Das Unheimliche in der Erzählung "der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann nach Sigmund Freud


Dossier / Travail, 2004

22 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Sprachentwicklung des Wortes „unheimlich“

3. Phantastisches und Reales

4. Das Motiv des Sandmannes
4.1 Das Motiv der Augen / der Sehens und der Doppelgänger als Schreckbild
4.2 Gemeinsamkeiten von Sandmann, Coppelius und Coppola
4.3 Der psychische Apparat nach Freud

5. Das Motiv der Augen in der psychoanalytischen Diskussion nach Freud
5.1 Der Ödipuskomplex

6. Das Väter - Paar oder die Vater - Imago

7. Nathanael und Olympia

8. Allmacht der Gedanken

9. Tod, Leichen, Wiederkehr der Toten

10. Résumé

11. Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Diese Arbeit befasst sich mit den von Freud ausgearbeiteten Themen zum Unheimlichen in der Erzählung „ Der Sandmann “ von E.T.A. Hoffmann. Sie ist die Ergänzung zum bereits im Seminar vorgetragenen Referat „ Unheimliches in der Erz ä hlung 'Der Sandmann' von E.T.A. Hoffmann “ und erläutert noch einmal ausführlich die Wirkung und die Entstehung des Unheimlichen in der Erzählung.

Beginnend mit der Sprachentwicklung des Wortes „unheimlich“, führt diese Arbeit in die psychoanalytischen Thesen Freuds zu diesem Thema und endet schließlich mit der „Weltauffassung des Animismus“, sowie der Unheimlichkeitserzeugung und der Angst vor dem Toten überhaupt. Da Freud sehr umfangreich über das Thema des Unheimlichen schreibt und diese Arbeit eine Gemeinschaftsarbeit ist, wo sich jeder der Autoren auf einzelne Schwerpunkte spezialisiert hat, ist um Verständnis zu bitten, dass es nicht immer gelingt, eine klare Überleitung zu den einzelnen Themenbereichen zu finden.

Diese Ausarbeitung kann und soll nur einen Überblick über die Arbeit Freuds zu dieser Thematik verschaffen.

Dennoch bietet diese Arbeit einen interessanten Einblick in die Welt des Unheimlichen und versucht an jeder Stelle genau zu erklären, wie Freud seine einzelnen Überlegungen abgeleitet hat.

2. DIE SPRACHENTWICKLUNG DES WORTES „UNHEIMLICH“

Das Unheimliche zählt zu einem vernachlässigten Gebiet in der ästhetischen Literatur. Es erweist sich als äußerst schwierig eine ausführliche Darstellung zu diesem Thema zu finden, da sich die Literatur eher mit den positiven Gefühlsarten beschäftigt als mit den gegensätzlichen, abstoßenden und peinlichen. Ohne Zweifel gehört das Unheimliche zum Schreckhaften, Angst- und Grauenerregenden. Freud bezieht sich dabei in seiner Untersuchung zum Unheimlichen auf die inhaltsreiche, aber nicht erschöpfende, ärztlich-psychologische Literatur von E. Jentsch (vgl. Freud, 1919, 243).

Die Empfindlichkeit f ü r diese Gef ü hlsqualit ä t wird bei verschiedenen Menschen so sehr verschieden angetroffen, was die Untersuchung des Unheimlichen erschwert. Der Autor trifft, dem Thema gegenüber, auf eine große Stumpfheit. Die Feinfühligkeit fehlt (vgl. Freud, 1919, 244). „Er hat schon lange nichts erlebt oder kennengelernt, was ihm den Eindruck des Unheimlichen gemacht hätte, muß sich erst in das Gefühl hineinversetzen, die Möglichkeit desselben in sich wachrufen“ (Freud, 1919, 244).

Man kann nun zwei Wege einschlagen. Zum einen kann man nachschauen, welche Bedeutung die Sprachentwicklung in dem Wort unheimlich niedergelegt hat. Eine weitere Möglichkeit wäre alles zusammenzutragen, was an Personen und Dingen, Sinneseindrücken, Erlebnissen und Situationen das unheimliche Gefühl in uns wachruft. Der Charakter würde dann aus den Gemeinsamkeiten aller erschlossen werden (vgl. Freud, 1919, 244).

Beide Wege führen zu dem Ergebnis ,dass das Unheimliche jene Art des Schreckhaften ist, welche auf das Altbekannte, L ä ngstvertraute zurückgeht (ebenda).

„Das deutsche Wort »unheimlich« ist offenbar der Gegensatz zu heimlich, heimisch, vertraut, und der Schluss liegt nahe, es sei eben darum schreckhaft, weil es nicht bekannt und vertraut ist“ (Freud, 1919, 244).Die Beziehung ist jedoch nicht umkehrbar, da nicht alles neue und nicht vertraute schreckhaft ist. Manches Neuartige wird leicht schreckhaft und unheimlich.

Einiges Neuartige ist schreckhaft, durchaus nicht alles(vgl. Freud, 1919, 244).

„Zum Neuen und Nichtvertrauten muss erst etwas hinzukommen, was es zum Unheimlichen macht“ (Freud, 1919, 244).

Nach Jentsch ist das Zustandekommen des unheimlichen Gefühls auf die intellektuelle Unsicherheit

zurückzuführen. Das Unheimliche wäre somit etwas, womit man sich nicht auskennt (vgl. Freud, 1919, 244).Je besser die Orientierung eines Menschen in der Umwelt ist, desto weniger leicht wird er von verschiedenen Dingen oder Vorfällen den Eindruck der Unheimlichkeit empfangen. Für Freud ist die Aussage von Jentsch jedoch nicht erschöpfend. Er wendet sich zunächst anderen Sprachen zu. Dazu verwendet er verschiedene Wörter-bücher, in denen er das Wort unheimlich nachschlägt (vgl. Freud, 1919, 245).

Im Griechischen wird unheimlich gleichgesetzt mit den Wörtern fremd und fremdartig.

Das Lateinische verbindet unheimlich mit einem unheimlichen Ort und mit einer unheimlichen Nachtzeit. Im Arabischen und Hebr ä ischen fällt das Unheimliche mit d ä monisch und schaurig zusammen (ebenda).

Freud benutzt auch Daniel Sanders' W ö rterbuch der Deutschen Sprache aus dem Jahr 1860, aus welchem er folgende Angaben zum Heimlichen entnimmt :

„ Heimlich, a. (-keit, f. -en): 1. auch Heimelich, heimelig, zum Hause gehörig, nicht fremd, vertraut, zahm, traut und traulich, anheimelnd etc. [...]“ ( Daniel Sanders' Wörterbuch zitiert nach Freud, 1919, 245).

„ [...] 2. versteckt, verborgen gehalten, so dass man Andre nicht davon oder darum wissen lassen, es ihnen verbergen will, vgl. Geheim [...] H-keit statt Geheimnis [...] “ (Daniel Sanders' Wörterbuch zitiert nach Freud, 1919, 247).

Auch das Unheimliche wird im Wörterbuch erläutert:

„ [...] so auch nam. der Ggstz.: Un-: unbehagliches, banges Grauen erregend: Der schier ihm un-h., gespenstisch erschien [...] Un-h. nennt man Alles, was im Geheimnis, im Verborgnen ... bleiben sollte und hervorgetreten ist. Schelling, 2, 2, 649 etc. [...]“ (Daniel Sanders' Wörterbuch zitiert nach Freud, 1919, 248).

Es ist erkennbar, dass das Wort heimlich auch mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt. Das Heimliche wird zum Unheimlichen. Das Wort heimlich ist somit nicht eindeutig, sondern geh ö rt zwei Vorstellungskreisen an: dem des Vertrauten, Behaglichen und dem des Versteckten, Verborgengehaltenen. Unheimlich ist nur der Gegensatz zur ersten Bedeutung, nicht aber zur Zweiten (vgl. Freud, 1919, 248).

Freud führt einen weiteren Auszug auf aus dem Deutschen W ö rterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Leipzig 1877) :

„ Heimlich ; [...] vertraut, freundlich, zutraulich. 4.aus dem heimatlichen, häuslichen entwickelt sich weiter der begriff des fremden augen entzogenen, verborgenen, geheimen, eben auch in mehrfacher beziehung ausgebildet ... [...]“ (Grimm zitiert nach Freud, 1919, 249).

„[...] die bedeutung des versteckten, gefährlichen, die in der vorigen nummer hervortritt, entwickelt sich noch weiter, so dasz heimlich den sinn empfängt, den sonst unheimlich (gebildet nach heimlich, 3b, sp.874) hat : »mir ist zu zeiten wie dem menschen der in nacht wandelt und an gespenster glaubt, jeder winkel ist ihm heimlich und schauerhaft.« [...]“ (Grimm zitiert nach Freud, 1919, 250).

Das Wort heimlich entwickelt somit seine Bedeutung nach einer Ambivalenz hin, bis es endlich mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt. Unheimlich ist eine Art von heimlich (vgl. Freud, 1919, 250).

3. PHANTASTISCHES UND REALES

Unheimliches Wirken hat auch die Verwischung der Grenze zwischen Phantasie und der Wirklichkeit. Das Infantile daran ist die Überbetonung der psychischen Realität im Vergleich zur Materiellen (vgl. Freud, 1919, 267).

Fast alle Beispiele, die unseren Erwartungen widersprechen sind dem Bereich der Fiktion, der Dichtung entnommen. Man muss unterscheiden zwischen dem Unheimlichen, das man erlebt, und dem Unheimlichen, das man sich blo ß vorstellt oder liest (vgl. Freud, 1919, 269).

Der Dichter zum Beispiel hat die Freiheit seine Darstellungswelt nach seinem Belieben zu wählen. Diese fällt entweder mit unserer vertrauten Realität zusammen oder sie entfernt sich von ihr. Wir als Leser folgen dem Dichter auf jeden Fall (vgl. Freud, 1919, 272).

Die Märchenwelt ist ein Beispiel für die Entfernung von der Realität. Nichts erscheint unheimlich. Auch eine vom Dichter erschaffene Welt, die von Dämonen und Geistern beherrscht wird, erscheint zwar düster aber nicht unheimlich (ebenda).

Anders ist es, wenn der Dichter sich auf den Boden der gemeinsamen Realität stellt. Somit übernimmt er alle Bedingungen, die im Erleben für die Entstehung des unheimlichen Gefühls gelten. Alles was im Leben unheimlich wirkt, wirkt auch so in der Dichtung. In diesem Fall kann der Dichter das Unheimliche weit über das im Erleben mögliche maß hinaus steigern und vervielfältigen. Er lässt solche Ereignisse vorfallen, die in der Wirklichkeit nicht oder nur selten zur Erfahrung gekommen wären (ebenda).

Damit betr ü gt der Dichter uns Leser, weil er uns eine gemeinsame Realität verspricht, dann aber doch darüber hinaus geht. Die Fiktion erschafft neue Möglichkeiten des unheimlichen Gefühls, die im Erleben wegfallen würden. Für den Dichter sind wir somit lenkbar durch die Stimmung, in die er uns versetzt und durch die Erwartungen, die er in uns erregt (vgl. Freud, 1919, 273).

4. Das Motiv des Sandmannes

Das Motiv, das Thema oder auch die Figur des Sandmannes steht im Mittelpunkt der Erzählung von E.T.A Hoffmanns „der Sandmann“ und ist damit hauptverantwortlich für die durchdringende Unheimlichkeitserzeugung.(Vgl. Freud, 1919, S.243)

Mit dieser These eröffnet Sigmund Freud seine auf der Psychoanalyse basierende Interpretation der Figur selbst und der damit einhergehenden Unheimlichkeitserzeugung, die beim Leser hervorgerufen wird.

Freud stützt seine These im wesentlichen auf folgende Punkte, auf die hier in dieser Ausarbeitung ausführlich eingegangen wird.

Er nennt in Verbindung mit der Figur des Sandmannes den „Doppelgänger als Schreckbild“ und das „Motiv der Augen / des Sehens“.

Diese Ausarbeitung soll nun die wesentlichen Deutungsversuche Freuds aus seinem Aufsatz, in dem er Stellung zum Motiv des Sandmannes nimmt, erklären.

Wie bereits oben erwähnt, steht für Freud die Figur des Sandmannes im Mittelpunkt der Erzählung. Diese Annahme erscheint auch zwingend logisch, wenn man bedenkt, dass die Erzählung selbst nach dem Sandmann benannt ist. Des weiteren finden sich zahlreiche Anhaltspunkte, die diese These stützen.

Man erinnere sich zum Beispiel an das Zitat der Kinderfrau Nathanaels: „ Das ist ein b ö ser Mann, der kommt zu den Kindern , wenn sie nicht zu Bette gehen wollen und wirft ihnen H ä nde voll Sand in die Augen, dass sie blutig zum Kopf herausspringen, (...) “ (Hoffmann, 2003, S. 5) Mit der Aussage der Kinderfrau über den Sandmann wird die Figur selbst in die Erzählung eingeführt. Nathanael ein zwar sehr aufgeweckter, neugieriger, aber auch sehr ängstlicher Junge findet den Sandmann aus dem Ammenmärchen seiner Kinderfrau in der Figur des Coppelius, einem für Kinder sehr angsteinflößenden, geradezu widerwärtigen Menschen wieder. Coppelius hasst Kinder „ Er pflegte uns nur immer die kleinen Bestien zu nennen (...) “ (Hoffmann 2003, S. 8) und machte sich einen Spaß daraus, den Kindern auch nur jede kleinste erdenkliche Freude zu verderben. Der Grund für die Projektion vom furchterregenden Bild des Sandmannes auf Coppelius, manifestiert sich zum einen in der äußeren Erscheinung Coppelius', die von Nathanael selbst als äußerst abschreckend beschrieben wird „ Denke dir einen gro ß en breitschultrigen Mann mit einem unf ö rmlich dicken Kopf, erdgelbem Gesicht, buschigten grauen Augenbrauen, unter denen ein paar gr ü nliche Katzenaugen stechend hervorfunkeln (...) “ (Hoffmann, 2003, S. 7), zum anderen findet diese kindlich ängstliche Fantasterei den Höhepunkt seiner Personifizierung in der Szene des Arbeitszimmers von Nathanaels Vater. Nathanael versteckte sich in dem Arbeitszimmer, um das geheime Treiben seines Vaters und Coppelius zu beobachten.

[...]

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Das Unheimliche in der Erzählung "der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann nach Sigmund Freud
Université
University of Hannover  (Erziehungswissenschaften)
Cours
Texte der Romantik
Note
1
Auteurs
Année
2004
Pages
22
N° de catalogue
V37902
ISBN (ebook)
9783638371186
Taille d'un fichier
400 KB
Langue
allemand
Annotations
Psychologische Untersuchung des Textes "Der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann auf der psychoanalytischen Grundlagen Sigmund Freuds
Mots clés
Unheimliche, Erzählung, Sandmann, Hoffmann, Sigmund, Freud, Texte, Romantik
Citation du texte
Sandra Meyer (Auteur)Melanie Ebert (Auteur), 2004, Das Unheimliche in der Erzählung "der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann nach Sigmund Freud, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37902

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