Die Mediendarstellung des „Skisprunghelden auf Zeit“ Sven Hannawald


Term Paper (Advanced seminar), 2016

33 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wissenschaftliche Grundlage zur Sportberichterstattung
2.1 Gunter Gebauer: „Geschichten, Rezepte, Mythen – Über das Erzählen von Sportereignissen“
2.2 Peter Becker: „Ob FAZ oder Bild, Sport bleibt Sport – zur Bedeutungskonsonanz der Sportberichterstattung“
2.3 Dieter Kroppach: „Gedruckt: Pathos oder Sachlichkeit?“
2.4 Prinzipien der Sportberichterstattung
2.5 Mediale Heldengeschichten
2.5.1 KarlHeinrich Bette: „Sportsoziologische Aufklärung. Studien zum Sport der modernen Gesellschaft“
2.5.2 Jürgen Schwier/Thorsten Schauerte: „Soziologie des Mediensports“

3 Sven Hannawald: Aufstieg und Absturz

4 Die Sportberichterstattung über Sven Hannawald in den deutschen Druckmedien
4.1 Die Sportberichterstattung über den Helden Sven Hannawald
4.1.1 Gerhard Pfeil: „Buhei um den WinterSchumi“ (Spiegel, 2002)
4.1.2 Tobias Rabe: „Sven Hannawald: Schwerer fliegt sich leichter“ (FAZ, 2002)
4.1.3 Focus: „Hanni und das große Money“ (Focus, 2002)
4.2 Die Sportberichterstattung über den gefallenen Helden Sven Hannawald
4.2.1 Maik Grossekathöfer/Gerhard Pfeil: „Ein Leben für sechs Sekunden“ (Spiegel, 2004)
4.2.2 Jörg, Hahn: „Im Schneckenhaus“ (FAZ, 2004)
4.2.3 Focus: „Die Wende nach dem Triumph“ (Focus, 2013)
4.3 Einordnung der Analyse in die wissenschaftliche Grundlage

5 Fazit

1 Einleitung

In der Skisprungsaison 2001/2002 gewann Sven Hannawald alle vier Einzelspringen bei der Vierschanzentournee. Ein Rekord für die Ewigkeit. Nach dem sporthistorischen Sieg des Skispringers überschlug sich die nationale Presse mit Superlativen: „Sven Hannawald landet im Himmel“ (Die Welt), „Hannawald bester Flieger aller Zeiten“ (Berliner Kurier), „Der Flugsaurier landet um 15.56 Uhr“ (Berliner Zeitung), „Svenomenal“ (Berliner Morgenpost), „Svensationell“ ( BZ).[1] In der Tat ging Sven Hannawald mit dem bis heute unerreichtem VierfachTriumph des wichtigsten SkisprungEreignisses des Jahres in die Geschichtsbücher ein. Kein anderer Skispringer der traditionsreichen deutschösterreichischen Großveranstaltung hat je alle vier Springen der Vierschanzentournee für sich entscheiden können. Mit dieser einmaligen Leistung flog der Skispringer direkt in die Herzen der Fans und zählt deshalb noch heute zu den beliebtesten und erfolgreichsten Sportlern Deutschlands. Hinzu kommen mehrere Medaillen bei olympischen Spielen und Weltmeisterschaften sowie der Titel zum Sportler des Jahres 2002. Doch die Karriere des Sven Hannawald ist auch durch Schattenseiten gekennzeichnet: Magersucht, Depressionen, Burnout, weshalb er schließlich auch seine Karriere im Jahr 2004 aufgrund von psychischen Problemen beenden musste.

Ziel dieser Arbeit ist es, einerseits die Sportberichterstattung des gefeierten Helden Sven Hannawald auf dem Höhepunkt seiner Karriere darzustellen. Andererseits soll ebenso herausgefunden werden, wie die Medienlandschaft mit dem gefallenen Helden Hannawald umgeht. Ausgehend von drei wissenschaftlichen Texten wird untersucht, welchen Mustern und Prinzipien die Sportberichterstattung im Allgemeinen folgt und ob diese sowohl auf den Superstar Hannawald, wie auch den gescheiterten Helden angewendet werden. Zudem wird überprüft, ob die Berichterstattung über Sven Hannawald einer typischen medialen Heldengeschichte gleicht. Die Untersuchung stützt sich auf Artikel der Frankfurter Allgemeinen, des Focus und des Spiegels.

2 Wissenschaftliche Grundlage zur Sportberichterstattung

Um herauszufinden, wie Sven Hannawald in den deutschen Medien dargestellt wird, muss zunächst geklärt werden, wie Sportberichterstattung überhaupt funktioniert und welchen leitenden Prinzipien sie folgt. Dies soll nun anhand von drei Texten geschehen, welche als Forschungsgrundlage dienen.

2.1 Gunter Gebauer: „Geschichten, Rezepte, Mythen – Über das Erzählen von Sportereignissen“

Die Kernaussage bringt der Verfasser gleich zu Beginn mehrmalig zum Ausdruck. Die Hauptthese Gebauers lautet nämlich, dass Sportereignisse in der Sportberichterstattung in Form von Geschichten dargestellt werden.[2] Laut Gebauer drücken die Ereignisse allein noch nichts aus. Erst die Geschichten geben Ereignisse wieder, schlagen besondere Töne an und geben den Ereignissen eine spezifische Färbung. Ein Vergleich Gebauers von Kochrezepten mit den Geschichten verdeutlicht noch einmal die Wichtigkeit dieser bei der Sportberichterstattung:

„Rezepte sind bei der Lebensmittelzubereitung jene Instanz, die bei der Sportberichterstattung den Geschichten entspricht. Sie sind, wenn der Koch auf den Markt geht, schon vorhanden und haben seinen Blick auf die Produkte vorgeformt.“[3]

In Form von Berichten enthalten die Geschichten laut Gebauer bestimmte Tendenzen, verformen Ereignisse und bewerten und interpretieren diese, und dies in vielen Fällen sogar einseitig. Die Geschichten von Sporterzählern, journalisten und –reportern zeichnen sich durch vier Gemeinsamkeiten aus: ein spezifisches Lexikon (Wörter, die für diese Art von Beschreibung notwendig sind), eine Darstellungsweise, die der Erzählung eine Struktur gibt, eine Wirkung auf den Hörer/Seher/Leser (z.B. Spannung, Freude, Trost) und eine Beziehung zu den dargestellten Ereignissen (z.B. Enttäuschung, Identifikationswunsch). Durch diese vier Eigenschaften, die einer sprachlichen Darstellung entsprechen, haben die Geschichten des Sports den Anspruch, die Ereignisse sinnvoll zu machen. Sie entfalten eine dargestellte Welt, in der Ereignisse geschehen, Personen agieren, Handlungsresultate entstehen, die in unserer Gesellschaft zentralen Rang haben. Sie stellen z.B. fest, ob ein Erfolg verdient ist, ob ein Athlet Glück oder Pech gehabt hat oder ob eine Mannschaft aufsteigt oder absteigt. Kurz, sie deuten Ereignisse, die in unserem Alltagsleben ständig vorkommen, aus denen das Alltagsleben wesentlich besteht.[4] Für Gunter Gebauer tragen ebenso narrative Strukturen zur Geschichtenbildung in den Massenmedien bei:

„Es gibt Strukturen der Sprache, die Ereignisse formen, aber nicht nur einfach überformen, sondern sie können Ereignisse regelrecht erzeugen, so daß deren Ablauf und Deutung schon vorgeprägt ist, bevor sie stattfinden: Darstellungsstrukturen, die einen ganzen Diskurs organisieren und die ich als Geschichten bezeichnet habe.“[5]

Die Geschichten des Sports ihrerseits formen Ausdrucksmittel für die Sportmythologie. Denn auch die Sportmythologie drückt sich in Geschichten aus. Sie ist eine Sammlung von Wesensmerkmalen, von Essenzen, wie Gebauer sie nennt. Genau die Essenzen sind jene Kernmerkmale, die die Geschichten formen. Sie sind geschichtslos und transformieren einen modernen Athleten ins Übermenschliche und Archetypische um. Mythische Essenzen zeichnen sich u.a. durch fünf folgende Merkmale aus: Stabilität, Konstanz, Typisierung von Handlungen, Begründungen geben und Individuen zu Trägern einer bestimmten Essenz zu formen.[6] Bei den Erzählstrukturen der Sportberichterstattung stellt Gebauer zudem eine gewisse Stereotypie der Darstellungsweisen fest. Es existiert nur eine kleine Anzahl von Erzählformen, mit deren Hilfe die erzählten Ereignisse geschaffen werden. Bei der Darstellung von Ereignissen des Spitzensports werden vor allem die Legende und das Märchen mit Vorliebe verwendet. Mittels der Sprache werden so Ereignisse im Sport erzeugt.[7]

2.2 Peter Becker:„Ob FAZ oder Bild, Sport bleibt Sport – zur Bedeutungskonsonanz der Sportberichterstattung“

Als zweiten Text, der die Mechanismen der Sportberichterstattung herausstellen soll, wird nun der von Peter Becker herangezogen. Beckers Hauptaussage in Bezug darauf, wie die Massenmedien arbeiten, ist die Einheitlichkeit der Darstellung der Sportwelt von Journalisten. In seiner Ausführung vergleicht er die Redaktionsarbeiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der Welt, der Frankfurter Rundschau und der Bild-Zeitung miteinander. Überprüft man den Grad der Ähnlichkeiten in den einzelnen Redaktionen, kommt Becker zu dem Ergebnis, dass es aufgrund von ähnlichen Orientierungen und ähnlichen Auswahlvorgängen zu hohen bis sehr hohen redaktionellen Übereinstimmungen kommt.

„Aufgrund der nahezu durchgängig hohen Korrelationskoeffizienten kann die Vermutung zurückgewiesen werden, daß Redaktionen gegensätzlicher ideologischer Position und unterschiedlichen Selbstkonzepten unterschiedliche Regelkanons entwickeln, nach denen sie die Relevanz von Themen für ihre Sportberichterstattung festlegen.“[8]

Prestigezeitungen wie z.B. die FAZ zeigen ebenso wie die Bild-Zeitung als Boulevardblatt einen ausgeprägten Konsens darüber, über welche Themen die Sportwelt lesegerecht aufzubereiten ist. Lesern beider Zeitungen wird also eine ähnliche Sportwelt vermittelt. Um den Wünschen ihrer Leser zu entsprechen, müssen die Redaktionen – wie Becker herausstellt – jedoch erst einmal eine drastische Reduktion der ursprünglich eingegangenen Meldungen vornehmen. Dabei finden folgende Selektionsregeln Anwendung:

- Überragende Priorität bestimmter Werte: Damit können positive Werte wie Fair Play oder soziales Engagement gemeint sein, aber auch negative Werte wie Doping oder Bestechung, über die gern berichtet wird.
- Krisen und Krisensymptome: Sportliche Krisen von Mannschaften oder Einzelsportlern finden in den Medien ebenfalls großen Anklang.
- Neuheit von Ereignissen: Ein überraschendes Ereignis/Ende besitzt höheren Aufmerksamkeitswert als stetig ablaufende Prozesse.
- Schmerzen oder zivilisatorische Schmerzsurrogate: Ereignisse, die beim Leser Gefühle wie Entsetzen oder heftige Emotionen hervorrufen, sind ebenfalls sehr beliebt.
- Demonstration von Leistung und Erfolg: Erfolgreiche Sportler erfreuen sich einer höheren Medienpräsenz als weniger Erfolgreiche.
- Human Interest: Hohe Nachrichtenattraktivität hat auch der außersportliche Bereich eines erfolgreichen Sportlers.
- Personalisierung: Vor allem Einzelpersonen und der Identifikationsmöglichkeit mit diesen wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet.[9]

In allen vier von Becker untersuchten Redaktionen finden die gleichen Selektionsregeln Anwendung. Es werden nicht nur die gleichen Themen ausgewählt, sondern ihnen wird von allen Zeitungen auch die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet.

„Unterschiedliche Druckmedien rekonstruieren nicht nur über die Auswahl ihrer Themen verblüffend ähnliche Sportwelten, sie <bevölkern> sie auch mit Personen, die sich weitgehend aufgrund ähnlicher Eigenschaften auch an identischen Normen orientieren.“[10]

Die Sportberichterstattung bietet also laut Becker Geschichten mit immer gleichen Strickmustern und stellt somit eine Verbindung zu Gebauer her. Als weiteren Punkt für die Gleichförmigkeit der Sportberichterstattung nennt Becker die Normierung der Rezipienten, die sich alle gleichermaßen nach Themen mit einer hohen öffentlichen Diskussionswürdigkeit sehnen: Neuigkeiten, Krisen, große Erfolge, Sensationen, Katastrophen usw. „Die Tatsache, daß ein relativ einheitliches Bild in den Medien vermittelt wird, verstärkt den Eindruck, daß es sich hierbei <tatsächlich> um einen für alle relevanten Gesellschaftsbereich handelt.“[11] Um den Informationsbedürfnissen ihrer Rezipienten gerecht zu werden, sorgen die Medien für eine Emotionalisierung und eine Dramatisierung, indem sie Gefühle ansprechen und so aktiv die Leserschaft beeinflussen. Durch drastische, markante Ausdrucksweisen erklärt uns die Sportberichterstattung die Welt, sie provozieren damit und sorgen aber gleichzeitig zu einer Aufrechterhaltung von dominanten Wertmustern, indem sie genau das machen, wonach wir Leser verlangen.[12]

2.3 Dieter Kroppach: „Gedruckt: Pathos oder Sachlichkeit?“

Der dritte zu untersuchende Text stammt von Dieter Kroppach. Dieser kommt in seiner Untersuchung zu Sprache und Inhalt der Sportberichterstattung zu dem Ergebnis, dass die Medien den Sport nicht angemessen sachlich kritisch darstellen und das Publikum keinen wirklich tiefergehenden Einblick erhält. Wie Kroppach zu dieser kritischen Sichtweise gelangt, erläutert er mit einigen Hypothesen, auf die nun kurz eingegangen wird. Ein Grund ist die zu emotionale Sportberichterstattung, bei denen nicht nur Wortfelder von Leistung, Kampf und Dramatik, sondern auch der Gewalttätigkeit, Vernichtung und Brutalität eine wichtige Rolle spielen.

„Das ist das Vokabular des Sports, der das Spielerische ganz aufgegeben hat, bei dem Rekord und Meisterschaft, Leistung und Erfolg die einzigen Größen sind, die zählen; das ist das Vokabular des schonungslosen, zermürbenden Kampfes, der bis zur Aufreibung und Vernichtung geht, in dem der Gegner zum Objekt geworden ist, das ‚ausgeschaltet‘ werden muß.“[13]

Durch die emotionale Aufladung, so Kroppach, wird dem Leser der Zugang zum eigentlichen Sachverhalt erschwert oder verstellt. In engem Zusammenhang mit der Emotionalisierungstendenz, steht die Neigung zum Pathos. Der Sportberichterstatter will dem Leser Abwechslung bieten, den Stil beleben und etwas Außerordentliches darbieten. Dass die Sportler in Schlagzeilen und Berichten jedoch zuhauf als Heroen und Helden der ganzen Nation dargestellt werden, geht Kroppach zu weit. „Der Sport rückt also durch den Anspruch der Sprache in eine Position, die ihm nicht zusteht und ihn verzerrt.“[14] Dabei geben sich die Sportjournalisten selten mit dem Positiv zufrieden, sondern versuchen mit Superlativen wie riesig, unglaublich oder herrlich die Aufmerksamkeit der Leser an sich zu ziehen, um deren Monotonie entgegenzuwirken. Der Reporter hat – wie Kroppach herausstellt – die Pflicht, sein Publikum in Begeisterung zu versetzen und gibt ihnen die Möglichkeit, sich mit ihren Helden zu identifizieren.[15] Ein weiteres Dorn im Auge ist dem Autor die bildliche Ausdrucksweise in Form von martialischen Metaphern. Wie selbstverständlich bedienen sich die Journalisten von Bildern aus dem militärischen Bereich: Kampf, Einsatz, Gefahr und Gegnerschaft stellen wichtige Wesensmerkmale dar. „Der Leser wird zum Konsumenten einer Dramatik, die überwiegend fiktiv ist und deshalb dem wirklichen Geschehen nicht gerecht wird.“[16] Insgeheim ist es schon die Intention Kroppachs, dass die Sportpresse ihre Rezipienten nicht nur unterhält, sondern auch aus ihrer Passivität herausholt. Dennoch wünscht er sich von den Sportjournalisten, Leistung und Kampf nicht länger überzubewerten, sondern das spielerische Element im Sport stärker zu betonen.[17]

Während Gebauer und Becker die Sportberichterstattung eher sachlich und nüchtern betrachten und weitestgehend auf eine Wertung verzichten, sieht sie Kroppach extrem negativ. Er verwendet einen unreflektierten Publikumsbegriff und überschätzt meiner Meinung nach das Publikum extrem. Indem er von einem superkritischen, distanzierten Sportleser ausgeht, der in jeder Hinsicht immer genau aufgeklärt sein will, blendet er den Fan aus. Denn was Kroppach kritisiert, wollen wir als Zuschauer eigentlich. Die emotionale, leicht übertriebene und zur pathetischen Überhöhung neigende Berichterstattung entspricht genau den Bedürfnissen des begeisterten Fans, der sich dadurch in die Situation hineinversetzen kann, als wäre er live vor Ort. Insgesamt betrachtet, lassen sich doch einige Gemeinsamkeiten der drei Autoren feststellen, die nun als Prinzipien der Sportberichterstattung festgehalten werden.

2.4 Prinzipien der Sportberichterstattung

Als erstes Prinzip, welches aus den drei Artikeln hervorgeht, lässt sich die Selektion nach Themen, welche sich die Leser wünschen, festhalten. Gunter Gebauer stellt dabei fest, dass sich der Rezipient nach keinen idealen Chronisten sehnt, sondern sich eher „Strategien und Taktiken, Erfolge, Bewertungsqualitäten, Kampf, Spannung, Erlebnisse, Persönlichkeiten, Freude, Karrieren etc.“[18] erhofft. Für Peter Becker besitzt ein Redakteur einer Zeitung „ein gewisses <Feeling>, ein Wissen für das […], was Leser interessant finden.“[19] Des Weiteren verfügen Sportjounalisten über „ein weitgehend einheitliches, allerdings ungeprüftes Bild von den Rezeptionswünschen ihrer Leser.“[20] Auch Kroppach erkennt die Tatsache, dass ein bestimmter Leserkreis angesprochen werden soll. Deswegen stellen Berichte „tendenziös und aufgebauscht nur das vorgeblich Besondere, das Sensationelle heraus, das nichts weiter hinterlassen soll als das Bedürfnis nach neuem Konsum.“[21] Die zweite Gemeinsamkeit der drei Autoren und somit das zweite Prinzip der Sportberichterstattung ist die Emotionalisierung bzw. der Drang nach Dramatik. So werden die Olympischen Spiele bei Gebauer nicht nur als ein besonderer Ort, sondern gar als ein „geweihter Platz“[22] oder das Radrennen ParisRoubaix als „Hölle des Nordens“[23] bezeichnet. In Beckers Forderung nach großen Erfolgen, Sensationen, Krisen und Katastrophen[24] sind ebenfalls Emotionen wie Freude, Verblüffung, Erstaunen oder Trauer enthalten. Auch Kroppach befindet, dass „die Neigung der Sportberichterstattung zum gesteigerten und damit auch emotional verstärkten Ausdruck […] überhaupt eines ihrer Hauptkennzeichen“[25] ist. Ein weiteres Prinzip der Sportberichterstattung ist das Bewerten und Interpretieren der Journalisten, wodurch dem Leser eine verzerrte Wirklichkeit vorgelegt wird. Wie in den Ausführungen zu Gunter Gebauers Text bereits ausgeführt wurde, enthalten Berichte über Sportereignisse bestimmte Tendenzen, Geschehen werden verformt und in vielen Fällen einseitig bewertet.[26] „[Der Rezipient] ist der angebotenen Medienwirklichkeit mehr oder weniger ausgeliefert“[27], stellt Peter Becker fest. Kroppach sieht diese Tatsache äußerst kritisch, indem er folgende Behauptung aufstellt: „Die Sportberichterstattung bewertet schablonenhaft und greift schnell zum Superlativ.“[28] Das vierte Prinzip der Sportberichterstattung betrifft die Personalisierung einzelner Sportler, die häufig nicht nur in Individual, sondern auch in Mannschaftssportarten im Mittelpunkt stehen. Bei Gebauer kommt dies insofern zum Ausdruck, dass er bestimmten Menschen mythische Essenzen zuspricht, z.B.: „Turnerinnen sind grazil“, „die Sprinter sind immer die Schnellsten Menschen“, die „Schwergewichtheber die stärksten“ oder „die Boxer die gefährlichsten“[29]. In Beckers Text wird die Personalisierung gar als eigene Regel der Themenselektion festgehalten, wobei auch das human interest, also das Interesse der Presse am Privatleben der Stars eine Rolle spielt.[30] Dieter Kroppach konstatiert ebenfalls, dass sich die Journalisten insbesondere Sportlern zuwenden, „die sich durch besondere Leistungen hervortun“[31] und somit „immer wieder als ‚Leistungsträger‘, ‚Stars‘ und ‚Heroen‘ herausgestellt“[32] werden. Das fünfte Prinzip der Sportberichterstattung, das sich aus den drei Texten ableiten lässt, ist das Stilmittel der Hyperbel bzw. der Übertreibung. Gunter Gebauer zufolge wird ein moderner Athlet häufig durch gute Leistungen ins „Übermenschliche und Archetypische“[33] transformiert, nach Peter Becker werden vor allem Ereignisse publiziert, die Aufmerksamkeitsschwellen überschreiten[34] und gemäß Dieter Kroppach neigt die Sportberichterstattung zur pathetischen Überhöhung.[35] Als letztes Prinzip soll schließlich noch die Kontinuität der Sportberichterstattung Anklang finden. Dies bedeutet, dass sich die Berichte von Journalisten durch wiederkehrende, sich ähnelnde Muster auszeichnen und dadurch bei allen Zeitungen Gemeinsamkeiten auftreten. Gebauer spricht in diesem Kontext von einer Konstanz der Berichterstattung und bezeichnet die Unterschiede zwischen den individuellen Geschichten von Sportereignissen als sehr geringfügig.[36] Beckers „Bedeutungskonsonanz“[37] äußert sich in „verblüffend ähnliche[n] Sportwelten“[38] und dadurch, „dass nicht nur gleiche Themen ausgewählt werden, sondern ihnen von allen Zeitungen auch die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wird.“[39] Kroppachs Kontinuität zeigt sich in seiner These, dass die Sportberichterstattung schablonenhaft bewertet.[40]

2.5 Mediale Heldengeschichten

Mit den wissenschaftlichen Texten von Gebauer, Becker und Kroppach wurden bisher allgemeine Prinzipien bzgl. der Sportberichterstattung herausgestellt. Im Folgenden werden zusätzlich noch zwei Texte betrachtet, die sich konkret mit Sporthelden – zu denen definitiv auch Sven Hannawald gezählt werden kann –befassen.

[...]


[1] Vgl. Harms, F. (2002). Vierschanzentournee: „Svenomenal! Sensationell!“. Zugriff am 23.04.2016 unter http://www.spiegel.de/sport/sonst/vierschanzentourneesvenomenalsvensationella175798.html

[2] Vgl. Gebauer , G. (1983). Geschichten, Rezepte, Mythen. In: G. Gebauer (Hrsg.), Sport in der Gesellschaft des Spektakels (S. 142155). Sankt Augustin: Academia.

[3] Ebd., S. 146.

[4] Vgl. Ebd.

[5] Ebd., S. 149.

[6] Vgl. Ebd.

[7] Vgl. Ebd.

[8] Becker, P. (1983). Ob FAZ oder Bild, Sport bleibt Sport – zur Bedeutungskonsonanz der Sportberichterstattung. In: H. Digel (Hrsg.), Sport und Berichterstattung (S. 7497). Reinbek: Rowohlt, S. 87.

[9] Vgl. Ebd.

[10] Ebd., S. 92.

[11] Ebd., S. 94.

[12] Vgl. Ebd.

[13] Kroppach, D. (1978). Gedruckt: Pathos oder Sachlichkeit? In: J. Hackforth & S. Weischenberg (Hrsg.), Sport und Massenmedien (S. 133141). Bad Homburg: Limpert, S. 134.

[14] Ebd., S. 135.

[15] Vgl. Ebd.

[16] Ebd., S. 139.

[17] Vgl. Ebd.

[18] Gebauer (1983), S. 149.

[19] Becker (1983), S. 74.

[20] Ebd., S. 93.

[21] Kroppach (1978), S. 133.

[22] Gebauer (1983), S. 150.

[23] Ebd., S. 150.

[24] Vgl. Becker (1983).

[25] Kroppach (1978), S. 137.

[26] Vgl. Gebauer (1983).

[27] Becker (1983), S. 77.

[28] Kroppach (1978), S. 137.

[29] Gebauer (1983) S. 150.

[30] Vgl. Becker (1983).

[31] Kroppach (1978) S. 135.

[32] Ebd., S. 135.

[33] Gebauer (1983), S. 149.

[34] Vgl. Becker (1983).

[35] Vgl. Kroppach (1978).

[36] Vgl. Gebauer (1983).

[37] Becker (1983), S. 74.

[38] Ebd., S. 92.

[39] Ebd., S. 82 f.

[40] Vgl. Kroppach (1978).

Excerpt out of 33 pages

Details

Title
Die Mediendarstellung des „Skisprunghelden auf Zeit“ Sven Hannawald
College
University of Würzburg  (Sportzentrum)
Course
Sportwissenschaftliche Berufsfelder mitgestalten und entwickeln
Grade
1,3
Author
Year
2016
Pages
33
Catalog Number
V378713
ISBN (eBook)
9783668577503
ISBN (Book)
9783668577510
File size
519 KB
Language
German
Keywords
mediendarstellung, skisprunghelden, zeit, sven, hannawald
Quote paper
Dominik Kremer (Author), 2016, Die Mediendarstellung des „Skisprunghelden auf Zeit“ Sven Hannawald, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378713

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