Wirtschaftsmodell Nachhaltigkeit. Wie können Nichtregierungsorganisationen sozialökonomische Prozesse beeinflussen?


Bachelorarbeit, 2017

52 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Problematik, Bedeutung, Aktualität
2.1 Globale Herausforderungen
2.2 Meilensteine einer nachhaltigen Bewegung

3 Theoretisch-wissenschaftlicher Hintergrund einer ökologischen Ökonomie
3.1 Grundzüge der neoklassischen Ökonomie
3.2 Auszüge der neoklassischen Umweltökonomie

4 Akteure der Nachhaltigkeits- und Umweltpolitik
4.1 Direkte Akteure
4.2 Indirekte Akteure

5 Funktion und Einfluss von NGOs
5.1 Geschichte und Entstehung von NGOs
5.2 Partizipation von NGOs an sozialökonomischen Prozessen
5.3 Einfluss von NGOs auf die Gesellschaft und Politik

6 Einflussnahme von Greenpeace für eine nachhaltige Entwicklung
6.1 Entstehungsgeschichte
6.2 Struktur, Selbstverständnis und Finanzierung
6.3 Instrumente und Arbeitsweise
6.4 Erfolge von Greenpeace
6.5 Grenzen und Defizite
6.6 Fallbeispiel

7 Fazit
7.1 Resümee
7.2 Erkenntnisse und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

Abb. 2: Dreiklangmodell der Nachhaltigkeit

Abb. 3: Systemische Sicht der Nachhaltigkeitsdimensionen

Abb. 4: Einfluss von NGOs auf die anderen Akteure

1 Einleitung

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Seit dem 15. November 1994 ist dieser Artikel 20a im deutschen Grundgesetz verankert (vgl. Umweltbundesamt 2015). Somit ist dem Umweltschutz und den damit verbundenen Aktivitäten Verfassungsrang verliehen worden. Insbesondere in Zeiten der schnellen Informationswege durch das Internet ist die Thematik rund um den Umweltschutz generationsübergreifend bekannt. Nun wird gerade die jüngere Generation sowie folgende durch ein unzureichendes Handeln der Politik und Wirtschaft zukünftig eine Umwelt vorfinden, die nicht zuletzt durch den Klimawandel schwere Schäden davongetragen haben wird. Ein aktuelles Beispiel der sichtbaren Betroffenheit liefern hierbei alle Aktivitäten rund um den G20-Gipfel[1] in Hamburg. Menschen allen Alters sowie einige Nichtstaatliche Organisationen treffen sich an öffentlichen Plätzen, um mit unterschiedlichen Aktionen, wie Demonstrationen, ein politisches Statement gegenüber den teilnehmenden Industrie- und Schwellenländern zu liefern. In diesem Zuge fordern sie zum Beispiel neue Schwerpunkte für die Themen des Gipfels, gerade in Bezug auf den Umweltschutz und die Ausbeutung der vorhandenen Ressourcen (vgl. Norddeutscher Rundfunk 2017). Dabei stellt sich die Frage, wer die globalen Herausforderungen, wie Umweltschutz, Armut oder Hunger bekämpfen kann oder soll und wie die Partizipationsmöglichkeiten dieser nichtstaatlichen Akteure sind.

In der Medienlandschaft wird Umweltschutz und eine nachhaltige Entwicklung häufig im gleichen Atemzug verwendet. Dabei gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze darüber, inwiefern diese beiden Dimensionen zusammenhängen, was sie trennt und von wem sie zielführend definiert wurden. In diesem Zuge stellt sich die Frage, was Nachhaltigkeit genau als solche beinhaltet, über welche Erklärungen Einigkeit herrscht, was der Staat und die Ökonomie und die anderen Akteure damit zu tun haben und weiter noch, welche Entwicklungen überhaupt als nachhaltig gelten. Wo ist dabei die Abgrenzung zum Umweltschutz? Diese Fragen gilt es als zu klären.

„Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ (Hauff 1987: 46). Dieser Satz des sogenannten Brundtland Berichts (1987) aus der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen[2] gilt als prägende Definition des Begriffes der Nachhaltigkeit. Nachdem sich das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung etabliert hatte, wurde das Modell der eben genannten Generationengerechtigkeit im Zuge des Gipfels in Rio de Janeiro 1992 (Kapitel 2.2) noch um folgende drei Dimensionen erweitert: Es sollen soziale Gerechtigkeit, eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und eine ökologische Tragfähigkeit, welche unabdingbar miteinander verflochten sind, in Einklang gebracht werden (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2017a).

Diese Arbeit befasst sich im Folgenden hauptsächlich mit der ökologischen Nachhaltigkeit und dem damit zusammenhängenden Umweltschutz. Dieser soll als ein Kriterium der Nachhaltigkeit hier eine übergeordnete Rolle spielen. Die Arbeit verfolgt das Ziel, einen Überblick darüber zu schaffen, was Nachhaltigkeit grundsätzlich bedeutet und was eine ökologische Ökonomie ist. Zusätzlich soll aufgezeigt werden, welche bisherig unternommenen politischen Entschlüsse und Beschlüsse es zu diesem Thema bereits gab. Im Anschluss soll analysiert werden, wie und von wem zukünftige auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung beeinflusst werden können. So wird insbesondere untersucht, inwieweit Nichtstaatliche Organisationen (im Folgenden „NGOs“ aus dem Englischen Non-Governmental Organization) im politischen Prozess eine Rolle spielen. Die daraus resultierende Forschungsfrage lautet demnach:

„Mit welchen Instrumenten und durch wen soll eine nachhaltige Entwicklung vorangebracht werden und welche Rolle spielen dabei NGOs?“

Die Relevanz und die Reichweite des Themas Nachhaltigkeit sind immens, daher ist aufgrund des Rahmens dieser Arbeit nur eine verkürzte Darstellung vieler inhaltlicher Punkte möglich. So soll darauf hingewiesen werden, dass in dieser Arbeit ausgewählte Vorgänge zwischen NGOs und der Politik national am Beispiel Deutschland, international mit Blick auf europäische Vorgänge sowie der Vereinten Nationen genutzt werden. Zunächst soll nun auf die Begrifflichkeiten und die Hintergründe einer Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung eingegangen werden. In dem Zusammenhang werden auch die bisherigen politischen Prozesse auf dem Weg dahin sowie die vorherrschenden globalen Herausforderungen vereinfacht erläutert (Kapitel 2). Im folgenden Verlauf soll ein Überblick darüber geschaffen werden, wie ökologisch die Ökonomie ist, sein kann und inwiefern eine Vereinbarkeit von Umweltschutz in marktwirtschaftlichen Prozessen gegeben ist (Kapitel 3). Dies ist wichtig, da aus diesen Theorien Rückschlüsse für das politische Geschehen gezogen werden können. Mit diesem gewonnenen Verständnis soll dann eine Analyse über alle Akteure der Gesellschaft und deren Einflussmöglichkeiten auf eine nachhaltige Entwicklung geschehen (Kapitel 4). Dabei soll ein Blick auf die generellen umweltpolitischen Instrumente geworfen werden, wie auf diese Einfluss genommen werden kann und vor allem durch wen. Im Weiteren folgt eine generelle Analyse über die Funktion von NGOs und welche Rolle sie im geschichtlichen Verlauf und in Bezug auf das (umwelt-)politische Geschehen eingenommen haben und einnehmen können (Kapitel 5). Diese Ausführungen sollen am Beispiel von Greenpeace vertieft werden (Kapitel 6). Insbesondere wird dabei auf die Struktur und die Ziele der Organisation, die Finanzierung, dessen Instrumente und Arbeitsweise sowie Erfolge und Defizite im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung eingegangen. Zusätzlich soll ein kurzes Fallbeispiel die Möglichkeiten der Einflussnahme näher aufzeigen. Alle diese Bereiche sollen am Beispiel von Greenpeace die Chancen und Grenzen für die Einflussnahme auf die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik und damit auch auf eine nachhaltige Zukunft darlegen.

2 Problematik, Bedeutung, Aktualität

Wenn von Nachhaltigkeit als solcher gesprochen wird, handelt es sich es sich zuerst einmal um einen Zustand. Was allerdings untersucht werden soll, ist wie unsere Gesellschaft und das ganze Handeln nachhaltiger werden kann und insbesondere durch wen. Der Unterschied zwischen Nachhaltigkeit und der schon erwähnten nachhaltigen Entwicklung liegt darin, dass es sich bei letzterem um einen Prozess, bzw. um eine Dynamik handelt. Diese Feststellung lässt sich auch durch eine sehr einfache, aber aussagekräftige, Gleichung formulieren:

„Nachhaltigkeit = Umwelt + Entwicklung“ (Pufé 2014: 43).

Hier spiegelt sich auch wieder, wie verflochten die Thematik ist und dass die Umwelt als Faktor für eine nachhaltige Entwicklung mit einbezogen werden muss (vgl. Pufé 2014: 42f.). Holger Rogall beschreibt in seinen Darstellungen über eine Ökonomie der Nachhaltigkeit die Abhängigkeiten wie folgt:

„Eine nachhaltige Entwicklung strebt neben der internationalen Gerechtigkeit für heutige und künftige Generationen hohe ökologische, ökonomische und sozial-kulturelle Standards in den Grenzen des Umweltraumes an. Dabei kommt der ökologischen Dimension – und damit der Umweltpolitik – eine Schlüsselrolle zu, denn die natürlichen Lebensgrundlagen begrenzen die Umsetzungsmöglichkeiten anderer Ziele (Umwelt als limitierender Faktor). Die natürlichen Voraussetzungen des Lebens auf der Erde sind nicht verhandelbar.“ (Rogall 2004: 27).

Zu diesem Schluss ist er aus dem Grund gekommen, da das menschliche Leben und Wirtschaften ohne „intakte Naturgrundlagen“ schlichtweg nicht möglich ist (vgl. Rogall 2004: 27).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

Datenquelle: Pufé 2014: 118, eigene Darstellung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Dreiklangmodell der Nachhaltigkeit

Datenquelle: Pufé 2014: 121, eigene Darstellung

Dieser Ansatz erklärt auch, warum das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (Abb. 1) oder auch das Dreiklangmodell der Nachhaltigkeit (Abb. 2) eine nicht systemische Sicht darstellt und in der Problemdarstellung eine Art Gleichberechtigung der Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie aufzeigt. Dagegen stützt eine systemische Sicht (Abb. 3) vielmehr die Aussage Rogalls, da eine Gesellschaft und ihre Ökonomie nur im intakten Umweltsystem, also der Ökologie als Grundlage, agieren und funktionieren können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Systemische Sicht der Nachhaltigkeitsdimensionen

Datenquelle: Clement/ Kiy/ Terlau 2013: 723, eigene Darstellung

Unter diesem Aspekt der Verflechtung wird auch deutlich, wie sehr sich alle globalen Herausforderungen – gegeben durch Abhängigkeiten und Wechselwirkungen innerhalb der Systemdimensionen – gegenseitig beeinflussen und doch der Ökologie untergeordnet sind.

2.1 Globale Herausforderungen

War die Weltbevölkerung im 17. Jahrhundert noch etwa 500 Millionen Menschen groß, im 18. Jahrhundert dann bei etwa einer Milliarde Menschen, so ist sie im Jahr 1950 auf bis zu 2,5 Milliarden Menschen gewachsen (vgl. Pufé 2014: 1). Schließlich wurde 2011 die 7-Milliarde-Menschen-Marke überschritten – bei dieser Bevölkerungsexplosion drängt sich die Frage auf, wie viele Menschen die Erde überhaupt erträgt (vgl. United Nations 2017). Dem gegenüber steht ein Bedürfnis nach zumindest dem Erhalt des Lebensstandards oder besser noch einer Verbesserung der Lebensqualität. Beides verlangt stark herunter gebrochen ein Wachstum der Wirtschaft. Wirtschaftliches Wachstum fordert in den meisten Fällen eine stärkere Ressourcennutzung und kann zusätzlich den Treibhauseffekt verstärken, welcher den Klimawandel wiederum fördert. Auf der ökonomischen Ebene stehen Herausforderungen, wie die Gewährleistung von Grundbedürfnissen an Gütern, sowie Preisniveaustabilität oder eine angemessene Verteilung der Einkommen. Zu den soziokulturellen Herausforderungen zählen soziale Sicherheit, wie zum Beispiel die Verringerung von Armut, Krankheit, Welthunger, Bildungsdefiziten, generelle Chancengleichheit und der Schutz der menschlichen Gesundheit zum Beispiel auch durch das Zur-Verfügung-stellen von sauberem Trinkwasser. Auf der ökologischen Ebene steht der Schutz der Erdatmosphäre, was bedeutet, dass die Emissionen um ein Vielfaches gesenkt werden müssen, damit die Treibhausgase den Klimawandel nicht noch weiter beschleunigen. Der Klimawandel kann die Zunahme von Naturkatastrophen, das Schmelzen des Eises an den Polen und die Erhöhung des Meeresspiegels sowie die Ausbreitung von Wüsten und Dürregebieten und damit den Rückgang der Ernteerträge fördern. Zusätzlich zum Klimawandel müssen die natürlichen regenerativen und auch nicht-regenerativen Ressourcen nachhaltig genutzt werden, denn auch die Übernutzung dieser unterstützen die Klimaveränderungen. Zudem ist der Erhalt der Arten- und Landschaftsvielfalt anzustreben (vgl. Pufé 2004: 24; Clement/ Kiy/ Terlau 2013: 722; Rogall 2004: 23). Über oder neben diesen Herausforderungen steht zusätzlich noch, dass eine Generationengerechtigkeit gewährleistet sein sollte, das heißt, dass spätere Generationen nicht durch das politische, ökonomische und soziale Vorgehen der heutigen Generation beeinträchtigt werden sollten.

Die Komplexität und Verbundenheit dieser Probleme zeigt noch mehr, dass die Gesellschaft zum Stemmen der Bedürfnisse kein reines wirtschaftliches Wachstum begehren sollte, sondern viel mehr eine nachhaltige Entwicklung, also ein nachhaltiges Wachstum oder sogar eine nachhaltige Verbesserung der gesamten Lebensbedingungen wünscht. Im Anschluss stellt sich also die Frage, was sich in der Politik und Gesellschaft zum Leitbild Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang verändert oder bewegt hat und wie diese Herausforderungen behandelt wurden und werden können.

2.2 Meilensteine einer nachhaltigen Bewegung

Die folgenden Ereignisse sollen einen Überblick darüber verschaffen, wie unsere Gesellschaft zu dem heutigen Nachhaltigkeitsverständnis gekommen ist. Der ursprüngliche Begriff der Nachhaltigkeit stammt noch aus der Forstwirtschaft aus dem 18. Jahrhundert – das geforderte Prinzip war ganz einfach: den Wäldern darf nur so viel Holz entnommen werden, wie auch gleichzeitig nachwachsen kann, demnach müssen auch Bäume im Gegenzug zum Abholzen nachgepflanzt werden (vgl. Luks 2002: 20). Das natürliche und regenerative System soll also so genutzt werden, dass dessen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleiben und der Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann. Die Metapher, die sich daraus bilden lässt, spiegelt auch genau die Generationengerechtigkeitsfrage wider: Wenn viel Wald schnell abgeholzt wird, hat man kurzfristig viele verfügbare Ressourcen, aber in den nächsten Jahren nur sehr wenig.

Nachdem es im 19. Jahrhundert eher um Gewinnmaximierung statt um die Einbeziehung der Natur in die Entscheidungsprozesse ging, gab es dann um 1970 eine Bewegung in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung. 1972 führten Donella und Dennis Meadows in ihrer Studie The Limits of Growth schlagartig eine neue Sichtweise über die Entwicklung der Weltwirtschaft ein und zeigten damit erstmalig auf, in welche Richtung das ressourcen- und emissionsintensive Wirtschaften führen kann.

„Stell dir vor, du entdeckst eines Tages auf deinem Gartenteich eine Seerose. Du freust dich an ihrer wunderbaren Blütenpracht, weißt andererseits, dass diese Pflanze stark wuchert und ihre Blattfläche jeden Tag verdoppelt. Wenn sie ungehindert wächst, werden ihre Schwimmblätter eines Tages den gesamten Teich bedecken. Dann werden sie in kurzer Zeit alle anderen Lebensformen ersticken. Die Seerose scheint freilich in den folgenden Tagen und Wochen ziemlich zierlich und harmlos zu bleiben. Du machst dir keine großen Sorgen. Im Gegenteil, du freust dich an ihrer wachsenden Pracht. Am 29. Tag stellst du plötzlich fest, dass ihre Blätter die Wasserfläche des Teiches zur Hälfte bedecken. Wie viel Zeit bleibt dir noch, um den Teich zu retten?“ (Meadows et.al. 1972: 20f.).

Es bleibt noch genau ein Tag, um den Teich zu retten; bezogen auf den Willen nach großem Wachstum der Industriegesellschaft, stellt sich die Frage, wie lange das Verhalten noch tragbar ist, ohne kostenintensive Reparaturversuche oder gar den kompletten Verlust einer Art oder einer Ressource zu riskieren. Dieser Bericht über die Grenzen des Wachstums zeigte anhand von modernen Computersimulationen, dass die Zunahme der Weltbevölkerung und das Wirtschaftswachstum zu einer großen Bedrohung unseres Umweltsystems und somit auch zu einer Bedrohung für unsere Umwelt als Rohstoff führen. Während sich also die Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Begriff entwickelte, wurde 1983 eine neue Sachverständigenkommission von den Vereinten Nationen gegründet, die World Commission in Environment and Development (WCED). Hier sollte, ähnlich wie in Meadows Werk, ein Perspektivbericht über eine dauerhaft tragbare und umweltfreundliche Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 vorgelegt werden. Aus dieser Kommission stammte dann der Bericht Our Common Future (1987), der später unter dem Brundtland-Bericht bekannt wurde. Diesen Namen erhielt er von der Vorsitzenden der Kommission Gro Harlem Brundtland. Dieses Werk lieferte die schon in der Einleitung genannte geläufige Definition von einer nachhaltigen Entwicklung, welche als eine Handlungsempfehlung für eben jene Entwicklung gelten soll. Der Öffentlichkeit wurde damit die Thematik erstmals nähergebracht und konnte einen Beitrag zu der Einsicht leisten, dass aus dem Streben nach Wirtschaftswachstum und steigendem Konsum auch wachsende Umweltprobleme resultieren (vgl. Pufé 2014: 37-42).

Eine erste Umweltkonferenz gab es bereits 1972 in Stockholm. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Jahr 1992 in Rio de Janeiro war jedoch auf Grund der Größe wesentlich bedeutender. Das erste Mal wurde in zwölf Tagen mit Teilnehmern aus 178 Staaten, davon auch 2.400 Vertreter von NGOs und weiteren 2.400 Teilnehmern über ein NGO-Forum. Dieser Konferenz folgte die Etablierung von Nachhaltigkeit als Entwicklungsziel der Menschheit. Besiegelt wurde dieses mit der Unterzeichnung von sechs Dokumenten, die eine juristische Verankerung von Nachhaltigkeit ermöglichten, das zentrale Ergebnis dieser Dokumente war die sogenannte Agenda 21. Dieses Programm fordert eine neue Entwicklungs- und Umweltpartnerschaft zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern (vgl. Pufé 2014: 48-51). Bestandteile sind dabei Ziele wie ein nachhaltiges Management für die Rohstoffe Wasser, Boden und Wald. Aber auch die Reduzierung der Emissionen sowie die Bekämpfung der Armut. Die 172 Teilnehmerstaaten haben sich hierin verpflichtet, nationale Nachhaltigkeitsstrategien auszuarbeiten – Deutschland hat daraufhin den Umweltschutz 1994 in das Grundgesetz aufgenommen (Kapitel 1). Im Jahr 2002 wurde die Strategie Perspektiven für Deutschland vorgestellt, dessen Leitlinien Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung sind (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2017b). In der dritten Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kyoto 1997 wurden dann erstmals rechtlich verbindliche Ziele für Emissionshöchstmengen für die Industrieländer festgelegt (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2017b). Da das sogenannte Kyoto-Protokoll 2015 auslief, wurden bei der 21. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris 2015 neue Reduktionsziele besprochen und es wurde beschlossen, die Erderwärmung auf maximal 2°C zu begrenzen (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2017a).

Zuletzt seien die Millennium-Entwicklungsziele von 2000 genannt, die von den Vereinten Nationen, der Weltbank, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und mehreren NGOs formuliert wurden. Insgesamt 189 Mitgliedsstaaten unterzeichneten die zur Armutsbekämpfung, Friedenserhaltung, Demokratie und Umweltschutz verpflichtende Erklärung (vgl. Pufé 2014: 56).

Wie das letzte Kapitel zeigen konnte, hat die Leitidee einer nachhaltigen Zukunft nicht nur an Präsenz in der Öffentlichkeit dazu gewonnen, sondern auch viele Regierungen und insbesondere die Vereinten Nationen haben die Problematik aufgegriffen und damit begonnen, nach langfristig ökologisch, ökonomisch und sozial effizienten Lösungen zu suchen. Im Folgenden soll ein Überblick darüber gegeben werden, wie sich Theoretiker im Gegensatz dazu eine ökologische Ökonomie unter sozialökonomischen Aspekten vorstellen und welche Strategiepfade aus dieser hervorgehen.

3 Theoretisch-wissenschaftlicher Hintergrund einer ökologischen Ökonomie

Die ökonomische Lehrmeinung hat einen großen Einfluss auf die Politik, aus ihr können Szenarien und Strategiepfade abgeleitet werden. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie weit eine nachhaltige Ökonomie vorhanden ist. Hierfür müssen verschiedene Theorierichtungen unterschieden werden. In diesem Kapitel wird die Entwicklung von der neoklassischen Ökonomie hin zu der neoklassischen Umweltökonomie thematisiert. Bei dieser wird hauptsächlich eine ökologische Ökonomie untersucht, da hier die Natur als limitierender Faktor gesehen und davon ausgegangen wird, dass aus einer nachhaltigen Nutzung der Umwelt überhaupt langfristig eine nachhaltigere Entwicklung in soziokultureller und ökonomischer Dimension resultieren kann (vgl. Rogall 2004: 27).

3.1 Grundzüge der neoklassischen Ökonomie

Die neoklassische Ökonomie, oder auch Neoklassik genannt, entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts und stellt eine wirtschaftsliberale Position dar. Sie gilt als allgemein herrschende Wirtschaftsschule, verbunden wird sie mit Vertretern, wie Alfred Marshall, Leon Walras und William Jevons. Sie folgte der klassischen Ökonomie, in dessen Mittelpunkt die Erklärung der Preise von Gütern und die Verteilung dieser stand – wichtige Vertreter waren zum Beispiel Adam Smith und Jean-Baptiste Say. Ausgangspunkt der Neoklassik ist das Modell der vollständigen Märkte, in diesen stellen Tauschprozesse von allen verfügbaren Produktionsfaktoren und Gütern eine optimale Verteilung dar. Im neoklassischen Modell wurde zum einen das Menschenbild des homo oeconomicus angenommen, das besagt, dass alle Individuen, also Konsumenten und die Unternehmen, streng eigennutzstrebend bzw. gewinnmaximierend handeln. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass Tauschakte der gleichberechtigten, rationalen und mit vollständigen Kenntnissen ausgestatten Teilnehmer des Marktes immer zum Optimum der Tauschpartner führen.

Die neoklassische Ökonomie erklärt alle Wirtschaftsprozesse als Tauschprozesse auf dem Güter-, Arbeits- und Kapitalmarkt. Auf diesen Märkten stellt sich langfristig durch einen Preismechanismus ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage ein. In dieser Theorie handelt es sich um eine geschlossene Wirtschaft, die sich nicht mit dynamischen Prozessen, wie einer Ressourcenverknappung, auseinandersetzt. So bietet der „geschlossene“ Markt mit seinen Systemen und Prozessen keinen Mechanismus, der die Übernachfrage reguliert. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Erweiterung des Modells nötig sein könnte. Auch die Vorstellung, dass jeder einzelne rein für sich gewinnmaximierend entscheidet, scheint mit einer nachhaltigen Entwicklung nicht vereinbar, da Individuen in Zeiten von Chancenungleichheit oder zum Schutz der Umwelt und Artenvielfalt nicht nur das eigene Optimum anstreben (vgl. Rogall 2011: 49-87).

Ein weiterer neoklassischer Begriff ist die Wohlfahrt, aus dem die Wohlfahrtstheorie entstammt. Der Begriff wird als ein Maß der Befriedigung materieller und immaterieller Bedürfnisse verwendet, somit ist die Wohlfahrt auch beeinflusst durch die Bildungs-, Gesundheits- und Umweltsituation einer Gesellschaft. Daraus resultiert, dass im Mittelpunkt der Wohlfahrtstheorie die Idee steht, dass es durch Ressourcenübernutzung zu einer Fehlallokation durch Marktversagen kommen kann. Die Wohlfahrtstheorie untersucht demnach die Messung der ökonomischen Wohlfahrt sowie öffentliche Güter und externe Effekte (Kapitel 3.2) (vgl. Springer Gabler Verlag 1993: 3853). Die Wohlfahrtstheorie gilt als theoretische Grundlage für die neoklassische Umweltökonomie.

3.2 Auszüge der neoklassischen Umweltökonomie

Die neoklassische Umweltökonomie entstand ähnlich dem schon erwähnten Umweltbewusstsein in Kapitel 2.2 in den 1970er Jahren. Unter anderem auch beeinflusst durch die Erdölpreiskrise 1973/74 begannen Theoretiker über eine effiziente Nutzung von natürlichen Ressourcen und den Umweltschutz in die Ökonomie nachzudenken, weil immer deutlicher wurde, dass die Märkte aufgrund verschiedener Faktoren keine Mechanismen dazu besaßen, dieses effektiv umzusetzen. Dieses aus der Fehlallokation resultierende Marktversagen wird in der Umwelt- bzw. Ressourcenökonomie durch mehrere Faktoren begründet, dazu gehören unter anderem die Öffentliche-Güter-Problematik, die Externalisierung sozialer Kosten und andere sozialökonomische Effekte (vgl. Rogall 2012: 65f.).

Die Öffentliche-Güter-Problematik soll Erklärungsansätze liefern, warum die meisten Umweltgüter, also natürliche Ressourcen, übernutzt werden. Per Definition zeichnen sich öffentliche Güter dadurch aus, dass sie Merkmale der Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit in der Nutzung erfüllen.

[...]


[1] Die Gruppe der 20 ist ein zentrales Forum zur internationalen Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen der führenden Industrie- und Schwellenländer (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2017).

[2] Die Vereinten Nationen oder auch UN sowie UNO genannt sind ein zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Mitgliedstaaten, die gemeinsam vor dem Hintergrund zweier Weltkriege die Zusammenarbeit der „Völker der Vereinten Nationen“ ohne Kriege sichern wollen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2011).

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Wirtschaftsmodell Nachhaltigkeit. Wie können Nichtregierungsorganisationen sozialökonomische Prozesse beeinflussen?
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
52
Katalognummer
V379843
ISBN (eBook)
9783668595040
ISBN (Buch)
9783960951605
Dateigröße
2083 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Generationengerechtigkeit, NGO, Nichtregierungsorganisationen, Greenpeace
Arbeit zitieren
Lea von dem Knesebeck (Autor:in), 2017, Wirtschaftsmodell Nachhaltigkeit. Wie können Nichtregierungsorganisationen sozialökonomische Prozesse beeinflussen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379843

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