sieht die zu bewertende Person mit einem Mittelwert von 2,76 (SD = 0,56) eher als (4) ›loyal‹, denn als (1) ›untreu‹ an. Bei der Experimentalgruppe unmodisch verstärkt sich dieser Effekt (MW = 2,94; SD = 0,49). Während die modisch gekleidete Person – es ergibt sich ein Mittelwert von 2,77 (SD = 0,72) – eher als (4) ›kreativ‹ charakterisiert wird, bewerten die Probanden die unmodisch gekleidete mit einem Mittelwert von 2,42 (SD = 0,76), eher als (1) ›ideenlos‹. Die Experimentalgruppe modisch bewertet Anna als (4) ›spontan‹ und als nicht (1) ›unflexibel‹ (MW = 3,32; SD = 0,64). Für die Experimentalgruppe unmodisch ergibt sich ein ähnliches, wenn auch etwas negativeres Ergebnis (MW = 2,83; SD = 0,78). Anna wird modisch gekleidet als eher (4) ›authentisch‹ gesehen und weniger als (1) ›gekünstelt‹ (MW = 2,74; SD = 0,79). Für die unmodisch gekleidete Person ergibt sich mit einem Mittelwert von 3 (SD = 0,63) ein etwas deutlicheres Ergebnis. Bezüglich der Eigenschaften (1) ›zurückhaltend‹ – (4) ›temperamentvoll‹, charakterisierten die Probanden, welche die modisch gekleidete Person sahen, diese als eher temperamentvoll (MW = 2,82; SD = 0,76). Als eher zurückhaltend, mit einem Mittelwert von 2,21 (SD = 0,87), wurde dagegen die unmodisch gekleidete Person bewertet. Für die Experimentalgruppe modisch konstruierte sich ein Mittelwert von 2,68 (SD = 0,77) bezüglich der Attribute (1) ›leidenschaftslos‹ – (4) ›leidenschaftlich‹. Die modisch gekleidete Person wurde somit als eher leidenschaftlich gewertet. Im Gegensatz zu der unmodisch gekleideten, die mit einem Mittelwert von 2,27 (SD = 0,71) als eher leidenschaftslos bewertet wurde. Betrachtet man die Charakteristika (1) ›traurig‹ – (4) ›fröhlich‹, wird Anna von der Experimentalgruppe modisch eher als traurig gesehen (MW = 2,42; SD = 0,77). Auch die Experimentalgruppe unmodisch wertet sie als traurig, dies allerdings mit einem Mittelwert von 2,17 (SD = 0,57) und somit im besonderen Maße. Die modisch gekleidete Person wird von den Probanden als (4) ›modern‹ charakterisiert (MW = 3,39; SD = 0,63). Gegenteilig verhält es sich mir der unmodisch gekleideten: diese wird, mit einem Mittelwert von 2,3 (SD = 0,72), als eher (1) ›altmodisch‹ bewertet. Die Experimentalgruppe modisch sieht Anna eher als (4) ›erfolgreich‹ an, denn als (1) ›erfolglos‹ (MW = 2,74; SD = 0,64). Dagegen bewertet die Experimentalgruppe unmodisch sie als weder noch, mit der Tendenz zu eher erfolglos (MW = 2,48; SD = 0,66). Als eher (1) ›geschmacklos‹, denn als (4) ›elegant‹ wurde die modisch gekleidete Person charakterisiert (MW = 2,42; SD = 0,66). Mit einem Mittelwert von 2 (SD = 0,56) verstärkt sich dieser Effekt, bei der unmodisch gekleideten Person. Die Experimentalgruppe modisch sieht Anna als (4) ›frei‹ und nicht (1) ›gebunden‹ an (MW = 3,21; SD = 0,69). Mit einem Mittelwert von 3,03 (SD = 0,65) ergibt sich dieser Rückschluss auch für die Experimentalgruppe unmodisch, jedoch im geringerem Maße. Anna wurde in modischem Outfit als eher (4) ›mutig‹, denn (1) ›ängstlich‹ charakterisiert (MW = 2,97; SD = 0,71). Von der Experimentalgruppe unmodisch wurde sie ähnlich bewertet, wenn auch in etwas geringerem Maße (MW = 2,69; SD = 0,78). Abschließenden ergaben sich für die Attribute (1) ›ungerecht‹ – (4) ›gerecht‹ folgende Werte: Die Experimentalgruppe modisch bewertete Anna mit einem Mittelwert von 2,86 (SD = 0,61) als eher gerecht. Mit 2,94 (SD = 0,58) ergibt sich für die Experimentalgruppe unmodisch ein ähnlicher Mittelwert. Anna wird somit unmodisch gekleidet, in besondererem Maße, ebenfalls als eher gerecht charakterisiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Dargestellt sind die Mittelwerte der Attribute ›untreu‹ – ›loyal‹ bis ›ungerecht‹ – ›gerecht‹. Die Mittelwerte der Experimentalgruppe modisch sind links, die der Experimentalgruppe unmodisch rechts dargestellt.

5. Diskussion

Nachdem obig die Ergebnisse aufgelistet wurden, folgt nun – um diese in einen Kontext zu bringen – die Interpretation.

Wie bereits angemerkt, wird die absolute Ausprägung der Attribute lediglich zweitrangig behandelt. Dafür spielen zu viele Variablen, wie Attraktivität, Ausdruck oder Vorstellungsanschreiben des Models eine verzerrende Rolle. Es wird vorrangig auf die jeweilige Differenz der Mittelwerte von den beiden Experimentalgruppen eingegangen.

Größere Differenzen (ab einem Wert von 0,3) ergeben sich bei den Attributen ›arrogant‹ – ›bescheiden‹, ›oberflächlich‹ – ›tiefgründig‹, ›selbstzweifelnd‹ – ›selbstsicher‹, ›unflexibel‹ – ›spontan‹, ›unempfindlich‹ – ›sensibel‹, ›ideenlos‹ – ›kreativ‹, ›geschmacklos‹ – ›elegant‹ sowie bei den Eigenschaften ›leidenschaftslos‹ – ›leidenschaftlich‹. In besonderem Maße (ab einem Wert von 0,6) grenzen sich folgende Charakteristika in der Gewichtung der beiden Experimentalgruppen voneinander ab: ›zurückhaltend‹ – ›temperamentvoll‹, ›introvertiert‹ – ›extrovertiert‹ sowie im extremen Fall ›altmodisch‹ – ›modern‹. Diese zehn Attributpaare können somit als ›Kerndifferenzen‹ für die vorliegende Forschung angesehen werden.

Insgesamt lässt sich beobachten, dass – ausgenommen der Attribute ›arrogant‹ – ›bescheiden‹, ›dumm‹ – ›klug‹, ›oberflächlich‹ – ›tiefgründig‹, ›verlogen‹ – ›ehrlich‹, ›unfair‹ – ›fair‹, ›egoistisch‹ – ›altruistisch‹, ›faul‹ – ›fleißig‹, ›untreu‹ – ›loyal‹, ›gekünstelt‹ – ›authentisch‹ und ›gerecht‹ – ›ungerecht‹ – die modisch gekleidete Person positiver bewertet wurde. Außerdem fällt auf, dass lediglich zwei der zehn Kerndifferenzen zugunsten der unmodisch gekleideten Person ausgelegt werden können. Im Folgenden soll näher auf angesprochene Kerndifferenzen eingegangen werden.

Mit einer Differenz von 0,39 wurde die unmodisch gekleidete Person eher als ›bescheiden‹ charakterisiert, als die modisch gekleidete. Diese wurde wiederum eher als ›arrogant‹ bewertet. Somit lässt sich der Rückschluss ziehen, dass Personen, die modisch gekleidet sind, eine arrogantere Außenwirkung – unmodisch gekleidete demgegenüber eine eher bescheidenere Außenwirkung haben. Die unmodisch gekleidete Person wurde mit einer Differenz von 0,32 im Vergleich zur modisch gekleideten als ›tiefgründig‹ beurteilt. Auf die Zuordnung der Charaktereigenschaft Tiefgründigkeit hat die unmodische Kleidung somit ebenfalls positive Auswirkungen. Betrachtet man die andere Seite, beeinflusst modische Kleidung, Menschen eher als oberflächlich anzusehen. Eine gegensätzliche Entwicklung lässt sich für das Selbstbewusstsein einer Person beobachten. Hierfür ergibt sich eine Differenz von 0,39 zwischen modisch und unmodisch, zugunsten der modisch gekleideten Person. Modische Kleidung ist damit gleichzusetzen mit ausgeprägterem Selbstvertrauen – zumindest im Sinne des Betrachters. Beide Experimentalgruppen erachteten die zu bewertende Person als ›spontan‹. Dieses Ergebnis lässt sich wohl mit dem Vorstellungsschreiben erklären, in dem Anna sich als noch unsicher bezüglich einer Studienwahl präsentiert. Dennoch ergab sich eine Differenz von 0,49 zugunsten der modisch gekleideten Person. Modische Kleidung hat somit einen eindeutig positiven Einfluss auf die Außenwirkung bezüglich Spontanität. Durchaus überraschend wurde die ansonsten doch als oberflächlich bewertete modisch gekleidete Person, mit einer Differenz von 0,3 im Vergleich zur unmodisch gekleideten als sensibler erachtet. Wenig überraschend dagegen konstruiert sich das Ergebnis für die Attribute ›ideenlos‹ – ›kreativ‹. Da Mode im Volksmund durchaus mit Kreativität konnotiert wird, ist die Differenz von 0,35 zugunsten der modisch gekleideten Person schlüssig. Allerdings wurde in diesem Experiment ein modisches Outfit gewählt, das heutzutage als ›Mainstream‹ zu bezeichnen ist und somit – aufgrund der schlichten Nachahmung im Stile ›Copy and Paste‹ – wenig mit einem kreativen Auseinandersetzten bezüglich des eigenen Stils zu tun hat. Dennoch werden die Probanden mit dem modischen Outfit Personen verbunden haben, die in ihrem sozialen Umfeld als kreativ gelten. Als etwas überraschend lassen sich die Ergebnisse für die Eigenschaften ›geschmacklos‹ – ›elegant‹ charakterisieren. Beide Experimentalgruppen sehen die zu bewertende Person als nicht elegant an. Dennoch ergib sich eine Differenz von 0,42 zum Vorteil der modisch gekleideten Person. Eine ähnliche Differenz zwischen den beiden Experimentalgruppen – von 0,41 – konstruiert sich im Bezug auf die Leidenschaft. Es lässt sich schließen, dass modisch gekleidete Personen als durchaus leidenschaftlicher gesehen werden als unmodisch gekleidete. Dies kann mit der Körperlichkeit in Zusammenhang gebracht werden, die, bei Personen, welche sich mit ihrem Outfit und somit ihrem Körper in besonderem Maße auseinander setzen, präsenter ist.

Die Eigenschaften ›zurückhaltend‹ – ›temperamentvoll‹, mit einer Differenz von 0,61 zwischen den beiden Experimentalgruppen sowie ›introvertiert‹ – ›extrovertiert‹, mit einer Differenz von 0,75, zielen in eine ähnliche Richtung wie das bereits analysierte Attribut Selbstvertrauen. Daher ist nicht verwunderlich, dass die Beurteilungen in extremen Maße positiv für die modisch gekleidete Person ausgelegt werden können. Im Rubrum der Kerndifferenzen lässt sich somit ein kleiner Teil von Eigenschaften besonders herausheben: Unmodisch gekleidete Personen werden als zurückhaltend, introvertiert und selbstzweifelnd beurteilt, während modisch gekleidete als temperamentvoll, extrovertiert und selbstsicher charakterisiert werden. Besondere Dynamik erhält diese Beobachtung, wenn sich erneut und deutlich vor Augen gehalten wird, dass keiner der Probanden mehr als ein Foto und ein kurzes Anschreiben von der bewerteten Person zu Gesicht bekommen hat. Allein anhand dieser drei Werte lässt sich festmachen, wie klischeegeladen das Bild von modischen, und insbesondere wie negativ das von unmodisch gekleideten Personen ist. Die größte Differenz ergibt sich für die Attribute ›altmodisch‹ – ›modern‹. 1,03 beträgt die Abweichung zwischen der unmodisch und zugunsten der modisch gekleideten Person. Im Kontext des Outfits der modisch gekleideten Person, das dem angesprochenen Mainstream der heutigen Zeit entspricht und somit als modern angesehen werden kann, ist der Wert auch in dieser Höhe nicht verwunderlich.

Wie bereits beschrieben, hat das Vorstellungsanschreiben einen unvermeidlichen Einfluss auf die Ergebnisse. Umso erstaunlicher ist, dass bezüglich der Eigenschaften ›unsicher‹ – ›entschlossen‹ – man beachte, dass Anna im Anschreiben als unentschlossen beschrieben wurde – die Experimentalgruppe modisch sie dennoch eher als entschlossen charakterisierte. Interessant wäre zu beobachten, wie sich dieser Wert verändern würde, wäre sie als bereits immatrikuliert vorgestellt worden. Im Gegensatz dazu haben beide Experimentalgruppen Anna als eher ›traurig‹ beschrieben – obwohl der Wert der Experimentalgruppe modisch auch hier positiver ausfiel. Dies lässt auf den neutralen Gesichtsausdruck des Models, der auch als traurig charakterisiert werden kann, schließen. Diese Beobachtungen zeigen erneut und eindringlich, dass es nicht möglich ist, die Ergebnisse absolut zu betrachten, sondern lediglich die nichtsdestotrotz aussagekräftige Differenz der beiden Experimentalgruppen.

Abschließend lässt sich feststellen und bestätigen, dass modisch gekleideten Personen, im Vergleich mit unmodisch gekleideten, qualitativ andere Attribute und Eigenschaften zugeschrieben werden. Es manifestiert sich darüberhinaus die Beobachtung, dass modisch gekleidete Personen, insbesondere in den herausgearbeiteten Kerndifferenzen, positiver beurteilt werden, als unmodisch gekleidete.

6. Ausblick

Die Ergebnisse sind vorgestellt, die Hypothese bestätigt. Dennoch fällt nach Betrachten der vorliegenden Arbeit auf, dass, um das Gebilde ›Mode als Kommunikationsmittel‹ in seiner allumfassenden Gänze zu erfassen, der Raum und die Kapazitäten fehlen. Es wurde vorausgehend dargestellt, dass unmodisch und modisch gekleideten Personen Attribute und Eigenschaften in unterschiedlichem Maße zugeordnet werden. Es wurde explizit auf zwei Outfits eingegangen, die nicht selten in ähnlicher Ausführung auf den Straßen Deutschlands zu finden sind. Diese Outfits fallen unter die einleitend angeschnittene Kategorie ›indirekte modische Kommunikation‹, für Träger und insbesondere deren Rezipienten ist auf den ersten Blick die Kommunikationsebene eine sekundäre. Dieser unterbewusste Trigger ist Kernstück der vorliegenden Forschung gewesen, darauf wurde vorrangig Wert gelegt.

Dennoch wäre interessant zu beobachten, wie sich die Zuordnung von Charaktereigenschaften bei Kleidung konstruieren würde, die explizit auf die Kommunikation ausgerichtet ist. Die zu Beginn dieser Arbeit geschilderte Situation käme dafür gelegen: »So gut kann man mit 50 aussehen!« Wird der Träger dieses T-Shirts als besonders selbstbewusst charakterisiert? Als dumm? Als mutig, kreativ und authentisch? Eine Stereotypisierung könnte vermutlich aufgrund der sehr direkten Art der Kommunikation über Mode, in besonderem Maße stattfinden.

Ein weiteres Experiment wäre, im ähnlichen Aufbau wie vorliegend, ein eher modisches Outfit zu wählen und eines mit politischem oder ideologischem Hintergrund. Hierfür käme beispielsweise ein Punker-Outfit in Frage.

Aufgrund des vorherrschenden Markenwahns könnte man einen ähnlichen Versuchsaufbau um das Thema Marken konstruieren. Eine modisch gekleidete Person, mit schlichtem Outfit ohne Markenaufdrucke auf der einen Seite, eine modisch gekleidete Person mit ähnlichem Outfit allerdings übersät mit Markenprints auf der anderen. Wird die markenaffine Person als eher extrovertiert bewertet, denn die Person mit schlichtem modischen Outfit? Wirken sich große Markenaufdrucke auf die entsprechende Person negativ aus und wird sie als oberflächlich deklariert? Oder gehören Marken und das plakative Auftragen dieser mittlerweile zum guten Ton einer Gesellschaft, die sich in sozialen Netzwerken explizit darüber definiert und konstruiert?

Ansätze, die ausgehend der vorliegenden Arbeit als nächste Forschungsetappen angesehen werden können.

Was – trotz intensiven Forschungen, Pretesting und ausreichender Stichprobe –dennoch nicht eindeutig ermittelt werden konnte: Ist der gut aussehende Mann von der Passauer Innpromenade tatsächlich erst 50?

[...]


[1] Die vier weiteren kommunikationspsychologischen Axiome von Watzlawick (1996) lauten:
2. »Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist« (S. 56).
3. »Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt« (S. 61).
4. »Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler (verbaler) und analoger (non-verbaler, nicht-sprachlicher) Modalitäten (Ausdrucksmittel).
Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik (Bedeutungslehre).
Analoge Kommunikationen hingegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikation erforderliche logische Syntax« (S. 68).
5. »Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch (gleichwertig) oder komplementär (ergänzend), je nachdem ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht« (S. 50-70).

[2] Genauer soll folgend der Technikbegriff definiert werden: Unter Technik ist die Gesamtheit derjenigen kreativ und kunstfertig hervorgebrachten Verfahren und Einrichtungen zu verstehen, die in Handlungszusammenhänge als Mittler eingebaut werden, um Tätigkeiten in ihrer Wirksamkeit zu steigern, um Wahrnehmungen in ihrem Spektrum zu erweitern und um Abläufe in ihrer Verläßlichkeit zu sichern. [...] Technik umfaßt sowohl das Inventar an gegenständlichen Instrumenten und Installationen als auch das Repertoire an Kunstfertigkeiten und Kenntnissen, im Umgang mit der Umwelt intendierte Zustände zu erzielen und unerwünschte zu vermeiden. (Rammert, 2000, 42)

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Mode als Medium der Beeinflussung von Persönlichkeitsbeurteilungen. Eine exemplarische Feldstudie
Hochschule
Universität Passau
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
38
Katalognummer
V377033
ISBN (eBook)
9783668558335
ISBN (Buch)
9783668558342
Dateigröße
1231 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mode, medium, beeinflussung, persönlichkeitsbeurteilungen, eine, feldstudie
Arbeit zitieren
Nils Neubauer (Autor:in), 2017, Mode als Medium der Beeinflussung von Persönlichkeitsbeurteilungen. Eine exemplarische Feldstudie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377033

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