Statistisch betrachtet gehen Menschen immer häufiger Risiken in ihrem Leben ein. Es gilt zu verstehen, wie diesem Trend von erhöhtem Risikoverhalten entgegengewirkt werden kann. Die Stimmung steht daher als potentieller Einflussfaktor schon lange unter wissenschaftlicher Beobachtung.
Im Zuge dieses systematischen Literaturreviews werden Ergebnisse aus 21 Studien der letzten Jahre untersucht, die den Stimmungseinfluss auf das Risikoverhalten analysiert haben. Die Ergebnisse stützen, analog zum derzeitigen Forschungsstand, mehrheitlich die Annahme, dass Stimmung ein Einflussfaktor ist, allerdings ohne Einigkeit, ob positive oder negative Stimmung das Risikoverhalten erhöht. Stimmung und Risikoverhalten stellen komplexe Konstrukte dar, die zudem mit vielen weiteren Faktoren in Interaktion stehen und damit Aussagen zu übergeordneten Zusammenhängen erschweren. Stattdessen lassen sich aber auf Basis bisheriger Untersuchungen Aussagen über ausgewählte Risikosituationen und einzelne Stimmungstypen treffen. Um diesen Pool an Aussagen zu erweitern, erfordert es zusätzliche Untersuchungen mit neuen Kombinationen aus Risikoszenarien und Stimmungsarten. Erkenntnisse ermöglichen eine Manipulation und Korrektur von stimmungsbedingtem Risikoverhalten.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definition von Stimmung
2.2 Definition von Risikoverhalten
2.3 Forschungsmethoden
2.4 Einfluss von Stimmung auf Risikoverhalten
2.5 Wirkungsunterschiede positiver und negativer Stimmung
2.6 Ableitung der Hypothesen
3. Methode
3.1 Auswahlkriterien
3.2 Vorgehensweise
3.3 Ausgewählte Studien
4. Ergebnisse
4.1 Positive Stimmung erhöht das Risikoverhalten
4.2 Negative Stimmung erhöht das Risikoverhalten
4.3 Stimmung erhöht nicht das Risikoverhalten
4.4 Zusätzliche Ergebnisse aus den Studien
5. Diskussion
5.1 Einfluss von Stimmung auf Risikoverhalten
5.2 Grenzen und Schwächen
5.3 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Ergebnisse der Literaturrecherche
Tabelle 2. Ausgewählte Primärstudien
Tabelle 3. Studien mit Bestätigung für H1 (mit Ergebnissen)
Tabelle 4. Studien mit Bestätigung für H2 (mit Ergebnissen)
Tabelle 5. Studien ohne Bestätigung für H1 und H2 (mit Ergebnissen)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Kernelemente und hauptsächlicher Studienablauf
Abbildung 2. Stimmung und Risikoverhalten bei der MMH und AIM
Abbildung 3. Erklärungsansätze von MMH und AIM (mit Hypothesen)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassung
Statistisch betrachtet gehen Menschen immer häufiger Risiken in ihrem Leben ein. Es gilt zu verstehen, wie diesem Trend von erhöhtem Risikoverhalten entgegengewirkt werden kann. Die Stimmung steht daher als potentieller Einflussfaktor schon lange unter wissenschaftlicher Beobachtung. Im Zuge dieses systematischen Literaturreviews werden Ergebnisse aus 21 Studien der letzten Jahre untersucht, die den Stimmungseinfluss auf das Risikoverhalten analysiert haben. Die Ergebnisse stützen, analog zum derzeitigen Forschungsstand, mehrheitlich die Annahme, dass Stimmung ein Einflussfaktor ist, allerdings ohne Einigkeit ob positive oder negative Stimmung das Risikoverhalten erhöht. Stimmung und Risikoverhalten stellen komplexe Konstrukte dar, die zudem mit vielen weiteren Faktoren in Interaktion stehen und damit Aussagen zu übergeordneten Zusammenhängen erschweren. Stattdessen lassen sich aber auf Basis bisheriger Untersuchungen Aussagen über ausgewählte Risikosituationen und einzelne Stimmungstypen treffen. Um diesen Pool an Aussagen zu erweitern, erfordert es zusätzliche Untersuchungen mit neuen Kombinationen aus Risikoszenarien und Stimmungsarten. Erkenntnisse ermöglichen eine Manipulation und Korrektur von stimmungsbedingtem Risikoverhalten.
1. Einleitung
„Nur ein verzweifelter Spieler setzt Alles auf einen einzigen Wurf“ (Schiller, 2015, S. 122). Allgemein betrachtet beschreibt dieses Zitat aus Friedrich Schillers‘ bekanntem Werk „Kabale und Liebe“, dass Menschen in negativer Stimmung (der verzweifelte Spieler) ein erhöhtes Risikoverhalten zeigen (er setzt alles auf einen einzigen Wurf). In dem vorliegenden systematischen Literaturreview wird der Frage nachgegangen, ob die Stimmung das menschliche Risikoverhalten beeinflusst. Da bereits viele Erhebungen vorliegen, die einen generellen Stimmungseinfluss unterstützen und die Stimmung im allgemeinen eine positive oder negative Ausprägung einnehmen kann, wird in diesem systematischen Literaturreview der Fokus darauf gelegt, welche Stimmungsausprägung hierbei möglicherweise die größere Gefahr mit sich bringt.
Statistiken zeigen, dass eine allgemeine Zunahme des Risikoverhaltens zu beobachten ist. Die Bundesrepublik Deutschland stellt hierfür ein passendes Beispiel dar. Die Einwohnerzahl sank nach Angaben des Statistischen Bundesamts von rund 81.75 Mio. im Jahr 2010 auf knapp 81.20 Mio. im Jahr 2014 (Statistisches Bundesamt, 2016b). Trotz dieses Rückgangs von über einer halben Million Einwohner, eröffneten über den gleichen Zeitraum hinweg 518 neue Spielhallen und kamen damit 2014 auf eine Gesamtanzahl von 5995 solcher Betriebe innerhalb Deutschlands (Statistisches Bundesamt, 2016a). Zusätzlich meldete das Robert Koch-Institut (2016) in seinem regelmäßigen Jahresbericht zum Humane Immundefizienz Virus (HIV) für diese vier Jahre einen Anstieg von HIV Neuinfektionen in Deutschland von fast 3000 Neuinfektionen im Jahr 2010 auf circa 3500 Neuinfektionen im Jahr 2014. Diese Zahlen verdeutlichen die Wichtigkeit den möglichen Stimmungseinfluss auf das Risikoverhalten weiter zu analysieren, um diesem Trend mit passenden Maßnahmen entgegenzuwirken.
Um das Risikoverhalten ihrer Bürger in besonders gefährdeten Bereichen zu reduzieren, bedienen sich einige Regierungen seit längerer Zeit an dem Prinzip des Stimmungseinflusses. Hierzu wird die Stimmungsrichtung mit dem Ziel eines folglich geringeren Risikoverhaltens manipuliert. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die gesetzliche Einführung großflächiger „Schockbilder“ auf Zigarettenschachteln in Deutschland seit Mai 2016. Die bewusst heftige Darstellung der möglichen Folgen durch das Rauchen versucht die Bürger von diesem Risikoverhalten abzubringen, indem die Bilder eine negative Stimmung in Form von Angst und Ekel auslösen sollen. Eine Plakatkampagne in Norwegen ging einen anderen Weg (Waterloo, 2008). Um die Autofahrer davon abzuhalten unangegurtet Auto zu fahren, wurden statt schockierenden Plakaten am Straßenrand eher Situationen dargestellt, die positive Stimmungen auslösen sollten, wie Liebe und Freude. Hierzu wurden auf Plakaten Menschen von ihren Kindern oder Partnern umarmt, wobei sich deren Arme symbolisch wie ein Gurt um sie legten. In dieser Kampagne wurde also angenommen, dass positive Stimmung das Risikoverhalten reduziert. Diese gegensätzlichen Beispiele zeigen, dass bisher keine generelle Einigkeit besteht, welche Stimmungsausprägung das Risikoverhalten reduziert. Ebenso birgt dies die Gefahr, dass mit den bisherigen Maßnahmen unter Umständen auch genau das Gegenteil erreicht wird und sich das Risikoverhalten dadurch sogar erhöht. Aber vielleicht zeigen diese beiden Beispiele auch, dass es keine allgemeingültige Regel gibt, die besagt welchen Einfluss die Stimmung auf das Risikoverhalten ausübt.
Im Fortgang dieses systematischen Literaturreviews wird durch Betrachtung und Zusammenführung verschiedener Studien, die zu diesem Thema durchgeführt wurden versucht, mehr Klarheit zu schaffen welche Wirkung und welchen Einfluss die Stimmung auf das Risikoverhalten hat.
Entsprechende Erkenntnisse sind auch für den grundsätzlichen Alltag nützlich, da Menschen täglich mit diversen Risikosituationen konfrontiert werden. So können beispielsweise Vertrieb und Marketing den Stimmungseinfluss zu ihren Gunsten nutzen, damit potentielle Neukunden das Risiko eingehen bisher unbekannte Produkte zu erwerben. Umgekehrt können sich Kunden durch Kenntnisse über den Zusammenhang von Stimmung und Risikoverhalten vor genau diesen Manipulationen schützen.
Im Rahmen des vorliegenden Literaturreviews wird zur besseren Lesbarkeit die männliche Sprachform im inklusiven Sinne genutzt, welche auch immer alle weiblichen Formen mit einschließt.
2. Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden zunächst die beiden wesentlichen Begrifflichkeiten, Stimmung und Risikoverhalten definiert und abgegrenzt, um mögliche Mehrdeutigkeiten zu beseitigen und ein einheitliches Verständnis für die folgenden Verwendungen zu schaffen. Aufbauend wird der derzeitige Forschungsstand hergeleitet, wobei auch Methoden und Instrumente vorgestellt werden, die in diesem Untersuchungsfeld häufig zum Einsatz kommen. Final wird der derzeit uneinheitliche Forschungsstand dargelegt, worauf die anschließenden Hypothesen dieser Arbeit zur weiteren Untersuchung aufbauen.
2.1 Definition von Stimmung
Stimmung wird als ein Gefühl beschrieben, mit möglicher Ausprägung in eine angenehme oder unangenehme Richtung (Neumann, 2014). Definitionen nutzen häufig den Vergleich zu Emotionen. Der Grund hierfür ist, dass beide Begriffe nicht trennscharf sind und in der Praxis oft synonym verwendet werden. Doch Stimmungen und Emotionen sind Unterkategorien für Affekte und weisen demnach auch Unterschiede auf. Nach Parkinson, Totterdell, Briner und Reynolds (2000) werden Emotionen durch spezielle Ereignisse oder Ursachen ausgelöst, setzen schnell ein, sind auf konkrete Objekte oder Ziele gerichtet, dauern eher kurz an und sind von starker Intensität. Stimmungen dagegen sind Affektzustände ohne konkrete Auslösesituation, sind von längerer Dauer und haben eine geringe Intensität. Stimmungen setzten zudem nicht sofort ein und sind auf kein Ziel oder Objekt gerichtet. Stimmungen und Emotionen stehen allerdings in enger Verbindung, da Stimmungen auch aus Emotionen resultieren können (Parkinson et al., 2000). Trotz allgemeiner Übereinstimmung bezüglich der Unterschiede von Stimmungen und Emotionen, ist eine Unterscheidung in der Praxis auf Grund der ähnlichen Eigenschaften meist kaum möglich (Beedie, Terry & Lane, 2005). Daher wird die Definition von Stimmung in dieser Arbeit erweitert als ein „lang anhaltender emotionaler Zustand“. Für die unterschiedlichen Stimmungsarten (z. B. glücklich, gut, gelassen, entspannt, traurig, schlecht) werden die übergeordneten Kategorien „positiv, neutral und negativ“ verwendet, da sich diese Kategorisierung in der Praxis etabliert hat und daher häufig Anwendung findet (Ostir, Smith, Smith & Ottenbacher, 2005).
2.2 Definition von Risikoverhalten
Klebelsberg (2014) definiert Risikoverhalten als Verhaltensweisen im Kontext von Risikosituationen. Demnach charakterisieren diese Risikosituationen, dass eine potentielle Gefahr zur Verschlechterung der aktuellen Ausgangsituation besteht, als Folge einer Handlung oder Entscheidung. Nach Weber, Blais und Betz (2002) können Risikosituationen in den unterschiedlichsten Kontexten auftreten (gesundheitlich, finanziell, moralisch, etc.) und sind dadurch gekennzeichnet, dass mindestens zwei Handlungsalternativen zur Auswahl stehen, die jeweils verschiedene Ziele verfolgen und unterschiedliche Folgen mit sich bringen können. Dabei sind entweder die Folgen der Handlung bekannt, aber deren Eintritt ungewiss (z. B. beim klassischen Lotteriespiel) oder bei garantiertem Eintritt fehlen Informationen zu den möglichen Handlungsfolgen (z. B. beim Kauf eines unbekannten oder neuen Produkts). Nach Greve (2001) fallen unter den Begriff Verhaltensweisen, als übergeordnete Kategorie zu Handlungen, nicht nur sichtbare Bewegungen, sondern auch mentale nicht direkt beobachtbare Konzepte wie Einstellungen, Erwartungen und Werte. Daher wird in dieser Arbeit die innere Risikobereitschaft als nicht sichtbarer Vorläufer einer möglichen Risikohandlung unter dem Begriff Risikoverhalten mit eingeschlossen. Diese internale Risikobereitschaft zeigt sich in der Praxis in Form von Risikotendenzen, Risikoeinstellungen oder auch der Risikowahrnehmung innerhalb einer Risikosituation (Weber et al., 2002).
2.3 Forschungsmethoden
In diesem Abschnitt wird erläutert wie Studien, die den Zusammenhang und Einfluss von Stimmung auf Risikoverhalten untersuchen, im Kern umgesetzt werden und welche Instrumente zur Operationalisierung, Messung oder Manipulation der Konstrukte Stimmung und Risikoverhalten in der Praxis zur Verfügung stehen. In der nachstehenden Abbildung sind die Hauptelemente und der Ablauf vieler Studien zusammengefasst (Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Kernelemente und hauptsächlicher Studienablauf (eigene Darstellung).
Studien, die den Einfluss von Stimmung auf das Risikoverhalten untersuchen, finden sowohl im Labor als auch im Feld statt und bedienen sich dabei an between-, within- sowie within- und between-subjects Designs. Zur Manipulation der Stimmung in eine negative, neutrale oder positive Richtung, stehen verschiedene Instrumente zur Auswahl, wovon wesentliche an dieser Stelle kurz erwähnt werden sollen. Eine Variante ist der Einsatz von Videomaterial. Hierbei werden Probanden Kurzfilme oder Filmausschnitte vorgespielt, welche die gewünschte Stimmungsrichtung hervorrufen sollen (Vries, Holland & Witteman, 2008; Westermann, Spies, Stahl & Hesse, 1996). Eine andere visuelle Möglichkeit ist der Einsatz von Bildern, beispielsweise aus dem International Affective Picture System (IAPS), mit hierfür geprüftem und standardisiertem Bildmaterial (Lang, Bradley & Cuthbert, 2005). Ebenso ist eine Manipulation auf akustischem Weg möglich, durch Verwendung unterschiedlicher Musikstücke (Gross & Levenson, 1995). Als weitere Option stehen positive, neutrale oder negative Ereignisse oder Situationen zur Verfügung. Hierzu können entweder passende autobiografische Erlebnisse von den Probanden in Erinnerung gerufen werden oder den Versuchspersonen (Vpn) werden entsprechende Situationsbeschreibungen zum Lesen und Hineinversetzen vorgelegt (Bless et al., 1996; Tice, Bratslavsky & Baumeister, 2001). Schließlich gibt es noch die Alternative direkt eine positive, neutrale oder negative Erfahrung in Form von Erfolg und Misserfolg zu erleben. Dazu können Tests mit unterschiedlich hohen Schwierigkeitsgraden oder auch falsche Feedbacks bezüglich einer vorausgegangenen Leistung eingesetzt werden (Capra, Lanier & Meer, 2010; Parrott & Sabini, 1990). Im between- subjects Design besteht zudem die Möglichkeit, gar keine Stimmungsmanipulation durchzuführen und die natürlich vorliegende Stimmungslage der Probanden zu messen, wonach diese anschließend, gemäß ihrem Messergebnis, den verschiedenen Stimmungsgruppen zugeordnet werden.
Zu der angesprochenen Stimmungsmessung stehen ebenfalls verschiedene Instrumente zur Auswahl. Da Stimmung ein internales und nicht direkt messbares Konstrukt darstellt, erfolgt die Messung überwiegend durch Selbstauskünfte der Probanden. Um ihren Stimmungszustand zu beschreiben, machen die Vpn hierzu häufig Angaben über die verspürte Stärke unterschiedlicher Items (meist Adjektive zur Gefühlsbeschreibung) auf entsprechenden Skalen. Die angegebenen Werte zu diesen Items werden dann unter Prüfung der jeweiligen Reliabilität zu übergeordneten Faktoren, wie der negativen, neutralen oder positiven Stimmung, zusammengefasst. Der klassische Vertreter dieser Variante ist die Positive Affect Negative Affect Scale (PANAS) von Watson, Clark und Tellegen (1988). Dieses Instrument umfasst zehn Items für positive Stimmung (u. a. interessiert, freudig erregt, begeistert) und zehn Items für negative Stimmung (u. a. bekümmert, verärgert, ängstlich). Die verspürte Stärke jedes Items wird über eine unipolare 5-Punkt- Skala (1 = gar nicht → 5 = extrem) angegeben und bildet zusammen mit den anderen Items im Mittelwert die Ausprägung des übergeordneten Stimmungsfaktors (positiv oder negativ). Alternativen zur PANAS sind u. a. der Multidimensional Mood Questionnaire (MMQ), der Emotional Arousal Questionnaire (EAQ) und die Profile of Mood States (POMS) (Goldberg, Lerner & Tetlock, 1999; Steyer, Schwenkmezger, Notz & Eid, 1994; Zhu, 1995). Alle basieren auf dem Prinzip der PANAS, nutzen jedoch teilweise andere Items (z. B. gut, glücklich, schlecht, traurig) in unterschiedlicher Anzahl (12, 16 und 58 Items) und verschiedene Skalenbreiten (8-Punkt-Skalen im EAQ). Die übergeordneten Faktoren tragen zudem nicht immer die gleichen Bezeichnungen, lassen sich aber immer den Oberkategorien der positiven, neutralen oder negativen Stimmung zuordnen. Eine andere Variante ist der Self-Reported Mood Questionnaire (SRMQ) von Matthews, Pitcaithly und Mann (1995). Hier geben die Probanden zum Ausdruck ihres Stimmungszustandes die Ausprägungsrichtung von drei verschiedenen Dimensionen (unangenehm ↔ angenehm, angespannt ↔ entspannt und müde ↔ energetisch) über bipolare 11-Punkt-Skalen (-5 bis +5) an. Die entgegengesetzten Pole repräsentieren dabei die übergeordneten Faktoren der negativen und positiven Stimmung. Die Werte werden dann in ein Format von 0 bis 10 umgeformt und die anschließend gebildeten Mittelwerte geben je nach Größe, die übergeordnete Stimmungsausprägung an (0 = stark negativ ↔ 10 = stark positiv). Schließlich gibt es noch die einfache Möglichkeit einer einzigen Self-Rating-Question (SRQ), bei der sich der Proband selbst einer von drei möglichen Stimmungskategorien (glücklich, neutral, traurig) zuordnet, um damit seine Stimmung zu beschreiben. Nicht selten wird zur Stimmungsmessung ein eigenes Instrument eingesetzt, in Anlehnung an bereits beschriebene etablierte Verfahren. Hierzu werden entweder Ausprägungsstärken zu unterschiedlichen Items auf unipolaren Skalen angegeben oder Ausprägungsrichtungen verschiedener Dimensionen auf bipolaren Skalen. Die Werte der Items, beziehungsweise Dimensionen werden dann final immer zu übergeordneten Stimmungstypen zusammengefasst (Diener & Emmons, 1984; Salovey, 1992). Wenn nach Messung der Stimmung nachweislich unterschiedliche Ausprägungen vorliegen, erfolgt im letzten Schritt die Messung des Risikoverhaltens, um schließlich mögliche Unterschiede je nach Stimmung zu registrieren. Zur Operationalisierung des Konstrukts Risikoverhalten, stehen mehrere Methoden zur Verfügung, wovon einige folgend vorgestellt werden. Häufig findet eine Messung der Risikotendenz statt. Hierzu sollen die Probanden meist in hypothetischen Szenarien zwischen verschieden riskanten und sicheren Handlungsoptionen wählen, beziehungsweise ihre jeweilige Tendenz pro Option angeben. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Choice Dilemmas Questionnaire (CDQ) von Kogan und Wallach (1964). Dieser Fragebogen beschreibt in 12 Items realistische Dilemmata mit jeweils einer sicheren, aber wenig lohnenswerten und einer riskanten, aber stark lohnenswerten Handlungsoption (z. B. „Nach einer Herzkrankheit können Sie zur Besserung geliebte Gewohnheiten ändern oder zur Heilung eine gefährliche Operation durchführen lassen“). Die Probanden geben ihre Tendenz zur sicheren Option prozentual an und ihre Tendenz zur riskanten Option auf einer bipolaren 11-Punkt-Skala (-5 bis +5). Beide Angaben werden auf Werte von 0- 100 umskaliert und ergeben zusammen über alle 12 Items im Mittelwert die Risikotendenz (mit 100 = max. Risikotendenz). Ähnlich funktioniert das Personal Risk Inventory (PRI) von Hockey, Maule, Clough und Bdzola (2000). Es umfasst 13 alltägliche Entscheidungssituationen, aus fünf verschiedenen Lebensbereichen (rechtlich, gesundheitlich, sozial, moralisch, finanziell). Die Probanden bestimmen hier allerdings nicht die Stärke, sondern die Richtung ihrer Risikotendenz. Hierzu wählen sie auf einer bipolaren 10-Punkt-Skala zwischen der riskanten und der sicheren Handlungsoption (1 = sichere Option ↔ 10 = riskante Option), was im Mittel über alle 13 Items die Risikotendenz angibt (mit 10 = max. Risikotendenz). Eine andere Vorgehensweise zur Ermittlung der Risikotendenz zeigt der Risk-Tolerance Questionnaire (RTQ) von Grable und Lytton (1999). In diesem Fall sind zur Beantwortung von 13 Items, bezüglich finanzieller Investments, mehrere Antworten vorgegeben, denen verdeckte und unterschiedlich hohe Risikobewertungen zugeordnet sind. So erreichen Probanden je nach Antwortkombination über alle Items eine Risikotendenz zwischen 13 bis 47 (mit 47 = max. Risikotendenz). Statt der Risikotendenz ist auch die Risikowahrnehmung eine mögliche Bemessungsgrundlage. Das Benthin Risk Perception Measure (BRPM) vergibt beispielsweise einen Wert für die Risikowahrnehmung, indem Probanden die Gefahr von fünf beschriebenen riskanten Verhaltensweisen (Alkoholkonsum, Rauchen, Mitfahrt bei betrunkenem Fahrer, Kämpfen, ungeschützter Geschlechtsverkehr) mit jeweils fünf Items (u. a. „Wie riskant bewerten Sie das Verhalten?“) über unipolare 5-Punkt-Skalen (1 = nicht riskant → 5 = sehr riskant) angeben. Der Mittelwert über alle Items bestimmt die Höhe der Risikowahrnehmung (mit 1 = min. Risikowahrnehmung) (Benthin, Slovic & Severson, 1993).
Schließlich gibt es noch effektive Risikohandlungen oder Risikoentscheidungen als klassische Formen der Messung von Risikoverhalten. Hierbei wird die Anzahl von Risikohandlungen über einen gewissen Zeitraum erfasst und die Werte zwischen den Testgruppen verglichen, wobei höhere Werte für ein höheres Risikoverhalten stehen. Im Driving Behavior Questionnaire (DBQ) wird diese Anzahl beispielsweise von den Probanden selbst erfasst, indem sie die Anzahl von 21 unterschiedlich schweren Verkehrsverstößen über einen vergangenen Zeitraum rückwirkend angeben (Reason, Manstead, Stradling, Baxter & Campbell, 1990). Die Anzahl von Risikohandlungen kann aber auch durch andere Beobachter während einer durchzuführenden Aktivität registriert werden (z. B. Geschwindigkeitsüberschreitungen beim Fahren im Fahrsimulator oder Rücksichtslosigkeiten beim Ablaufen eines Hindernisparcours) (Gardner & Steinberg, 2005; Morrongiello, Walpole & Lasenby, 2007). Zuletzt sollen im Zuge von Risikoentscheidungen noch die oft verwendeten Glücksspielsimulationen erwähnt werden. Neben einer möglichen Auswahl zwischen mindestens zwei Glücksspielvarianten (sicher oder riskant) nach dem Prinzip von CDQ oder PRI, können hier zur Messung des Risikoverhaltens auch andere numerische Angaben genutzt werden, wie Spielausgaben, Einsatzhöhen, Spieldauer oder die Häufigkeit zur Wahl der riskanten Spielvariante bei mehreren Spielrunden (Holt & Laury, 2002).
2.4 Einfluss von Stimmung auf Risikoverhalten
Zu Zeiten des Behaviorismus entwickelten Neumann und Morgenstern (1944) ihre „Traditional Utility Theory“ (klassische Erwartungsnutzentheorie), zur Erklärung des menschlichen Verhaltens. Gemäß den behavioristischen Ansichten, ohne Introspektion, wurde Verhalten rein rational beschrieben. Neumann und Morgenstern gingen davon aus, dass der Mensch in jeder Situation eine Nutzenmaximierung anstrebt. Hierzu vergleicht dieser Handlungsalternativen rein mathematisch nach deren Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeiten und zugeschriebenem Nutzwert. Der Mensch verfügt hierzu über alle benötigten Informationen und klare geistige Fähigkeiten, ohne Verzerrungen durch internale Emotionen oder Stimmungen. Die klassische Erwartungsnutzentheorie stieß jedoch in der Praxis oft an ihre Grenzen und konnte mit ihrer Einfachheit die komplexe Realität schlecht abbilden. Zum einen verfügen Menschen fast nie über ausreichende Informationen, um alle Handlungsalternativen mathematisch vergleichen zu können und zum anderen wird dieser rational logischen Vorgehensweise in praktischen Risikosituationen viel zu häufig widersprochen.
Nachdem der Kognitivismus den Behaviorismus zeitlich ablöste und die Introspektion in den Fokus rückte, lieferten Kahneman und Tversky (1979) eine Alternative zur klassischen Erwartungsnutzentheorie. Ihre „Prospect Theory“ (neue Erwartungsnutzentheorie) erklärte das menschliche Verhalten erweitert mit internalen Prozessen. Demnach führten Kahneman und Tversky in ihren Untersuchungen auf, dass Entscheidungen in ungewissen Risikosituationen nicht nur rein objektiv und rational getroffen werden, sondern von inneren Gefühlen beeinflusst und mitbestimmt werden. Diesen Einfluss begründeten sie mit stimmungsbedingten Wahrnehmungsverzerrungen. Dadurch kommt es beispielsweise zur Überschätzung eigener Fähigkeiten, zur Fehleinschätzung anderer oder zur höheren Gewichtung vertrauter Informationen. Diese realistischere Annahme integrierte nun auch beobachtete Verhaltensweisen aus der Praxis, die der klassischen Erwartungsnutzentheorie widersprachen. Somit stellten Kahneman und Tversky die populärste alternative Theorie gegenüber Neumann und Morgenstern dar.
2.5 Wirkungsunterschiede positiver und negativer Stimmung
Mit der Prospect Theory wurde ein Einfluss von Stimmung auf das Risikoverhalten dargestellt. Allerdings fehlten noch weitere ausreichende Differenzierungen zwischen den unterschiedlichen Ausprägungsrichtungen der Stimmung. Spätere Forschungen widmeten sich dieser Differenzierung und untersuchten die Unterschiede zwischen positivem und negativem Stimmungseinfluss, woraus sich zwei gegensätzliche Theorien entwickelten (Forgas, 1995; Isen & Patrick, 1983).
Isen und Patrick (1983) trafen mit ihrer „Mood Maintenance Hypothesis (MMH)“ (Stimmungserhaltung Hypothese) die Annahme, dass positive Stimmung tendenziell zur Risikovermeidung führt und negative Stimmung das Risikoverhalten erhöht. Forgas (1995) traf hingegen mit seinem „Affect Infusion Model (AIM)“ (Affekt Infusions Modell) die umgekehrte Aussage, wonach positive Stimmung zu mehr Risikoverhalten führt, während negative Stimmung dieses reduziert. Die gegensätzlichen Annahmen zum Zusammenhang von Stimmung und Risikoverhalten sind in der nachstehenden Abbildung schematisch dargestellt (Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Schematische Darstellung des Zusammenhangs von Stimmung und Risikoverhalten bei der MMH gegenüber dem AIM (eigene Darstellung).
In der MMH von Isen und Patrick (1983) wird angenommen, dass der Mensch stets bestrebt ist einen positiven Stimmungszustand zu erreichen und diesen auch zu erhalten. Als Folge wird ein Risikoverhalten in positiver Stimmung tendenziell vermieden, da mögliche unerwünschte Handlungsfolgen zu negativer Stimmung führen könnten. Umgekehrt kommt es in negativer Stimmung zu erhöhtem Risikoverhalten, wenn mögliche erwünschte Handlungsfolgen zu einem Stimmungswechsel führen könnten. Demnach würde beispielsweise eine Person in negativer Stimmung Lotto spielen, um durch einen Gewinn in positive Stimmung zu gelangen, während sie dies in positiver Stimmung unterlässt, da ein Verlust negative Stimmung hervorrufen würde. Die Annahmen der MMH werden von der „Mood Repair Hypothesis“ gestützt, die vom gleichen Zusammenhang ausgeht, als Form der kognitiv gesteuerten Stimmungsregulation bei negativer Stimmung (Boden & Baumeister, 1997).
Das AIM von Forgas (1995) nimmt einen umgekehrten Zusammenhang an. Hier wird davon ausgegangen, dass Stimmung die Wahrnehmung von Menschen verändert und somit deren Risikoverhalten beeinflusst. Demnach führt positive Stimmung zu einer optimistischeren Sichtweise. Dadurch werden Gefahren in Risikosituationen unterschätzt und die Eintrittswahrscheinlichkeit erwünschter Handlungsfolgen überschätzt, was schließlich das Risikoverhalten erhöht. Negative Stimmung sorgt dagegen eher für eine pessimistische Risikoeinstellung, bei der mögliche Verluste mehr im Fokus stehen und genauer analysiert werden, wodurch das Risikoverhalten abnimmt. Somit würde gemäß AIM eine Person in positiver Stimmung Lotto spielen, da sie die Gewinnchance überschätzt, während sie in negativer Stimmung kein Lotto spielen würde, da der mögliche finanzielle Verlust mehr Beachtung findet. Die Annahmen des AIM werden von der „Affect Priming Theory“ und dem „Mood as Information Model“ unterstützt, wonach positive (respektive negative) Stimmung zu positivem (respektive negativem) Denken führt und die Stimmung als bevorzugte Entscheidungsgrundlage dient (Bower & Forgas, 2000; Schwarz & Clore, 2003).
Die Annahmen der MMH und der gegensätzlichen AIM konnten durch entsprechende Untersuchungsergebnisse von Isen und Patrick (1983) sowie Forgas (1995) gestützt werden.
2.6 Ableitung der Hypothesen
In den letzten Jahren wurden vermehrt Studien durchgeführt, die den Einfluss verschiedener Stimmungsausprägungen auf unterschiedliche Risikoverhaltensweisen untersucht haben. Im Zuge dieses systematischen Literaturreviews werden Studien zu diesem Kontext zusammengeführt und untersucht. Dabei liegt der Fokus darauf, welche Stimmungsausprägung generell das Risikoverhalten erhöht, da ein erhöhtes Risikoverhalten eine größere Gefahr für den Menschen darstellt und somit besondere Beachtung verdient (siehe graue Fläche in Abbildung 2). Daher werden die folgenden Hypothesen aufgestellt und jeweils mit den Ergebnissen der untersuchten Studien beantwortet:
1. Hypothese (H1): Positive Stimmung erhöht das Risikoverhalten
2. Hypothese (H2): Negative Stimmung erhöht das Risikoverhalten Beide Hypothesen schließen sich gegenseitig nicht aus, mit dem Ziel keine mögliche Kombination auszulassen, die zu einem erhöhten Risikoverhalten führen kann. Unter Bezugnahme auf die Erklärungsansätze
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3. Stimmungseinfluss und Wirkung im AIM und der MMH inklusive der aufgestellten Hypothesen (eigene Darstellung).
Ziel der aufgestellten Hypothesen ist, eine möglichst eindeutige Aussage zu treffen, bei welcher Stimmungsausprägung mit erhöhtem Risikoverhalten zu rechnen ist. Dies soll eine entsprechende Sensibilisierung der Menschen, als potentielle Stimmungsträger, ermöglichen.
3. Methode
Im folgenden Kapitel wird die Recherche nach den Primärstudien dargestellt, die dem vorliegenden systematischen Literaturreview zu Grunde liegen. Hierzu werden die Auswahlkriterien und die Vorgehensweise für eine replizierbare Recherche transparent beschrieben. Am Ende sind die ausgewählten Studien tabellarisch aufgelistet.
3.1 Auswahlkriterien
Mehrere spezifische Eingrenzungen bei der Studiensuche bieten in der geringeren Ergebnisanzahl zwar häufiger passendere Studien, aber dafür nicht alle potentiell relevanten Studien. Daher wurden die Auswahlkriterien nicht zu einschränkend definiert, wodurch im Gegenzug mehr Studien gesichtet und als unpassend herausgefiltert werden mussten. Unter die Auswahl fielen Studien mit dem Fokus auf das Beziehungsverhältnis zwischen Stimmung und Verhalten.
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- Quote paper
- Anonymous,, 2017, Der Einfluss von Stimmung auf Risikoverhalten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379635
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