Die verstärkte Herausbildung von multinationalen Konzernen, im Zuge einer immer weiter fortschreitenden Globalisierung, ermöglicht den in unterschiedlichen Ländern ansässigen Konzernrechtseinheiten Unternehmensgewinne mit Hilfe von irrealen Verrechnungspreisen in Niedrigsteuerländern anfallen zu lassen, um somit die globale Gesamtsteuerlast des Konzerns senken zu können. Neben diesem ungerechten Wettbewerbsvorteil gegenüber national agierenden Unternehmen bzw. Konzernen, schadet diese Vorgehensweise dem Steueraufkommen wohlhabender Industrienationen mit entsprechend hoher steuerlicher Abgabenlast für die dort angesiedelten Unternehmen. Auf diese Entwicklung reagieren die nationalen Finanzverwaltungen verstärkt.
„Revenue authorities have, in general, become much more aggressive in the transfer pricing arena over the last few years.“ Um dem „internationalen Wettbewerb auf dem Gebiet der steuerlichen Einkommenszurechnung zwischen den Völkerstaaten“ Einhalt zu gebieten, kommt es in vielen Staaten zur Einführung von Vorschriften zur Dokumentation der konzerninternen Verrechnungspreise. Vorreiter in dieser Hinsicht waren die USA mit den US Transfer Pricing Rules. Auch die OECD hat eigene Richtlinien entwickelt, die nun vermehrt von OECD-Mitgliedsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten in nationales Recht übernommen werden. So hat auch die deutsche Gesetzgebung mit der Verabschiedung des § 90 Abs. 3 AO und weiteren Verordnungen den Weg zu besserer Kontrolle der Konzernverrechnungspreise und damit der Sicherung des Steueraufkommens im Bereich der Unternehmenssteuern geebnet.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verrechnungspreise in multinationalen Konzernen
2.1 Begriffliche Abgrenzung und Funktionen von Verrechnungspreisen
2.1.1 Innerbetriebliche Verrechnungspreise
2.1.2 Internationale Verrechnungspreise in multinationalen Konzernen
2.1.3 Funktionen von Verrechnungspreisen
2.2 Rechtsquellen des Aussensteuerrechts und Richtlinien der OECD
2.2.1 Rechtsquellen des Aussensteuerrechts
2.2.2 OECD-Richtlinien
2.3 Gestaltung von Verrechnungspreisen
2.3.1 Das “Dealing at Arm´s Length Principle”
2.3.2 Methoden der Verrechnungspreisermittlung und Anwendungsbereiche
2.3.3 Arten von konzerninternen internationalen Transaktionen
2.3.4 Advance Pricing Arrangements (APAs)
3. Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO
3.1 Rechtsgrundlagen und Verwaltungsgrundsätze zu den Aufzeichnungspflichten
3.1.1 Rechtsgrundlagen
3.1.2 Art, Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen
3.1.3 Verwaltungsgrundsätze – Verfahren
3.1.4 Sanktionen
3.2 Die Dokumentation der Verrechnungspreise am Beispiel der BOSCH-Gruppe
3.2.1 Zentralanweisungen der BOSCH-Gruppe
3.2.1.1 Leitlinie zur Transferpreisbildung
3.2.1.2 Dokumentation von Transferpreisen
3.2.2 Organisation und Durchführung der Dokumentation
3.2.3 Sachverhaltsdokumentation
3.2.3.1 Allgemeine Informationen
3.2.3.2 Funktions- und Risikoanalysen
3.2.3.3 Übersicht über Art und Umfang der Liefer- / Leistungsverflechtungen
3.2.3.4 Debitoren- / Kreditorenauswertungen
3.2.3.5 Ergänzende Aufzeichnungen
3.2.4 Angemessenheitsdokumentation
3.2.4.1 Innerbetriebliche Plandaten
3.2.4.2 Datenbankauszug der tatsächlichen Verrechnungspreise
3.2.5 Abgabetermine und Aufbewahrungsfristen
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
7. Erklärung zur Hausarbeit gemäß § 24 Abs. 6 DPO 2001
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Dealing at arm´s length?
Abbildung 2: Bandbreiten bei einer Datenbankanalyse
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die verstärkte Herausbildung von multinationalen Konzernen, im Zuge einer immer weiter fortschreitenden Globalisierung, ermöglicht den in unterschiedlichen Ländern ansässigen Konzernrechtseinheiten Unternehmensgewinne mit Hilfe von irrealen Verrechnungspreisen in Niedrigsteuerländern anfallen zu lassen, um somit die globale Gesamtsteuerlast des Konzerns senken zu können. Neben diesem ungerechten Wettbewerbsvorteil gegenüber national agierenden Unternehmen bzw. Konzernen, schadet diese Vorgehensweise dem Steueraufkommen wohlhabender Industrienationen mit entsprechend hoher steuerlicher Abgabenlast für die dort angesiedelten Unternehmen. Auf diese Entwicklung reagieren die nationalen Finanzverwaltungen verstärkt.
„Revenue authorities have, in general, become much more aggressive in the transfer pricing arena over the last few years.“[1] Um dem „internationalen Wettbewerb auf dem Gebiet der steuerlichen Einkommenszurechnung zwischen den Völkerstaaten“[2] Einhalt zu gebieten, kommt es in vielen Staaten zur Einführung von Vorschriften zur Dokumentation der konzerninternen Verrechnungspreise. Vorreiter in dieser Hinsicht waren die USA mit den US Transfer Pricing Rules. Auch die OECD hat eigene Richtlinien entwickelt, die nun vermehrt von OECD-Mitgliedsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten in nationales Recht übernommen werden. So hat auch die deutsche Gesetzgebung mit der Verabschiedung des § 90 Abs. 3 AO und weiteren Verordnungen den Weg zu besserer Kontrolle der Konzernverrechnungspreise und damit der Sicherung des Steueraufkommens im Bereich der Unternehmenssteuern geebnet.
Die vorliegende Arbeit ist im Wesentlichen in zwei Bereiche unterteilt und hat das Ziel, die aktuell in Deutschland geltenden Dokumentationspflichten aufzuzeigen und die Durchführung einer Verrechnungspreisdokumentation darzustellen.
Der erste Teil dieser Arbeit befasst sich mit dem Begriff der internationalen Verrechnungspreise, den einschlägigen Rechtsnormen des internationalen Steuerrechts, sowie den entsprechenden Richtlinien der OECD auf europäischer Ebene, bzw. auf Ebene der OECD-Mitgliedstaaten. Weiterhin folgt eine Einführung in die Grundsätze der Verrechnungspreisgestaltung und der gängigen Methoden zur Verrechnungspreisermittlung. Nachdem die Grundlagen zur Verrechnungspreissystematik gelegt worden sind, werden die Arten und die generelle Problematik konzerninterner internationaler Transaktionen dargestellt, sowie ein Lösungsansatz in Form der Advance Pricing Arrangements (APAs) aufgezeigt.
Im zweiten Teil wird auf die Aufzeichnungspflichten der internationalen Verrechnungspreise deutscher Unternehmen eingegangen. Zu Beginn erfolgt die Vorstellung der wichtigsten nationalen Rechtsnormen, welche die Aufzeichnungspflichten für deutsche Unternehmen begründen und grob die Rahmenbedingungen festlegen. Außerdem erfolgt ein Überblick über die aktuellen Verordnungen und Verwaltungsgrundsätze, die die Rechtsnormen näher erläutern und Informationen zur praktischen Umsetzung der Verrechnungspreisdokumentation bieten. Daraufhin wird die Durchführung einer Dokumentation der Verrechnungspreise am Beispiel der Blaupunkt GmbH in Hildesheim, als Teil des Geschäftsbereiches Car Multimedia innerhalb der Bosch-Gruppe, beschrieben und kommentiert.
Das letzte Kapitel widmet sich schließlich einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen und Überlegungen zum Thema.
2. Verrechnungspreise in multinationalen Konzernen
2.1 Begriffliche Abgrenzung und Funktionen von Verrechnungspreisen
Zu Beginn dieses Kapitels ist es erforderlich, den Begriff Verrechnungspreis eindeutig zu definieren und gegen synonyme Bedeutungen, insbesondere aus dem Bereich der Kostenrechnung, abzugrenzen. Dies ist erforderlich, da Verrechnungspreise in der betriebswirtschaftlichen Literatur nicht genau definiert sind.[3]
2.1.1 Innerbetriebliche Verrechnungspreise
Der Begriff der innerbetrieblichen Verrechnungspreise wird in erster Linie in der betrieblichen Kostenrechnung verwendet. Es handelt sich dabei um „die monetäre Bewertung von Lieferungen und Leistungen zwischen verschiedenen Bereichen einer Unternehmung.“[4] Diese Definition ist jedoch etwas unscharf, da aus ihr nicht eindeutig hervorgeht, was unter dem Begriff der Bereiche einer Unternehmung zu subsumieren ist.
Coenenberg hindessen spricht von betrieblichen Verrechnungspreisen, „wenn unternehmensinterne Lieferungen und Leistungen transferiert werden“[5], wobei unternehmensinterne Lieferungen und Leistungen in drei Fälle unterteilt werden:[6]
- Lieferungen zwischen einzelnen Kostenstellen,
- Lieferungen zwischen in sich abgeschlossenen Werken, Bereichen oder Geschäftseinheiten,
- Lieferungen zwischen rechtlich selbständigen Konzernunternehmen.
Diese Definition ist wiederum sehr weit gefasst, da der dritte Punkt die Geschäftsvorfälle zwischen einzelnen Rechtseinheiten innerhalb eines Konzerns als unternehmensinterne Lieferung und Leistung betrachtet. Hintergrund dieser Auffassung ist insbesondere der Einfluß der Divisionalisierung bzw. der Geschäftsbereichorganisation. Oftmals wird auch der Begriff Profit-Center-Organisation oder Sparten-Organisation verwendet.[7] Hierbei handelt es sich um „organisatorisch und rechnungstechnisch abgeschlossene Teileinheiten“[8] eines Konzerns, welche aus mehreren Teilen rechtlich selbständiger Unternehmen bestehen können und als eigenständige Organisationseinheiten, bzw. „Ergebniseinheiten“[9] innerhalb einer Konzernstruktur ergebnis- und produktverantwortlich agieren.
Für Zwecke dieser Arbeit ist diese Definition eines innerbetrieblichen Verrechnungspreises jedoch nicht anwendbar, da sie sich mit der Definition im Sinne des internationalen Steuerrechts partiell überschneidet. Eine solche Definition ist notwendig, weil „eine rechtliche Selbständigkeit von Profit-Centern […] konkrete Auswirkungen auf die Bildung von Verrechnungspreisen haben [kann], da für den konzerninternen Leistungsaustausch steuerrechtliche Vorgaben zu beachten sind.“[10]
Zutreffender ist die Klassifizierung als „Preis für Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Unternehmens (= „interne Verrechnungspreise“ zwischen einzelnen Betriebsabteilungen) […] ausgetauscht werden.“[11] Der Begriff Betriebsabteilungen kann hierbei auch mit dem Wort „Kostenstellen“ substituiert werden, solange es sich um Kostenstellen innerhalb eines rechtlich selbständigen Unternehmens (Rechtseinheit) handelt.
2.1.2 Internationale Verrechnungspreise in multinationalen Konzernen
Unter internationalen Verrechnungspreisen wird unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Einschränkungen „der Preis für Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Unternehmensverbundes (= „Konzernverrechnungspreise“ zwischen einzelnen Konzerngliedern) ausgetauscht werden“[12] verstanden. Oft werden auch die Begriffe Transferpreis oder Intercompany Price synonym verwendet. Der entscheidende Unterschied zu den innerbetrieblichen Verrechnungspreisen, ist die Lieferungs- und Leistungsverflechtung von eigenständigen Rechtseinheiten, die jeweils in einem anderen Land ihren Sitz haben. Unter Lieferungs- und Leistungsverflechtung werden jedoch nicht die sog. Konzernumlagen subsumiert, welche im Gegensatz zu Verrechnungspreisen nicht auf Einzelabrechnungen basieren, sondern heterogene Leistungen darstellen, die nicht eindeutig beziffert und zugeordnet werden können.[13]
Da sich das Thema dieser Arbeit auf internationale Verrechnungspreise in multinationalen Konzernen bezieht, soll an dieser Stelle auch der Begriff eines multinationalen Konzerns kurz skizziert werden. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der OECD „gewöhnlich um Unternehmen oder andere in mehreren Ländern niedergelassene Unternehmensteile, die so miteinander verbunden sind, dass sie ihre Geschäftstätigkeit auf unterschiedliche Art und Weise koordinieren können. Einer oder mehrere dieser Unternehmensteile können u.U. in der Lage sein, einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftstätigkeit der anderen Unternehmensteile auszuüben […]“[14].
2.1.3 Funktionen von Verrechnungspreisen
Verrechnungspreisen, unerheblich ob innerbetrieblich oder international, werden drei wesentliche Funktionen zugesprochen:[15]
- Abrechnungs- und Planungsfunktion,
- Lenkungsfunktion,
- Erfolgszuweisungsfunktion.
Die Abrechnungs- und Planungsfunktion ist eher hypothetischer Natur. Gemeint ist lediglich die Verwendung des Verrechnungspreises als Basis für handels- und steuerrechtliche Bilanzierung, Betriebsabrechnung und Kalkulation im Sinne von Plangrößen für zukünftige Perioden.
Als Lenkungsfunktion von Verrechnungspreisen wird „die Erreichung eines Gesamtoptimums für das Unternehmen“[16] verstanden. Hierunter kann in erster Linie das Ziel der Gewinnmaximierung subsumiert werden, aber auch alle anderen erdenklichen Ziele sind denkbar, sofern ein für das Unternehmen zu erreichendes Optimum durch Gestaltung der Verrechnungspreise angestrebt wird.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt vor allem auf der Erfolgszuweisungsfunktion der internationalen Verrechnungspreise. Sie ermöglichen multinationalen Konzernen, die Ergebnisse, die in den einzelnen Rechtseinheiten in verschiedenen Ländern anfallen, an andere Rechtseinheiten in anderen Ländern innerhalb des Konzerns zu verschieben. Hierbei haben sich vor allem folgende drei Motive herausgebildet:[17]
- Nutzung des internationalen Steuergefälles zur Verlagerung von Gewinnen in ein Niedrigsteuerland,
- Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch Ergebnisausgleiche zwischen Konzernunternehmen,
- Umgehung von Devisentransferbeschränkungen durch Umdeklaration nicht zulässiger Gewinnrepatriierungen in überhöhte Verbindlichkeiten.
Die Erfolgszuweisungsfunktion und ihre Motive sind jedoch immer in Verbindung mit dem jeweils geltenden nationalen Recht zu betrachten!
2.2 Rechtsquellen des Aussensteuerrechts und Richtlinien der OECD
2.2.1 Rechtsquellen des Aussensteuerrechts
Das Aussensteuerrecht lässt sich in vier Bereiche unterteilen:[18]
- Allgemeines Aussensteuerrecht,
- Besonderes Aussensteuerrecht,
- Doppelbesteuerungsabkommen,
- Supranationales Steuerrecht.
Das Allgemeine und das Besondere Aussensteuerrecht stellen dabei nationales Recht in Deutschland dar. Unter das Allgemeine Aussensteuerrecht fallen Bestimmungen der jeweiligen Einzelsteuergesetze, wie EStG, KStG, und BewG. So regelt z.B. der § 49 EStG die Besteuerung inländischer Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger, die weder ihren Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben[19]. Das Besondere Aussensteuerrecht ist in Einzelsteuergesetzen geregelt, wie z.B. dem AStG, welche sich speziell mit grenzüberschreitenden Sachverhalten befassen.[20] Das AStG verfolgt dabei „die Ziele einer gleichmäßigen Verteilung der Steuerlasten und einer Vermeidung von steuerlichen Wettbewerbsverzerrungen bei internationaler Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen.“[21]
Bei den Doppelbesteuerungsabkommen (DBAn) handelt es sich meist um bilaterale Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Ländern zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen. Eine Doppelbesteuerung liegt vor, wenn „der Steuerpflichtige wegen desselben Steuergegenstandes gleichzeitig in verschiedenen Staaten einer gleichartigen Steuer unterliegt.“[22]
Unter dem Begriff des Supranationalen Steuerrechts werden Rechtsnormen verstanden, „die von überstaatlichen Organisationen, insbesondere der Europäischen Union, aufgrund eigener Befugnis erlassen wurden.“[23]
Im Sinne der Verrechnungspreisproblematik spielen vor allem das AStG und die DBAn eine entscheidende Rolle.
2.2.2 OECD-Richtlinien
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte 1979 erstmalig die OECD-Guidelines „Transfer Pricing and Multinational Enterprises“, die den Begriff des „arm´s length price“ beinhalteten. Diese Richtlinien waren noch stark an die „US-Transfer Pricing Rules“ angelehnt.
1995 veröffentlichte die OECD eine vollständige Überarbeitung der Richtlinien unter dem Titel „Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Authorities“. Diese Richtlinien bilden die Grundlage für die nationale Gesetzgebung bezüglich der Verrechnungspreisgestaltung und der Aufzeichnungspflichten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Richtlinien vollständig in nationales Recht zu übernehmen, sie gelten eher als Muster, aus dem sich jeder Staat bedient und eine entsprechende nationale Gesetzgebung schafft.
In den Folgejahren veröffentlichte die OECD weitere Ergänzungen und Anhänge, insbesodere ist hier der Anhang von 1999, Mutual Agreement Procedure (MAP), zu nennen, welcher die Durchführung von Advance Pricing Agreements (MAP APAs) behandelt.
Die Neufassung der OECD-Richtlinien greift insbesondere erneut das „Arm´s Length Principle“ auf, und legt großen Wert auf die Anwendung traditioneller Methoden bei der Verrechnungspreisermittlung. Ebenfalls wird die Vergleichbarkeit von Transaktionen unter Berücksichtigung von Funktionen und Risiken der Transaktionspartner herausgestellt, und eine neue Methode zur Ermittlung der Verrechnungspreise eingeführt (transactional net margin method). Weiterhin enthält sie Informationen zur Dokumentation des „Arm´s Length Principle“ durch den Steuerpflichtigen und allgemeine Sanktionsmöglichkeiten, um die Einhaltung dieses Grundsatzes zu fördern.
Parallel zu den o.a. Richtlinien hat die OECD im Jahr 2000 eine Neufassung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen aufgelegt. Die Leitsätze enthalten Verhaltensregeln nach denen multinationale Unternehmen agieren sollen, also eine Art Corporate Governance Kodex. Der Leitsatz 10 ‚Besteuerung’ behandelt „die Übermittlung der notwendigen Informationen an die zuständigen Behörden, damit diese im Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit anfallenden Steuern korrekt veranlagt werden können, sowie [die] Beachtung des Fremdvergleichsprinzips bei ihren Verrechnungspreisen“[24], und verweist somit auf die bereits vorgestellten OECD – Transfer Pricing Guidelines for multinational Enterprises and Tax Authorities.
Im nachfolgenden Abschnitt werden alle bisher genannten Inhalte der OECD-Richtlinien aufgegriffen und erläutert.
2.3 Gestaltung von Verrechnungspreisen
2.3.1 Das “Dealing at Arm´s Length Principle”
„Under the arm´s length principle, related taxpayers must set transfer prices for any intercompany transaction as if they were unrelated entities but all other aspects of the relationship were unchanged.“[25] Im deutschen Sprachgebrauch ist das Arm´s Length Principle (ALP) auch unter dem Begriff Fremdvergleichsgrundsatz geläufig. Hintergrund des ALP ist die Schaffung eines Vergleichmaßstabes für eine marktlich entstandene Preisbildung. Dieser Vergleichsmaßstab wird auch als Fremdvergleichspreis bezeichnet. Als Fremdvergleichspreis ist grundsätzlich der Preis anzusetzen, „den fremde Dritte bei einer Transaktion vereinbart haben oder vereinbart hätten.“[26] „Werden identische oder zumindest vergleichbare Transaktionen nicht zwischen voneinander unabhängigen Personen durchgeführt“[27], so tritt die Fiktionstheorie in Kraft, welche eine Unabhängigkeit zwischen den Personen, im Sinne der Marktpreisfindung autonomer Unternehmen, fingiert. Die Höhe des Fremdvergleichspreises richtet sich danach, wie ihn ein ordentlicher Geschäftsleiter unter Berücksichtigung der Unternehmenszielerreichung vereinbaren würde.
Das ALP ist geregelt im Artikel 9 der OECD Model Tax Convention und bildet die Grundlage für viele bilaterale Abkommen zwischen OECD-Mitgliedstaaten und anderen Nicht-Mitgliedstaaten. Auch in Deutschland hat das ALP Gültigkeit, und ist geregelt im § 1 Abs. 1 AStG. Hiernach sind diejenigen Einkünfte des Steuerpflichtigen, die durch Geschäftsbeziehungen mit ihm nahe stehenden Personen im Ausland entstanden sind, zu berichtigen, sofern die Geschäftsbedingungen von denen abweichen, wie sie unter fremden Dritten üblicherweise vereinbart worden wären. Die Legaldefinition einer dem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person ergibt sich aus dem § 1 Abs. 2 AStG, in dem im Wesentlichen auf das Beteiligungsverhältnis (mindestens 25%), bzw. auf eine beherrschende Einflussnahme des Steuerpflichtigen abgestellt wird.
Wird das ALP bei der Gestaltung der Verrechnungspreise innerhalb eines multinatinolen Konzerns misachtet, geht dieses mit fünf potentiellen Risiken einher:[28]
- Steigende nationale Steuerlast,
- potentielle Gefahr der Doppelbesteuerung,
- Sanktionen und Verzugszinsforderungen,
- Planungsunsicherheit über die Höhe der globalen Gesamtsteuerlast innerhalb eines multinationalen Konzerns,
- langfristige Probleme im Umgang mit den lokalen Finanzbehörden.
Sollte eine nationale Finanzbehörde zu dem Entschluß kommen, dass die von dem steuerpflichtigen Unternehmen angesetzten Verrechnungspreise für einen best. Bemessungszeitraum nicht dem ALP entsprechen, bzw. kein plausibler Grund für das Abweichen vom ALP erkennbar ist, so führt dieses in aller Regel zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens und somit zu einer höheren Steuerbelastung für das steuerpflichtige Unternehmen. Im schlimmsten Fall wäre das Unternehmen allen fünf o.a. potentiellen Risiken am Ende real ausgesetzt, mit entsprechenden Konsequenzen für den gesamten multinationalen Konzernverbund. Eine sorgfältige Anwendung des ALP ist daher dringend geboten, denn „No country – poor, emerging or wealthy – wants its tax base to suffer because of transfer pricing. The arm´s length principle can help.”[29]
Wie das ALP praktisch anzuwenden ist, soll an einem einfachen Beispiel verdeutlicht werden:
Ein deutscher Halbleiter-Hersteller produziert seine Chips in der VR China. Die gesamten Hersellungskosten eines Chips betragen 10 EUR, der Marktverkaufspreis in Deutschland betrage 30 EUR. Die deutsche Konzernzentrale vereinbart mit dem assoziierten chinesichen Produktionsunternehmen einen Verrechnungspreis in Höhe von 30 EUR und vertreibt die Chips in Deutschland. In dieser Situation ist der Marktverkaufspreis gleich dem Selbstkostenpreis der deutschen Vertriebsgesellschaft – folglich kann diese keinen Gewinn erwirtschaften und entginge mangels vorhandenem zu versteuerndem Einkommen einer Steuerbelastung in Deutschland. Das chinesische Produktionsunternehmen währenddessen erhält pro verkaufter Einheit einen Gewinnbeitrag in Höhe von 20 EUR, welcher nach lokalem chinesischen Recht zu versteuern ist. In diesem Fall der Gewinnverschiebung in ein Niedrigsteuerland hat die deutsche Finanzbehörde eindeutig das Nachsehen, da sie keine Steuereinnahmen verzeichnen kann, im Gegensatz zu der Finanzbehörde in der VR China, welche das gesamte Steueraufkommen für sich vereinnahmen kann, und sich somit die globale Steuerlast des Konzerns geringer darstellt, als bei einer Besteuerung in Deutschland.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Dealing at arm´s length?[30]
Das ALP steht diesem Gebaren jedoch deutlich entgegen, denn aus Sicht der deutschen Finanzbehörde würde der Verrechnungspreis von 30 EUR keinem Fremdvergleich standhalten, da ein ordentlicher Geschäftsleiter solche Geschäftsbedingungen niemals akzeptiert hätte. Die Folge wäre eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens gem. § 1 AStG durch eine Schätzung der Bemessungsgrundlage durch die Finanzbehörde gem. § 162 AO, welches letztendlich zu einer höheren globalen Steuerlast führt, als sich unter realistischen Verrechnungspreisen ergeben hätte. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft besonders ehrgeizige Betriebsprüfer unseren deutschen Halbleiter-Hersteller heimsuchen werden, sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Diese Probleme hätten im Vorfeld eliminiert werden können, wäre der Verrechnungspreis z.B. auf 20 EUR festgelegt worden. In diesem Fall hätten beide Staaten einen angemessenen zu besteuernden Gewinnanteil des Konzerns erhalten.
2.3.2 Methoden der Verrechnungspreisermittlung und Anwendungsbereiche
Die Ermittlung eines angemessenen Verrechnungspreises nach dem ALP gestaltet sich jedoch in der Regel sehr schwierig, da eine direkte Vergleichbarkeit der Transaktionen oft nicht gegeben ist. Demnach ist durch Korrekturen eine indirekte Vergleichbarkeit durch Zu- oder Abschläge auf den Fremdpreis vorzunehmen. Dies erfolgt mit Hilfe der folgenden Methoden zur Verrechnungspreisermittlung:[31]
[...]
[1] Gem. Rolfe, International Transfer Pricing 2004/2005, S. 1.
[2] Gem. Wilmanns, Verrechnungspreise – Nur eine Pflicht oder Instrument der Konzernsteuergestaltung, S. 1.
[3] Vgl. Coenenberg, Kostenrechnung und Kostenanalyse, S. 515.
[4] Gem. Kreuter, Verrechnungspreise in Profit-Center-Organisationen, S. 15.
[5] Vgl. Coenenberg, Kostenrechnung und Kostenanalyse, S. 515.
[6] Ebenda.
[7] Vgl. Kreuter, Verrechnungspreise in Profit-Center-Organisationen, S. 10.
[8] Ebenda, S. 12.
[9] Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 187.
[10] Gem. Kreuter, Verrechnungspreise in Profit-Center-Organisationen, S. 122.
[11] Gem. Henselmann / Schmidt, Kompakt-Lexikon Internationales Steuerrecht, S. 181.
[12] Gem. Henselmann / Schmidt, Kompakt-Lexikon Internationales Steuerrecht, S. 181.
[13] Vgl. Fischer / Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 391.
[14] Gem. OECD – Leitsätze für multinationale Unternehmen, S. 20.
[15] Vgl. Coenenberg, Kostenrechnung und Kostenanalyse, S. 516.
[16] Ebenda.
[17] Vgl. Henselmann / Schmidt, Kompakt-Lexikon Internationales Steuerrecht, S. 182.
[18] Vgl. Winkeljohann, Skript: Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 18.
[19] Die beschränkte Einkommensteuerpflicht ergibt sich hier aus dem § 1 Abs. 4 EStG iVm §§ 8, 9 AO.
[20] Vgl. Winkeljohann, Skript: Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 18.
[21] Gem. Fischer / Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 94.
[22] Ebenda, S. 27.
[23] Gem. Henselmann / Schmidt, Kompakt-Lexikon Internationales Steuerrecht, S. 161.
[24] Gem. OECD – Leitsätze für multinationale Unternehmen, S. 30.
[25] Gem. Rolfe, International Transfer Pricing 2004/2005, S. 18.
[26] Gem. Henselmann / Schmidt, Kompakt-Lexikon Internationales Steuerrecht, S. 73 – 76.
[27] Ebenda, S. 74.
[28] Vgl. Rolfe, International Transfer Pricing 2004/2005, S. 1.
[29] Gem. Neighbour, Transfer pricing: Keeping it at arm´s length, URL: http://www.oecdobserver.org/news/fullstory.php/aid/670/Transfer_pricing:_Keeping_it_at_arm__8217;s_length.html.
[30] Quelle: Neighbour, Transfer Pricing – Keeping it at Arm´s Length.
[31] Vgl. Rolfe, International Transfer Pricing 2004/2005, S. 19 – 29.
- Arbeit zitieren
- Claas Bartels (Autor:in), 2005, Gestaltung und Dokumentation von internationalen Verrechnungspreisen in multinationalen Konzernen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37949
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