Sind digitale Spielräume eine Gefahr, die zu Realitätsverlust führen kann? In dieser Hausarbeit wird dieses Problem untersucht, indem zunächst versucht wird, sich dem besonderen Charakter des Spiels zu nähern und schließlich das herkömmliche, analoge Spiel mit dem digitalen zu vergleichen. Die philosophischen Definitionen des Spiels von Huizinga und Flusses sind dafür die Basis.
Inhalt
Einführung
Das Spiel - Einige Ansätze
Warum spielt der Mensch?
Das Online Game
Konklusion
Literaturverzeichnis
Einführung
Menschen haben schon immer gespielt. Von dem bewussten Brettspiel mit festgelegten Regeln, bis zu dem unbewussten Spielen zum Beispiel mit einem Strohhalm oder Sand, ist es etwas, das den Menschen immer begleitet hat. Doch nicht nur der Mensch spielt, auch Tiere spielen und man spricht sogar von dem Spiel der Wellen oder der Blätter, dem Spiel des Windes. Das Spiel ist also etwas so Universelles, so dass es schwer ist sein Wesen auf treffende Weise zu beschreiben.
Der Duden bietet mit seiner Definition einen ersten Überblick. Das Spiel wird als eine „Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird“[1] bezeichnet. Die Vielfältigkeit des Spiels hat sich in den letzten Jahren jedoch noch erweitert, da es eine neue Form angenommen hat. Durch die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft verändern sich auch die Spielplätze. Eine Spielsammlung wird nicht mehr im Regal, sondern als App auf dem Computer, dem Smartphone oder dem iPad aufbewahrt. Das ist natürlich sehr praktisch, da man alle Spiele jederzeit auf einem digitalen Gerät abrufen kann. Dieses Phänomen führt zu einer zunehmenden Ludifzierung des Alltags, denn sei es auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule kann man schnell noch mal eine Runde Solitär spielen und auf Facebook den persönlichen Highscore mit dem eines Freundes vergleichen. Nun stellt sich die Frage, ob man nicht Gefahr läuft, wenn man ständig mit digitalen Spielräumen konfrontiert ist, weniger aufmerksam seiner Umwelt gegenüber zu sein. Je mehr Zeit man mit digitalen Gegenständen verbring, desto weniger aufmerksam ist man in der realen Welt. An dieser Stelle möchte ich auf ein paar Bilder einer Fotostrecke von Erick Pickersgill verweisen, die Menschen im Alltag ohne ihre Smartphones darstellt.[2] Es stellt sich daher die Frage, ob diese neue Errungenschaft ein Vorteil ist. Wenn man ständig in die Internet und Computerwelt abtaucht, nimmt man die Realität nicht mehr wahr und riskiert sie gänzlich aus den Augen zu verlieren.
In dieser Hausarbeit werde ich dieses Problem untersuchen, indem ich zunächst versuche mich dem besonderen Charakter des Spiels zu nähern und schließlich das herkömmliche, analoge Spiel mit dem Digitalen vergleichen. In diesem zweiten Schritt werde ich gleichzeitig herausfinden, ob der genannte Einwand gegen das Spiel berechtigt ist.
Das Spiel - Einige Ansätze
Wie ich in der Einleitung bereits angedeutet habe, handelt es sich bei dem Spielbegriff um einen universalen, allumfassenden Begriff, der jedoch in seiner Eigenart so besonders ist, dass es sehr schwer ist ihn zu fassen. Ich versuche nun mich ihm zu nähern, indem ich die bereits von anderen Philosophen beschriebenen Eigenschaften des Spiels untersuchen werde:
Huizinga formulierte die charakteristischen Merkmale des Spiels (vgl. Huizinga, Homo Ludens, S. 15). Das Spiel wird aus purer Lust betrieben und führt darum zur Freiheit. Das Spiel hat nichts mit dem Alltag oder dem realen Leben zu tun, dessen ist sich der Spieler auch bewusst. Trotzdem ermöglicht es dem Spieler, sich während des Spiels in einer Sphäre, einer Parallelwelt, zu bewegen. Das Spiel ist in Raum und Zeit begrenzt. Es ist aus, wenn seine rhythmische Bewegung innehält, da es einen Sieger und einen Verlierer gibt. Trotzdem bleibt das Spiel nach Beendigung dem Spieler als intellektuelles Gut in Gedanken, kann jederzeit wiederholt und weiter fortgeführt werden. Das Einhalten der Regeln ist essentiell, denn ohne sie ist das Spiel nicht möglich. Durch festgelegte Regeln, einen geregelten und meist hervorsehbaren Ablauf kontrastiert das Spiel in seiner Einheitlichkeit und Ordnung mit der oft unvorhersehbaren Unordnung und Verworrenheit der Realität. Der Spieler befindet sich in einer utopieähnlichen Vollkommenheit. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, die während eines Spiel herrschende Spannung, die den Spieler „in seine(r) Körperkraft, seine(r) Ausdauer, seine(r) Findigkeit, sein(em) Mut, seine(em) Durchhaltevermögen und zugleich auch seine(r) geistigen Kräfte...“ testet. Zudem umgibt den Spieler sein eigenes faszinierendes Geheimnis in einer surrealen Welt. Zusammenfassend definiert Huizinga das Spiel folgendermaßen:
„Der Form nach kann man das Spiel also(...) eine freie Handlung nennen, die als „nicht so gemeint“ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raumes vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben, oder sich als anders von der gewöhnlichen Welt abheben.“[3]
Der ludische Philosoph Villém Flusser geht anders an dieses komplexe Thema heran. Er beginnt seinen Essay mit der Tatsache, dass bei dem Versuch dem Menschen seine ihm vorbehaltene und spezifische Fähigkeit zuzuschreiben, festzustellen ist, dass viele der Eigenschaften, die dem Mensch eigen sind, wenn man ihn mit dem Tier vergleicht, auch von den, vom Menschen geschaffenen Maschinen erfüllt werden. Nur das Spiel betrachtet er als dem Menschen eigen.
„Das Spiel sei jenes aus Elementen bestehende System, worin die Elemente sich regelmäßig verbinden. Die Summe der Elemente sei das Repertoire des Spiels. Die Summe der Regeln sei die Struktur das Spiels. Die Summe der möglichen Verbindungen des Repertoires in der Struktur sei die Kompetenz des Spielers. Und die Summe der vollzogenen Möglichkeiten des Repertoires in der Struktur sei das Universum des Spiels.“[4]
Er unterschiedet drei Arten von Spielen; das Denkspiel, das Schachspiel und das Spiel der Naturwissenschaften. Jedes dieser drei Spiele besitzt sein eigenes Repertoire und seine eigene Struktur und sein eigenes Universum.
Außerdem ist zwischen offenen und geschlossenen Spielen zu unterscheiden. Das geschlossene Spiel hat ein festgelegtes Repertoire, eine festgelegte Struktur und ist irgendwann erschöpft. Das offene Spiel hat ein unerschöpfliches Repertoire und ist veränderbar. Es ist somit unendlich, allerdings in seiner Thematik begrenzt, denn es existiert kein allumfassendes Spiel. Schon diese Unterteilung bildet einen Widerspruch zu Huizinga, nach dessen Definition das Spiel einen festgelegten Raum und eine festgelegte Zeit hat.
Das offene Spiel kann erweitert und verengt werden. Erweitern des Repertoire bedeutet neue Elemente hinzufügen und verengen, Elemente zu verwandeln. (vgl. Flusser, S.3) Spiele überschneiden sich und bieten somit untereinander Vergleichsmöglichkeiten. Aus der Ernsthaftigkeit des Repertoires und der Struktur entwickelt sich ein Glaube an das Spiel, der notwendig ist um zu Spielen. Mit dem Glauben an das Spiel verliert der Spieler Freiheit, da er sich dem System des Spiels unterordnet. Um die Freiheit zu behalten, muss der Spieler sich, während des Spiel, darüber bewusst werden, dass er spielt. Nur mit diesem Bewusstsein kann man das Repertoire oder die Spielregeln ändern. Man nimmt also Abstand vom Ernst des Spiels. Hierdurch unterscheidet sich der Mensch vom Tier. Er nimmt Abstand vom Ernst des Lebens und verändert das Spiel nach seinem freien Willen. Im Gegensatz zu der Perfektion, der von ihm entworfenen Maschinen, verfälscht er es so wie es ihm gefällt.
Es ist festzustellen dass Huizinga und Flusser schlüssige, jedoch sehr unterschiedliche Meinungen darüber vertreten, was das Spiel ist. Für Huizinga ist das Spiel in Zeit und Raum abgeschlossen, Flusser betrachtet das Denkspiel als unendlich und sich ständig erweiternd. Die Freiheit, die Menschen, so wie Tiere durch das Spielen aus purer Lust am Spielen verspüren, wenn sie sich vollkommen hineinfallen lassen, wird bei Flusser erst durch die Emanzipation des Menschen über das Spiel erlangt.
Um den Spielbegriff zu verstehen, werde ich versuchen, mithilfe dieser beiden Definitionen,
[...]
[1] Duden, Konrad:Das Spiel. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/spiel%20 (10.11.2015)
[2] Pickersgill, Erick: Removed. http://www.removed.social/5wt3cqi7hzgeop9mgs3ebr48dhgxac (03.12.2015)
[3] Huisinga, Homo Ludens, S. 22
[4] Villem Flusser, Spiele In Ist das Leben ein Spiel? Aspekte einer Philosophie das Spiels und eines Denkens ohne Fundamente, Florian Rötzer, International Fluset Lectures, Verlag der Buchhandlung Walter König, 2013
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- Freya Gerz (Author), 2016, Sind digitale Spielräume eine Gefahr, die zu Realitätsverlust führen kann?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378322
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