Eine pflegepädagogische Perspektive auf die Curricula im Bereich der Palliative Care


Thèse de Bachelor, 2014

60 Pages, Note: 1,7


Extrait

Inhaltsverzeichnis

Abstract

Einleitung

Methodisches Vorgehen

Ausgangslage

1. Curriculumentwicklung

1.1 Curriculumrevision nach Saul B. Robinsohn

1.2 Curriculumforschung

1.3. Curriculumkonstruktion

1.4 Curriculumtheorien

1.4.1 Allgemeine Theorien zur Curriculumentwicklung vs. Fachdidaktiken

1.4.2 Fachdidaktiken in den Gesundheitsberufen

1.4.3 Entwicklungen in der Fachdidaktik Pflege

1.5 Curriculumimplementation und -evaluation

1.6 Berufs- und Bildungspolitische Einflüsse

1.6.1 Lernfeldkonzept

1.6.2 Modularisierung

1.6.3 Europäischer Qualifikationsrahmen

1.6.4 Weiterbildung an Hochschulen

1.7 Der Bereich der Erwachsenenbildung

2. Der Bereich der Palliative Care und seine Einflüsse

2.1 EAPC (European Association of Palliative Care)

2.2 Charta zur Betreuung Schwerstkranker und Sterbender Menschen

2.3 Aktuelle Qualifikationsmöglichkeiten im Bereich der Palliative Care

3. Synopse

Zusammenfassung & Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis


Abstract

 

In der vorliegenden Arbeit wird die Begründung erbracht, warum eine Überarbeitung der Curricula, im Bereich der Palliative Care, angemessen erscheint. Die Ausgangsfragestellung ist zunächst sehr offen gehalten und fragt danach, was ein Curriculum für diesen Bereich in Zukunft beinhalten sollte.

 

Im Rahmen der Einführung in die allgemeine Curriculumentwicklung wird der Bezug zu den Gesundheitsberufen, in der vorliegenden Arbeit vor allem der Berufsgruppe der Pflege, hergestellt. Anhand der bildungspolitischen Forderungen werden wichtige Aspekte dargestellt, die es bei der Konzeption von Fort- und Weiterbildungen zu berücksichtigen gilt. Hierzu zählen, unter anderem, der europäische Qualifikationsrahmen und das empfohlene Lernfeldkonzept der Kultusministerkonferenz.

 

Im Verlauf der vorliegenden Arbeit, wird der Fokus von der allgemeinen Entwicklung in der Bildung auf die der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Palliative Care gelenkt. In Hinsicht auf die zunehmende Forderung nach einem ganzheitlichen, u.a. multiprofessionellen und interprofessionellen Ansatz, in der gesundheitlichen Versorgung, wird auf die Möglichkeit einer solchen Basis (Gesundheitsfachberufe und Medizin) von Fort- und Weiterbildungen Bezug genommen. Am Ende wird unter Berücksichtigung berufspolitischer Einflussfaktoren der Palliative Care, wie zum Beispiel der „Charta zur Betreuung sterbender und schwerstkranker Menschen“ (2014) und dem „white paper“ der „european association of palliative care“ (EAPC) (2014) eine Synopse der dargestellten Inhalte erfolgen. In dieser werden die Grundlagen für die Arbeit an einer zukünftigen multiprofessionellen Basis für die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Palliative Care kritisch aufgezeigt.

 

Einleitung

 

Die vorliegende Arbeit befasst sich aus pflegepädagogischer Sicht mit dem Bereich der Curriculumentwicklung in der Fort- und Weiterbildung. Hierfür wird vor allem das Berufsfeld der Pflege fokussiert, wobei die Entwicklungen andere Gesundheitsfachberufe und die der Medizin, auf Grund der zunehmend geforderten interdisziplinären und multiprofessionellen Zusammenarbeit, in die Ausführungen mit einfließen. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung werden exemplarisch am Fachgebiet der Palliative Care aufgezeigt.

 

Anlass dieser Arbeit ist eine aktuelle Überarbeitung der bestehenden Curricula im Bereich der Palliative Care. Diese sollen zum einen an die Forderungen der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Europäischen Union (EU) und zum anderen an die im Berufsfeld aktuellen Forderungen der „european association of palliative care“ (EAPC) angepasst werden. Zusätzlich soll dem Aspekt des multiprofessionellen Handelns im Bereich der palliativen Arbeit mehr Beachtung geschenkt werden, indem eine Basis für berufsgruppenübergreifendes Curriculum geschaffen wird. Manford-Walley (2014) hält ein solches übergeordnetes Curriculum, welches eine gemeinsame Grundlage für die Berufsgruppen der Gesundheitsberufe bietet, im Rahmen der durch Ganzheitlichkeit, Interdisziplinarität und flache Hierarchien geprägten Arbeit im Bereich der Palliative Care, für erstrebenswert (vgl. ebd., 180).

 

Zielgruppen dieser Arbeit sind vor allem die Berufsgruppe der in der Palliative Care Tätigen und die in diesem Bereich Lehrenden. Sie richtet sich weiterhin an Interessierte wie z.B. die ehrenamtlichen Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen und ebenso an fachfremde Leser und Leserinnen, die sich für die Qualifizierung und Entwicklungen in den Bereichen der Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe und für den Bereich der Palliative Care interessieren.

 

Im ersten Kapitel wird sich mit der Definition des Begriffes „Curriculum“ befasst. Auf der Grundlage der Arbeiten von Saul B. Robinsohn wird aufgezeigt, welche Aspekte bei der Konzeption von Curricula bedacht werden müssen und es wird in die Curriculum- und Qualifikationsforschung eingeführt. Dort wo es sinnvoll oder notwendig erscheint, wird der Bezug zum Bereich der Gesundheitsberufe hergestellt. Es werden Ansätze von allgemeinen curricularen Arbeiten beschrieben, dabei wird auf den Strukturgitteransatz von Herwig Blankertz näher eingegangen. In Bezug auf die fachdidaktischen Arbeiten der Pflege, wird das auf Blankertz Arbeiten basierende Modell des Strukturgitteransatzes nach Ulrike Greb dargestellt.

 

Innerhalb der Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik, werden verschiedene Aspekte für die Planung zukünftiger Fort- und Weiterbildungsangebote aufgezeigt. Hierzu gehören beispielsweise der europäische Qualifikationsrahmen, das Lernfeldkonzept und die Modularisierung von Weiterbildungen.

 

Im Kapitel zwei wird sich eine Beschreibung des Palliative Care Bereiches anschließen. In diesem Kapitel wird es zunächst um eine kurze Einführung in das Fachgebiet und dessen Aufgaben gehen. Des Weiteren werden die aktuellen Qualifizierungsmöglichkeiten und die berufspolitischen Einflussfaktoren der Palliative Care vorgestellt.

 

Im abschließenden Kapitel drei wird als Synopse eine Begründungsgrundlage für die Notwendigkeit der Überarbeitung der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Palliative Care aufgezeigt. Darin fließen die in dieser Arbeit vorgestellten Befunde mit ein und werden zum Teil kritisch reflektiert. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick.

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen oder Berufsbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlechter.

 

Im Folgenden wird die Beschreibung des methodischen Vorgehens innerhalb dieser Arbeit vorgestellt. Im Anschluss daran, wird über die Darstellung der Ausgangslage eine Hinführung in die Thematik gegeben.

 

Methodisches Vorgehen

 

Als geeignete Methode zur Beantwortung der vorgestellten Forschungsfrage, erfolgt unter Berücksichtigung der personellen, materiellen und zeitlichen Ressourcen die Arbeit durch eine Literaturrecherche. Diese beinhaltete die Bereiche der allgemeinen Curriculumtheorie, der Erwachsenen-/ Weiterbildung, die Weiterbildung der Gesundheitsfachberufe und die Entwicklungen in der Palliative Care. Auf diese Weise wurde der Ausgangsfragestellung: „Was benötigt- aus pflegepädagogischer Sicht- ein Curriculum für den Bereich der Palliative Care?“ nachgegangen.

 

Für die Recherche wurden die folgenden Datenbanken verwendet:

 

Medpilot

 

Deutsche Verbundkataloge

 

DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Information und Dokumentation)

 

Zudem wurde auf den Internetseiten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) und des Deutschen Instituts für Pflegewissenschaften (DIP) recherchiert. Nach einer schneeballartigen Recherche bekannter Fachliteratur wurden Artikel u.a. aus der Zeitschrift Pflegewissenschaft und der Zeitschrift Palliativmedizin zu Grunde gelegt und mit den aktuellen berufspolitischen bzw. fachspezifischen Entwicklungen fundiert.

 

Es wurden Curricula im Bereich der Palliative Care gesichtet, um festzustellen, ob die geforderten Anforderungen der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Europäischen Union bereits umgesetzt werden. Hierfür wurde auf den Internetseiten der Anbieter und auf der Internetseite der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin recherchiert. Einige Curricula wurden im Rahmen der Arbeit zur Ansicht angefordert.

 

Aus der Recherche geht hervor, dass die derzeitigen Angebote den geforderten Bestimmungen nicht entsprechen und einer erneuten Bearbeitung bedürfen. Dies ist aktuell eine der Aufgaben in der Arbeitsgruppe Bildung der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Ergebnisse dieser Arbeit liegen bis heute noch nicht vor.

 

Die Recherche beschränkte sich auf den deutschsprachigen Raum. Eine Begründung hierfür lag in der sprachlichen Eingrenzung des Feldes, aber auch in den für die deutsche Pflege besonderen Ausbildungs- und Weiterbildungsstrukturen. Einen zeitlichen Rahmen einzugrenzen war nicht möglich, da die bestehenden Werke zum Thema Curriculum zumeist in den 70er Jahren, im Rahmen der Bildungsoffensive veröffentlicht wurden und auch heute noch als Basis von Curriculumkonzeptionen dienen. Insgesamt wurde darauf geachtet, die Aussagen der Primärliteratur unter Zuhilfenahme aktueller wissenschaftlicher/ pädagogischer Positionen und Beiträgen zu untermauern.

 

Ausgangslage

 

Der Bereich der Gesundheitsberufe unterliegt seit Jahrzehnten einem ständigen Wandel. Der wachsende Bedarf an Versorgungsleistungen sorgt für Veränderungen in verschiedenen Bereichen und zieht Neuerungen, sowohl in der Praxis, wie auch in der beruflichen und akademischen Bildung nach sich (vgl. Kaufhold, Rosowski, Schürmann 2014, 11). Die demographische Entwicklung betrifft das Gesundheitssystem in vielfacher Hinsicht. Es wird prognostiziert, dass es in Zukunft immer mehr ältere und hochaltrige Menschen geben wird, die auf Gesundheitsleistungen angewiesen sein werden (vgl. ebd., 11). Aus diesem Wandel heraus wird es bspw. zu einer Zunahme chronischer Erkrankungen und Multimorbidität, von Demenzerkrankungen, sowie von Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund, kommen. An Hand dieser Aspekte werden sich neue Aufgabenfelder der Pflege entwickeln müssen, genannt seien beispielhaft, die Patientenedukation oder technikunterstützende Versorgung (vgl. ebd., 11). Dies zieht neue Anforderungen an die Qualifizierung, Kompetenzentwicklung und Professionalisierung der Beschäftigten in den Gesundheitsberufen nach sich. Von Reibnitz (2008) meint: „Die Pflegenden müssen immer mehr Kompetenzen zur Bewältigung neuer Arbeitsfelder erwerben und umsetzen und mit anderen Berufsgruppen kooperieren, um die Versorgung des Patienten sektorenübergreifend koordinieren zu können“ (ebd., 31).

 

Von diesem Umbruch ist auch die Betreuung und Versorgung sterbender und schwerstkranker Menschen betroffen. Von Reibnitz prognostiziert, dass sich „aus den gesetzlichen Vorgaben des SGB XI und des SGB V neue, anspruchsvolle Aufgaben in einer wachsenden Vielfalt von Versorgungssystemen im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich (ergeben)“ (von Reibnitz 2008, 31). Der Bereich der Palliative Care reagierte darauf, indem zusätzliche Einrichtungen (Palliativstationen, Hospize) entstanden sind, um den zunehmenden Bedürfnissen und den zeitgleich wachsenden Patientenzahlen gerecht zu werden. Diese Institutionen wurden durch verschiedenste Settings im ambulanten und teilstationären Sektor ergänzt. Hierzu gehören neben den medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die allgemeine ambulante Palliativversorgungen (AAPV), die spezialisierte ambulante palliative Versorgung (SAPV) und daneben noch zahlreiche ehrenamtliche Hospizgruppen (vgl. Klaschik 2006, 5 ff.).

 

Wesentliche Veränderungen u.a. in der Qualifikation von palliativ Tätigen, sind mit der Einsetzung der § 39 a und §37b, SGB V (vgl. Vertrag über die spezialisierte ambulante palliative Versorgung 2010, 3 ff.) eingetreten. Dieser Paragraph regelt die Ansprüche von Versicherten auf eine spezialisierte palliative Versorgung. Seither wird die Weiterbildung im Rahmen der Qualitätssicherung, mit einem Mindestumfang von 160 Stunden und dem Curriculum von Kern/Müller/Aurnhammer oder einem gleichwertigen Kurs, zur pflegerischen Arbeit in spezialisierten palliativen Institutionen, wie der SAPV oder im Hospiz vorausgesetzt (vgl. Vertrag über die spezialisierte ambulante palliative Versorgung 2010, 8 f.). Denn „die letzte Lebensphase und das Sterben eines Menschen zu begleiten und Trauernden zur Seite zu stehen […] stellt hohe Anforderungen an eine umfassende, multiprofessionelle und vernetzte ambulante und stationäre Hospiz- und Palliativversorgung“ (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V., Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., Bundesärztekammer 2014, 4).

 

Durch die Arbeit der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), des deutschen Hospiz- und Palliativverbandes (DHPV) und der Bundesärztekammer (BÄK) unter Förderung der Robert-Bosch Stiftung und der deutschen Krebshilfe hat sich der Bereich der Palliative Care in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt (vgl. ebd., 3). Das Interesse der Öffentlichkeit an den Aufgaben der Palliative Care wächst und die „european association for palliative care“ (EAPC) bemüht sich um eine Verbesserung der Versorgung und Betreuung schwersterkrankter und sterbender Menschen in ganz Europa (vgl. ebd., 5). Seit 2007 wurden hierfür, neben dem Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung, insgesamt fünf Bereiche fokussiert, deren Entwicklung unterstützt werden soll (vgl. ebd., 5). Seit 2008 arbeiten die DGP, der DHPV und die BÄK an einem nationalen Charta Prozess um die Aufgaben, Ziele und somit den Handlungsbedarf für Deutschland zu formulieren und immer wieder zu aktualisieren (vgl. DGP, DHPV, BÄK 2014, 4 f.).

 

Durch die aktuelle mediale Aufbereitung der Diskussion der „Sterbehilfe“ wird das Thema in der Gesellschaft und damit auch in der Gesundheitspolitik immer wichtiger. Am 10. November 2014 erschien ein Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Gesundheit zur „Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ (vgl. Gröhe et al. 2014). Hierin wird erneut auf die Notwendigkeit des Ausbaus der Fort- und Weiterbildung in diesem Sektor hingewiesen, um den zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein (vgl. ebd., 6). Es wird erhofft, das im ersten Halbjahr 2015 ein Gesetz zur flächendeckenden Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Kraft tritt um diese Forderungen gesetzlich zu stützen (vgl. ebd., 2 ff.).

 

In dem nun Folgenden Kapitel wird es zunächst um die Curriculumentwicklung im Allgemeinen gehen, bevor im Verlauf der Arbeit der Bereich der Palliative Care wieder in den Fokus gerückt wird.

 

1. Curriculumentwicklung

 

Robinsohn übernahm Ende der 60er Jahre den Terminus „Curriculum“ aus dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch, weil ihm die Begriffe „Bildungskanon“, „Lehrgefüge“ oder „Lehrplan“ zu ungenau waren oder die Bedeutung nur zum Teil erfassten (vgl. Robinsohn 1975, 1). Seit seinen Arbeiten findet der Begriff im deutschsprachigen Raum überwiegend Verwendung. In der Erwachsenenbildung wird „Curriculum“ meist synonym verwendet mit Programmplanung oder Modellentwicklung (vgl. Siebert 1974, 15). Bis heute gibt es keine einheitliche Definition oder Eingrenzung, was genau ein Curriculum oder die Arbeit dazu alles beinhaltet. Auch der deutsche Bildungsrat umschreibt Curricula ohne sich auf eine feste Definition fest zu legen, wie folgt:

 

„Der Begriff Curriculum […] bezieht sich auf die Lernprozesse. Welche Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen soll der Lernende erwerben? Mit welchen Gegenständen und Inhalten soll er konfrontiert werden? Was soll er lernen? Wann und wo soll er lernen? In welchen Lernschritten, in welcher Weise und anhand welcher Materialen soll er lernen? Wie soll das Erreichen der Lernziele festgestellt werden?“ (Deutscher Bildungsrat 1970 zit. n. Siebert 1974, 30).

 

Obwohl die Curriculumentwicklung nach Buchmann (2014) zu den „(fast) täglichen Routinen pädagogischer und berufsbildungswissenschaftlicher Tätigkeit (gehört)“ (ebd., 200), hat sich eine einheitliche Definition bis heute nicht durchgesetzt. Oft bleibt die allgemeine Definition eine individuelle Auslegungssache der Institutionen.

 

Genauso wie die Definition, ist auch das Erscheinungsbild von Curricula sehr unterschiedlich. Sie können als Teile von Schulgesetzten oder Lehrplanrichtlinien erscheinen, oder auch als Lernzielkataloge vorliegen (vgl. Siebert 1974, 37). Auch der Prozess der Curriculumentwicklung und die Umsetzung oder Implementierung unterscheiden sich oft (vgl. ebd., 37).

 

Im Grunde wird ein Curriculum eher als ein Instrument zur Planung benutzt. Für die Ausgestaltung der Ergebnisse einer curricularen Vorarbeit ist die Didaktik als die Lehre vom Lehren und Lernen zuständig (vgl. Plaumann 2012, 15). Die Diskussionen um die Didaktik und das Curriculum inhaltlich, wie auch um die Begriffsdefinitionen im eigentlichen, bestehen bis in die heutige Zeit und sollen hier, auf Grund der vielfältigen Arbeiten zum Thema, nicht weiter aufgegriffen werden (vgl. Nickolaus 2012, 6 ff.; Siebert 2012, 14). Es bleibt festzuhalten, dass weder ein Curriculum ohne Didaktik konzipiert und umgesetzt werden kann, noch die Didaktik ohne curriculare Vorüberlegungen funktioniert (vgl. Hopmann, Riquarts, 1995).

 

Wie es zu der Debatte um die Curriculumentwicklung kam und warum Robinsohns Arbeiten bis heute bei der Konzeption von Curricula Verwendung finden, soll das nächste Kapitel klären.

 

1.1 Curriculumrevision nach Saul B. Robinsohn

 

Robinsohn erhielt in den 1960ern durch den deutschen Bildungsrat den Auftrag, ein Gutachten über die Curriculumentwicklung zu erstellen (vgl. Siebert 1974, 30). Mit ihm folgte ein Richtungswechsel, weg von der Orientierung an wissenschaftlichen Fächern, hin zur „Bewältigung von Lebenssituationen“ und deren damit verbundenen nötigen Qualifikationen (vgl. Evers 2012, 29). Robinsohn (1975) kritisierte die damaligen drei Ansätze (ökonomisch-statisch, sozial-politisch und der Ansatz der „Technologie“ und „Rationalisierung“ des Unterrichts) der Bundesrepublik, um das Bildungswesen zu reformieren (vgl. ebd., 3). Aus seiner Sicht verändern sich Inhalte im Kontext gesellschaftlicher, kultureller und politischer Entwicklungen ständig und müssen deshalb durch eine systematische Revision und Weiterentwicklung, unter Einbezug fachwissenschaftlicher Erkenntnisse, kontinuierlich aktualisiert werden (vgl. ebd., 10). Hierbei geht es ihm nicht nur um eine „Verjüngungskur“, „sondern um die Überprüfung der pädagogischen Relevanz des gesamten Gefüges in einem Prozeß (sic!), in dem gesellschaftliche Kräfte und wissenschaftliche Erkenntnisse mittelbar und unmittelbar bestimmt werden können“ (ebd., 10). Es muss der jeweils aktuelle Erkenntnisstand in die Curricula der Aus-, Weiter- und Fortbildung mit einfließen. Für die geforderte regelmäßige Überarbeitung und Anpassung der Inhalte schlägt Robinsohn Expertenbefragungen vor, lässt aber offen, was einen Experten seiner Meinung nach auszeichnet (vgl. Siebert 1974, 43 f.).

 

Gemäß Siebert (1974) sollten Curricula durch eine induktive Herangehensweise, also anhand der Lernerfordernisse des Individuums, konzipiert werden (vgl. ebd., 41). Dies galt auch für Robinsohn (1975). Für ihn erforderte der „Inhalt“ als „Substanz der Lernsituation“, neben einer Analyse der Lebenssituationen der Lernenden (Situations- und Qualifikationsanalyse), die Identifizierung von Bildungszielen und -inhalten (Curriculumforschung), deren Organisation im Lehrplan, die Umsetzung im Unterricht (Curriculumkonstruktion) und die Erfolgskontrolle (Curriculumevaluation) (vgl. Robinsohn 1975, 11). Robinsohn (1975) wies kritisch darauf hin, dass ein festlegen von Erfolgskontrollen und damit verbundenen Lernresultaten schnell dazu führen kann, diese als einen Maßstab für Bildungsziele anzulegen. Er forderte daher eine möglichst objektive Sichtweise in der Beurteilung von Lernresultaten (vgl. ebd., 11).

 

Siebert kritisierte später die Ausführungen von Robinsohn. Begriffliche Definitionen blieben für ihn offen und auch strategische Komplikationen seien zu erkennen (vgl. Siebert 1974, 46). Auch auf die methodischen Mängel ging er weiter ein, jedoch erkannte er insgesamt die Arbeit Robinsohns an, weil durch ihn erstmals der Blick auf die Wissenschaftlichkeit und die gesellschaftliche Relevanz gelenkt wurde (vgl. ebd., 46 f.).

 

Auch Lenzen (1971) kritisierte Robinsohns Arbeit. Für ihn müssen bei der Konzeption eines Curriculum folgende Punkte beachtet werden, die ihm bei Robinsohns Modell fehlten (vgl. ebd., 122):

 

Inhaltsentscheidungen sollten nur in Kombination mit Methoden vorbereitet werden.

 

Die Durchführung einer permanenten Effektivitätskontrolle (im Unterrichtsgeschehen) und nicht erst in der Evaluation zum Ende eines Kurses.

 

Auf Grund des hohen Zeitaufwandes bei der Planung, Umsetzung und Implementation des Modells wird eine mittelfristige Konstruktionslösung als Vorleistung für eine Gesamtrevision gefordert.

 

Eine genauere Definition der Expertenbefragungen und eine wissenschaftliche Basis für die Durchführung.

 

Dem Modell müsse ein emanzipatorisches Interesse hinzugefügt werden (Erkenntniskritik, Ideologiekritik, Selbstreflexion) (vgl. Lenzen 1971, 122 f.).

 

Trotz der Kritiken fließen die Grundgedanken Robinsohns auch heute noch in die Entwicklungen von Curricula mit ein. Arbeiten die auf seinen basieren sind u.a. Sieberts curriculare Überlegungen für den Bereich der Erwachsenenbildung und der von Blankertz mit entworfene „Strukturgitteransatz“ (vgl. Huisinga, Lisop 2005, 39). Nach Blankertz Meinung „[…] ist jeder, der sich in der Bundesrepublik um Curriculum-Revision bemüht, Robinsohn verpflichtet“ (Blankertz 1971, 15). Diese These war 1971 gültig und hat bis heute Bestand (vgl. Nickolaus 2012, 32), denn seit den 1960er- und 1970er Jahren nahmen die Aktivitäten in Bezug auf die Curriculumentwicklung und Forschung stetig ab (vgl. Evers 2012, 30). So erschien zwar 1983 das „Handbuch zur Curriculumforschung“, in dem bereits im Vorwort ein weiteres Werk in fünf Jahren angekündigt wird (vgl. Hameyer, Frey, Haft 1983, 11), eine zweite Ausgabe erschien allerdings nie, da die Curriculumforschung im Rahmen der Rücknahme der Bildungsreform stagnierte (vgl. Huisinga, Lisop 2005, 35 f.). „So zeigen die letzten dreißig Jahre (beruflicher) Bildungsarbeit ein eher wildwüchsiges und auf gar keinen Fall professionelles Bild von Curriculumarbeit“ (Sloane 2001, 188). Dies kritisiert auch Buchmann (2014): „Nach einem Vierteljahrhundert weitgehenden Schweigens zu curriculumtheoretischen Problemen und didaktisch-inhaltlichen Fragen haben erstmals die Handreichungen der KMK […] wieder eine breitere didaktische und curriculumtheoretische öffentliche Diskussion entfacht“ (ebd., 200). Die Stagnation führt Huisinga (2003) u.a. auf die gesellschaftlichen Veränderungen der damaligen Jahre zurück, wie z.B. die Wiedervereinigung Deutschlands (vgl. ebd., 13).

 

Erst in den letzten Jahren wird sich wieder intensiver mit der Curriculumforschung auseinandergesetzt. „Dabei stehen Themen wie Modularisierung oder Lernfeldorientierung im Mittelpunkt der Überlegungen“ (vgl. Huisinga 2006, 360 zit. n. Evers 2012, 30).

 

Im hier anschließenden Kapitel wird sich mit der Basis der Curriculumdiskussionen und

 

-konstruktionen befasst, der Curriculumforschung, bevor in folgenden Abschnitten die Curriculumtheorien/ -strategien und die Curriculumimplementation/ -evaluation dargestellt werden.

 

1.2 Curriculumforschung

 

Die Curriculumforschung hat nach Robinsohn die Aufgabe Methoden zu finden um Bildungsinhalte zu generieren, die nötigen Qualifikationen herauszufinden und dadurch die Bildungsinhalte und Gegenstände zu bestimmen (vgl. Robinsohn 1975, 45). Buchmann (2014) beschreibt dies wie folgt: „Um die Möglichkeiten der Subjektentwicklung und Subjektentfaltung unter Nutzung von Bildungsgängen zu ergründen, sind notwendigerweise die Bedarfe an Arbeitsvermögen zu erheben und zu analysieren“ (ebd., 201). Sie ist der gleichen Meinung wie Robinsohn, dass sich die Bedarfe aus komplexen gesellschaftlichen Zusammensetzungen ergeben, z.B. auf Grund technischer, ökonomischer oder sozialer Entwicklungen (vgl. Buchmann 2014, 201). Die Curriculumforschung und die mit ihr verbundene Qualifikationsforschung ermöglichen eine ziel- und adressatengerechte Konzeption von Curricula (vgl. Siebert 1974, 8). Siebert (1974) formuliert die Aufgaben der Curriculumforschung für die Erwachsenenbildung wie folgt: „Sie entwickelt lernzielorientierte Lehr-Lernmethoden […] aufgrund von Analysen genereller Zielsetzungen, objektiver und subjektiver Lernbedürfnisse und lernpsychologischer und motivationaler Voraussetzungen“ (ebd., 17). Zudem muss Curriculumforschung gesellschaftliche Situationsfelder empirisch ermitteln und analysieren (vgl. Evers 2012, 34). In diesem Sinne „ist eine Fundierung von Curricula zunächst über die wissenschaftliche Untersuchung des jeweiligen Handlungsfeldes zu realisieren“ (ebd., 34). Nach Evers (2012) kann „eine entsprechende Analyse sowohl empirisch als auch theoretisch gestützt erfolgen. Dabei liegt z.B. dem Strukturgitteransatz nach Blankertz eine zunächst rein theoretische Analyse des Berufsfeldes zugrunde“ (vgl. ebd., 34). Curriculumforschung und die Arbeit an ihr, ist nach Lenzen (1971) eine Sisyphusarbeit, weil kontinuierliche Auswertungen zu der aktuellen Literaturlage und Analysen der Schulwirklichkeit (u.a. Befragungen der Lehrer, Schüler, Auswertungen von Klassenbüchern) stattfinden müssen (vgl. ebd., 126 f.). Er sieht jedoch ein, dass eine rein hermeneutische Gewinnung von curricularen Inhalten keinen Sinn ergibt. Die Strukturgitter stellen auch für ihn eine sinnvolle Verbindung zwischen Wissenschaft und Realität dar (vgl. ebd., 132). Die empirischen Fundierungen von curricularen Prozessen sind also von besonderer Relevanz, weil sowohl die berufliche Praxis, als auch persönlichkeitsbildende Aspekte erschlossen werden (vgl. Evers 2012, 35). Buchmann (2014) formuliert als Aufgabe der Qualifikationsforschung, dass zumindest folgende drei Wissensbestände kontinuierlich generiert und aktualisiert werden müssen:

 

1. Das Transformationswissen: Gesellschaftliche Veränderungen sind in ihrer Bedeutung zu erfassen und berufsbildungswissenschaftlich zu reflektieren.

2. Das Subjektwissen: Veränderte psychosoziale-motivationale Lagen und Sozialisationserfahrungen der aktuellen und der nachwachsenden Generation sind zu berücksichtigen.

3. Curriculares Wissen: bei der Curriculumkonstruktion müssen pädagogische Interventionen realisiert werden, die für den Bereich berufsbildungswissenschaftlich legitimiert sind (vgl. Buchmann 2014, 207).

 

Des Weiteren stellt Siebert (1974) die Frage nach der Beteiligung der Lehrenden und Lernenden an curricularer Forschung. Er kritisiert, dass die meisten Curricula an Institutionen konzipiert werden, die isoliert sind von der Unterrichtswirklichkeit (vgl. ebd., 80). Es werden zwar Evaluationen herangezogen, aber die Verwendung der Curricula in der Praxis bliebe unberücksichtigt. Unterrichtsforschung und Curriculumforschung laufen aneinander vorbei (vgl. ebd., 80). Auch Wittneben (2002) bemängelt genau diesen Aspekt für das Berufsfeld der Pflege und Gesundheit (vgl. ebd., 20). Ihrer Meinung nach sind die meisten Curricula nicht auf systematisch erhobenen Daten aus der Berufspraxis begründet (vgl. ebd., 20). Die Pflegedidaktik bezieht sich bislang nur wenig auf die Erkenntnisse der Lehr-Lern- und der Unterrichtsforschung, dies liegt allerdings nach Darmann-Finck und Foth (2014) auch an einer wenig entwickelten empirischen Forschung innerhalb der Pflege (vgl. ebd., 167). Wittneben (2002) kritisiert, dass dadurch Lernfelder fiktiv ersonnen werden und den Vorstellungen von Lehrplankonstrukteuren entspringen (vgl. ebd., 20). Siebert (1974) verurteilt ebenso die Expertokratie von Lehrplankonstrukteuren und sieht als eine Idee zur Lösung dieses Problems, die Delphi Methode. Dabei geben verschiedene Experten unterschiedlicher Bereiche (Praxis und Wissenschaft) in mehreren Runden ihre Urteile ab und aus dem Mittelwert wird ein Konsens gefällt (vgl. ebd., 85). Aber auch bei diesem Vorgehen sieht er durchaus Schwächen, weil es wieder die Experten eines bestimmten Bereiches sind und nicht die breite Masse die eine Entscheidung treffen (vgl. ebd., 83 ff.).

 

Er fordert als Konsequenz für die Erwachsenenbildung, dass die Lehrenden über das nötige Wissen verfügen Lernzielpräzisierungen, Lernzieleinstufungen und Lernzielkontrollen durchzuführen (vgl. ebd., 87). Dadurch erhofft er sich einen kontinuierlichen Austausch mit den Teilnehmern und den Lehrenden, über Ziele, Bedürfnisse und Interessen und darüber ein einfließen dieser Aspekte in die Curricula (vgl. Siebert 1974, 87).

 

Trotz solcher von Siebert vorgeschlagener partizipativer Verfahren, scheint die curriculare Arbeit zu stagnieren. So sehen Huisinga und Lisop (2005) die Entwicklungen und Konzeptionen von Curricula innerhalb Deutschlands weiterhin als defizitär an. Die Arbeiten erfolgen ohne eine wissenschaftliche Basis oder Standards und werden nicht durchgängig durch empirische Forschung begleitet oder fundiert (vgl. ebd., 11). Ebenso ist für sie die Qualifikationsbedarfsforschung nicht ausreichend bildungswissenschaftlich begründet und es fehlt ihr an einer wissenschaftlichen Methodik (vgl. ebd., 11).

 

Die Ursachen hierfür liegen ihrer Meinung nach, unter anderem an den Interessenskonflikten, welche innerhalb der Bildungsplanung bereits seit den 70er Jahren bestehen. Sie stellen fest, dass es nicht um inhaltliche Dinge geht, sondern weiterhin um statistische Daten (wie u.a. PISA) und bildungspolitische Diskussionen (vgl. Huisinga, Lisop 2005, 12 f.). Die Politik müsse begreifen, dass in der heutigen schnelllebigen Wissensgesellschaft, Bildung als Wachstumschance zu begreifen sei und nicht als wirtschaftliche Belastung (vgl. ebd., 16 ff.). „Trotz wiederholter Hinweise auf ihre Notwendigkeit, u.a. im Schlussbericht der Enquête-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik - Bildung 2000“ des Deutschen Bundestages (vgl. Deutscher Bundestag 1990), wurde die Curriculumforschung nicht wieder als gesellschaftliche Aufgabe gesehen und institutionalisiert“ (Huisinga, Lisop 2005, 36). Darüber hinaus stellt Klauser (2003) fest, dass die traditionelle Curriculumdiskussion abgelöst worden ist, „durch den Prozess der Konstruktion, Implementation und Evaluation von Lehr- und Lernarrangements“ (ebd., 30). Als Beispiel dafür benennt er u.a. die Debatte um die Handlungsorientierung (vgl. ebd., 28 ff.). Evers (2012) ergänzt Schlagworte wie „Lebenslanges Lernen“, den „Wechsel vom Input zum Output“, die „Kompetenzorientierung“ oder die „Qualifikationsrahmen“ (vgl. ebd., 15).

 

Gemäß Rauner (2003) scheitert die Qualifikationsforschung, im Rahmen der Kompetenzdebatten, an ihrer eigentlichen Aufgabe, der ganzheitlichen Analyse des beruflichen Umfeldes und kann deshalb der Curriculumforschung keinen Input mehr bieten (vgl. ebd., 247 ff.). Huisinga und Lisop (2005) empfehlen eine umfassende Curriculumreform und den Wiedereinstieg in die Forschung. Als Grundlage sehen sie eine fortlaufende empirische Qualifikationsforschung, eine parallel durchzuführende Analyse bildungsrelevanter Dokumente und eine breite Sozialisationsforschung, welche die Bedarfe von Lebenssituationen untersucht (vgl. ebd., 38). Einen Ansatz dazu bieten sie mit ihrer „Arbeitsorientierten Exemplarik (AOEX)“. Auf diese kann hier allerdings, auf Grund ihrer Komplexität, nicht weiter eingegangen werden.

 

Auch im Bereich der Pflege gelten die bereits erwähnten Umstände als ebenso defizitär. Deshalb fordern Darmann-Finck und Foth (2014) für die Bildung im Berufsfeld Pflege eine umfassendere Bildungs-, Qualifikations- und Sozialisationsforschung (vgl. ebd., 176 ff.).

 

Laut Buchmann (2014) beziehen sich aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht die Qualifikationsforschung und die Curriculumkonstruktion aufeinander (vgl. ebd., 208). „Eine Qualifikationsforschung ohne curriculares Erkenntnisinteresse (Stichwort: Subjektbildung) ist berufswissenschaftlich […] ebenso wenig tragfähig wie eine Curriculumkonstruktion ohne qualifikationstheoretisch- empirische Fundierung“ (ebd., 208). Im nächsten Kapitel wird deshalb zunächst geklärt, worum es sich bei der Curriculumkonstruktion dreht.

 

1.3. Curriculumkonstruktion

 

Für Buchmann (2014) entsteht ein Curriculum nicht durch Ableitungen von Ergebnissen, sondern vielmehr aus einem „finalen System von Fragenkomplexen und Konstruktionsschritten, die jeweils mehrmals „durchlaufen“ werden“ (ebd., 208). Für Lenzen (1971) ist bei der Konstruktion darüber hinaus wichtig, dass eine untrennbare Verbindung zwischen den inhaltlichen und den methodischen Entscheidungen besteht. Denn die Art der Vermittlung beeinflusst für ihn den Erwerb einer Qualifikation (vgl. ebd., 119). Es wird also zunächst auf das große Ganze geschaut, bevor man immer kleiner wird und am Ende die Lerneinheiten feststehen. Buchmann (2014) nennt fünf Kriterien, die es für die Konzeption von berufsbezogenen Bildungsgängen zu bedenken gilt:

 

Die Ziele der Bildungsgänge,

 

die Lernvoraussetzungen und –bedürfnisse der Adressaten,

 

die Qualifikationsanforderungen innerhalb der Berufswelt,

 

die Erkenntnisse der Wissenschaft,

 

die organisatorischen und institutionellen Bedingungen der Bildungsgänge (vgl. ebd., 202).

 

In den modernen und sich schnell weiterentwickelnden Gesellschaften stellt sich das Problem der unmessbaren Menge an Informationen und Wissen. Deshalb haben sich in verschiedenen pädagogischen Feldern heuristische Matrizen entwickelt, die als Auswahl- und Konstruktionsmodell dienen (vgl. Huisinga, Lisop 2005, 39). Zu nennen sind hier u.a. der Strukturgitteransatz von Blankertz, oder auf die Gesundheitsberufe bezogen, der Strukturgitteransatz von Greb und die heuristische Matrix von Darmann-Finck.

 

Zu einer didaktischen Konzipierung gehört es grundsätzlich, sich Gedanken darüber zu machen, ob ein Curriculum offen oder geschlossen gestaltet wird. An der Art der Konzeption orientieren sich die weiteren didaktischen Überlegungen.

 

offene vs. geschlossene Curricula

 

Als „geschlossen“ werden Curricula bezeichnet, in denen Lehr- und Lernmethoden, sowie die Materialen bereits festgelegt sind. Oft werden diese außerhalb der Institution durch Experten konzipiert. „Das Curriculum als fertiges, kodifiziertes Produkt ist „output“ einer außerschulischen Konstruktionsphase und „input“ eines Unterrichtssystems“ (Siebert 1974, 98, H.i.O.). Als Kritik ist hier zu sehen, dass sie oft von außen bestimmt werden und dann durch die Lehrkräfte innerhalb der Institution, die meist nicht an der Konzeption beteiligt waren, in den Unterricht übertragen werden sollen (vgl. ebd., 94 f.). Im Bereich der Erwachsenenbildung, in der bis heute ein geringer Professionalisierungsgrad der Lehrenden vorherrscht, sind „halboffene“ Curricula die auch normative Vorgaben enthalten, notwendig, um Strukturen zu erhalten und den Lehrenden Sicherheiten zu bieten (vgl. ebd., 94 f.). Komplett offene Curricula wären hier auf Grund der teilweise geringen pädagogischen Qualifikation der Lehrkräfte nur schwer zu realisieren (vgl. ebd., 109 ff.).

 

Während geschlossene Curricula detaillierte Kursprogramme und standardisierte Lehrvorgänge darstellen, strukturieren die offenen Curricula Lernsituationen und geben Hinweise auf einen problemorientierten Projektunterricht (vgl. ebd. 100 f.). Sie gelten als Empfehlungen und bieten verschiedene Varianten der Umsetzung an. Charakteristisch für diese Art von Curricula sind die Problemorientierung und die Individualisierung (vgl. Siebert 1974, 100 f.).

 

Siebert (1974) beschreibt, sich auf Brügelmann beziehend, sechs Merkmale für offene Curricula:

 

1. Offenheit des Entwicklungsprozesses: Das Curriculum gilt nie als abgeschlossen und erfährt durch das Geschehen im Unterricht Veränderungsprozesse.

2. Instrumentale Offenheit: Weder empirische, noch theoretische Forschungsergebnisse werden als allgemeingültig und richtig betrachtet, sie sind nur Hypothesen, die in einer anderen Konstellation bereits widerlegt werden könnten.

3. Normative Offenheit: Das Curriculum bietet alternative Lernerfahrungen an oder erlaubt Ergänzungen von Lernangeboten.

4. Didaktische Variabilität: Es sollen möglichst viele Dimensionen der Unterrichtswirklichkeit für die Unterrichtsplanung zur Verfügung stehen.

5. Inhaltsoffenheit: Ein „integratives Curriculum“, in dem die Klassifikation der Lernerfahrungen offen gehalten wird und somit situationsspezifische Handlungsschritte erlaubt.

6. Offenheit des Lernerfolgs: Verschiedenen Lernenden sollen in gemeinsamen Lernsituationen individuelle Lernerfahrungen ermöglicht werden (vgl. Siebert 1974, 99 f.).

 

Es werden keine Lernzielkataloge formuliert, sondern Lernzielalternativen. Nach diesem Verständnis ändern sich die Rollen der Lehrenden und Lernenden, denn es findet ein offen konstruierter Unterricht statt, in dem die Lernenden mitbestimmen können (vgl. ebd., 100). Dies erfordert von den Lehrenden eine hohe Qualifikation und ein bereits vorhandenes Selbstverständnis. Wenn die fachliche Qualifikation fehlt, kann dies nach Greb (2005) dazu führen, dass sie sich überfordert fühlen und zu falschen Lehrmitteln greifen. Sie äußert sich hierzu wie folgt: „Für einen Lehrenden in Not sind fachdidaktische Modelle und Konzepte so hilfreich wie Medikamente ohne Beipackzettel. Man kennt weder ihre Zusammensetzung noch ihren Wirkungsbereich, ihre gesundheitsverträgliche Dosierung ist ebenso unbekannt wie die drohenden Nebenwirkungen“ (ebd., 48). Es muss aber nicht nur ein Wandel bei den Lehrenden stattfinden, auch bei den Lernenden muss die Bereitschaft zur Mitbestimmung vorhanden sein (vgl. Siebert 1974, 100). Im Rahmen einer Aktionsforschung, kann somit ein Curriculum aus dem Unterrichtsgeschehen heraus konzipiert werden. Ein Beispiel hierfür findet sich in der Arbeit von Altrichter und Posch (2007) „Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht“.

 

Da beide Herangehensweisen ihre Vor- und Nachteile haben, wird mittlerweile dazu übergegangen beide Ansätze zu kombinieren. Es werden bestimmte standardisierte Curriculumelemente in die Form der „offenen“ Curricula integriert. Dadurch wird eine gewisse Sicherheit für Lehrende geboten (vgl. Siebert 1974, 109).

 

Die Begriffe der Curriculumforschung, der Qualifikationsforschung und der Curriculumkonstruktion liegen inhaltlich nah beieinander. Wie Buchmann (2014) bereits darstellte, kann das eine ohne das andere nicht funktionieren (vgl. Buchmann 2014, 207). Als eine theoretische Basis für die vorangegangenen Ausführungen kann die Curriculumtheorie gesehen werden. Sie greift inhaltlich auf die bereits erwähnten Aspekte zurück, gibt dem Ganzen aber einen theoretischen, gedanklichen Rahmen. Ausführungen hierzu folgen im nächsten Kapitel.

 

1.4 Curriculumtheorien

 

Jedes Curriculum besitzt eine allgemeine Curriculumtheorie als Basis, die über den Allgemeinheitsanspruch hinausgeht. Ähnlich formulierte Klafki sein Gesamtverständnis von Bildung als Grundlage der Allgemeinen Didaktik (vgl. Hameyer 1983, 29). Mit Hilfe der Theorien soll geklärt werden, welches curriculare Verständnis zu Grunde liegt (vgl. ebd., 54). Frey (1983) unterscheidet drei Ebenen einer Curriculumtheorie: „1. Konstruktiv- erschließende Ebene, 2. analytisch-erklärende Ebene, 3. ideographisch-konkretisierende Ebene“ (Frey zit. n. Hameyer 1983, 29 f.). In der ersten Ebene wird das Forschungsfeld systematisiert. In der zweiten findet die detaillierte Theoriebildung statt, z.B. das generieren von Taxonomiestufen und auf der dritten Ebene werden besondere kulturelle und subkulturelle Probleme diagnostiziert (vgl. Hamayer 1983, 30). Bis heute besteht Uneinigkeit darüber, was eine solche Theorie alles beinhalten sollte, ohne ein bodenloses Fass zu werden. Für Siebert (1974) umfasst sie idealerweise folgendes:

 

„Die Curriculumtheorie klärt die wissenschaftstheoretischen, gesellschaftstheoretischen und anthropologischen Prämissen, bemüht sich um eine Klärung der Kategorien und Begriffe und reflektiert die Bildungszusammenhänge, sowie die gewollten und ungewollten Auswirkungen der Curricula. Sie definiert den Lernbegriff ebenso wie die Funktion der Fachwissenschaften für den Lernprozeß (sic!), sie ermittelt, welche curricularen Planungsdaten erhoben werden müssen und wie unterschiedliche Informationsklassen aufeinander bezogen werden können“ (ebd., 38).

 

Greb (2013) schreibt zum Begriff der Curriculumtheorie, dass Aussagen an Hand der übergeordneten Theorie falsifiziert oder verifiziert werden können (vgl. ebd., 15). Von einer Curriculumtheorie erwartet sie: „die Begründung des Konstruktionsprozesses mit den einzuhaltenden Schritten und ihrer Reihenfolge, z.B. Bedingung-, Situations-, Qualifikationsanalyse, Auswahl der Bildungsinhalte und Zielformulierungen, sowie Transparenz in den Strukturierungsprinzipien“ (ebd., 15).

 

Lipsmeier empfiehlt nach Greb (2013) eine Systematisierung beruflicher Curricula entsprechend den Prinzipien der Konzeptionierung und nach dem Prinzip der Strukturierung (vgl. ebd., 15). Dabei wird die Konzeptionierung (bzw. Architektur) an Hand der Leitideen eines Curriculum dargestellt: dem Wissenschafts-, Persönlichkeits- und Situationsprinzip (vgl. Greb 2013, 15). Das Prinzip der Strukturierung bezieht sich auf die konkrete Ausgestaltung der Inhalte und auf die Art des zu Grunde gelegten didaktischen Modells u.a. kategorial (z.B. Klafki), projektförmig (z.B. Frey), strukturgittermäßig (z.B. Blankertz, Greb) oder lernfeldorientiert (vgl. ebd., 15 f.).

 

Während das Modell Klafkis vor allem im Bereich der allgemeinbildenden Schulen Einzug gehalten hat, sind die Modelle von Heimann/Otto/Schulz und Möller eher im Bereich der Berufsbildung anzutreffen (vgl. Plaumann 2012, 29). Eine differenzierte Einteilung gestaltet sich insgesamt als schwierig. Als berufsfeldübergreifende Konzepte finden der Strukturgitteransatz von Blankertz, der Schlüsselqualifikationsansatz von Mertens oder die arbeitsorientierte Exemplarik (AEOX) von Lisop und Huisinga Anwendung (vgl. Nickolaus 2012, 33). In neueren didaktischen Ansätzen wird dem Lernen am Arbeitsplatz mehr Beachtung geschenkt, wie bei Fischer, oder ein konstruktivistisches Gedankengut zu Grunde gelegt wie bei Siebert oder Riedl (vgl. ebd., 34).

 

Wie in der vorangegangenen Ausführung dargestellt, finden also mittlerweile zahlreiche Theorien Anwendung. Jedes Fachgebiet, das mit Aus-, Fort- und Weiterbildung zu tun hat, hat demzufolge im Rahmen der berufseigenen Bildungsforschung den Versuch unternommen eigene „Fachtheorien“ zu entwickeln. Darüber hinaus werden im Bereich der Curriculumkonstruktion oft synonyme Begriffe verwendet. So hat sich für den Bereich der „Fachtheorien“ der Begriff der „Fachdidaktik“ durchgesetzt (vgl. Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, 78). Im nächsten Kapitel wird die Notwendigkeit von Fachdidaktiken dargestellt.

 

1.4.1 Allgemeine Theorien zur Curriculumentwicklung vs. Fachdidaktiken

 

Tietgens vertritt gemäß Siebert (1974) den Standpunkt, dass es keine einheitliche Curriculumkonstruktion geben kann und Curricula „aufgabenbezogen“ sein müssen, also auf die Zielgruppe, deren Bedürfnisse und deren Absichten angepasst (vgl. ebd., 11). Ähnlich äußert sich Plaumann (2012) dazu: „Die Allgemeine Didaktik (kann) nicht alle Lehr- und Lernprobleme lösen […]. Daher sind spezifische (Fach-) Didaktiken vonnöten. Die Fachdidaktik ist im Schnittpunkt von Fachwissenschaft und Allgemeiner Didaktik angesiedelt“ (ebd., 16). Das Verhältnis von Allgemeiner Didaktik zur Fachdidaktik könnte nach ihr also wie folgt dargestellt werden: „Die Fachdidaktik braucht die Allgemeine Didaktik, da sie allein keine Aussagen zu Bildungs- und Lerntheorien, Lehrerrolle und Lehrerhandeln, Schule und Unterricht als Institution machen kann“ (ebd., 17).

 

Nach Kron (1994), in Anlehnung an Ruprecht umfassen die Aufgaben einer Fachdidaktik:

 

„die Herausarbeitung der grundlegenden Fachinhalte und Begriffe,

 

die Ermittlung und wissenschaftliche Überprüfung von Lernzielen,

 

die Begründung der Bildungsrelevanz der Inhalte,

 

die Erforschung adäquater Vermittlungsverfahren inklusive Medien,

 

sowie die Erarbeitung von Evaluationsverfahren“ (vgl. Kron 1994, 36 zit. n. Plaumann 2012, 17).

 

Eine Grundlage für die Herausarbeitung der Fachinhalte und der Begrifflichkeiten bietet der im nächsten Abschnitt beschriebene Strukturgitteransatz von Herwig Blankertz. Dieser findet bis heute im Bereich der Berufsbildung Verwendung und gilt als pädagogischer Maßstab beruflicher Curriculumentwicklung (vgl. Greb 2009, 30). Im Anschluss wird eine Übertragung auf die Fachdidaktik Pflege und die aus Blankertz Strukturgitter weiterentwickelte kategoriale Analyse pflegeberuflicher Handlungen von Greb vorgestellt.

 

Der Strukturgitteransatz (nach Blankertz)

 

Die Wurzeln dieses Ansatzes liegen bereits in den 1960er Jahren. Groth und Kell entwickelten in der Arbeitsgruppe um Blankertz in Berlin eine erste didaktische Matrix (vgl. Blankertz 1971, 10). Diese wurde Anfang der 70er Jahre im Münsteraner Arbeitskreis für Didaktik, unter wissenschaftlicher Begleitung des großen Kollegstufen-Modell-Versuchs des Landes Nordrhein-Westfalen, weiterentwickelt (ebd., 10). „Unter der Leitung von Herwig Blankertz wurde in kombinierter Theorieentwicklung und Feldforschung, unter Einbezug zahlreicher Schulen und Kollegien versucht, Wege der Integration von Berufsbildung und Allgemeinbildung zu finden“ (Huisinga, Lisop 2005, 65). Für ihn war wichtig, dass Theorie und Praxis eins werden, um „die „Praxis“ der Arbeitswelt im Modell erlernbar zu machen“ (Blankertz 1971, 28). Durch diesen Ansatz entstand Blankertz vielzitierter Kerngedanke: „Allgemeinbildung im Medium des Berufs“ (Greb 2005, 51). Bildung wird seiner Meinung nach durch zwei Prinzipien eingelöst: Zum einen der Wissenschaftsorientierung des Unterrichts, zum anderen der benötigten Kritikfähigkeit des Individuums bei der Ausübung seines Berufes (vgl. Greb 2009, 30 f.). Die Wissenschaftsorientierung ist heutzutage unerlässlich, muss aber kritisch betrachtet und analysiert werden (vgl. ebd., 31). Durch Wissenschaft können alle Lebenssituationen aufgeschlüsselt und bearbeitet werden, deshalb ist es für das Individuum unabdingbar, über dieses Wissen zu verfügen und es kritisch anwenden zu können (vgl. ebd., 30).

 

Im Rahmen der Curriculumforschung und der Entwicklung von Strukturgittern, werden empirisch-analytische Verfahren verwendet. Diese erfahrungswissenschaftlichen Instrumentarien müssen, in Anlehnung an die kritische Theorie der Frankfurter Schule (u.a. Adorno, Horkheimer), ideologiekritisch sein und politisch-gesellschaftliche Funktionen hinterfragen (vgl. Blankertz 1971, 10).

 

Blankertz (1971) sieht die Strukturgitter als gute Ansätze zu einer grundlegenden Themenfindung. Zuletzt müssen aber, nach seinem Verständnis, Qualifikationen erreicht werden und vor allem eine Persönlichkeitsbildung anstellt einer Berufsbildung stattfinden (vgl. ebd., 30 f.). Er hält deshalb ein starres Festhalten an den Ergebnissen der Strukturgitter nicht für sinnvoll. Für ihn geben diese lediglich einen Rahmen vor, der individuell gefüllt werden muss (vgl. ebd., 32). Dies sollte, wie bereits durch Siebert gefordert, durch eine Beteiligung der Lehrenden und Lernenden an der Entwicklung des Lehrplans vor Ort erfolgen (partizipationsorientierte Curriculumentwicklung) (vgl. Greb 2009, 31). Zudem muss der zeitliche Aufwand auch dem Lernerfolg und dem Nutzen gleichkommen (vgl. Blankertz 1971, 28 f.). Blankertz (1974) definiert deshalb Strukturgitter wie folgt:

 

„Es handelt sich um Kriterienkomplexe, mit deren Hilfe vorgegebene, inhaltlich bestimmte Zumutungen zu Lerngegenständen, zu Unterrichtsinhalten strukturiert und qualifiziert werden, weiterhin auch vorliegende komplexe Unterrichtsinhalte (Unterricht, Lehrbücher, Richtlinien uws.) beurteilt und mit Bestimmtheit kritisiert werden können. Strukturgitter leisten also das, was früher ein einziges, in seinen Aspekten schwer durchschaubares Auswahl- und Konstitutionskriterium, nämlich „Bildung“ leisten sollte. Ihm gegenüber haben Strukturgitter jedoch zwei Vorzüge: Einerseits sind sie auf den jeweiligen Unterrichtsbereich hin differenziert und implizieren die jeweilige wissenschaftsdidaktische Fachstruktur, andererseits legen sie ihre normativen Voraussetzungen ausdrücklich offen […]. Didaktische Strukturgitter sind also weder Lerninhalte noch Lernziele, sondern Kriterien für deren Beurteilung in analytischer und konstruktiver Absicht“ (Blankertz 1974, 19 f. zit. n. Greb 2009, 32).

 

Positiv zum Strukturgitteransatz und dessen Weiterentwicklungen äußern sich Huisinga und Lisop (2005): „Der Ansatz betont die Interdependenz von Technik, Ökonomie und Politik, die Entwicklung von Kompetenz zur Veränderung gesellschaftlicher Praxis und die anthropogenen und soziokulturellen Voraussetzungen des Lernens“ (ebd., 71). Sie glauben, dass es wichtig ist, Wissenschaft über eben diese zentralen Kategorien zu transportieren, da Wissenschaft an sich nicht bildungsbedeutsam sei, sondern lediglich Erkenntnisse generieren würde (vgl. ebd., 72).

 

Für Blankertz (1971) ergeben sich folgende Bedingungsfaktoren, die vor einer Planung zusammengetragen, bzw. vorab analysiert werden müssen:

 

a. Die objektivierbaren Veränderungen in der Lebenssituation (Arbeitswelt, Freizeit, Politische Beteiligung), welche die Reflexivität in allen Lernprozessen bedingen.

b. Die entgegenstehenden Faktoren im Bereich der vorgegebenen Institutionen, wie z.B. der traditionelle Lehrplan oder das berufliche Ausbildungssystem.

c. Die politisch- gesellschaftlichen Postulate (konservativ, progressiv).

d. Die soziokulturellen und anthropogenen Voraussetzungen. Empirisch objektivierbare Grenzen sind hier gesetzt durch „naturhaft gegebene Anlagen“ und „sozialspezifische Schranken“ (vgl. ebd., 25 ff.).

 

Erst wenn diese Dinge fixiert sind kann mit der Lehrplankonstruktion begonnen werden. Diese einzelnen Schritte werden in der folgenden Grafik (Abb. 1, Greb 2005, 272) dargestellt:

 

 

Abb. 1: Prozess der Curriculumentwicklung nach Blankertz

 

Nach den Ausführungen zu Blankertz Strukturgitter als ein exemplarisches Beispiel für eine Berufsgruppenunabhängige Fachdidaktik, soll im nächsten Kapitel weiterführend auf die Entwicklungen von Fachdidaktiken im Bereich der Gesundheitsberufe eingegangen.

 

1.4.2 Fachdidaktiken in den Gesundheitsberufen

 

Gesundheitsberufe, auch Heilberufe genannt, sind Berufe innerhalb des Gesundheitssystems, die darauf zielen zu diagnostizieren, zu heilen, zu lindern oder zu verhüten (vgl. Kuhlmey, Höppner, Schaeffer 2014, 661). Diese Gesundheitsberufe unterscheiden sich in Aufgaben, Rollen und Positionen voneinander. Die Medizin rangiert, im Gegensatz zu anderen Ländern- an höchster Position- während die nicht akademisierten Gesundheitsberufe eher an unterster Stelle der Hierarchie anzutreffen sind (vgl. ebd. 663). Aktuell entwickelt jeder Gesundheitsberuf für sein Fach eigene Theorien und Didaktiken. So wird u.a. am Universitätsklinikum der Stadt München am Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, eine eigene Fachdidaktik entworfen. Andere Bereiche im Gesundheitswesen wie u.a. die Ergotherapie oder die Physiotherapie machen sich gerade erst auf den Weg. Eine übergreifende Fachdidaktik für den Bereich der Gesundheitsberufe steht jedoch noch aus. Eine erste Skizze zu einer übergreifenden Hochschuldidaktik Gesundheit erfolgte von Reiber (vgl. Walkenhorst, Nauerth 2014, 140 f.). Die Prozesse gestalten sich schwierig, weil „die Entwicklung einer Fachdidaktik eine doppelte Expertise voraussetzt, zunächst eine fachwissenschaftliche in der jeweiligen Fachdisziplin und zum anderen eine bildungswissenschaftliche Expertise“ (ebd., 140). Auf Grund der bisher geringen Zahl an akademisch ausgebildeten Lehrkräften für den Bereich der Gesundheitsfachberufe, stellt dies eine große Herausforderung dar. Eine weitere sieht Remmers (2014), besonders für den Bereich personenbezogener, helfender Berufe darin, die Bildungsgehalte allgemeiner und beruflicher Bildung zu verschränken (vgl. ebd., 39). Zudem sollte bei allen Fachdidaktiken beachtet werden, den allgemeinbildenden Anspruch der Persönlichkeitsbildung mit aufgreifen und mit dem Blick auf die spezifischen Herausforderungen eines Feldes diese didaktisch in den Alltag zu transformieren (vgl. Remmers 2014, 39). Auf Grund der noch geringen Akademisierung, hat die Curriculumentwicklung der Pflege, im Vergleich zum öffentlichen Bildungssystem, noch keine lange Tradition (vgl. Hundenborn 2014, 269). Was den Bereich der Fachdidaktik für Gesundheitsberufe so besonders macht, soll das nächste Kapitel kurz aufzeigen.

 

1.4.3 Entwicklungen in der Fachdidaktik Pflege

 

Ertl- Schmuck und Fichtmüller (2009) sind der Meinung, dass die Pflege „ein hochkomplexes Geschehen (ist)“ (ebd., 7). Es wird dadurch komplex, dass das Handeln in der Pflege immer auf den „Koproduzenten“, den Patienten und seine Angehörige, angewiesen ist. Daraus resultieren Phänomene wie u.a. das Handeln in Ungewissheit und eine hohe Interaktionsdichte (vgl. ebd., 7). Sie begründen, dass durch diese und andere Einflussfaktoren, die auf das Handeln in der Pflege einwirken, eine eigene Fachdidaktik von Nöten ist, die eben diese Faktoren mit einbeziehen kann (vgl. ebd., 7). „Entsprechend reichen allgemeine didaktische Ansätze ebenso wenig aus, wie sie in anderen Berufsausbildungen für angemessen erachtet werden“ (Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, 7). Eine Fachdidaktik Pflege, sollte eine Verknüpfung aus den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft (insbesondere der allgemeinen Didaktik) und Berufspädagogik (genauer der Didaktik der beruflichen Ausbildung bzw. Weiterbildung) sowie der Pflegewissenschaft beinhalten (vgl. Plaumann 2012, 13). Ertl- Schmuck und Fichtmüller (2009) definieren die Pflegedidaktik wie folgt:

 

„Sie ist eine Handlungswissenschaft, die interdisziplinär angelegt ist. Sie macht Aussagen zu den pflegeberuflichen Lehr- und Lernprozessen, insbesondere zu relevanten Aneignungsgegenständen und zu den am Lernprozess beteiligten Subjekten, in institutionalisierten Kontexten. Die Aufgabe der Pflegedidaktik bestehet darin, die Lehr-/Lernprozesse zu beschrieben und zu analysieren. Ihr Anliegen ist die Generierung von Begründungs-, Orientierungs- und Reflexionsrahmen zur zielgerichteten sowie strukturierter Gestaltung von Lern – und Bildungsprozessen und deren Bedingungsgefüge“ (ebd., 45f.).

 

Fachdidaktische Entwürfe für das Berufsfeld Pflege sind u.a.:

 

Die „Interaktionistische Pflegedidaktik“ von Darmann- Finck (unter Mitarbeit von Muths). Diese Didaktik hat eine bildungstheoretische Perspektive und arbeitet mit Lerninseln und Schlüsselproblemen (vgl. Darmann-Finck 2010, 13 ff.).

 

Der Strukturgitteransatz von Greb. Dieser verfolgt ebenfalls eine bildungstheoretische Perspektive und arbeitet anhand einer pflegedidaktischen Kategorialanalyse (vgl. Greb 2010, 124 ff.).

 

Die „kritisch konstruktive Lernfelddidaktik“ von Wittneben. Auch hier wird der Bildungsbegriff zu Grunde gelegt (vgl. Wittneben 2009, 103 ff.).

 

Die „Subjektive Theorie als Voraussetzung für handlungsrelevantes berufliches Lernen“ von Schwarz-Govaers. Die Theorie basiert auf einem konstruktivistischem Zugang und arbeitet mit einem problembasierten Lernbegriff als Basis (vgl. Schwarz-Govaers 2010, 166 ff.).

 

„Pflege gestalten lernen“ Fichtmüller und Walter, dort wird der Lernbegriff zu Grunde gelegt (vgl. Fichtmüller, Walter 2010, 91 ff.).

 

Die „Subjektorientierte Pflegedidaktik“ von Ertl- Schmuck, in dieser ist das Subjekt das zentrale Element. Der Fokus liegt auf einer reflexiven, kritischen Ebene (vgl. Darmann-Finck, Foth 2014, 166).

 

Alle diese Theorien für sich beinhalten Aspekte für die Entwicklung einer eigenen Pflegedidaktik.

 

Sich auf das bereits vorgestellte Modell zur Curriculumentwicklung von Blankertz beziehend, wird hier als nächstes der Strukturgitteransatz oder die pflegedidaktische Kategorialanalyse nach Greb vorgestellt. Alle anderen Didaktiken zum Fachbereich Pflege werden hier auf Grund der Seitenbegrenzung nicht aufgeführt, sind aber im Buch von Ertl- Schmuck und Fichtmüller (2010) „Theorien und Modelle der Pflegedidaktik“ ausführlich beschrieben.

 

Der Strukturgitteransatz Fachdidaktik Pflege nach Greb

 

Der erste Entwurf einer pflegedidaktischen Matrix entstand zwischen 1995 und 1998 an der Universität in Osnabrück im Rahmen des berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengangs für Lehrer an Schulen des Gesundheitswesens (vgl. Greb 2010, 126). Die Arbeiten begannen mit der Rekonstruktion des „Metaparadigmas der Pflege“ und es entstanden vier Begriffe (Person, Gesundheit, Umwelt und Pflege) die mit den Kategorien einer Matrix (Krankheitserleben, Individuum und Interaktion) ins Verhältnis gesetzt wurden (vgl. ebd., 127). Für die weitere Entwicklung der kategorialen Analyse wurde der Strukturgitteransatz von Blankertz als Grundlage für eine Systematik herangezogen (vgl. ebd., 127). Innerhalb des Promotionsprojektes von Greb entstand so aus der kategorialen Analyse die Basis für das Strukturgitter für die Pflege (Greb 2009, 23). Die wissenschaftstheoretischen Wurzeln dieses Modells liegen so wie bei Blankertz in der kritischen Theorie der Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer) (vgl. ebd., 27). Da Wissen nicht kontextunabhängig, sondern immer durch die Gesellschaft u.a. durch die Sprache geprägt ist, gilt es dieses immer wieder zu hinterfragen (vgl. ebd. 27).

 

Greb (2010) definiert das Strukturgitter bzw. die Kategorialanalyse wie folgt:

 

„Sie ist eine durch pflegepädagogische Kategorien gelenkte systematische Analyse und Reflexion von Anforderungen, wie sie beispielsweise durch Lernfelder oder Bildungspläne vorgegeben sind. In einer theoretischen Kategorialanalyse werden empirische und fachwissenschaftliche Sachverhalte der Pflege sowie berufliche Handlungserfordernisse mit Hilfe eines pflegeimmanenten Kriteriensatzes in didaktische Gegenstände übersetzt (transformiert) und auf diesem Weg als Unterrichtsgegenstände bildungstheoretisch fundiert“ (ebd., 125).

 

Im Verlauf einer curricularen Konstruktion würden nach der Kategorialanalyse eine Bedingungsanalyse und eine empirische Realanalyse stattfinden (vgl. ebd., 125). „Der Kriteriensatz des Strukturgitters kann gleichermaßen zur Entscheidung über Bildungsinhalte wie zur pflegedidaktischen Ausrichtung der Sachanalyse herangezogen werden“ (ebd., 130). Die Matrix soll Lehrende dabei unterstützen die Pflegewirklichkeit und Pflegetheorie in Bildungsgegenstände zu verwandeln (vgl. Greb 2009, 32). Durch sie wird versucht „Pflege in Konstellationen sichtbar zu machen“ (ebd., 29). Strukturgitter dienen also der Übersetzung, deshalb werden sie auch als curriculare Transformationsgrammatik betitelt (vgl. ebd., 32). Nach Greb (2010) lässt sich „der Kriteriensatz für Berufsgruppen unterschiedlich zusammenstellen, bzw. je nach Lernfeldschwerpunkt innerhalb eines Rahmenlehrplans abwandeln“ (ebd., 157). Unter der Beteiligung ihrer Studierenden entwickelt sie immer weitere Kriteriensätze für unterschiedliche Fachgebiete (u.a. Psychiatrie und Intensiv). In der Grafik auf Seite 24 wird der Kriteriensatz in Bezug auf die Gesundheitsfachberufe allgemein dargestellt (Abb. 2, ebd., 157). Dieses Strukturgitter wird derzeit an der Universität Hamburg erprobt (vgl. Greb 2010, 156). Alle Kategorien der Struktur sind nach Bedarf erweiterbar. „Die horizontalen Zeilenkategorien beziehen sich auf den Systemzusammenhang pflegerischen Handelns“ (Greb 2009, 32, H.i.O.). „Die vertikalen Spaltenkategorien beinhalten die Subjektperspektive mit dem Bildungsanspruch und dem pädagogischen Auftrag“ (ebd., 33, H.i.O.). Innerhalb der Strukturgitterfelder erfolgt dann die Verknüpfung von Subjekt- und Systembezug (vgl. Greb 2005, 50). Auf diese Weise können exemplarische Situationen eines Berufsfeldes an Hand des Kriteriensatzes für Lernfelder thematisch aufbereitet werden (vgl. ebd., 36 f.).

 

Kritisiert und zeitgleich gewürdigt wird ihre Arbeit und die vorherigen an den Strukturgittern durch Gruschka (2010). Er bemängelt die „Überfrachtung“ der Strukturgitter. Diese würden Unterrichtsinhalte in so einer Vielfalt generiert werden, dass es eine Umsetzung in den normalen Schulalltag unmöglich macht (vgl. ebd., 160). „Eher glichen die Kursentwürfe einem akademischen Programm für mehrere Semester als einem realisierbaren Entwurf für einen zweistündigen Halbjahreskurs“ (ebd., 160). Zeitgleich würdigt er jedoch Grebs pädagogischen, kritischen Anspruch und ihre gut durchdachten Ausführungen (vgl. Gruschka 2010, 163).

 

 

Abb.2: Erweiterte Fassung des Strukturgitters für die Gesundheitsfachberufe

 

Mit der Weiterentwicklung der Pflege und vor allem der Etablierung der Pflegewissenschaft begannen auch erneut die Bemühungen um eine Curriculumentwicklung in der Pflege. Hundenborn und Knigge-Demal entwickelten ihren systemischen Ansatz basierend auf dem mehrphasigen Modell von Siebert (vgl. Hundenborn 2014, 272). Leider musste die Arbeit eingestellt werden, aber bereits die Zwischenergebnisse dienten als Grundlage für andere curriculare Entwicklungen, z.B. das „Modell der gestuften und modularisierten Altenpflegequalifizierung“ (FH Bielefeld und Dip) und die „Entwicklung eines Curriculum für die Praxisanleitung in NRW“ (Nienhaus, Naumer) (vgl. Hundenborn 2014, 271). Zudem implementieren sich Modellversuche auf Basis integrativer und generalistischer Ausbildungsformen, gefördert durch das Bundesministerium und unterstützt u.a. durch das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (vgl. ebd., 275).

 

Für die meisten die ein Curriculum konzipieren, endet das Projekt mit einem fertigen Produkt. Robinsohn und Siebert sahen die Curriculumevaluation allerdings als einen Abschluss der Konzeption und zeitgleich als einen Beginn der Überarbeitung, bzw. Neukonzipierung (vgl. Siebert 1974, 8). Im folgenden Kapitel wird sich daher mit der Implementation und Evaluation von Curricula auseinandersetzen.

 

1.5 Curriculumimplementation und -evaluation

 

Nach Sieberts Kritik bleibt nicht nur die Umsetzung von Curricula in den Unterrichtsalltag verborgen, sondern bereits die ersten Schritte der Curriculumplanung. Beides sollte seiner Meinung nach kontinuierlich in Form einer formativen Evaluation begleitet werden (vgl. Siebert 1974, 94). Eine Übersicht über die geplanten oder durchgeführten Schritte innerhalb der Konstruktion bietet ein Ablaufplan (=Curriculumstrategie) (vgl. ebd., 94 f.). Die Konstruktion ist als eine Art Handlungsbeschreibung oder -Anleitung zu sehen. Die Curriculumstrategie hingegen soll, unter Berücksichtigung von Informationen, Personen und Institutionen, eine Abfolge der Verhaltensereignisse und ihrer Zusammenhänge geben. „Erst an Hand einer solchen Strategie kann die Curriculumentwicklung evaluiert werden“ (Frey 1970, 14 f. zit. n. Siebert 1974, 38).

 

Aber nicht nur der Evaluation, auch der Implementation der Curricula, also der tatsächlichen Umsetzung in den Unterricht wird meist wenig Beachtung geschenkt (vgl. Siebert 1974, 93). So besteht die Gefahr, dass neben dem eigentlich geplanten, ein zweites, latentes Curriculum entwickelt wird. Dies ist dann jedoch, auf Grund der individuellen Umsetzung, nicht mehr kontrollierbar (vgl. ebd., 93). Siebert (1974) empfiehlt daher den Einbezug der Implementationsphase in die Konstruktionsphase. Da nicht alle Faktoren des Lehr- und Lernfelds vorhersehbar sind, gilt es die Implementation engmaschig zu begleiten, um ggf. Korrekturen an der Konstruktion vornehmen zu können (vgl. ebd., 93 f.).

 

Das soll nicht bedeuten, dass Curricula strikt nach einem Plan, bzw. einer Struktur konzipiert werden, oft bedingen sich die verschiedenen Ebenen oder Schritte wechselseitig und beziehen sich aufeinander. Doch „ohne eine entsprechende Methodik lässt sich die Strukturierung von Curricula nicht bewältigen“ (Huisinga, Lisop 2005, 39). Hierfür wurde der Begriff der Curriculummethodologie eingeführt. Die Methodologie „stellt das Instrumentarium zur Erhebung und Verarbeitung der Daten bereit. Diese Instrumente umfassen sowohl Techniken der Qualifikations- und Arbeitsplatzanalyse als auch Techniken der Entscheidungsfindung und Konsensbildung, der Lernzielpräzisierung und -hierarchisierung“ (Siebert 1974, 38). Die „Entwicklung und Evaluierung von Qualifikationsmaßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen z.B. die Evaluierung aktuell angebotener Fort- und Weiterbildungen für Pflegende, Curriculumentwicklung für akademische Qualifizierungsangebote, Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis, Regel- und Spezialversorgung“ ist ein intensiv bearbeitetes Thema der internationalen Pflegeforschung (Ewers 2014, 572).

 

In Fort- und Weiterbildungen oder an Hochschulen ist heutzutage meist im Rahmen einer Zertifizierung bzw. Akkreditierung, eine Evaluation fester Bestandteil der Konzeption.

 

Wie die Darstellung verschiedener Didaktiken und die beispielhafte Vorstellung zweier Modelle gezeigt hat, sind vor allem gesellschaftliche und politische Strukturen und Vorgaben ausschlaggebend für die Ausgestaltung von Curricula. Hierzu gehören neben den verschiedenen gesetzlichen Vorgaben (z.B. die Gesetzte für die Erwachsenen- und Weiterbildung, die Berufsgesetzte der Krankenpflege oder Altenpflege, die Hochschulgesetzte u.v.m.), ebenso die Entscheidungen aus der Berufs- und Bildungspolitik und der europäischen Union. Auf diese Einflüsse in Bezug auf die Planung von Fort- und Weiterbildungen wird im nächsten Kapiteln näher eingegangen.

 

1.6 Berufs- und Bildungspolitische Einflüsse

 

Entscheidungen auf europäischer Ebene haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass national ein Umdenken in der Bildung eingeleitet wurde. „Dieses Umdenken wurde geprägt durch die Aussagen wichtiger Institutionen wie z.B. der KMK (Kultusministerkonferenz), der HRK (Hochschulrektorenkonferenz), des Forum Bildung des BIBB (Bundesinstitut für berufliche Bildung), der HRK (Hochschulrektorenkonferenz), der BLK (Bund-Länder Kommission) oder dem CHE (Centrum für Hochschulentwicklung)“ (Evers, Nauerth 2008, 261). Die Tendenzen für den europäischen Bildungsraum, für das Feld der Weiterbildung sind u.a.:

 

Weiterbildungen sollen in modularisierter Form angeboten werden,

 

sie sollen möglichst mit einem international vergleichbaren Zertifikat abgeschlossen werden, nach Möglichkeit unter Anwendung eines Zertifizierungs-Systems wie dem ECTS (European Credit Transfer System),

 

sie sollen in einem einheitlich geführten und somit vergleichbaren „Qualifikations- und Weiterbildungspass“ dokumentiert werden,

 

sie sollen nach Möglichkeit in der Verantwortung des tertiären Bildungsbereichs liegen (vgl. Stöcker 2004, ISSRT 2003, DIPF 2004 in Evers, Nauerth 2008, 261).

 

Zudem gibt es national seitens der KMK die Forderung nach einer lernfeldorientierten Didaktik im Sinne der Handlungsorientierung (vgl. Handreichung der KMK 2011).

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Titre
Eine pflegepädagogische Perspektive auf die Curricula im Bereich der Palliative Care
Université
Fliedner University of Applied Sciences Düsseldorf
Cours
Pflegepädagogik
Note
1,7
Auteur
Année
2014
Pages
60
N° de catalogue
V378645
ISBN (ebook)
9783668619319
ISBN (Livre)
9783668619326
Taille d'un fichier
698 KB
Langue
allemand
Mots clés
Palliative Care, Pflegepädagogik, Curriculum, Palliativversorgung
Citation du texte
Karina Schürkens (Auteur), 2014, Eine pflegepädagogische Perspektive auf die Curricula im Bereich der Palliative Care, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378645

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