Korrekturmöglichkeiten von Fehlentwicklungen bei einer gescheiterten Fremdplatzierung von Kleinkindern bis 6 Jahren


Hausarbeit, 2005

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1.0. Einleitung
1.1. Was ist Entwicklungspsychologie?
1.2. Ziel der Arbeit.

2.0. Definitionen
2.1. Fehlentwicklungen.
2.2. Fremdplatzierung.

3.0. Was sind Entwicklungsstörungen?

4.0. Analysemöglichkeiten zur Feststellung von Fehlentwicklungen.
4.1. klinisch-medizinische Untersuchung.
4.2. kinderpsychiatrische Analyseverfahren.

5.0. Korrekturmöglichkeiten.
5.1. Krisenintervention, Herausnahme aus der Familie
5.2. Klinisch-therapeutische Maßnahmen.
5.2.1. Medikamente.
5.2.2. Verschiedene Therapieformen
5.3. Umweltveränderung.

6.0. Abschließende Gedanken

1.0. Einleitung

Meine Schwester ist Erzieherin in einem SOS-Kinderdorf und wir tauschen uns zuweilen auf fachlicher Basis über Erkenntnisse aus der Praxis aus.

Meine Schwester arbeitet jetzt bereits seit 10 Jahren dort und hat deshalb schon eine ganze Reihe an Kindern kommen und gehen sehen.

Als wir uns wieder einmal über ihre Beobachtungen in der täglichen Praxis unterhielten, meinte sie, es wäre in den letzten Jahren ein Trend zu beobachten, dass immer mehr schwer gestörte, traumatisierte Kinder die immer älter seien, wenn sie kämen und oft bereits jede Menge Stationen, auch Pflegschaften hinter sich hätten.

Sie glaubt, dass die Jugendämter zum einen aufgrund der veränderten Gesetzeslage in den letzten Jahren, wo die Rechte der Eltern gestärkt worden seien und zum anderen aus Geldmangel der öffentlichen Hand immer länger versucht würde die Kinder in den Familien zu belassen, auch wenn es dort zu fortgesetzten schweren Mißbräuchen käme, die eigentlich gar nicht übersehen werden könnten.

Das ist jetzt ihre persönliche Meinung, die ich hier nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann und möchte.

Was jedoch relevant ist, ist die Tatsache, dass die SOS-Kinderdörfer auf so schwer traumatisierte Kinder gar nicht eingerichtet sind und es zumindest in dem Dorf in dem meine Schwester arbeitet, nicht die Möglichkeit gibt die Kinder zu therapieren. Es fehlen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, welche sich um die Kinder kümmern. Die Kinderdorfmütter sind damit häufig völlig überfordert. Doch das ist jetzt ein anderes Thema.

Wichtig ist die Beobachtung, dass es immer mehr Kinder werden, die schwere Störungen aufweisen und für eine Pflege kaum mehr vermittelbar sind. Es läuft offensichtlich einiges falsch im momentanen System.

Eigentlich müsste das System so angelegt sein, dass Kinder aus den Familien genommen werden können, ehe sie schwere Schäden erleiden, die sie oft ihr ganzes Leben begleiten. Da das aber offensichtlich nicht der Fall ist und das Wohl der Kinder auf den reinen Kostenfaktor reduziert wird, möchte ich zumindest versuchen darzustellen, welche Möglichkeiten Kinder- und Jugendpsychiatern offen stehen, fehlentwickelte Kinder zu therapieren. Diese Fehlentwicklungen quasi zu korrigieren, soweit das möglich ist. Ich beziehe mich dabei auf die Altersgruppe bis sechs Jahren.

Erst möchte ich einen kurzen Einblick geben, was Entwicklungspsychologie ist, da sie eine Grundlage für die Arbeit von Kinder- und Jugendpsychiatern darstellt. Dann beschreibe ich kurz das Ziel der Arbeit und definiere wichtige Begriffe, bevor ich dazu übergehe die verschiedenen Entwicklungsstörungen zu beschreiben und welche Möglichkeiten es gibt sie zu analysieren und sie zu korrigieren.

In der Kürze der Arbeit und der Komplexität des Themas kann ich hier nur einen sehr oberflächlichen Überblick geben und nicht alle relevanten Zusammenhänge ansprechen.

1.1. Was ist Entwicklungspsychologie?

Die empirisch begründete Entwicklungspsychologie ist in etwa 100 Jahre alt, wobei es verschiedene Forschungstraditionen mit jeweils unterschiedlichen Menschenbildern und Fragestellungen gibt, die jeweils unterschiedliche Konzepte und Theorien der menschlichen Entwicklung ausgebildet haben.

Allen gemeinsam ist aber, "dass sie sich mit Veränderungen und Stabilitäten im Lebenslauf befassen."[1]

Unter Veränderung im psychologischen Sinne versteht man unter anderem, Lernen, Vergessen, Adaptieren, Sensibilisieren, Konditionieren, Verdrängen, Internalisieren, Verstehen, Konstruieren, Umbewerten usw.

Die Entwicklungspsychologie konzentriert sich dabei auf nachhaltige und nachhaltig wirkende Veränderungen. Es sind also die Veränderungen interessant, die eine Wirkung auf die gesamte Lebensspanne haben. Also etwa, wenn ein Kind im frühen Lebensalter sexuellen Mißbrauch erlebt hat und diese damit verbundenen Veränderungen in der Persönlichkeit, im Verhalten, im Vertrauen gegenüber anderen Menschen usw. einen nachhaltigen Einfluß auch im Erwachsenenalter haben. Das ist jetzt ein sehr drastisches Beispiel. In aller Regel laufen Veränderungen weniger dramatisch, von den Menschen oft kaum wahrnehmbar ab.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Entwicklung eine Kontinuität der Veränderung meint. Das heißt also: "Entwicklung ist die Transformation eines Ausgangszustandes in einen neuen Zustand...nicht die Ersetzung des Alten durch etwas Neues..."[2]

Ergänzend muss dazu noch bemerkt werden, dass es sich dabei nicht nur um allgemeine sondern auch um differentielle Veränderungen handelt, die für die Entwicklungspsychologie relevant sind. Was auch noch bedeutsam ist, ist die Tatsache, dass, das Alter allein noch keine Erklärung für eine Veränderung ist. Veränderungen treten nur ein, weil Ereignisse oder Prozesse eintreten, die eine solche bewirken.

Grundannahme, gerade der modernen differentiellen und ökologischen Entwicklungspsychologie, ist, dass eine Entwicklung während der gesamten Lebensspanne stattfindet und sie nicht mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter abgeschlossen ist. Diese neue Sichtweise hat sich mittlerweile zu einem neuen Teilgebiet innerhalb der Entwicklungspsychologie entwickelt, nämlich zur sogenannten "lifespan developmental psychology.[3]

Wie schon oben erwähnt, gibt es unterschiedliche Forschungstraditionen mit jeweils eigenen Theorien. Grob gesagt läßt sich die Entwicklungspsychologie aber in die traditionelle allgemeine Entwicklungspsychologie und die moderne differentielle und ökologische Entwicklungspsychologie unterteilen, worauf ich aber aus Platzgründen jetzt nicht näher eingehen werde.

Abschließend möchte ich kurz erklären, welchen Zweck Entwicklungspsychologie eigentlich hat. Sie kann einmal eine Orientierung über den Lebenslauf geben, also welche Anforderungen in einem bestimmten Lebensalter angemessen erscheinen, was also ab einem gewissen Entwicklungsstand vom Individuum erwartet werden kann. Es können Entwicklungsbedingungen ermittelt werden, also z. B. zu welcher Zeit im Leben eines Menschen eine bestimmte entwicklungsfördernde Einflussbedingung erfolgen muss um die optimalste Wirkung zu erzielen. Weiterhin kann sie auch helfen Entwicklungsprognosen zu erstellen, wobei hier aber sehr vorsichtig herangegangen werden muss da solche Prognosen eher in den Bereich von Mutmaßungen gehen, da zumeist nicht alle Einflussfaktoren bekannt sind, individuell wirkende Einflüsse nicht vorhersehbar sind und weil die Freiheit zur Selbstgestaltung des Entwicklungsprozesses durch den Menschen nicht unterschätzt werden darf.[4]

1.2. Ziel der Arbeit

Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, in knapper Form, Einblick in die Analysemethoden und Korrekturmöglichkeiten, aus kinderpsychiatrischer Sicht, von Fehlentwicklungen von Kindern bis 6 Jahren zu geben, die durch eine gescheiterte Fremdplatzierung entstanden sind.

Ich gehe hier nicht auf die Ausgangsbedingungen ein, die zugrunde lagen, dass eine Fremdplatzierung scheiterte. Also etwa die möglicherweise mangelhafte Vorarbeit des Jugendamtes bei der Auswahl z. B. der Pflegefamilie oder anderer Ursachen.

Mich interessieren hier allein die Möglichkeiten, die Kinderpsychiater haben um Fehlentwicklungen wie etwa ADS festzustellen und zu korrigieren.

Aus Platzgründen kann ich auch nicht auf die Wirksamkeit der einzelnen Methoden oder eine Prognose der weiteren Entwicklung von fehlentwickelten Kindern eingehen.

2.0. Definitionen

Bevor ich damit beginne die Analyse- und Korrekturmöglichkeiten von Kinderpsychiatern zu beschreiben, müssen erst einmal grundlegende Begriffe definiert werden.

2.1. Fehlentwicklungen

Mit Fehlentwicklungen sind hier alle Störungen gemeint, die sich aus dem Scheitern eines befriedigenden Bindungsaufbaus in der Pflegefamilie ergeben, also quasi eine gescheiterte Einsozialisation in die Familie in die das Kind fremdplatziert wurde. Dazu gehören auch Fehlentwicklungen die sich aus Extremsituationen wie körperlichen oder sexuellen Mißbrauch, daneben aber auch solche die sich aus Konflikten wie etwa einer Lieblosigkeit der Pflegeeltern gegenüber dem Kind oder Konflikten die sich durch eine qualitativ andersartige Behandlung der leiblichen Kinder im Vergleich zum Pflegekind, ergeben.

Es können also sowohl körperliche wie psychische, als auch soziale Störungen, wie auch Verhaltensstörungen aller Art, unter jenem Begriff eingeordnet werden.

Ich beziehe mich hierbei hauptsächlich auf Entwicklungsstörungen wie sie für Kinder bis einschließlich des sechsten Lebensjahres typisch sind oder angesehen werden. (vgl. Oerter, Montada 2002, 5.Aufl. Kapitel 21)

Nicht näher eingehen werde ich in dieser Arbeit auf alle Störungen oder Entwicklungsrisiken, die nicht unmittelbar auf eine Fremdplatzierung zurückzuführen sind, sondern davon unabhängig auftreten, wie etwa genetische, pränatale oder perinatale Störungen. Wobei jedoch, möglicherweise, jene zugrundeliegenden Fehlstellungen zu einem Scheitern einer Fremdplatzierung führen können, gerade weil diese Störungen vorliegen und das Kind dadurch so "schwierig" ist. Das ist sicherlich ein nicht zu vernachlässigender Faktor, jedoch muss ich meine Arbeit eingrenzen und darüber hinaus ist diese Problematik so komplex, dass sie es wert wäre in einer eigenständigen Arbeit behandelt zu werden, weshalb ich diesen Bereich ausklammern möchte.

Fehlentwicklungen können hierbei also als ein Konglomerat von verschiedensten Störungsbildern auftreten.

Welcher Art können diese Störungen jetzt sein?

Aus einer gescheiterten Einsozialisation können sich beispielsweise Bindungs- und Aufmerksamkeitsstörungen, sowie Störungen des Sozialverhaltens, emotionale und Hyperaktivitätsstörungen, aber auch Verhaltensauffälligkeiten, Geschwisterrivalität oder oppositionelles Verhalten usw. ergeben

Noch drastischere Folgen können aus körperlichen oder sexuellen Mißbrauch resultieren, wie etwa: Angstträume, Pavor nocturnus, Schlafstörungen, psychische und psychosomatische Störungen, sowie Essstörungen und Störungen der Motorik, sowie deviantes Verhalten usw.[5]

Näher eingehen werde ich auf die einzelnen Störungen in den Punkten 3.0 und 4.0.

2.2. Fremdplatzierung

Unter Fremdplatzierung sind in der Regel alle vorübergehenden oder dauerhaften, vom Jugendamt durchgeführten Maßnahmen (Inobhutnahme § 42 SGB VIII) oder gerichtlich angeordnete Herausnahmen eines Kindes aus der Ursprungsfamilie z. B. bei Gefährdung des Kindswohls § 1666 BGB oder wenn ein Elternteil oder die Eltern andauernd gröblich gegen ihre Pflichten dem Kind gegenüber verstoßen (§1748 BGB), die zu einer Fremdunterbringung führen, gemeint.

Dabei kann den Eltern die elterliche Sorge gerichtlich entzogen (§1796 BGB) oder eingeschränkt sein, z. B. Einschränkung des Umgangsrechtes mit dem Elternteil (§1684 Abs. 4 BGB) oder Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes der Eltern (§1632 Abs. 4 BGB).[6]

Das heißt der Begriff Fremdplatzierung oder -unterbringung kann sich jetzt sowohl auf eine Heimunterbringung, eine Unterbringung bei einem Verwandten, bei einer Pflegefamilie, in einer betreuten Wohnform oder sogar auf eine Adoption (Einwilligung der Eltern) o.ä. beziehen.[7]

Ich beschränke mich in der vorliegenden Arbeit auf die Unterbringung in einer Pflegefamilie. Wobei ich jetzt von einer Langzeitpflege ausgehe.

3.0. Was sind Entwicklungsstörungen?

Nach dem ICD-10 (International Classification of Diseases) einem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation, welcher hauptsächlich auch in Deutschland verwendet wird, sind Entwicklungsstörungen gekennzeichnet durch:

1. Einen Beginn, der ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit liegt.
2. Eine Einschränkung oder Verzögerung in der Entwicklung von Funktionen, die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems verknüpft sind.
3. Einen stetigen Verlauf, der nicht die für viele psychischen Störungen typischen charakteristischen Remissionen und Rezidive zeigt.[8]

Wie stellen sich solche Entwicklungsstörungen nun im einzelnen dar?

Nach dem ICD-10, welcher zur psychologischen Begutachtung vor allem in Deutschland und Österreich herangezogen wird, lassen sich folgende Störungsbilder unterscheiden:

F0 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F1 Psychische- und Verhaltensstörungen durch psychotrophe .. Substanzen
F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3 Affektive Störungen
F4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen
F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren
F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F7 Intelligenzminderung
F8 Entwicklungsstörungen
F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit

und Jugend.[9]

Da ich mich hier vor allem auf F8 Entwicklungsstörungen beschränke, mögen die anderen Störungsbilder unkommentiert, nur zur Verdeutlichung des weiten Feldes von möglichen Störungen, welche, durch eine gescheiterte Fremdplatzierung oder anderer Faktoren, bei Kleinkindern auftreten können, stehen bleiben.

Welche Entwicklungsstörungen können nun auftreten?

Es können auftreten:

1. Entwicklungsstörungen im Kompetenzbereich.

Das bedeutet, dass z. B. die Bereiche der Sprachentwicklung, der motorischen Entwicklung (Grob- und Feinmotorik), sowie der Visomotorik, also des Zusammenspiels von visueller Analyse und motorischer Steuerung Defizite feststellbar sind. Darüber hinaus gehören dazu aber auch Fertigkeiten, (sind nicht im ICD-10 aufgeführt) die bei einem Vorschulkind in aller Regel erwartet werden dürfen (z. B. ein gesundes Maß an Entdeckerdrang usw.). Einschränkungen von solchen Fähigkeiten können sich dann im Schulalter negativ auf die Intelligenzentwicklung auswirken.[10]

2. Störungen im Bereich der Vorläufer der Persönlichkeitsentwicklung im Säuglings- und Kleinkinderalter.

Laut Oerter/Montada (2002) gehören emotionale, soziale und Verhaltensstörungen zu den "Vorläufern" von gestörten Persönlichkeitsentwicklungen.

Neben genetischen Dispositionen spielen, bei ihrer Entstehung, wohl auch verschiedenartige Lern- und Sozialisationsbedingungen, sowie sich daraus ergebender Wechselwirkungen eine Rolle.

Was von großer Bedeutung ist, ist die Tatsache, dass solche Störungen im Kleinkinderalter noch nicht so verfestigt sind wie im späteren Lebensabschnitten und sich häufig sehr schnell wieder verlieren, was oft schon durch eine Änderung der Lebensbedingungen erreicht werden kann.

Zu solchen Störungen gehören unter anderem die Frühkindlichen Depressionen, (im ICD-10 unter F3 "affektive Störungen") welche auftreten können, wenn die Mutter selbst an Depressionen leidet und somit einen depressiven Interaktionsstil hat, so dass das Kleinkind nicht gut Bindungen aufbauen kann, aber auch Ehekonflikte können zu depressiven Verstimmungen bei Kindern führen.

Daneben können auch Angststörungen entwicklungsverzögernde Wirkung entfalten. Unterscheiden muss man dabei aber zwischen den "entwicklungsbedingten Ängsten", wie etwa die Fremdenangst oder die Trennungsangst, welche normale evolutionsbedingte Ängste, die ab einem gewissen Entwicklungsstadium auftreten und überlebenswichtig sind oder einst waren. Gefährlich werden solche Ängste erst, wenn sie pathologische Formen annehmen. Wenn etwa die Trennungsangst zu einer übergroßen Fixierung auf die Bezugsperson führt, so dass Kleinkinder nicht dazu gebracht werden können in den Kindergarten zu gehen und sich stark an die Mutter klammern. Weitere Angststörungen sind phobische Störungen, z. B. Furcht vor bestimmten Tieren oder Gewitter oder vor anderen Menschen, besonders verstärkt bei Gewalt- und/oder Missbrauchserfahrungen der Kleinkinder. Weiterhin können "Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren" auftreten, die sich z. B. in Schlafstörungen, Angstträumen, Pavor nocturnus usw. äußern.[11]

3. "Tiefgreifende Entwicklungsstörungen"

Nach ICD-10 (siehe: F84) sind "tiefgreifende Entwicklungsstörungen" gekennzeichnet durch Beeinträchtigungen der sozialen Interaktion sowie der Kommunikationsmuster, Interessen und Aktivitäten sind dabei durch ein eingeschränktes stereotypes Repertoire gekennzeichnet. Es sind sowohl die Lernfähigkeit, als auch der Aufbau motorischer, sprachlicher und kognitiver Kompetenzen gestört. Das Verhalten entspricht insgesamt nicht dem normalen Entwicklungsverlauf.

Zu solchen massiven Störungen ist vor allem der frühkindliche Autismus zu rechnen. Die Ursachen des Autismus liegen nach neuesten Forschungen in einer mangelnden Arbeitsteilung beider Gehirnhälften, verursacht durch einen Mangel an Purkinje´schen Zellen, die für die Steuerungsprozesse bei der Automatisierung neuer Bewegungsfolgen zuständig sind.[12]

4. Hyperkinetische Störungen im Kleinkindalter

Der Begriff Hyperkinetische Störung, der vom ICD-10 verwendet wird, ist mit dem gängigeren Begriff des DSM-IV wo er als "Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder" (ADHD) deutsch "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung" (ADHS), identisch.

Charakteristisch für diese Störung ist der übersteigerte Bewegungsdrang, der deutlich über ein, selbst für ein sehr lebhaftes, normal entwickeltes Kind, dem Entwicklungsstand angemessenes Maß hinausgeht. Diese Störung muss mindestens in zwei räumlich voneinander getrennten Lebensbereichen auftreten um eine solche Diagnose zu rechtfertigen. Durch diese Störung wird sowohl die Spiel- als auch die Lernfähigkeit, aber auch die Anknüpfung von sozialen Beziehungen beeinträchtigt. Es ist oft schwer "echte" Hyperaktivität von einer scheinbaren zu unterscheiden und so kommt es hierbei immer wieder zu Fehldiagnosen.[13]

5. Störungen des Sozialverhaltens und anderer Störungsbilder

Bei dieser Störungsgruppe kann zwischen leichteren Formen und schweren Formen unterschieden werden. Letztere, können oder sollten nicht im Kleinkindalter diagnostiziert werden, da sie sich zumeist erst im späteren Verlauf der Kindheit ausprägen.

Bei den leichteren Formen können soziale Bindungen sogar noch vorhanden sein, während sie bei schwereren Formen zumeist fehlen. Diese Störungen äußern sich durch starke Aggressionen und oppositionellen, aufsässigen Verhalten. Darunter fällt auch eine übersteigerte aggressive Geschwisterrivalität. Häufig sind es ein inkonsequentes Erziehungsverhalten der Eltern, sowie eine sehr hohe Emotionalität auf Seiten des Kindes, die eine Entwicklung dieser Störung fördern.[14]

Zu dieser Störungsgruppe gehören auch noch Bindungsstörungen mit Enthemmung. Diese äußern sich durch ein Klammerverhalten einerseits und einem distanzlosen, diffusen Bindungsverhalten andererseits.

6. Sonstige Verhaltens- und emotionalen Störungen.

Die häufigsten Probleme liegen hierbei im Bereich der Ernährungsstörungen, sowie der Enuresis (noch nicht Erreichen der Blasenkontrolle) und Enkopresis (Stuhlentleerung an nicht dafür vorgesehenen Orten, willkürliche Ausscheidung). Für solche Störungen sind zumeist Defizite in der Mutter-Kind-(Bezugsperson) interaktion verantwortlich, die sich dadurch äußert, dass es die Bezugsperson nicht schafft auf die Nahrungsbedürfnisse des Kindes angemessen einzugehen. Aber auch eine Fehlernährung des Kleinkindes ("Fast-Food_Syndrom") spielt dabei eine große Rolle.[15]

[...]


[1] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S. 3.

[2] Ebenda. S. 13

[3] Zimbardo, Philip, G.; 1995, 6.Aufl.; Psychologie, S.54.

[4] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S5ff.

[5] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S. 713ff.

[6] Stascheit, Ulrich, (Hrsg.), 2003, 10.Aufl. Gesetze für Sozialberufe, BGB S. 188-206; SGB VIII S. 14.

[7] Siehe auch: Nellessen, Lothar, in: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.), 1997, 4. Aufl.; Fachlexikon der sozialen Arbeit, S.360-362.

[8] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S. 718-719.

[9] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S.718, 719.

[10] Ebenda, S.719-720.

[11] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S.721-725.

[12] Ebenda, S.725-727.

[13] Ebenda, S.727-728.

[14] Oerter, Montada, (Hrsg.), 2002, 5.Aufl., Entwicklungspsychologie, S.728-730.

[15] Ebenda, S.730-732.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Korrekturmöglichkeiten von Fehlentwicklungen bei einer gescheiterten Fremdplatzierung von Kleinkindern bis 6 Jahren
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V38061
ISBN (eBook)
9783638372459
ISBN (Buch)
9783638683050
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kritische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Praxis der Fremdplatzierung in der Kinder-und Jugendhilfepraxis. Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand.
Schlagworte
Korrekturmöglichkeiten, Fehlentwicklungen, Fremdplatzierung, Kleinkindern, Jahren
Arbeit zitieren
Michael Schön (Autor:in), 2005, Korrekturmöglichkeiten von Fehlentwicklungen bei einer gescheiterten Fremdplatzierung von Kleinkindern bis 6 Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38061

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