Armut und Bildung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

20 Seiten, Note: 2,8


Leseprobe


Gliederung

1. Die Bedeutung der Bildung

2. Familie Koch
2.1. Beschreibung der Familie
2.2. Vorstellung Julia Kochs und Erläuterungen zum Elementarbereich der Bildung
2.3. Der Primarbereich der Bildung
2.4. Vorstellung von Diana und Michael Koch und Erläuterungen zum Sekundarbereich der Bildung
2.5. Der Übergang ins Beschäftigungssystem
2.6. Der tertiäre Bereich der Bildung
2.7. Vorstellung von Herrn und Frau Koch und Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Arbeitslosigkeit

3. Familie Wittich

4. Literaturverzeichnis

1. Die Bedeutung der Bildung

Das Grundrecht auf Bildung ist schon in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO im Artikel 26[1]festgeschrieben:

Artikel 26

(1) Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.
(2) Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.
(3) Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.

Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich im Artikel 1 des Grundgesetz zu den Menschenrechten und in Artikel 12 des Grundgesetzes steht: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.[2]

Das Recht auf Bildung ist also ein Grundrecht, das nicht nach der aktuellen Finanzkraft des Staates gewährt, beschnitten oder verwehrt werden darf. Es ist ein Individualrecht, dessen Umsetzung sichert, daß der Staat von demokratisch denkenden und handelnden Bürgern und Bürgerinnen getragen wird.

Ein Staat, der das Recht auf Bildung antastet, untergräbt damit seine Legitimation als demokratischer Staat.[3]

Durch Schulbildung sollte allgemein darauf vorbereitet werden, am Erwerbs- und darüber am gesellschaftlichen Leben entsprechend den eigenen Fähigkeiten und Anstrengungen teilzunehmen. Bildung setzt auch die eigenständige Reflexion und Initiativen frei, den einmal erreichten Stand in der sozialen Hierarchie in Frage zu stellen bzw. sich selbst in seinen Anschauungen von tradierten (Rollen-) Bildern zu befreien und eröffnet zudem Möglichkeiten für die Teilhabe am sozialen, kulturellen und politischen Leben..[4]Aus ökonomischer Sicht hat die Ausstattung mit Bildung den Charakter einer Investition ins Arbeitsvermögen, durch die die individuelle oder gruppenspezifische Berufs- und Lebensperspektive positiv beeinflußt wird.[5]

Die in unserer Gesellschaft bestehende enge Verbindung zwischen (Aus-) Bildungs- und Beschäftigungssystem bewirkt, daß die Verteilung von Lebenschancen wesentlich durch das Nadelöhr der Bildungschancen erfolgt[6]. Der Zugang zu höherwertigen Schul-, Ausbildungs-, und Berufsabschlüssen wie auch Zugang zum Studium wird allerdings nach wie vor stark durch die Herkunft, den Bildungsstand und die berufliche Stellung der Eltern bestimmt. Bildung ist also eine Vorsorge in die Zukunft, denn das Risiko eines Arbeitsplatzverlusts ist an den Bildungs- und Berufsabschluß gekoppelt: Je geringer der berufliche Ausbildungsabschluß, desto höher ist die Gefahr der Arbeits- bzw. Dauerarbeitslosigkeit. Die Unterausstattung mit Bildung ist eine Ursache für Armut und Unterversorgung und Ausdruck einer generell depravierten Lebenssituation. Als Unterversorgungsschwelle gilt in diesem Zusammenhang ein fehlender Abschluß im allgemeinen und/oder berufsbildenden Bildungssektor[7].

Staatliche Bildungspolitik sollte theoretisch berufliche und soziale Spaltungs- und Ausgrenzungsprozesse präventiv verhindern[8].

2.Familie Koch

2.1.Beschreibung der Familie

Familie Koch besteht aus den Eltern und[9] drei im Haushalt lebenden Kindern im Alter von 16, 13 und fünf Jahren. Zwei ältere Kinder (18 und 20 Jahre) leben nicht mehr im Elternhaus. Frau Koch wuchs seit ihrem sechsten Lebensjahr im Heim auf. Ihr erstes Kind, Peter, bekam sie mit 19 Jahren unehelich von einem verheirateten Familienvater. Mit 22 Jahren heiratet sie 1982 ihren jetzigen Ehemann, Herrn Koch, der damals vorbestraft war. Die vier anderen Kinder sind ihre gemeinsamen Kinder. Schon vor der Wiedervereinigung Deutschlands hatte die Familie wenig Geld. Frau Koch, die als Küchenhilfe und Putzfrau gearbeitet hat, ist seit etwa zehn Jahren arbeitslos, Herr Koch hat seit sechs Jahren keine feste Arbeitsstelle. Er ist gelernter Maurer und hatte zwischendurch zweimal eine ABM-Stelle. Er ist Alkoholiker.

Im Februar 1999 lebte die Familie von Arbeitslosenhilfe, Kindergeld und Wohngeld und kam so auf ein Einkommen von etwa 2.200 DM im Monat. Damit und mit einer Kaltmiete von ungefähr 1.000 DM hätte die Familie einen Sozialhilfeanspruch von etwa 800 DM. Sie liegt somit deutlich unter der politischen Armutsgrenze (Sozialhilfeschwelle) wie auch unter der 50-Prozent-Grenze relativer Einkommensarmut. Zusätzlich liegt eine Überschuldung in Höhe von 10.000 bis 15.000 DM vor.

Herr Koch organisiert einiges an Möbeln und technischen Geräten vom Sperrmüll. Darüber hinaus versucht er, über diverse Aktivitäten zusätzlich Geld zu verdienen. Frau Koch bekommt ab April 1999 nach zehn Jahren Arbeitslosigkeit eine „ABM-Stelle“, wahrscheinlich eine kommunale Eingliederungsmaßnahme. Durch diese einjährige Maßnahme wird sich die finanzielle Situation der Familie wohl etwas entschärfen.

Die fünfköpfige Familie lebt in der Altstadt von B. in einer großen Vierzimmer-Mietwohnung (130 qm) eines Mehrfamilienhauses. Die Warmmiete beträgt 1.275 DM. Die dreizehnjährige Diana teilt sich mit der fünfjährigen Julia ein Zimmer. Es sind zahlreiche technische Geräte vorhanden, so allein vier Fernseher. Die Familie hat außerdem einen Hund.

Außer zu den beiden nicht mehr im Haushalt lebenden Kindern, zu Herrn Mai, dem Freund der schwangeren Tochter Sabine, und einer Schwägerin bestehen Kontakte zu verschiedenen, wechselnden Personen und zur zwanzigjährigen Freundin von Frau Koch. Eine wichtige Kontaktperson ist auch die Familienhelferin der AWO, die die Familie seit etwa drei Jahren intensiv betreut.

Alle Kinder der Familie sind „auffällig“: Peter, der Älteste, ist kriminell geworden; die 18jährige Sabine war notorische Schulschwänzerin und ist jetzt schwanger; der 16jährige Michael hat einen ausgeprägten Sprachfehler und besucht die Lernbehindertenschule; die 13jährige Diana schwänzt die Schule und wurde auch schon beim Stehlen erwischt; die fünfjährige Julia schließlich ist sprachlich und geistig zurückgeblieben.

2.2. Vorstellung Julia Kochs und Erläuterungen zum Elementarbereich der Bildung

Die jüngste der Familie, Julia ist vor allem in ihrer sprachlichen Entwicklung deutlich zurückgeblieben und ihre Konzentrationsfähigkeit ist stark eingeschränkt. Trotz intensiver Förderung ist ein Regelschulbesuch wenig wahrscheinlich. Julias im Krankenhaus festgestellte „Verwahrlosung“ war auch Ausgangspunkt für den Beginn der Betreuung durch die Familienhilfe. Julia wurde daraufhin in einer nahegelegenen AWO-Kindertagesstätte untergebracht und langsam eingewöhnt. Das Kind erhält dort verschiedene Fördermaßnahmen (vor allem Sprachförderung) und wird ganztags betreut und kann auch an Ausflügen oder anderen Aktivitäten der Kindertagesstätte immer teilnehmen, da das Geld dafür ohne Probleme gezahlt wird. Die Familienhelferin und Julia fahren regelmäßig nach M. zum Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises, um Julias Entwicklung abzuklären. Der Entwicklungsrückstand betrug 1999 etwa ein Jahr. Die Ursachen der Probleme werden von der Leiterin der Kindertagesstätte und der Familienhelferin in der Erziehung durch die Eltern gesucht. Die Mutter kümmere sich wenig um die Kinder, so daß diese für sich selber sorgen müßten. Die Sprachprobleme werden dem mütterlichen Kommunikationsverhalten zumindest zum Teil zugeschrieben. Die Familienhelferin beschreibt dies so:„<...> Die redet und hört nicht wieder auf. Und das Kind kann gar nicht erfassen, was die Mutter sagt <...> was das Kind sagt, das kommt gar nicht richtig an <...>.“Der Vater kann hier offensichtlich auch keinen Ausgleich schaffen. Das Fernsehen spielt innerhalb des familiären Kommunikationssystems eine sehr große Rolle.

Die Sprachprobleme der Kinder sind also auf mangelnde Kommunikation innerhalb der Familie zurückzuführen. Durch eben diese Probleme wird Julia eine Sonderschule besuchen müssen und dadurch wieder in der Zukunft ein hohes Armutsrisiko haben.

[...]


[1]http://www.uno.de/menschen/index.cfm?ctg=udhr, 30.12.2003

[2]Art. 12 Abs.1 S.1 GG

[3]Popp: Vom Recht auf Bildung. In: Butenschön/Dockhorn/Heckmann u.a. (Hrsg.): Gegen die soziale Lüge. S. 89

[4]Huster: Armut in Europa. S. 83

[5]Hanesch: Unterversorgung im Bildungssystem: Das Beispiel berufliche Bildung. In: Döring/Hanesch /Huster (Hrsg.): Armut im Wohlstand. S. 185/186

[6]Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Erster Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: Lebenslagen in Deutschland. S. 93

[7]Hanesch: Unterversorgung im Bildungssystem: Das Beispiel berufliche Bildung. In: Döring/Hanesch /Huster (Hrsg.): Armut im Wohlstand. S. 185/186

[8]Hanesch: Unterversorgung im Bildungssystem: Das Beispiel berufliche Bildung. In: Döring/Hanesch /Huster (Hrsg.): Armut im Wohlstand. S.203

[9]Fallbeispiel entnommen aus: http://www.fb4.fh-frankfurt.de/whoiswho/klocke/dokumente/AWO- Bericht3.pdf, 01.01. 2004

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Armut und Bildung
Hochschule
Hochschule Mittweida (FH)  (Fachbereich Soziale Arbeit)
Veranstaltung
Armut und Sozialhilfe
Note
2,8
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V37990
ISBN (eBook)
9783638371872
ISBN (Buch)
9783638778763
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Armut, Bildung, Armut, Sozialhilfe
Arbeit zitieren
Jasmin Becker (Autor:in), 2003, Armut und Bildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37990

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