Leseprobe
Berücksichtigung von Windparks, vor allem von Mini-Clustern, bei der Landschaftswahrnehmung
ein regelkritischer Arbeitsansatz in Hessen
Tilman Kluge, Bad Soden Ts. 15.9.2012 neu 30.1.2013
Die Verteilung von Windkraftanlagen (WKA) summa summarum gleicher Kapazität in eine Landschaft kann zu verschieden intensiver Wahrnehmung der Windkraftanlagen führen. Dies wiederum führt zu verschieden ästhetisch wirksamen Störintensitäten. Bestehende Regelwerke, v. a. die Kompensationsverordnung Hessen, werden dieser Problematik oft bei weitem nicht gerecht.
I Vorbemerkungen:
I.1 Landschaftsaesthetik [la]
Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, daß WKA nicht zwingend die Landschaft beeinträchtigen. Dies festzustellen ist vielmehr die Aufgabe der einzelfallbezogenen Prüfung.
Eine solche Prüfung aber, ob eine WKA ästhetische Beeinträchtigungen oder Aufwertungen bestimmter Sichtfelder eines an verschiedenen Wirkpunkten einer WKA stehenden Betrachters verursacht, kann nur dann erfolgen, wenn die entsprechenden Wirkräume überhaut erfasst und nicht a priori oder von Amtes wegen vernachlässigt werden.
Insoweit verhindert der Hessische Landtag mit der Änderung der KV eine solche im v.g. Sinne umfassende Prüfung, indem er dadurch im Grunde 90% der optischen Wirkungen einer WKA der Beliebigkeit anheimstellt.
Das widerspricht dem verantwortungsvollen Umgang mit dem v.a. neben dem Gut „Naturhaushalt" bundesrechtlich geschützten Gut „Landschaft" und damit geltendem Recht.
II FachlicherAnlass
Die Notwendigkeit dieser Ausführungen ergibt sich daraus, daß zunehmend Absichten privater und kommunalerTräger, aber auch aus der Politik, bekannt werden, Windparks in kleinen Kapazitäten (3 WKA) zu plazieren, die den Effekt eines abnehmenden Zuwachses Aeff der Landschaftsbeeinflussung nicht erfüllen können (vgl. Kap. III).
Die folgenden Ausführungen erfolgen ohne Rücksicht auf spezielle Schutzstatus, die ggf. zu weitergehenden Restriktionen fuhren konnten (z.B. Denkmalschutz, Natura 2000 etc.).
II Rahmenbedingungen
ll.l Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
§13 ff. BNatSchG [6] regelt, daß erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vom Verursacher vorrangig vermieden werden müssen und §15 BNatSchG, daß der Verursacher eines Eingriffs [7] verpflichtet ist, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen.
„Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaftzu erreichen, gegeben sind."
Dieser Grundsatz ist, wie v.a. in Abb.3 und 4 dargestellt, auch aufVorhaben anwendbar, die ihrer Art nach in jedem Fall eine optische Landschaftsbelastung bewirken. Eine Eingriffsvermeidung kann auch dadurch bewirkt werden, daß der gleiche Zweck an einem anderen Ort mit geringerer Eingriffswirkung (Beeinträchtigung) erzielt werden kann. Zur Zumutbarkeit siehe auch Kap. 11.2
Dies alles gilt auch, wenn keine Konzentrationszonen mit Tabu-Wirkung für alle anderen Flächen in einer Rahmenplanung fixiert wurden. Denn die Eingriffsregelung gilt für das einzelne Bauvorhaben, nicht nur für entsprechende planerische Ansätze.
II.2 Baurecht (BauGB)
Nach Maßgabe von § 35 Abs.l Nr.5 BauGB [1] (Bauen im Aussenbereich) ist ein Vorhaben im Aussenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windoder Wasserenergie dient. Dies findet seine Grenzen insbesondere auch in §35 Abs.5 BauGB, daß auch für solche Vorhaben eine flächensparende und aussenbereichsschonende Bauweise vorschreibt. DieserVorschrift ist nachzukommen, solange hierdurch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen der nach Abs.l privilegierten Zweckverfolgung eintreten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.l Windverschattung in einem Windpark (Foto EWEA [2])
Der sog. Parkverlust durch gegenseitige Windverschattung ist zumutbar, zumal größere Windparks mit Verlusten bis zu 9% in der Praxis betrieben werden, ohne daß die Investoren dazu bisher nach Maßgabe öffentlich rechtlicher Bestimmungen gezwungen worden wären.
II.3 Energiegipfel Hessen
Beim Energiegipfel in Hessen haben sich die Beteiligten einvernehmlich in Sachen Windenergie für eine möglichst effiziente Flächennutzung zur Minimierung des Flächenbedarfs und eine „wünschenswerte Konzentration" von Anlagen zu Windparks ausgesprochen [8]. Dies ist zwar „nur" eine politische Willenserklärung, dieje- doch im Hessischen Energiezukunftsgesetz immerhin einen (wenn auch nur teilweisen) Widerhall findet.
II.4 Energiezukunftsgesetz
Der Hessische Landtag hat mit einem Energiezukunftsgesetz [9] geregelt, daß die Regionalplanung Vorrangflachen mit Ausschlusswirkung festlegt. Diese Ausschlusswirkung war bisher oft durchbrochen worden, indem zusätzliche WKA nach Maßgabe einer regionalplanerischen Kom- patibilitatsprüfung zugelassen werden konnten. Der Regel des abnehmenden Zuwachses (Kap. III. l) wird formal entsprochen, indem räumliche Zusammenhänge eine Reduktion der Ersatzzahlung [10] bewirken.[ll]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.l Abstand 10-facher Rotordurchmesser (vgl. auch Abb.4)
"Werden mehrere ähnliche Masten in einem räumlichen Zusammenhang errichtet, ist der Einzelwertje Einzelmast zu reduzieren. Ein räumlicher Zusammenhang besteht, wenn Windenergieanlagen nicht weiter als das Zehnfache des Rotordurchmessers () voneinander entfernt stehen."
Der Faktor 10 ist allerdings weit übertrieben und lässt im Grunde „Verspargelung" zu. So wird der Tenor des Energiegipfels konterkariert. Bei einer E-101 [16] betrüge der immer noch ausreichend „nahe" Abstand >1,0 km (Schema vgl. Abb.2). Aerodynamisch ist ein Abstand von 5 Rotordurchmessern in Nebenwindrichtung und 7m in Hauptwindrichtung vollaufausreichend [11a].
"Der Einzelwert je Einzelmast ist auf 75 Prozent zu reduzieren, wenn drei bis sieben Masten in einem räumlichen Zusammenhang stehen und auf 50 Prozent zu reduzieren, wenn acht und mehr Masten in einem räumlichen Zusammenhang stehen."
Zweifellos sind 8 Masten eine taugliche Schwelle (vgl. Abb.5), aber die 50% sind dennoch übertrieben hoch (ein bessererAnhaltspunkt wäre Grafik la sowie Abb. la zu entnehmen).
III Effekte
lll.l Abnehmender Zuwachs der Landschaftsbeeinflussung in einem Windpark je zusätzlicher WKA
Die initiale Landschaftsbeeinflussung durch WKA erfolgt durch die erste WKA an einem Standort.
Sie realisiert in der Regel den höchsten Wert im Verhältnis zwischen Landschaftsbeeinflussung und Energieertrag.Je mehr WKA hinzugesellt werden, umso geringer wird dieses Verhältnis pro zusätzlicherWKA (Grafik la). Siehe hierzu auch Abb.la, die auch zum „Selbsttest" insoweit verwendet werden kann, als man versuchen muss, zu erkennen, welche WKAjeweils den Zuwachs gegenüber dem vorhergehenden Bild darstellt.