In diesem Essay steht das Modell der „Bürgerarbeit“ im Mittelpunkt, welches als beschäftigungspolitisches Instrument bzw. Beschäftigungsalternative verstanden werden kann und von der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen, der auch Ulrich Beck angehörte, initiiert wurde.
In Anbetracht dessen, wird in der vorliegenden Arbeit folgender Fragestellung nachgegangen: Welche sozialen Risiken impliziert das Konzept Bürgerarbeit von Ulrich Beck? Um die Frage zu beantworten, ist dieser Essay in folgende Kapitel unterteilt: Zunächst wird das Modell Bürgerarbeit nach Ulrich Beck inhaltlich vorgestellt. Im nachfolgenden Gliederungspunkt wird das Konzept kritisch betrachtet, bevor abschließend die Zukunftsfähigkeit in den Mittelpunkt rückt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Konzept „Bürgerarbeit“
2.1 Wesentliches
2.2 Der Gemeinwohl-Unternehmer
2.3 Kommunale Ausschüsse
3. Kritische Betrachtung des Konzepts Bürgerarbeit
4. Zukunftsfähigkeit des Konzepts Bürgerarbeit
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die Sorge um die Zukunft der Arbeit hat in der sozialwissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl von Vorschlägen zu Beschäftigungs- und Arbeitsformen hervorgerufen. Hierbei wird das Konzept der Arbeitsgesellschaft u.a. von der Dienstleistungsgesellschaft, Informationsgesellschaft oder Bürgergesellschaft ersetzt.[1]
In diesem Essay steht das Modell der „Bürgerarbeit“ im Mittelpunkt, welches als beschäftigungspolitisches Instrument bzw. Beschäftigungsalternative verstanden werden kann und von der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen, der auch Ulrich Beck angehörte, initiiert wurde.[2] In Anbetracht dessen, wird in der vorliegenden Arbeit folgender Fragestellung nachgegangen: Welche sozialen Risiken impliziert das Konzept Bürgerarbeit von Ulrich Beck? Um die Frage zu beantworten, ist dieser Essay in folgende Kapitel unterteilt: Zunächst wird das Modell Bürgerarbeit nach Ulrich Beck inhaltlich vorgestellt. Im nachfolgenden Gliederungspunkt wird das Konzept kritisch betrachtet, bevor abschließend die Zukunftsfähigkeit in den Mittelpunkt rückt.
2. Das Konzept „Bürgerarbeit“
2.1 Wesentliches
Für Beck (2000) stellt das Konzept „Bürgerarbeit“ eine notwendige Option für die Gesellschaft dar, da im Zeitalter der Globalisierung bezahlte Arbeit weniger nachgefragt wird.[3] Für den Autor ist Bürgerarbeit ein Bereich neben der Erwerbsarbeit in Form eines freiwilligen sozialen Engagements.[4] Ferner ist Bürgerarbeit projektgebunden, zeitlich begrenzt und ermöglicht was sich auszuschließen scheint: Selbstverwirklichung und Dasein für andere. Organisiert wird die projektgebundene Arbeit von einem Gemeinwohl-Unternehmen bzw. Gemeinwohlunternehmer. Bürgerarbeit wird materiell und immateriell belohnt. Zu der materiellen Belohnung zählt das Bürgergeld, was diejenigen bekommen, die existentiell darauf angewiesen sind. Die Normen sind hierbei dieselben wie bei der Gewährung von Sozialhilfe. Der Unterschied ist allerdings, dass sich die Bezieher von Bürgergeld in Freiwilligeninitiativen gemeinnützig engagieren und somit keine Empfänger von Sozialhilfe sind. Darüber hinaus stehen Sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und gelten nicht als Arbeitslose. Zu den immateriellen Belohnungsformen zählen beispielsweise Qualifikationen sowie die Anerkennung von Rentenansprüchen und Sozialzeiten.[5] Wenn Bürgerarbeit als echte Option angesehen wird, dann senkt es auch die Arbeitslosigkeit. Im diesem Sinne ist jemand zwar nicht erwerbstätig, sowohl aber sinnvoll beschäftigt. Für diese Bevölkerungsgruppe stellt das Konzept Bürgerarbeit eine wichtige Sprungbrett- und Überbrückungsfunktion dar.[6] Prinzipiell sind alle Bürger zur Bürgerarbeit aufgerufen. Angeführt werden: Arbeitslose, Hausfrauen bzw. Hausmänner, Rentner, Jugendliche, Teilzeit- Erwerbstätige sowie Berufstätige die ein Sabbatjahr nehmen. Es gibt allerdings kein automatisches Anrecht auf Bürgerarbeit. Die Auswahl erfolgt auch nach Eignung und Qualifikation.[7] Beck (2000) verweist darauf, dass Bürgerarbeit, verwandt mit politischem Handeln, dem Gemeinwohl dient und Kollektivgüter produziert.[8] Dies bedeutet auch eine relevante finanzielle Entlastung für den Staat. Ferner bereichert das Konzept die demokratische Kultur und unterstützt die Lösung wichtiger Zukunftsfragen.[9] Für den Erfolg des Konzepts Bürgerarbeit nennt Beck verschiedene Determinanten:
- Zeitspenden-Modelle (z.B. steuerlich absetzbar wie Geldspenden)
- Teilzeit-Erwerbsarbeit und Bürgerarbeit politisch forcieren
- Arbeitsfördergesetz reformieren- Arbeitslosen muss erlaubt werden, Bürgerarbeit zu leisten, ohne Ansprüche zu verlieren.
- Kommunale Ausschüsse für Bürgerarbeit
- Gemeinwohl-Unternehmer
- Unternehmen finanziell beteiligen – transnationale Konzerne müssen ihren Beitrag zur Demokratie leisten.[10]
Zusammenfassend lassen sich im Konzept Bürgerarbeit folgende Ziele verorten: 1. Ergänzung zur Erwerbstätigkeit/Senkung der Arbeitslosigkeit 2. Bereitstellung von Kollektivgütern 3. Stärkung der Demokratie.
2.2 Der Gemeinwohl-Unternehmer
Für Beck (2000) ist der Gemeinwohl-Unternehmer die Schlüsselidee des Konzepts Bürgerarbeit. Die Figur des Gemeinwohl-Unternehmers verbindet das Unternehmerische mit der Arbeit für das Gemeinwohl. Nicht nur sein Charakter ist im hohen Maße sozial, sondern auch das Ergebnis ihrer Arbeit, weil die Wohlfahrt, die Gesundheit und die Gemeinschaft befördert werden. Die Unternehmen die sie gründen, befinden sich in der Nische zwischen Staat und privater Wirtschaft. Sie erkennen ungelöste Aufgaben, beleben die lokale Bürgergesellschaft, aktivieren das Soziale am Ort ihrer Tätigkeit und pflegen darüber hinaus den Austausch in internationalen und interdisziplinären Netzwerken. Es entsteht eine Kultur der Kreativität. Gemeinwohl-Unternehmer sind somit innovative Spezialisten, die Dinge anstoßen, anleiten und umsetzen.[11]
2.3 Kommunale Ausschüsse
Die mit der Einführung von Bürgerarbeit verbundene Initiativrolle des Gemeinwohl-Unternehmers wird durch ein weiteres Element ergänzt: den Ausschuss für Bürgerarbeit. Dieser besteht aus Vertretern des Gemeinderats, der Wohlfahrtsverbände, Freiwilligenvertreten, Leistungsempfängern von Bürgerarbeit und Unternehmensvertretern (im Falle von Social Sponsoring Aktivitäten). Der Ausschuss hat folgende Funktionen:
- Er ist die politische Legitimationsinstanz.
- Der Ausschuss beauftragt den Unternehmer im Sinne seiner Projektideen, kann aber auch eigens Aufträge öffentlich ausschreiben auf die sich verschiedene Gemeinwohl-Unternehmer bewerben können.
- Eine wesentliche Aufgabe des Gremiums ist es, mögliche Schnittstellen mit bereits be- stehenden Leistungsträgern und Beschäftigungsformen (z.B. zweiter Arbeitsmarkt, Arbeit im öffentlichen Dienst und den Wohlfahrtsverbänden) aufzuheben.
Die Finanzierung der Rahmeninfrastruktur der Bürgerarbeit sollte nach Beck (2000) durch die öffentliche Hand geschehen.[12]
3. Kritische Betrachtung des Konzepts Bürgerarbeit
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Arbeitslosigkeit und Ehrenamt weisen darauf hin, dass die Hoffnungen welche mit dem Konzept Bürgerarbeit verbunden sind, nicht erfüllt werden können. Demnach steigert Arbeitslosigkeit die Nachfrage nach ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht. Dies gilt insbesondere für die Gruppe der gering qualifizierten Langzeitarbeitslosen. Die Aufnahme von ehrenamtlichen Tätigkeiten erfordert nämlich ein gewisses Maß an Sozial- und Humankapitalressourcen, was bei dieser Personengruppe selten im ausreichenden Umfang vorhanden ist. Ebenso kritisch zu betrachten ist der Punkt Bürgerarbeit bei Übernachfrage zu begrenzen. Bürgerarbeit setzt Qualifikation voraus. Damit ist Selektion die logische Folge. Unter der Prämisse der begrenzten Bürgerarbeit kann mit einem entlastenden Arbeitsmarkteffekt nicht gerechnet werden.[13]
Neben einem Arbeitsmarkteffekt erhofft sich die Zukunftskommission Einsparungen im Bereich der öffentlichen Haushalte, da ein Teil der öffentlichen Leistungen bzw. Güter durch Bürgerarbeit bereit gestellt werden können.[14] Obwohl das Freiwilligkeitsprinzip auch Vorteile mit sich bringt, besteht die Gefahr, dass der notwendige Versorgungsgrad öffentlicher Leistungen nicht gesichert wird. Darüber hinaus ist ungewiss, ob sich dauerhaft ausreichend Bürgerarbeiter finden, um Kollektivgüter für die Gesellschaft bereitstellen, während andere von deren Leistungen profitieren, ohne etwas dazu beizutragen.[15] Dies ist auch im Hinblick auf die Gewährleistungspflicht des Staates, eine flächendeckende Grundversorgung sicherzustellen, zu beachten.[16] Oftmals stehen freiwillige Ressourcen gerade in den Regionen, wo sie gebraucht werden nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung.[17] Überdies ist für das Gelingen von Bürgerarbeit eine gewisse Infrastruktur notwendig, die nicht unbedingt kostengünstig ist. Möglicherweise wäre hier die Finanzierung sozialer Dienstleistungsanbieter günstiger und damit eine effiziente Allokation des knappen öffentlichen Budgets gewährleistet. Generell stellt sich die Frage, ob die Verdrängung marktförmiger organisierter Dienste, wie Pflege- und Beratungsdienste, privater Landschaftspflegeunternehmen und mittelständischer Handwerksbetriebe durch Gemeinwohl-Unternehmen zu einer Steigerung der Erwerbslosenzahl führt. Diese Konkurrenz kann zu einem Nullsummenspiel oder gar zu einem Negativsummenspiel führen.[18]
Ebenfalls kritisch konstatiert Dettling (1999): „Bürgerarbeit und freiwilliges Engagement tragen ihren Sinn und ihre Rechtfertigung in sich selbst, nicht als Mittel zum Zweck der Lösung von Problemen des Arbeitsmarktes oder der Abfederung der finanziellen Schlaglöcher des Sozialstaates.“[19]
[...]
[1] vgl. Stecker, Christina (1999): Bürgerarbeit und Bürgergeld als Instrumente zur Schaffung neuer Felder von Arbeit und Beschäftigung. In: Zeitschrift für Sozialreform Jg. 45, Heft 11/12, S. 1005.
[2] ebd. S. 1005-1006.
[3] vgl. Beck, Ulrich (2000): Die Seele der Demokratie: Bezahlte Bürgerarbeit. In: Beck, Ulrich (Hrsg.): Die Zukunft von Arbeit und Demokratie. 1. Auflage. Frankfurt am Main. Suhrkamp Verlag. S. 416.
[4] ebd. S. 444
[5] ebd. S. 417-418.
[6] ebd. S. 444-445.
[7] ebd. S. 442-443.
[8] ebd. S. 419.
[9] ebd. S. 434.
[10] ebd. S. 428-442.
[11] ebd. S. 428-431
[12] ebd. S. 431-433.
[13] vgl. Erlinghagen, Marcel (2001): Die sozialen Risiken „Neuer Ehrenamtlichkeit“ Zur Zukunft des Ehrenamts am Beispiel „Bürgerarbeit“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 25-26, S. 35; Erlinghagen, Marcel et al. (1999): Ehrenamt statt Arbeitsmarkt? Sozioökonomische Determinanten ehrenamtlichen Engagements in Deutschland. In: WSI Mitteilungen 52 (4), S. 252-255.; Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen(1997): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entwicklung, Ursachen und Maßnahmen. Teil III: Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage. Bonn. S. 166. Online unter: http://www.bayern.de/wp-content/uploads/2014/09/Bericht-der-Kommission-f%C3%BCr-Zukunftsfragen-der- Freistaaten-Bayern-und-Sachsen-Teil-3.pdf [Zugriff: 17.09.17].
[14] vgl. Erlinghagen, Marcel (2001): Die sozialen Risiken „Neuer Ehrenamtlichkeit“ Zur Zukunft des Ehrenamts am Beispiel „Bürgerarbeit“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 25-26, S. 35-36.
[15] vgl. Salomon, Lester (1996): Third Party Government. Ein Beitrag zu einer Theorie der Beziehungen zwischen Staat und Nonprofit-Sektor im modernen Wohlfahrtsstaat. In: Evers, Adalbert/Olk, Thomas (Hrsg.) Wohlfahrtspluralismus. Vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft. Opladen. Westdt. Verlag. S. 90-91.
[16] vgl.: Stecker, Christina (1999): Bürgerarbeit und Bürgergeld als Instrumente zur Schaffung neuer Felder von Arbeit und Beschäftigung. S. 1019.
[17] vgl. Salomon, Lester (1996): Third Party Government. S. 91.
[18] vgl.: Stecker, Christina (1999): Bürgerarbeit und Bürgergeld als Instrumente zur Schaffung neuer Felder von Arbeit und Beschäftigung. S. 1019-1020.
[19] Dettling, Warnfried (1999): Zukunftsfragen. S. 15 Online unter: https://www.boeckler.de/pdf/Mitbestimmung- 1999-03-p12.pdf [Zugriff: 05.09.17].
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- Dipl. Sebastian Schäfer (Author), 2017, Bürgerarbeit. Eine Alternative zur Erwerbsarbeit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380703
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