Religiöse Polemik am Beispiel Maimonides


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

20 Pages, Note: 1,7 (gut)


Extrait


Inhalt

Einleitung

1. Rabbi Moshe ben Maimon – Leben und Werk

2. Religiöse Polemik – Das Beispiel „Iggeret Teiman“
2a) Zum Begriff der religiösen Polemik
2b) Religiöse Polemik im „Iggeret Teiman“ – Entstehungsgeschichte
2c) Der Aufbau des „Iggeret Teiman“ – Widerlegung der polemischen Argumente und negative Bestimmung des Judentums
2d) Positive Bestimmung des Judentums – Überlegenheit durch innere Kohärenz
2e) Selbstvergewisserung durch Kritik – Die Notwendigkeit der Untersuchung der sozialen Dimension religiöser Polemik

3. Die soziale Funktion der religiösen Polemik
3a) Die Stellung der religiösen Polemik innerhalb mittelalterlicher machtpolitischer Konstellationen
3b) Der „Iggeret Teiman“ als Beispiel für religiöse Inklusion durch Exklusion

4. Abschließende Überlegungen

Literaturverzeichnis

Religiöse Polemik am Beispiel Maimonides

Einleitung

Diese Arbeit verfolgt mehrere Zielsetzungen. Erstens soll das am deutlichsten in polemischer Absicht verfasste Werk Maimonides´, der „Iggeret Teiman“, vorgestellt und die Rahmenbedingungen seiner Entstehung beleuchtet werden. Im folgenden soll dann der Begriff der religiösen Polemik generell bestimmt werden und die polemischen Aspekte des „Iggeret Teiman“ hinsichtlich dieses Begriffs eingeordnet werden. Dabei werden sich zwei Dimensionen des religiös-polemischen Schrifttums zeigen, die beide aufeinander bezogen sind und dennoch ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen: zum einen die inhaltliche, in der es um die Abwägung, Aufstellung und Widerlegung von Argumenten und Glaubenssätzen der jeweiligen Verfasser geht; zum anderen die soziale Dimension, die aufgrund des erstaunlichen Missverhältnisses zwischen der Anzahl und Intensität polemischer Schriften und deren fast gänzlich fehlender Außenwirkung (etwa in bezug auf Konversionsbestrebungen) in den Mittelpunkt des Interesses dieser Arbeit rückt. In diesem Zuge wird die These zu erläutern und zu begründen sein, daß die religiöse Polemik des Mittelalters, u.a. aufgrund der asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen den Religionen in der christlichen und islamischen Welt, vielmehr eine innerkonfessionelle denn eine interkonfessionelle Rolle spielte, Kritik der jeweils fremden religiösen Auffassungen also vorwiegend der Bestätigung der eigenen Legitimation auf diesem Feld als dem Versuch, die ´Ungläubigen` von einer Konversion zu überzeugen, diente und auch der „Iggeret Teiman“ von dieser Regel keine Ausnahme darstellte.

Diese Arbeit ist im einzelnen folgendermaßen aufgebaut: nach einer kurzen Übersicht über Maimonides´ Leben und Werk soll zunächst der „Iggeret Teiman“ vorgestellt werden. An diesem Beispiel werden die wesentlichen, gegen die jüdische Religion gerichteten Argumente der islamischen Gelehrten und im Anschluß daran Maimonides´ Replik auf diese dargestellt. Im nächsten Abschnitt wird die eigentümliche soziale Funktion thematisiert, die religiöse Polemik, entgegen der ihr für gewöhnlich unterstellten, vor allem für ihre Verfasser selbst übernahm. Unter dieser Perspektive schließen sich grundsätzliche Überlegungen zur Ursache des asymmetrischen Verhältnis des (semantischen) Gehalts von religiöser Kritik und deren (pragmatischen) Resultaten an. Abschließend soll ein Ausblick auf mögliche Bedingungen des Gelingens von religiöser Polemik gegeben werden.

1. Rabbi Moshe ben Maimon – Leben und Werk

Maimonides (eigentlich: Rabbi Moshe ben Maimon, auch ´Rambam` genannt) gilt als größter jüdischer Philosoph des Mittelalters. Er wurde am 30. März 1138 in Córdoba als Sohn eines in der Gemeinde sehr angesehenen Vaters geboren, der seinen Sohn schon früh in den durch die islamischen Besatzer Spaniens verbreiteten Disziplinen der islamischen Philosophie und Theologie unterrichtete. Der Einmarsch der Almohaden 1148 in Córdoba markierte jedoch das Ende der relativen religiösen und geistigen Freiheit, der sich die Angehörigen der „Buchreligionen“ unter dem Regime der bis dahin gemäßigten Besatzer erfreuten. Maimonides´ Familie geriet unter Druck: sie wurde vor die Wahl gestellt, entweder zu konvertieren oder die Stadt zu verlassen. Daraufhin floh sie aus Córdoba und zog mehrere Jahre über die iberische Halbinsel.

In dieser für philosophische bzw. theologische Beschäftigung wohl eigentlich eher ungeeigneten Zeit verfasste und veröffentlichte Maimonides bereits seine ersten Werke: 1158/59 entstand eine Einführung in die Grundlagen der Kalenderberechnung und 1159 eine Einführung in die Logik des Aristoteles, dessen Philosophie das Denken des gesamten Mittelalters entscheidend prägte und vor allem im arabisch-islamischen Raum eine bedeutende Rezeptionsgeschichte aufweist.

1159 siedelte sich die Familie in Féz im heutigen Marokko an. Möglicherweise kam es dort zu einer Scheinkonversion des Vaters, allerdings liegen hierüber keine gesicherten Erkenntnisse vor. Ein Ende der religiösen Verfolgung scheint jedoch trotz allem auch in Féz nicht stattgefunden zu haben. 1165, Maimondes ist 27 Jahre alt, bricht die Familie zu einer Seereise zu den heiligen Stätten nach Eretz Israel auf. Eine offenbar dort geplante Ansiedlung scheitert allerdings aufgrund der ökonomischen Zustände in Israel; die Familie sieht dort für sich kein Auskommen. Daher zieht sie über Alexandrien nach Fustad weiter und lässt sich dort endgültig nieder. Unklar ist, warum sich die Familie gerade für Kairo entschieden hat; möglicherweise wählte man die Stadt wegen der Nähe der dortigen Sammlung der Schriften des Aristoteles, die in der Bibliothek von Alexandria untergebracht waren und deren Verfügbarkeit für Maimonides´ Fortsetzung seines Studiums unerlässlich war. Zudem war diese Bibliothek das intellektuelle Zentrum der Zeit schlechthin.

Maimonides´ Vater stirbt bald nach der Ansiedlung in Ägypten. Sein Bruder übernimmt daher die finanzielle Versorgung der Familie, kommt aber bald während einer Handelsreise nach Indien ums Leben. Maimonides erleidet einen finanziellen und auch gesundheitlichen Abstieg, was ihn aber keineswegs daran gehindert zu haben scheint, sich neben seiner theologisch-philosophischen auch noch einer medizinischen Ausbildung zu unterziehen und sogar zum Hofarzt des Wesirs berufen zu werden. Ab 1177 übernimmt Maimonides sogar zeitweise die Rolle des offiziellen Repräsentanten des ägyptischen Judentums und macht sich rasch einen Namen als Gelehrter und Berater in halachischen Fragen. Eines seiner bekanntesten und wichtigsten Werke, auf das später noch genauer eingegangen wird, der „Igerret Teiman“, ein Trostbrief an die jemenitische Gemeinde, legt davon Zeugnis ab.

Diese Popularität begründete vor allem die Übersetzung seiner Werke vom Arabischen ins Hebräische. Die Jahre in Ägypten waren für Maimonides die intellektuell produktivsten und auch arbeitsamsten: bereits 1168, nicht lange nach der Ansiedlung in Fustad, erscheint der „Kommentar zur Mischnah“, 1180 die „Mischne Tora“ und 1190 sein von Samuel ibn Tibbon übersetztes Hauptwerk „Moré Nebukhim“, der „Führer der Unschlüssigen“, der Maimonides´ Ruf als Philosoph im eigentlichen Sinne begründete. 1172 entstand der „Igerret Teiman“ und im selben Jahr die Schrift „Ma´amar Tehiyyat ha´metim“ („Über die Auferstehung“). Somit wurde Maimonides eine in der gesamten Diaspora allseits geschätzte und verehrte Autorität in religiösen Fragen, was durch den regen Responsenverkehr zwischen Fustad und Gemeinden in der ganzen damals bekannten Welt, vor allem im Jemen und in Südfrankreich, belegt ist. Daneben befasste sich Maimonides in seiner Funktion als Repräsentant der Gemeinden sowohl nach außen, gegenüber den ägyptischen Behörden, als auch nach innen auch noch mit Fragen der Gemeindeorganisation und liturgischen Fragen.

Maimonides war somit ein vielbeschäftigter Mann: neben seiner Tätigkeit als Hofarzt war er Philosoph, Theologe, Rabbiner, Responsenschreiber und Gemeindevorsteher. Der „Moré Nebukhim“ beschloss allerdings 1190 seine literarische Tätigkeit mit Ausnahme der Responsenliteratur. Als Maimonides 1204 in Fustad starb, war die Trauer in der gesamten Diaspora groß. Sein Leichnam wurde nach Tiberias überführt und dort beerdigt.

Interessanterweise begannen Kontroversen um die Bewertung des maimonidischen Werkes erst nach dessen Tod, dafür gestalteten sich diese aber um so heftiger: Maimonides´ Schriften spalteten die jüdischen Gelehrten lange Zeit in zwei Lager, deren Abgrenzung voneinander generell an der unterschiedlichen Gewichtung von Vernunfterkenntnissen im Verhältnis zu denen esoterischer Glaubenserfahrung festgemacht werden kann. Die Rezeptionsgeschichte des Werks weist somit alle denkbaren Schattierungen und Abstufungen, von radikaler rationalistischer Verehrung bis zur Preisgabe der Schriften an die Inquisition durch die kabbalistisch orientierten Mystiker in Frankreich, auf.[1] Somit blieb das Werk für das gesamte Mittelalter, in Affirmation wie scharfer Zurückweisung, eine Konstante jüdischen Denkens und Glaubens.[2]

2. Religiöse Polemik – Das Beispiel „Iggeret Teiman“

2a) Zum Begriff der religiösen Polemik

Maimonides´ Schriften betrafen nicht nur gewissermaßen innerjüdische philosophische und theologische Themen[3] ; durch die Konfrontation mit dem Christentum und besonders mit dem Islam ergab sich für die jüdischen Gelehrten der Zeit die Notwendigkeit, den eigenen Glauben gegen verschiedenartige Argumente sowohl der „ursprünglichen“ Moslems als auch der jüdischen Konvertiten zu verteidigen. Lazarus-Yafeh unterscheidet vier verschiedene, sich teilweise widersprechende und ergänzende Vorwürfe und Behauptungen, denen sich das Juden- und in gewissen Maße auch das Christentum des Mittelalters im islamischen Einflussbereich ausgesetzt sah: dem Vorwurf der Fälschung der heiligen Schriften, der Behauptung der Aufhebung (Abrogation) des mosaischen Gesetzes durch die Vorschriften des Koran, der ungewissen Überlieferungsgeschichte der Schriften und der aus islamischer Bibelexegese gewonnen Überzeugung, die heiligen Schriften hätten den Propheten Mohammad und den Aufstieg des religiösen und politischen Islam angekündigt.[4] Besonders die letzte, immer wieder von islamischer Seite aufgestellte Behauptung, in der Tora, die zwar durchaus als göttliche Offenbarung angesehen wurde, deren Authentizität allerdings durch den Vorwurf der Fälschung bzw. ungesicherten Überlieferung durch die Juden in Frage gestellt wurde[5], sei ein Prophet angekündigt, der den Namen Mohammad tragen würde, erforderte Antworten von jüdischer Seite.

[...]


[1] Ben-Sasson, Geschichte des jüdischen Volkes, Seite 666

[2] Die biographischen Informationen und Daten sind der von Johann Maier verfassten Einleitung zur von Adolf Weiss übersetzten Ausgabe des „Führers der Unschlüssigen“ entnommen. (Maimonides: Führer der Unschlüssigen. Einleitung, XI-XVII)

[3] Diese Behauptung werde ich später relativieren, indem ich aufzuzeigen versuche, daß Polemik gegen andere Glaubensrichtungen immer auch, wenn nicht gar hauptsächlich Selbstvergewisserung über den eigenen Standpunkt war.

[4] Lazarus-Yafeh, Intertwined Worlds, Seite 19ff.

[5] Hieran wird deutlich, wie gut sich die Argumente teilweise ergänzten.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Religiöse Polemik am Beispiel Maimonides
Université
University of Cologne  (Martin-Buber-Institut für Judaistik)
Cours
Jüdische und islamische Polemik im Mittelalter
Note
1,7 (gut)
Auteur
Année
2004
Pages
20
N° de catalogue
V37780
ISBN (ebook)
9783638370363
Taille d'un fichier
566 KB
Langue
allemand
Annotations
In dieser Arbeit werden Inhalt und Funktion interreligiöser Polemik im Mittelalter anhand des Beispiels von Maimonides´ "Iggeret Teiman" dargestellt. Dabei geht es einerseits um den tatsächlichen Gehalt der Polemik - des Beweises, daß die eigene Religion die überlegenere ist -, andererseits wird ein genauer Blick auf die faktische Rezeption und Wirkmächtigkeit solcher Schriften geworfen und gezeigt, daß die soziale Funktion der Polemik wesentlich wichtiger als ihr theologischer Gehalt war.
Mots clés
Religiöse, Polemik, Beispiel, Maimonides, Jüdische, Polemik, Mittelalter
Citation du texte
Frank Lachmann (Auteur), 2004, Religiöse Polemik am Beispiel Maimonides, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37780

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