Die Versuche der Europäischen Union bzw. der Europäischen Gemeinschaft eine Verfassung zu geben, gehen bis zu den Anfängen der europäischen Integration zurück. Die Europäischen Gründerväter wollten mehr als nur einen losen Zusammenschluss gleich gesinnter Staaten mit gemeinsamen Zielen, mehr als einen gemeinsamen Binnenmarkt. Schon am 6.Mai 1951 wurde ein "Entwurf einer Europäischen Bundesverfassung" vorgestellt, der zu der Föderation der "Vereinigten Staaten von Europa" führen sollte. Im Anschluss daran wurden nahezu in jedem Jahrzehnt der Geschichte der europäischen Einigung Entwürfe für die "Unionsverfassung" diskutiert. In den 50er Jahren gab es die Initiative zur Gründung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft, in den 60er Jahren die Fouchet-Pläne, im anschließenden Jahrzehnt den Tindemann Bericht und im Jahre 1984 und 1994 brachte das Europäische Parlament jeweils einen Verfassungsentwurf hervor.
10 Jahre nach dem letzten Verfassungsentwurf und den letzten Entwurfsdiskussionen, ist die Verfassungsfrage wieder aktuell geworden. Es stellt sich hier die Frage, worauf die erneute Verfassungsdiskussion beruht und inwieweit sich die Chancen verbessert haben. Die erneute Diskussion steht im Zusammenhang mit der historischen Aufgabe der Erweiterung der Union um die Länder Mittel- und Osteuropas sowie Maltas und Zypern, die nur durch das Ende des Kalten Krieges möglich wurde. Die Erweiterung um derzeit 10 Staaten, der größten Erweiterungsrunde seit der Gründung der EG, gibt der Frage nach erkennbaren und klaren Grundlagen für die Identität und das Handeln der EU neues Gewicht. Um den gewachsenen Aufgaben eines Europa der 25 gerecht zu werden, ist es notwendig, über die Errungenschaften von Nizza hinaus mit den EG-Verträgen die rechtlichen Grundlagen zu reformieren und neuen Anforderungen anzupassen. Ebenso haben die Ereignisse des 11. Septembers 2001 Anlass zu einem Überdenken der Ziele und Werte der europäischen Integration, insbesondere im Hinblick auf die GASP und die Zusammenarbeit im Bereich des Inneren und der Justiz gegeben.
Inhaltsverzeichnis
- Analyse von Verfassungsmerkmalen auf Relevanz für die Prüfung der Notwendigkeit eines Referendums
- Staatlichkeit
- Verfassungsfunktionen
- Verfassungsgebende Gewalt
- Formeller und materieller Verfassungsbegriff
- Formeller Verfassungsbegriff
- Materieller Verfassungsbegriff
- Formeller und materieller Verfassungsbegriff
- Zusammenfassung
- Erfordernis eines Referendums aufgrund Staatswerdung
- Staatlichkeit der EU
- Verhältnis von EU und EG
- Staatlickeitsprüfung (Drei-Elementen-Lehre)
- Staatsgebiet
- Staatsvolk
- Staatsgewalt
- Außenkompetenzen der EU
- Innenkompetenzen
- Kompetenz-Kompetenz
- Zusammenfassung
- Verfassungsentwurf und Staatswerdung der EU
- Staatlichkeit als zwingende Verfassungsvoraussetzung
- Traditionelle Ansicht
- Moderne Ansicht
- Auseinandersetzung
- Verfassungsbedarf der EU
- Zusammenfassung
- Erfordernis eines Referendums zur Erfüllung von Legitimations- und Integrationsfunktion
- Legitimationsfunktion
- Die Einbeziehung des Volkes in die Verfassungsentstehung
- Die Lehre vom pouvoir constituant als Ausdruck der Volkssouveränität
- Verfassungsentstehung in Nationalstaaten und Verfassungsentwicklung der EU
- Deutschland
- Vereinigte Staaten von Amerika
- Frankreich
- Irland
- Schweiz
- Spanien
- Die Entstehung des europäischen Primärrechts
- Die Rechtsprechung des EuGH
- Die Vertragsänderungen
- Der Post-Nizza Prozess
- Zusammenfassende Analyse
- Übertragbarkeit der nationalstaatlichen Theorie und Praxis der verfassungsgebenden Gewalt auf die EU
- Völkerrechtlicher Vertrag
- Unionsbürger in Form der europäischen Staatsvölker
- Mitgliedstaaten
- Staatsvölker und Mitgliedstaaten (pouvoir constituant mixte)
- Staatsvölker, Regierungen der Mitgliedstaaten und europäischen Organe
- Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meinungen
- Einheitliches souveränes Staatsvolk
- Zusammenfassende Analyse
- Völkerrechtlicher Vertrag
- Zusammenfassung
- Integrations- und Identifikationsfunktion
- Erfüllung der Integrations- und Identifikationsfunktion durch die Grundlagenverträge
- Erfüllung der Integrations- und Identitätsfunktion durch die zukünftige europäische Verfassung
- Einheitsstiftender Inhalt
- Symbolischer Akt der Verfassungsgebung durch das Unionsvolk in Form eines europaweiten Referendums
- Der Begriff des formalen Unionsvolkes
- Homogenität des formalen Unionsvolkes
- Zusammenfassung
- Ergebnis
- Die Einbeziehung des Volkes in die Verfassungsentstehung
- Modalitäten des Referendums
- Rechtsgrundlage für Referenden der Staatsvölker der EU
- Mitgliedstaaten
- Beitrittstaaten
- Zusammenfassende Analyse
- Rechtsgrundlage für ein europaweites Referendum
- Schaffung einer Rechtsgrundlage im Wege der Vertragsänderung
- Absichtserklärung des Europäischen Rates
- Mögliche Fragestellung
- Zusammenfassung
- Rechtsgrundlage für Referenden der Staatsvölker der EU
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Autorin untersucht in ihrer Arbeit die Notwendigkeit eines Referendums im Zusammenhang mit der Entstehung einer europäischen Verfassung. Sie analysiert dabei die verschiedenen Aspekte der Staatswerdung der EU und beleuchtet die Rolle eines Referendums in Bezug auf die Legitimations- und Integrationsfunktion einer europäischen Verfassung.
- Die Staatswerdung der EU im Kontext der europäischen Integration
- Das Referendum als Mittel zur Legitimation und Integration einer europäischen Verfassung
- Die Verfassungsgebende Gewalt in der EU im Vergleich zu Nationalstaaten
- Die Bedeutung der Volkssouveränität und deren Ausprägung im europäischen Kontext
- Die rechtlichen und praktischen Aspekte der Durchführung eines europaweiten Referendums
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit befasst sich mit der Analyse von Verfassungsmerkmalen, die für die Prüfung der Notwendigkeit eines Referendums relevant sind. Es werden dabei insbesondere die Begriffe der Staatlichkeit, der Verfassungsfunktionen und der verfassungsgebenden Gewalt beleuchtet.
Im zweiten Kapitel wird die Frage der Staatswerdung der EU untersucht. Die Autorin analysiert das Verhältnis von EU und EG und bewertet die Staatlichkeit der EU anhand der Drei-Elementen-Lehre.
Das dritte Kapitel widmet sich der Legitimations- und Integrationsfunktion einer europäischen Verfassung. Es wird untersucht, inwieweit ein Referendum zur Einbeziehung des Volkes in die Verfassungsentstehung beitragen kann und ob die nationalstaatliche Theorie und Praxis der verfassungsgebenden Gewalt auf die EU übertragen werden kann.
Das vierte Kapitel behandelt die Modalitäten des Referendums. Es werden die Rechtsgrundlagen für Referenden in den Mitgliedstaaten sowie die rechtlichen Aspekte eines europaweiten Referendums diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Fragen der europäischen Integration und konzentriert sich dabei auf die Themen Verfassung, Staatswerdung, Legitimation, Integration, Referendum und Volkssouveränität. Im Kontext der EU-Verfassung werden außerdem wichtige Konzepte wie die Drei-Elementen-Lehre, die Lehre vom pouvoir constituant sowie die Verfassungsentwicklung in verschiedenen Nationalstaaten beleuchtet.
- Legitimationsfunktion
- Staatlichkeit der EU
- Quote paper
- Tanja Held (Author), 2004, Eine Verfassung für Europa - mit oder ohne Referendum?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37865