Diskriminierung oder soziale Herkunftseffekte? Übertrittsempfehlungen im deutschen Schulsystem


Dossier / Travail, 2017

16 Pages, Note: 1,3

Neema Li (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Tastes for discrimination
2.2 Statistische Diskriminierung
2.3 Expectation Confirmation Bias

3 Variablen und Methode
3.1 Variablen
3.2 Essay Experiment
3.3 Film Experiment

4 Zusammenfassung und Diskussion

5 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Hypothese

Abbildung 2: Hypothese

Abbildung 3: Hypothese

1 Einleitung

Die Persistenz ethnischer Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem ist ein bekanntes und umfassend untersuchtes Phänomen. Es wurde vielfach gezeigt, dass Kinder aus Zuwandererfamilien im Bildungssystem schlechter abschneiden als Deutsche und an den Hauptschulen über, an Realschulen, sowie Gymnasien unterrepräsentiert sind (Esser 1990; Wagner et al. 2001). Vor allem primäre und sekundäre soziale, wie ethnische Herkunftseffekte werden zur Erklärung der Ursachen herangezogen (Boudon 1974; Kristen & Dollmann 2009). Jedoch können damit nicht alle Unterschiede zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund aufgeklärt werden. Ethnische Unterschiede bleiben nämlich auch nach Kontrolle der Schulleistungen bestehen. Gresch (2012) geht deshalb davon aus, dass über die schulischen Leistungen und die Bildungsaspirationen der Eltern hinweg, ein Resteffekt des Migrationshintergrundes auf die Schulnoten und die Übertrittsempfehlung auf eine weiterführende Schule vorliegt, welchen sie als tertiären ethnischen Herkunftseffekt bezeichnet. Darunter fällt insbesondere die intendierte und unintendierte unterschiedliche Bewertung der Lehrkräfte aufgrund des ethnischen Hintergrundes des Schülers. Die Benachteiligung im Bildungssystem widerspricht jedoch den Ansprüchen einer modernen Demokratie und ihren meritokratischen Prinzipien (Ditton et al. 2005). Aus der benachteiligten Positionierung im Bildungssystem ergeben sich daraus entsprechende Konsequenzen für die späteren Ausbildungschancen und in der Folge auch für die Stellung auf dem Arbeitsmarkt (Granato & Kalter 2001). Besonders die richtungsweisende Entscheidung für eine bestimmte weiterführende Schulart kann sich nachhaltig auf den Lebensverlauf auswirken. Wenn auch die Übertrittsempfehlung der Lehrkraft keinen verbindlichen Einfluss mehr auf die Entscheidung für eine weiterführende Schulart in fast allen Bundesländern hat, so bleibt der deutliche Einfluss dieser Empfehlung doch bestehen. Es hat sich gezeigt, dass die elterliche Entscheidung für die weiterführende Schule in erster Linie von der Empfehlung des Lehrers abhängt (Gresch 2012: 51f.).

Das Bewusstsein über das Bestehen unbewusster Diskriminierungsprozesse von Seiten der Lehrkräfte führt nachweislich zur Verringerung dieser (Rudman et al. 2001). Ob und inwiefern die Diskriminierung von Schülern mit Migrationshintergrund aber tatsächlich zur Benachteiligung derer beiträgt, konnte trotz unterschiedlicher Studien nicht endgültig geklärt werden (Kristen 2006b). Deshalb soll im Rahmen der Hausarbeit zum Thema Diskriminierung oder soziale Herkunftseffekte? Wie ist die schlechtere Übertrittssempfehlung von Kindern mit türkischem Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem zu erklären ? die Existenz von diskriminierenden Prozessen aufgrund der ethnischen Herkunft im Schulsystem aufgedeckt und die dabei ablaufenden Mechanismen geklärt werden. Zunächst wird im zweiten Kapitel der theoretische Hintergrund erläutert, wobei die Theorie der tastes for discrimination, die statistische Diskriminierung, sowie die Theorie der expectation confirmation bias vorgestellt wird. Im dritten Abschnitt erfolgt die Beschreibung der Experimente, anhand denen die formulierten Hypothesen getestet werden sollen. Der vierte Abschnitt enthält eine Zusammenfassung der Arbeit, sowie eine kritische Diskussion der Durchführung der Experimente.

2 Theoretischer Hintergrund

Wenn es um die Erklärung möglicher Prozesse ethnischer Diskriminierung geht, werden häufig zwei Positionen unterschieden: Die Vertreter der institutionellen Diskriminierung gehen von einem weiter gefassten Verständnis von Diskriminierung aus und problematisieren vor allem die Struktur des Bildungssystems und dort etablierte Praktiken. Anhänger des enger gefassten Konzepts der individuellen Diskriminierung fokussieren vor allem das diskriminierende Handeln individueller Akteure, besonders von Lehrern (Diehl & Fick 2016: 243).

Der in diesem Zusammenhang untersuchte Effekt bezieht sich auf die Übertrittsempfehlung von Lehrkräften und damit auf das Konzept der individuellen Diskriminierung, welches im Folgenden weiter spezifiziert werden soll. Es werden Erklärungsansätze vorgestellt, welche den Einfluss von Stereotypen und Vorurteilen, von Informationsmangel und bestehenden Erwartungen, auf die Beurteilung von Schülern betonen.

2.1 Tastes for discrimination

Stereotype und Vorurteile können eine Ursache für Diskriminierung darstellen. Fiske (1998) konnte zeigen, dass besonders emotional aufgeladene Vorurteile zu diskriminierendem Handeln führen, mehr als eher kognitiv begründete Stereotype. Becker (1971) erkennt darin die Hauptursache für Diskriminierung und erarbeitet daraus die Theorie der tastes for discriminiation, wobei er sich auf diskriminierende Mechanismen auf dem Arbeitsmarkt bezieht. Wie sich aus dem Begriff schon schließen lässt, versteht er darunter eine persönliche Diskriminierungsneigung aufgrund nicht-rationaler, persönlicher Präferenzen oder Abneigungen gegen bestimmte Personengruppen, welche sich aus Vorurteilen ergeben können. Diese persönlichen Präferenzen fließen als nicht-monetäre Nutzentherme in die Entscheidung der Akteure ein und können sich am Arbeitsmarkt unter anderem durch ein niedrigeres Einkommen auswirken (Becker 1971: 14ff.). Unbewusst und subtil existierenden Vorurteile, oder wie Becker es nennt, Präferenzen, können beispielsweise zur Diskriminierung in Form der Kontaktvermeidung führen (National Research Council 2004: 57). Auf die Schule bezogen, wäre dies denkbar, durch den Versuch, die Migranten aus dem Gymnasium herauszuhalten um unter sich zu bleiben und eine ethnisch homogene Gemeinschaft zu erhalten (Diehl & Fick 2016: 246). Diskriminierendes Verhalten bleibt im Bildungssystem für die diskriminierende Person oft folgenlos. Dies unterscheidet das Bildungssystem vom Arbeitsmarkt, wo durch Wettbewerbsnachteile zusätzliche Kosten entstehen können (Kristen 2006a).

Der Migrationshintergrund eines Schülers kann durch die tastes of discrimination des Lehrers also auf dessen Leistungsbeurteilung auswirken. Deshalb wird angenommen:

H1: Schüler mit Migrationshintergrund wird bei gleichen Leistungen tendenziell eine schlechtere Übertrittsempfehlung für die Sekundarschule erteilt, als Kindern ohne Migrationshintergrund.

Abbildung 1: Hypothese 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

2.2 Statistische Diskriminierung

Die Theorie der statistischen Diskriminierung liefert die Anschlusstheorie für die Theorie der tastes for discriminations. Dabei wird von einem Informationsmangel als Ursache für diskriminierendes Verhalten ausgegangen. Die Produktivität, beziehungsweise Leistungsfähigkeit einer Person ist nur durch sehr hohen Aufwand zu ermitteln. Es bedarf deshalb günstiger Indikatoren, die auf die gesuchte Leistungsfähigkeit hinweisen. Unter Unsicherheitsbedingungen, können aspkriptive Merkmale herangezogen werden, um auf die Leistungsfähigkeit eines Schülers zu schließen. In einem solchen Fall, wenn Informationen fehlen, die zur objektiven Bewertung gebraucht würden, kann auf stereotype Vorstellungen über das Verhalten und die Kompetenzen der Personengruppe die der Schüler angehört, beispielsweise der türkischstämmigen Kinder, bei der Bewertung zurückgegriffen werden. Dafür wird vorausgesetzt, dass die individuelle Leistungsfähigkeit weitestgehend unbekannt ist, einzelne Gruppen aufgrund eines Merkmals klar abgrenzbar sind und dass eine Vorstellung über die mittlere Produktivität für diese Gruppe besteht (Arrow 1973: 24f.).

Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Personengruppe, nach der die Bewertung erfolgt, kann entweder der Realität entsprechen, oder aufgrund von Vorurteilen oder einer kognitiven Fehleinschätzung verzerrt sein. Dieser Sonderfall der Statistischen Diskriminierung wird als error discrimination bezeichnet (England 1992: 60). Die Erfahrung von Lehrkräften, dass Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Elternhäusern größere Schwierigkeiten beim Übergang auf ein Gymnasium haben, könnte dazu führen, dass bei der Übergangsempfehlung dieser Gruppenmittelwert als Bewertungsgrundlage herangezogen wird. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Schüler unterschätzt wird (Diehl & Fick 2016: 247).

Da die statistische Diskriminierung durch ein Informationsdefizit bezüglich der tatsächlichen individuelle Leistungsfähigkeit verursacht wird, müsste die Diskriminierungsneigung abnehmen, wenn mehr Informationen zur Leistungsbewertung bereitgestellt werden.

H2: Werden zusätzliche Informationen über die individuelle Leistungsfähigkeit eines Schülers bereitgestellt, wird Schülern mit Migrationshintergrund bei gleichen Leistungen weniger oft eine schlechtere Übertrittsempfehlung ausgestellt, als Kindern ohne Migrationshintergrund.

Abbildung 2: Hypothese 2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

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Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Diskriminierung oder soziale Herkunftseffekte? Übertrittsempfehlungen im deutschen Schulsystem
Université
University of Bamberg
Note
1,3
Auteur
Année
2017
Pages
16
N° de catalogue
V380779
ISBN (ebook)
9783668575080
ISBN (Livre)
9783668575097
Taille d'un fichier
709 KB
Langue
allemand
Mots clés
Diskriminierung, Migration, soziale Herkunft
Citation du texte
Neema Li (Auteur), 2017, Diskriminierung oder soziale Herkunftseffekte? Übertrittsempfehlungen im deutschen Schulsystem, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380779

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