Seit einigen Jahren erfolgt ein Wandel im Umgang mit Menschen mit Behinderung. Anstatt sie durch die Unterbringung in Heimen vom Umgang mit anderen Menschen auszuschließen, setzen sich nun offene Wohnformen immer mehr durch. Die neuen Leitprinzipien sind Normalisierung und Integration beziehungsweise Inklusion.
Doch welche Wohnformen gibt es, um ein inklusives und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen? Können bestimmte Wohnformen im deutschen System etabliert werden? Um diese Fragen zu beantworten, vergleicht der Autor Ivo Zitterbart die neuen Angebote in Großbritannien, Schweden und Deutschland.
Neben den herkömmlichen stationären Wohnformen sind ambulante Konzepte ebenso praktikabel wie das Modell des persönlichen Budgets. Durch entsprechende Gesetzesänderungen, insbesondere im finanzpolitischen Bereich, können auch in Deutschland die Gegebenheiten für ein selbstbestimmtes Leben geschaffen werden.
Aus dem Inhalt:
-Integration;
-Inklusion;
-Selbstbestimmung;
-Menschen mit Behinderung;
-Wohnformen
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung / Abstract
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen und Begriffe
2.1 Geistige Behinderung
2.2 Wohnen
2.3 Selbstbestimmung und selbstbestimmtes Leben
2.4 Deinstitutionalisierung und Enthospitalisierung
2.5 Der Weg zur Inklusion
3 Wohnformen für Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf
3.1 Deutschland
3.2 Schweden
3.3 Großbritannien
4 Vergleich der Wohnmöglichkeiten von Deutschland, Schweden und Großbritannien
4.1 Perspektiven in Deutschland
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abstract
Die Arbeit handelt von Angeboten und Wohnformen für Menschen mit Behinderung in den Ländern Schweden, Großbritannien und Deutschland, unter der Betrachtung der Paradigmen Inklusion und Selbstbestimmung. Menschen mit Behinderung galten lange Zeit als krank und durften kein selbstbestimmtes Leben führen. Bezüglich der Wohnformen, Gesetzmäßigkeiten und Behindertenpolitik hat sich dieses Bild in den letzten Jahrhunderten zum Positiven verändert. Mittels der Fragestellungen: „Welche Wohnformen gibt es in Großbritannien, Schweden und Deutschland um ein inklusives und selbstbestimmtes Leben zu führen?“ und „Können bestimmte Wohnformen in das deutsche System integriert werden?“ bildet sich die Grundlage der Arbeit. Mithilfe der ausgewählten Fachliteratur wurde es möglich diese Thematik ausführlich darzustellen und auf den Ländervergleich einzugehen. Herausgefunden wurde, dass es in Deutschland viele stationäre Wohnangebote gibt, in Schweden das System auf das persönliche Budget ausgelegt ist und Großbritannien ein ähnliches Bild wie Deutschland aufweist. Durch Gesetzesänderungen kann auch in Deutschland eine gleichwertige Hilfe für Menschen mit Behinderungen, wie in Schweden geschaffen werden. Zusätzlich sollte eine Veränderung der Finanzierung der Behindertenhilfe auf politischer Ebene vorgenommen werden.
The Thesis deals with Offerings and forms of housing for humans with disabilities in the countries Sweden, Great Britain and Germany under contemplation of the paradigms Inclusion and Self-determination. For a long time people with disabilities were held sick and not allowed to live a self-determined life. With regard to the forms of housing, laws and policies for disabled people the situation improved significantly during the last centuries. In this context the Thesis imposes following research questions: “Which forms of housing are there in Great Britain, Sweden and Germany to ensure inclusive and self-determined living? and “Can certain forms of housing be integrated into the German system?”. By means of selected literature it was enabled to elaborately illustrate this topic in a country comparison. It was found that in Germany as well as Great Britain many stationary offers of accommodation are existing, while in Sweden the system is rather based on the personal budget. With changes in law it would be possible to also provide an equivalent support for people with disabilities in Germany, just like in Sweden. Additionally it is required to take actions of adjusting the funding of the disability care on a political level.
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Intelligenzminderung
Tab. 2: Integration versus Inklusion
Tab. 3: Ländervergleich
1 Einleitung
Über einen sehr langen Zeitraum fanden Menschen mit Behinderungen keinen positiven Anschluss in der Gesellschaft. Sie galten als krank, absonderlich und pflegebedürftig. Durch diese negativ belasteten Vorurteile war die Gesellschaft der Auffassung, Einrichtungen erbauen zu müssen, in denen die Menschen mit Behinderungen untergebracht und betreut werden sollten. Aus diesem Grund entstanden besonders in den 70er und 80er Jahren in Deutschland viele Anstalten und Heime. In dieser Zeit herrschte die Institutionalisierung der Behindertenhilfe vor.
Durch Proteste der Eltern von Menschen mit Behinderungen und ihnen selber, sowie Fachleuten der Behindertenhilfe, konnte ein Wandel des Wohnens angestoßen werden. Die neuen Leitprinzipien lauteten hierbei Normalisierung und Integration, bis hin zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. In den letzten Jahrzehnten kam es verstärkt zu einer Dezentralisierung. Durch sie konnte erreicht werden, dass viele Anstalten mit über 500 Plätzen geschlossen und ihre Plätze auf mehrere Wohnungen verteilt wurden. Zu diesen Einrichtungen gehörten insbesondere Wohnkomplexe oder große Heimanlagen. Es entstanden viele unterschiedliche Wohnangebote mit der Tendenz zum ambulanten Wohnen.
Auch in den Gesetzestexten erfolgte eine starke Veränderung und Strukturierung der Reglementierungen zur Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen. Im Jahr 1994 kam es zu einer Erweiterung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, mit dem Inhalt, dass Menschen mit Behinderungen ebenfalls in das bestehende Benachteiligungsverbot aufgenommen wurden. Ab diesem Zeitpunkt entstand eine besondere Verpflichtung für die Politik, aber auch für die Gesellschaft, im Bereich der Integration (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 174). 2001 entstand durch das in Kraft treten des SGB IX eine Strukturierung der Gesetze für Menschen mit Behinderungen. Außerdem schaffte es die rechtliche Grundlage für die Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 178). Im August 2006 folgte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es sollte vor allem die Diskriminierung am Arbeitsplatz und im privaten Bereich von Menschen mit Behinderungen eindämpfen. Schließlich setzte sich die Entwicklung mit der „UN – BRK“ („Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen) im Jahr 2006 fort. Diese trat am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft. Zur Umsetzung der Reglementierungen der UN – BRK hat die Regierung einen Nationalen Aktionsplan mit über 200 Maßnahmen entwickelt. Dieser Plan ist jedoch nicht als ein fertiges Dokument anzusehen. Es kann weiterhin der Behindertenhilfe angepasst werden, um so möglichst zielführend die Selbstbestimmung und Inklusion berücksichtigen zu können (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 182).
Trotz der vielen Veränderungen und Entwicklungen in Deutschland, seit dem Paradigmenwechsel der 90er Jahre, ist das Wohnen für Menschen mit Behinderung im Vergleich zu anderen westlichen Industrienationen, wie USA, Großbritannien, Schweden und Norwegen, weit hinterher. In den USA leben heute mehr als 80 % der Menschen mit Behinderungen nicht bei sich zu Hause, sondern in Einrichtungen mit weniger als 16 Plätzen, wobei davon 80 % der Menschen in Wohnhäusern mit maximal 6 Plätzen leben (vgl. Theunissen 2013, S.412). Durch diese kleinen Gruppen können die Wahl- und Meinungsfreiheiten besser berücksichtigt werden, um das Ziel der Selbstbestimmung zu erreichen.
Aus der Statistik der Sozialhilfe kann entnommen werden, dass im Jahr 2013 in Deutschland noch von insgesamt 834.494 Menschen 53 % in Einrichtungen, 36 % außerhalb von Einrichtungen und 11 % sowohl außerhalb, als auch in Einrichtungen leben (vgl. DESTATIS 2015, S.8). Diese Ergebnisse liefert die Statistik mit kleinen Abweichungen seit 2010. Von den 15.6 Milliarden Euro, die in die Einzelleistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Jahr 2013 investiert wurden, sind die Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten, mit einem Anteil von 36 %, die größte Belastung (vgl. DESTATIS 2015, S. 10). Hieran ist zu erkennen, dass in Deutschland weiterhin viele Menschen in Einrichtungen leben, die hier meistens jedoch mehr als 50 Plätze beinhalten. Durch den großen Anteil der Geldleistungen für das selbstbestimmte Wohnen wird viel in Richtung ambulant betreutes Wohnen verübt.
Ich habe mich für dieses Themengebiet entschieden, da ich einen Bruder mit einer geistigen Behinderung habe, ein mehrmonatiges Praktikum in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe absolvierte und momentan als persönliche Assistenz für eine Familie arbeite, in der die Eltern von drei Kindern beide eine geistige Behinderung diagnostiziert bekommen haben. Da ich fast täglich mit allen drei Wohnmöglichkeiten und Lebenssituationen beschäftigt bin, möchte ich mich mit den Möglichkeiten, welche Menschen mit Behinderungen haben, um ein selbstständiges Leben zu erfahren, beschäftigen.
Mit den Fragestellungen: „Welche Wohnformen gibt es in Großbritannien, Schweden oder Deutschland, um ein selbstbestimmtes und inklusives Leben zu führen?“ und „Können bestimmte Wohnformen in das deutsche System integriert werden?“, bilde ich die Grundlage meiner Arbeit. Hierbei sollen am Anfang Grundlagen und Begriffe geklärt werden, um ein besseres Verständnis für die folgenden Kapitel zu erreichen. Im Anschluss werden die einzelnen Wohnformen der genannten Länder beispielhaft erläutert und im Zusammenhang mit der jeweiligen Sozialpolitik und den Gesetzen verknüpft.
Im darauffolgenden Kapitel erfolgt eine Auswertung in Form eines Vergleiches der Länder. Er zielt darauf ab, ob professionelle Ansätze aus den Ländern Schweden, oder Großbritannien auch in Deutschland unter den heutigen sozialpolitischen und sozialrechtlichen Anforderungen eröffnet werden können.
Mithilfe des Vergleiches, habe ich das Ziel, neue Erkenntnisse zu erlangen, die in dem Bereich der Behindertenhilfe so eingesetzt werden können, dass die Einsatzfelder der Sozialen Arbeit zur Verbesserung der aktuellen Wohnsituation vieler Menschen mit Behinderungen beitragen kann.
Durch das am Schluss dieser Bachelorarbeit folgende Fazit, werden mit Hilfe der wichtigsten Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen der vorhergehenden Kapitel und einem daraus resultierenden Ausblick, ein Überblick der gesamten Komplexität des Themas gegeben.
2 Grundlagen und Begriffe
Im folgenden Kapitel wird der Begriff der Behinderung, insbesondere der geistigen Behinderung näher erläutert. Zudem folgen die Begriffe Partizipation, Community Care und Empowerment in Bezug zum Wohnen. Anschließend wird die Selbstbestimmung und Autonomie der Menschen mit Behinderungen an heutigen Beispielen dargestellt und der Weg zur Inklusion aufgezeigt. Dieses Kapitel soll einen ausführlichen Überblick über die einzelnen Fachbegriffe und Grundlagen aufzeigen, um das Verständnis im weiteren Verlauf meiner Arbeit nicht einzuschränken.
2.1 Geistige Behinderung
Zuerst werde ich den geschichtlichen Kontext erläutern, um die Entwicklung des Begriffs der letzten Jahrhunderte aufzuzeigen.
Im 18. Jahrhundert wurden Menschen mit Behinderungen als „Idioten“ bezeichnet und standen somit in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz unten. Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden Pflege- und Heilanstalten, um sie von der anderen Bevölkerung fern zu halten. In den 60er Jahren wurde die geistige Behinderung als eine Art organische Störung aufgenommen. Aus diesem Grund glaubten die Forscher zu wissen, wie sich ein Autist fühlt, denkt oder handelt. Menschen mit Behinderungen galten seitdem als bildungsunfähig. Sie hatten die Wahl in den Herkunftsfamilien zu bleiben, oder in Anstalten zu gehen (vgl. Gerspach 2004, S. 9f.). Die Lebensbedürfnisse und Entwicklungsvoraussetzungen wurden kaum berücksichtigt. Das Personal in diesen Einrichtungen nannten die Bewohner „Insassen“. Hieran ist bereits die Unausgewogenheit des Systems deutlich geworden. Zudem bestand die Aufgabe, die Bewohner von dem alltäglichen Leben fern zu halten (vgl. Gerspach 2004, S. 11.). Auch die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des Geschlechts eines Mädchens oder einer Frau wurden durch die Rechtsprechung bestimmt. So gab es von 1945 – 1973 das Gesetz zur „Unfruchtbarmachung minderwertigen Lebens“, ab 1973 dann nur noch durch Anweisung oder Zustimmung des Vormundes (vgl. Gerspach 2004, S. 12f.). Erst ab 1992 gab es eine einheitliche Untersagung solcher Eingriffe. Global gesehen hat sich in den Nachkriegszeiten viel getan für Menschen mit Behinderungen. Das Normalisierungsprinzip aus den 50er Jahren wurde in Dänemark von Bank – Mikkelsen entwickelt und prägte die deutsche Denkweise ungemein. Es war der erste Schritt den Menschen ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft ermöglichen zu können. In den 60er Jahren gab es eine Independent – Living – Bewegung in den USA (vgl. Gerspach 2004, S. 14). Daraufhin eröffneten Selbsthilfegruppen, Clubs und Vereine, die eine Beratung außerhalb von Einrichtungen angeboten hatten. In den 80er Jahren gründete sich der Verein „Förderung der Integration Behinderter“ in Marburg. Sie hatten sich auf das Empowerment – Konzept aus den 70er Jahren der USA berufen und arbeiteten mit Dienstleistungscharakter. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Soziale Arbeit im Bereich der Behindertenhilfe professionalisiert (vgl. Gerspach 2004, S. 18).
Auch im wissenschaftlichen Kontext hat sich der Begriff im Laufe der Zeit verändert.
Wie im vorhergehenden Abschnitt bereits beschrieben, hat sich die Bezeichnung „geistige Behinderung“ schon über viele Jahrhunderte hinweg mehrmals einer Veränderung unterzogen, doch auch der wissenschaftliche Kontext entwickelte sich weiter. So wurden die Menschen Idioten, Blödsinnige, Schwachsinnige, Oligophrene, Geistesschwache oder geistig Behinderte genannt (vgl. Frach 2015, S.15-18.).
Der Begriff der geistigen Behinderung kam 1958 durch eine Elternvereinigung der Lebenshilfe auf. Dieser löste alle vorhergehenden Bezeichnungen ab. Auffällig ist jedoch, dass die Bezeichnung „Geistig Behinderte“ auf das Defizit der Behinderung abstellt. Deshalb ist nicht die Person im Mittelpunkt der Ansprache, sondern der Bereich, der an dem Menschen einen besonderen Unterstützungsbedarf erfordert. Im Zuge der Integrations- und Inklusionsbemühungen wurde daher der Sprachgebrauch angepasst: Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf, besonderen Bedürfnissen oder mit speziellem Förderbedarf sind die aktuellen Bezeichnungen für Menschen mit Behinderungen (vgl. Theunissen 2016, S. 11).
Die Publikation der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates definiert die geistige Behinderung im Jahr 1973 wie folgt:
„[...] geistig behindert ist, wer infolge einer organisch-genetischen oder anderweitigen Schädigung in seiner psychischen Gesamtentwicklung und seiner Lernfähigkeit so beeinträchtigt ist, daß er voraussichtlich lebenslanger sozialer und pädagogischer Hilfen bedarf. Mit den kognitiven Beeinträchtigungen gehen solche der sprachlichen, sozialen, emotionalen und der motorischen einher. Eine ‚untere Grenze’ sollte weder durch Angabe von IQWerten noch durch Aussprechen einer Bildungsunfähigkeit festgelegt werden, da grundsätzlich bei allen Menschen die Bildungsfähigkeit angenommen werden muß“ (Frach 2015, S. 14).
Das darauffolgende Bundessozialhilfegesetz ordnete die geistige Behinderung im Jahr 1975 derartig ein:
BSHG §47V § 2 Geistig wesentlich behinderte Menschen
Geistig wesentlich behindert im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes sind
Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichem Umfange in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind. (juris GmbH 1975, S. 2)
Trotz dessen die beiden Definitionen in den 70er Jahren entstanden, werden sie heutzutage häufig in der Literatur verwendet.
Generell kann festgehalten werden, dass eine geistige Behinderung nicht nur durch soziale Strukturen, sondern auch durch medizinische Störungen, beziehungsweise Auffälligkeiten, erkennbar wird. Aus diesem Grund existiert eine Klassifikation nach dem ICD – 10 Code der Weltgesundheitsorganisation und dem DSM – 5 der American Psychiatric Association (vgl. Theunissen 2016, S. 17).
Nach dem ICD – 10 Code ist die geistige Behinderung unter dem Begriff „Intelligenzminderung“ (F70) zu finden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Intelligenzminderung
(DIMDI 2016, Intelligenzminderung)
Der DSM – 5 fasst die geistige Behinderung in 3 Kriterien:
1. Durch unterdurchschnittliche, allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit;
2. Durch eine starke Einschränkung der Anpassungsfähigkeit in mindestens zwei der folgenden Bereiche: Kommunikation, eigenständige Versorgung, häusliches Wohnen, soziale Fähigkeiten und Fertigkeiten, Nutzung öffentlicher Einrichtungen, Selbstbestimmung, Gesundheit und Sicherheit, funktionale schulische Leistungen (Kulturtechniken) Freizeit und Arbeit;
3. Durch einen Zeitfaktor, nach dem der Beginn einer geistigen Behinderung (Entwicklungsstörung) vor dem Alter von 18 Jahren liegen muss (Theunissen 2016, S.18).
Ein Vergleich dieser beiden Systeme verdeutlicht, dass der ICD – 10 Code auf die Intelligenz und den dementsprechendem IQ Wert abstellt. Eine für die heutigen Anforderungen gerechtere Art und Weise ist das System des DSM – 5, da hier nicht nur auf Intelligenz, sondern auch auf die sozialen Beziehungen, sowie Fähigkeiten eingegangen werden.
2.2 Wohnen
Das Wohnen ist für jeden Menschen ein besonderes Grundbedürfnis. Jeder will sich in seinen eigenen vier Wänden verwirklichen können und wohlfühlen dürfen. Menschen mit einer Behinderung haben oftmals nicht die Möglichkeiten ohne eine Betreuung und/oder Assistenz selbstständig einen Haushalt führen zu können. In den letzten Jahren, seit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention, hat sich in Deutschland vieles zum Positiven im Bereich der Behindertenhilfe entwickelt. Diese Veränderungen tangierten besonders den Bereich des selbstständigen Wohnens. Auf Grundlage dessen entstanden bis heute viele verschiedene ambulante Hilfsformen. Unter der Vorgabe „ambulant vor stationär“ versucht Deutschland die Menschen aus den unterschiedlichsten stationären Wohnformen zu bekommen und durch die ambulanten Hilfeformen ein selbstbestimmtes Leben und Wohnen zu ermöglichen.
Wie wichtig das Wohnen für Menschen mit Behinderungen wirklich ist, stellt eine Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes im Raum Darmstadt dar. Es wurden 9 Menschen mit Behinderungen befragt und bezüglich der jeweiligen, aktuellen Wohnform in drei Gruppen eingeteilt (vgl. Gerspach 2004, S, 53f.).
1. Ambulantes Wohnen
2. Stationäres Wohnen
3. Wohnen im Elternahaus
Durch Gruppendiskussionen konnten wohnspezifische Fragen gestellt werden. Sie fanden heraus, dass alle Menschen mit Behinderungen, die befragt wurden, offensichtliche Probleme hatten, selbst zu bestimmen oder nach eigenen Lösungswegen zu suchen. Man könnte meinen, dass dieses Ergebnis aus der lebenslangen Fremdbestimmung resultiert (vgl. Gerspach 2004, S, 58-60.). Die Menschen mit einer geistigen Behinderung zeigten eine starke Verbundenheit zu den Angehörigen im häuslichen Umfeld. Durch die Dankbarkeit und Angepasstheit entstand eine konditionierte Nicht – Selbstständigkeit. Alle diese Ergebnisse sind unter Betrachtung der Selbstbestimmung und Inklusion alles andere als zufriedenstellend. Aus diesem Grund müssen Lösungsvorschläge gefunden werden, besonders in der Heilpädagogik, sodass Mitteilungen der Menschen mit Behinderungen ernst genommen werden können. Auch in den Elternhäusern bedarf es an Unterstützung. Oftmals handeln die Eltern aufgrund von Schuldgefühlen mit einer Überbehütung (vgl. Gerspach 2004, S, 75-78.).
Wenn der Bereich des Wohnens für den Menschen durch negative Belastungen geprägt ist, können auch andere Lebensbereiche entsprechend eingeschränkt sein. Der eigene Rückzugsort ist ein Raum zur Erholung, er bietet Schutz und Sicherheit und wenn alle diese Bedürfnisse nicht ausgelebt werden können, kann ein Mensch nicht leistungsfähig arbeiten, sich nicht frei entfalten und nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen leben. Von entsprechend hoher Priorität ist der Paradigmenwechsel der Hilfe für Menschen mit Behinderungen (vgl. Seifert 2006, S. 376-383).
In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werde ich Begriffe erklären, die eng im Zusammenhang mit dem Wohnen für Menschen mit Behinderung stehen. Sie sind im Hinblick auf die Selbstbestimmung und dem Inklusionsgedanken von großer Bedeutung. Es handelt sich um die Begriffe Community Care, Partizipation und Empowerment.
2.2.1 Community Care
Das Community Care Konzept wurde in den 90er Jahren in Großbritannien und Schweden entwickelt. Es bedeutete einen Paradigmenwechsel der bisherigen Behindertenhilfe hin zu Partizipation / Teilhabe und Empowerment und beinhaltet somit die folgenden Begrifflichkeiten dieses Kapitels. Die Menschen mit Behinderungen sollten nicht weiter als „die Klienten oder die zu Betreuenden“ gesehen werden, sondern als gleichberechtigte Bürger*innen (vgl. Aselmeier 2003, S. 16f.).
Community Care ist eine Art Steuerungsmodell, welches sich auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen einstellen soll. Dies geschieht innerhalb der lokalen sozialen Dienstleistungen. Es soll jedoch nicht als eine Neuschaffung von Wohnformen gesehen werden, sondern vielmehr als eine Art Lösungsansatz, welcher ein selbstständiges Leben in der Gemeinde fördern kann. Dahingehend sollen bereits vorhandene Ressourcen so genutzt werden, dass diese individuell auf die Bürger*innen mit Behinderungen angepasst werden können. Das Hauptziel besteht darin, dass große Anstalten mit mehr als 500 Plätzen zum Umdenken gebracht werden und eine Deinstitutionalisierung erfolgen kann (vgl. Aselmeier 2003, S. 21f.).
In der deutschen Sprache existiert kein Wort, welches als Übersetzungsvariante für Community Care dienen könnte (vgl. Schablon 2003, S. 1). Einzeln angesehen hat der Begriff „Community“ die Bedeutung „Gemeinde und Gemeinschaft“. „Care“ bedeutet in diesem Zusammenhang dem Menschen die Hilfe zu geben, die er benötigt, um sein Leben fortsetzen zu können. In Bezug auf Menschen mit Behinderungen, insbesondere mit geistigen Behinderungen, bedeutet dies, dass eine Fürsorge und Zugehörigkeit in der Gemeinschaft in Form eines sozialen Netzwerks bis hin zu einem sozialen Hilfenetzwerk entsteht (vgl. Theunissen 2013, S. 68f.).
Als Umsetzungsbeispiel für Deutschland habe ich mich für die Evangelische Stiftung Alsterdorf in Hamburg entschieden. Durch ein europäisches Projekt lernte der Träger Community Care kennen. Sie eigneten sich sehr gut aufgrund der hohen Zahlen im Bereich der stationären Aufnahme von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die Stiftung setzte sich ausgiebig mit dem Begriff auseinander und versuchte die Inhalte weitestgehend umzusetzen. In den Ergebnissen des Abschlussberichtes sind mehrere Inhalte zu finden, die Menschen mit Behinderungen in ihrer Lebens- und Handlungsweise unterstützen. Zum einen wurden Menschen mit geistiger Behinderung mit allen Rechten und den dazu gehörenden Pflichten anerkannt. Sie wurden in das Gemeinwesen eingegliedert und können dort arbeiten, wohnen und ihre Freizeit verbringen. Sie können auf professionelle Hilfestellungen zurückgreifen, wenn schwierige Situationen auftauchen und müssen sich dabei nicht nur an eine Einrichtung wenden, sondern können auf das gesamte Netzwerk zugreifen. Im Allgemeinen wurde durch die Umsetzung des Community Care Ansatzes die Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gemeinde gestärkt. Die Einrichtung konnte den Ansatz sehr gut auf den christlichen Glauben übertragen und somit als einen Grundgedanken weitertragen. Auch nach diesem Projekt fanden regelmäßig Fort- und Weiterbildungen für alle Mitarbeitenden statt. Auch Videodokumentationen und sämtliche Unterlagen werden dem Personal bereitgestellt. Dieses Projekt aus den Jahren 1998 bis 2000 ist ein positives Beispiel für die Eingliederung des Community Care Ansatzes in eine Einrichtung, die eine riesige Anzahl an Klienten aufnahm. Durch Dezentralisierungsansätze wird die Umwandlung weiterhin verfolgt (vgl. Schablon, 2010 S. 50f.). Dieses Projekt verdeutlicht den Anfang der Umsetzung in Deutschland. Durch die Weiterentwicklung der Hilfen und rechtlichen Grundlagen, sind die Träger im Zwang ständig Neuerungen und Verbesserungen der hauseigenen Konzeptionen zu entwerfen.
2.2.2 Partizipation
In den Politik-, Sozial- und Erziehungswissenschaften wird seit 1970 viel auf dem Gebiet der Partizipation geforscht (vgl. Nieß 2016, S. 67). Das Wort Partizipation kann allgemein im Sinne von Mitbestimmung, Beteiligung oder Teilnahme verstanden werden (vgl. Theunissen 2013, S. 262).
Besonders in politischen oder gesellschaftlichen, beziehungsweise sozialwissenschaftlichen Prozessen, kommt es zur Anwendung. In Bezug auf Menschen mit geistiger Behinderung wird der gesellschaftliche Prozess angesprochen. In partizipativen Prozessen der Behindertenhilfe, können Alltagssituationen und Beteiligungsprozesse hinsichtlich der Selbstbestimmung unter Berücksichtigung von den Betroffenen besprochen und bearbeitet werden. Somit ist gewährleistet, dass besonders Menschen mit geistiger Behinderung Einfluss auf ihre eigenen Lebensumstände nehmen können, was nicht immer zur Selbstverständlichkeit der letzten Jahre gehörte (vgl. Theunissen 2013, S. 263).
Um den Prozess der Partizipation in Deutschland zu unterstützen, haben sich die rechtlichen Grundlagen in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Ein ausschlaggebender Eckpfeiler in der Entwicklung liegt im Jahr 1975, mit der Aufnahme der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen im allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 172f.). 1994 wurde der Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, mit dem Satz: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ ergänzt. Daraufhin entstand eine besondere Verpflichtung, nicht nur für die Politik, sondern auch die Gesellschaft, in den Bereichen der Integration und Teilhabe / Partizipation (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 174). Das SGB IX trat am 1. Juli 2001 in Kraft und gab den bisher weit verstreuten Gesetzmäßigkeiten für Menschen mit Behinderungen eine Übersicht und stärkte zudem die Gedanken der Rehabilitation und Teilhabe. Der aktuellste Meilenstein in der Entwicklung der Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, bieten die Bestimmungen, der im Jahr 2006 verabschiedeten UN – Behindertenrechtskonvention. In Deutschland trat diese am 26. März 2009 in Kraft (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 178). Das Hauptziel liegt darin, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben in allen Lebensbereichen bieten zu können. Durch den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung von 2011 wurde die Umsetzung der Behindertenrechtkonvention mit über 200 Maßnahmen veröffentlicht.
Im Verlauf dieses Abschnittes wurde deutlich, dass der Begriff der Partizipation häufig als Synonym für den der Teilhabe verwendet werden kann und wird.
2.2.3 Empowerment
Die Soziale Arbeit gewann in den letzten Jahrzehnten an Professionalität aufgrund des Empowerment – Ansatzes aus der psychosozialen Arbeit. Die Idee stammt aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und wurde durch die historischen Umstände wie der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1950er Jahren, dem Feminismus der neueren Frauenbewegung in den 1960er Jahren und der Selbsthilfebewegung geprägt (vgl. Seckinger 2015, S. 358).
Übersetzt bedeutet Empowerment Selbstbemächtigung, Selbstbefähigung oder Eigenmacht. Anhand dessen wird das Hauptziel erkennbar und deutlich. Der Ansatz dient dazu, dem Menschen die Möglichkeit zu geben, die eigenen Stärken zu finden und ihn in seinen Handlungsweisen zu ermutigen. Mit der Erlangung beziehungsweise der Bewusstmachung dieser Eigenschaften wird ihm zugelassen, selbstständig ein Leben zu führen, in dem er eine Lebensautonomie aufbauen kann und weniger Fremdbestimmung ausgesetzt ist. Durch die Freisetzung der oft verborgenen Ressourcen wird es für die Soziale Arbeit erreichbar, eine Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen (vgl. Herringer 2011, S. 233). Zudem muss eine Neuausrichtung zwischen dem Verhältnis der Fachkraft und des Adressaten stattfinden. Die Autorität der Fachkraft darf in der Zusammenarbeit nicht zu einem Hierarchieverhältnis zwischen beiden Parteien führen (vgl. Seckinger 2015, S. 360).
2.3 Selbstbestimmung und selbstbestimmtes Leben
Fern von jeder Fremdbestimmung leben können, frei sein in den Entscheidungen, die man für sich selbst trifft. Die Selbstbestimmung ist für jeden Menschen von hoher Bedeutung. Aus diesem Grund strebt jeder Mensch nach einem selbstbestimmten Leben. Menschen mit Behinderungen hatten jahrelang um diesen Status zu kämpfen (vgl. Speck 2013, S. 323). Mit dem folgenden Teilabschnitt der Selbstbestimmung und dem selbstbestimmten Leben möchte ich einen kurzen Ausblick über die Entwicklung des Begriffs vermitteln. Zudem soll durch die hier geschilderte Vorstellung des Begriffs ein besseres Verständnis für die Arbeit gegeben werden, da die Selbstbestimmung, wie bereits an dem Titel zu bemerken ist, diese Bachelor Arbeit an vielen Punkten tangiert.
In den vorhergehenden Abschnitten meiner Arbeit wird deutlich, dass die Selbstbestimmung in der heutigen Zeit eine zunehmende Komponente der Heilpädagogik ist. Seit den 1980er Jahren wird verstärkt, in Bezug auf die Lebensgestaltung von Menschen mit Behinderungen, auf den Umgang und der Umsetzung dieser Thematik geachtet. Am Anfang der Entwicklungen und der Diskussionen wurden primär Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt. Viele Leitideen und Prinzipien, die sich bereits herausentwickelt haben, können heute für die Menschen mit einer geistigen Behinderung angewendet werden (vgl. Wansing 2006, S. 135f.).
Sie galten lange Zeit in der Gesellschaft als krank und verwahrlost. Es wurde ihnen nicht ansatzweise ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Die enorme Unselbstständigkeit, die das Bild von Menschen mit geistiger Behinderung mit sich bringt, machte es ihnen nicht unbedingt leichter sich sozial zu integrieren.
Doch die aufgeführte Unselbstständigkeit kann keineswegs in Verbindung mit der Selbstbestimmung oder einem selbstbestimmten Leben gebracht werden (vgl. Wansing, 2006 S. 136). Ein Mensch, egal ob mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung, muss nicht zwingend in der Lage sein, den Alltag ohne Unterstützung, ob maschinell oder durch persönliche Assistenz, zu bewältigen. Ein Mensch mit geistiger Behinderung ist möglicherweise nicht in der Lage lesen zu können und benötig so beim Einkaufen Hilfe. Diese Hilfestellung beinhaltet jedoch keine Einschränkung der Selbstbestimmung oder dem selbstbestimmten Leben. Solange die Wahl und die Wünsche des Menschen berücksichtigt werden, ist es lediglich eine Art der Förderung der Selbstständigkeit.
Dieses Konzept der Selbstbestimmung ist jedoch eher auf die Eigeninitiative von Menschen mit Behinderungen zurückzuführen. Somit ist die amerikanische „Independent – Living – Bewegung“ oder die aus Deutschland kommende „Selbstbestimmt – Leben – Bewegung“ prägend (vgl. Wansing 2006, S. 137).
Aus diesen Bewegungen heraus entstehen auf internationaler Ebene sechs Grundsätze, die von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. veröffentlicht wurden:
1. Anti – Diskriminierung und Gleichstellungsgesetze für behinderte Menschen
2. Entmedizinierung von Behinderung
3. Nicht – Aussonderung und größtmögliche Integration in das Leben der Gemeinde
4. Größtmögliche Kontrolle über die eigenen Organisationen
5. Größtmögliche Kontrolle über die Dienstleistungen für Behinderte
6. Peer Counseling und Peer Support als Schlüssel zur Ermächtigung Behinderter (ISL e.V.)
In Bezug auf die heutigen Wohnformen, die im Zuge der Deinstitutionalisierung entstanden, entwickeln sich immer mehr Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
2.4 Deinstitutionalisierung und Enthospitalisierung
In der Behindertenhilfe bedeuten Deinstitutionalisierung und Enthospitalisierung gleichermaßen dem Betroffenen seine Selbstbestimmung und individuelle Lebensführung wiederzugeben. Das heißt, dass die Einrichtungen, die durch dieses Prinzip zum Umlenken gebracht werden sollen, die sozialen Hilfestellungen auf den Menschen abzustimmen haben und somit keine „Institutionsunterdrückung“ existieren kann (vgl. Rudloff 2013, S. 109f.).
Außerhalb des Elternhauses hatten Menschen mit Behinderungen nach dem zweiten Weltkrieg nur eine Möglichkeit der Unterbringung. Diese war eine Anstalt für „Abnorme“, „Schwachsinnige“ oder „Krüppel“. Zu finden waren diese in eher ländlichen und abgelegenen Gegenden. Es war ein rein stationäres Angebot der Behindertenhilfe und beherbergte durchschnittlich 1500 Bewohner. Sie schliefen in Massenschlafsälen und hatten dementsprechend keine Rückzugsmöglichkeit in der gesamten Einrichtung. Hinzu kamen die ärmliche Ausstattung und ein Mangel an Plätzen, die die Lebensumstände in keiner Weise verbesserten. Durch die wenigen Plätze wurden die Betroffenen auf Alten- und Pflegeheime, sowie psychiatrische Einrichtungen verteilt, die keineswegs den fachlichen Ansprüchen gerecht wurden (vgl. Rudloff 2013, S. 110f.). Diese Situation dauerte einen längeren Zeitraum an. So lebten auch 1973 noch 17.426 Menschen mit Behinderungen in Altenheimen. In den 1970er Jahren wurden die Wohnumstände des Öfteren in öffentlichen Diskussionen thematisiert. Aus diesem Grund beschlossen die Bundes – und Landesregierungen die Förderung behindertengerechter Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus (vgl. Rudloff 2013, S. 117.). Im Zuge dessen machte sich in der Bevölkerung eine Gleichwertigkeit von Menschen mit Behinderungen breit. In den 1980er Jahren entstanden so genannte Krüppelgruppen. Der Name ging aus Protest gegen die damalige Lage hervor. Sie forderten die konsequente Schließung aller Heime. Der immer größer werdende Druck auf die Sozialpolitik veranlasste die Schaffung neuer Heimkonzepte mit kleineren Gruppengrößen, die aus 25 – 60 Menschen bestanden. Zudem legte die Förderung Wert auf die Pflegefamilien und Wohngemeinschaften. Wohnkomplexe mussten Dezentralisierungskonzepte nachweisen, in denen die Auflösung der Heime mit mehr als 500 Menschen mit Behinderung niedergeschrieben wurden (vgl. Rudloff 2013, S. 119). Durch die Verbesserung der Qualität und der Heimstrukturen entstand nach dem Vorbild der amerikanischen „Independent – Living – Bewegung“, das Leitbild des selbstbestimmten Lebens. Zusammenfassend kann man sagen, dass hinsichtlich der Modernisierungsschritte und der internationalen Vorreiterstaaten, dass sich vieles im Bereich des Wohnens für Menschen mit Behinderung in Verbindung mit dem Deinstitutionalisierungsgedanken bis zu den 1990er Jahren, getan hat (vgl. Rudloff 2013, S. 127-130).
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- Arbeit zitieren
- Ivo Zitterbart (Autor:in), 2017, Inklusion und Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung. Neue Angebote und Wohnformen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380583
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