Die "strategischen Partnerschaft" zwischen den Emerging Donors China und Brasilien. Eine Beziehung auf Augenhöhe?


Term Paper, 2017

21 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Rahmen
2.1 Die Interdependenztheorie
2.2 Der Begriff des Emerging Donor
2.3 Der Begriff der Beziehung auf Augenhöhe

3. Entwicklung der Beziehungen
3.1 Kurzdarstellungen der Beziehungen bis 1999
3.2 Strategien und Verflechtungen im 21. Jahrhundert
3.2.1 Wirtschaft
3.2.1.1 Bilaterale Handelsbeziehungen
3.2.1.2 Gemeinsame Kooperationen und Projekte
3.2.2 Politik
3.2.3 Finanzen

4. Abschließende Überlegungen

5. Abkürzungsverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit ihrer Etablierung als Interessensvertreter des globalen Südens innerhalb internationaler Foren und Organisationen (Haibin 2010, 186) ist seit den 1990er Jahren ein Aufkommen neuer Partnerschaften zwischen Emerging Donors auf bilateraler sowie multilateraler Ebene feststellbar (de la Fontaine 2013, 27). Diese Partnerschaften gehen über wirtschaftliche und finanzielle Kooperationen hinaus und sind vor allem auf politischer Ebene mit dem Anspruch verbunden, eine Emanzipation der betroffenen Akteure im internationalen System zu erzielen und strukturelle Reformen der bestehenden Weltordnung zu initiieren (Haibin 2010, 186). Aufgrund des damit verbundenen Potentials, die Entwicklungsarchitektur nach ihren Vorstellungen modifizieren zu können (Rowlands 2012, 632), weist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihren Beziehungen eine hohe politische Relevanz auf.

Emerging Donors grenzen ihre Partnerschaften auf diskursiver Ebene deutlich vom Modell der „Nord-Süd-Zusammenarbeit“ ab (de la Fontaine 2013, 27) und berufen sich auf ein ihnen innewohnendes Gleichheitsprinzip sowie eine Ausrichtung auf gegenseitige, gleichwertige Gewinne (Morazan, et al. 2012, 15). Gleichzeitig stehen sie innerhalb der wissenschaftlichen Debatte in der Kritik, da ihre Hilfeleistungen häufig vorrangig durch das Erzielen eigener ökonomischer Vorteile und nicht durch die Förderung lokaler Entwicklung im Partnerland motiviert seien (Naim 2009). Ausgehend von dieser Kontroverse soll die vorliegende Arbeit eine Untersuchung des Charakters der Beziehungen zwischen Emerging Donors leisten. Anhand der seit 1993 bestehenden „strategischen Partnerschaft“ zwischen Brasilien und China soll exemplarisch untersucht werden, inwiefern der propagierte Grundsatz der Gleichstellung beider Akteure umgesetzt wird und ob die Beziehungen sich damit tatsächlich auf Augenhöhe abspielen. Der Bezug auf jene erfolgt aufgrund der Beständigkeit ihrer Zusammenarbeit und der Verfügbarkeit von einschlägiger Literatur. Da der vorliegende Gegenstand bis dato kaum untersucht wurde, besteht die Zielsetzung dieser Arbeit darin, anhand des Fallbeispiels einen ersten und damit wissenschaftlich relevanten Ansatz zur Schließung der Forschungslücke zu erbringen.

Hierbei wird beiden Partnern eine gegenseitige Abhängigkeit voneinander im Erreichen der gemeinsamen Ziele unterstellt, sodass die Beantwortung der Fragestellung im interdependenztheoretischen Rahmen anhand des Forschungskonzeptes von Keohane und Nye erfolgt, dessen Kernaspekte im Folgenden vorgestellt werden. Anschließend werden die für das Forschungsvorhaben relevanten Begrifflichkeiten geklärt. Im dritten Kapitel folgt dann eine kurze Betrachtung der historischen Entwicklungen der Beziehungen, woraufhin die Verflechtungen im 21. Jahrhundert auf Asymmetrien innerhalb des Abhängigkeitsverhältnisses untersucht werden. Dazu werden empirische Belege herangezogen, um dieses anhand der Indikatoren Wirtschaft, Politik und Finanzen zu erfassen.

Zunächst soll daher die wirtschaftliche Komponente der Beziehungen analysiert werden, indem die Ausgestaltung der bilateralen Handelsbeziehungen und der gemeinsamen Kooperationen beleuchtet wird. Innerhalb dieser werden die unterschiedlichen Abhängigkeitsgrade beider Länder auf rohstoffpolitischer und industrieller Ebene sowie deren Einflüsse im Handel mit Drittstaaten erarbeitet. Anschließend sollen die politischen Verflechtungen, welche hauptsächlich auf multilateraler Ebene bestehen, untersucht werden. Dazu wird das gemeinsame Engagement in internationalen Foren und Organisationen und die Integration der Interessen beider Partner innerhalb der Zusammenarbeit betrachtet. Zuletzt wird der Umfang der von beiden Ländern getätigten Investitionen sowie deren Ausrichtung zur Argumentation herangezogen und alle erwähnten Dimensionen im vierten Kapitel abschließend zusammengetragen.[1]

2. Theoretischer Rahmen

2.1 Die Interdependenztheorie

Bei der Interdependenztheorie handelt es sich um eine Theorie der internationalen Beziehungen, welche Strukturen des internationalen Systems, die über den Nationalstaat hinausgehen, untersucht. Dabei betrachtet sie die

„wechselseitige Abhängigkeit von politischen Konstellationen und Prozessen in staatlichen Einheiten und die auf diese Systeme von außen wirkenden Bedingungen als Grundlage innen- wie außenpolitischer Entscheidungen und Verhaltensmuster“ (Lehmkuhl 2001, 193).

Der Fokus liegt auf der Analyse von „politische[n], wirtschaftliche[n] und gesellschaftliche[n] Interaktions- und Verflechtungsbeziehungen“ (ebd.). Im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Arbeit soll das Forschungskonzept von Keohane und Nye als theoretische Grundlage dienen[2]. Die Autoren definieren Interdependenz als einen wechselseitigen Zustand des „Determiniert- oder Beeinträchtigtseins“ durch äußere Faktoren (Keohane und Nye 1989, 8). Sie erfolgt als Ergebnis von internationalen Transaktionen, wie der Bewegung von Geld, Gütern oder Menschen über internationale Grenzen hinweg und verursacht dabei Nutzen und Kosten für die betroffenen Staaten (ebd.). Laut Keohane und Nye kann sie im Zuge dessen eine symmetrische oder aber eine asymmetrische Form annehmen, was durch den Grad der Abhängigkeit eines Akteurs vom anderen bestimmt ist (Keohane und Nye 1989, 10-11).

In Bezug auf diesen zeigen die Autoren zwei Dimensionen auf. Unter den Begriffen der Interdependenz-Empfindlichkeit und der Interdependenz-Verwundbarkeit wird subsumiert, dass eine Anfälligkeit für von außen auferlegte Kosten besteht und dementsprechend politische Maßnahmen ergriffen werden, um die bestehende Situation zu verändern. Solche Kosten können beispielsweise Folge einer Preiserhöhung für ölimportierende Länder sein (ebd.).

Eine Unterscheidung zwischen beiden Dimensionen erfolgt dann über die Frage der Kosten, die mit einer Anpassung an die von außen verursachte Veränderungen einhergeht und über die Verfügbarkeit möglicher Alternativen. Während bei einer Empfindlichkeit eine solche Anfälligkeit vor einer Anpassung vorliegt, besteht sie bei einer Verwundbarkeit über das Ergreifen politischer Maßnahmen hinaus (Keohane und Nye 1989, 13).

Somit bestimmen Asymmetrien innerhalb der Beziehungen, welche Einflussquellen die Betroffenen im gegenseitigen Umgang miteinander besitzen und sie fungieren als eine Art Machtinstrument, das sich als „Kontrolle über Ressourcen oder [als] Potential Ergebnisse zu beeinflussen“[3] äußert (Keohane und Nye 1989, 10).

2.2 Der Begriff des Emerging Donor

Bei Emerging Donors handelt es sich um „Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die weniger Verbindungen zu multilateralen Rahmen zur Koordination als traditionelle Geberländer besitzen“ (Rowlands 2012, 629).

Innerhalb dieser existieren laut OECD neben den neuen EU-Mitgliedern, anderen Emerging Donors und den arabischen Geberländern, die hier relevanten Anbieter von Süd-Süd-Kooperationen (Smith, Yamashiro Fordelone und Zimmermann 2010, 1). Bei ihnen handelt es sich um Emerging Economies, die meist selbst Empfänger von Entwicklungshilfe bleiben, wenn auch der Umfang der empfangenen Leistungen schrumpft. Ihre Zusammenarbeit besteht im Austausch von technischen Fertigkeiten, dem Teilen von Fachwissen und finanzieller Kooperation. Dabei sind sie von ihrem Selbstverständnis als Kollegen in einer gegenseitig nutzenbringenden Beziehung mit ihren Partnerländern geprägt. Daher stellen sie in der Regel keine Versicherungsbedingungen an die Kooperation und vertreten einen Grundsatz des „Nicht-Einmischens“ in deren heimische Politik (Smith, Yamashiro Fordelone und Zimmermann 2010, 6).

Woods zählt neben China und Brasilien, vor allem Saudi-Arabien, Venezuela, Indien, Kuwait, Korea und die Vereinigten Emirate zur Gruppe der Emerging Donors (Woods 2008).

2.3 Der Begriff der Beziehung auf Augenhöhe

Ausgehend von den Annahmen der Interdependenztheorie soll für die folgende Untersuchung der Begriff der Beziehung auf Augenhöhe als Beziehung definiert werden, in welcher ein symmetrisches Abhängigkeitsverhältnis beider Akteure besteht. Es soll demnach kein grundlegendes Verteilungsproblem von Nutzen und Kosten vorliegen und die Beziehung damit im Gegensatz zu einer Nehmer-Geber-Beziehung als ausgeglichen gelten.

3. Entwicklung der Beziehungen

3.1 Kurzdarstellungen der Beziehungen bis 1999

Von der Aufnahme bilateraler Beziehungen wird erstmals im Jahr 1974 gesprochen, als sich die Regierungen beider Staaten auf die Errichtung einer brasilianischen Botschaft in Beijing und einer chinesischen in Brasília einigten. Zunächst erreichte der bilaterale Handel in den 1980er Jahren hohe Werte, nahm in den frühen 1990er Jahren allerdings schnell wieder ab, da Brasilien sich auf den Handel mit den USA fokussierte (Cardoso 2012, 41). Die Beziehungen beschränkten sich zunächst also nur auf jene diplomatische Komponente, bis China und Brasilien sie im Jahr 1993 zu einer „strategischen Partnerschaft“ erklärten (Ministry of Foreign Affairs o.J.).

Sie ist seither als „eine langfristige, stabile und strategische gemeinsame Kooperation“[4] (Haibin 2010, 185) definiert, welche von einer Gleichheit beider Partner ausgeht und win-win-orientiert ist (Morazan, et al. 2012, 15). Anhand dieser sollten nicht nur die bilateralen Beziehungen intensiviert, sondern auch das internationale Auftreten beider Akteure innerhalb der bestehenden Weltordnung aufgewertet werden (Haibin 2010, 185).

Abgesehen von einer Reihe von Staatsbesuchen (Ministry of Foreign Affairs o.J.) im jeweiligen Partnerland, ereignete sich in den Folgejahren kein nennenswertes Ereignis. Mit dem Start des CBERS-Programm im Jahr 1999, das im Kapitel 3.2.1.2 erläutert wird und der Gründung der internationalen Organisation „Fórum de Cooperaçao Ásia do Leste América Latina“ zur Institutionalisierung der bilateralen Beziehungen, wurde mit der Umsetzung der in der Partnerschaft formulierten Ansprüche begonnen (Lessa 2010, 124).

3.2 Strategien und Verflechtungen im 21. Jahrhundert

3.2.3 Wirtschaft

3.2.3.1 Bilaterale Handelsbeziehungen

Die Untersuchung der bilateralen Handelsbeziehungen soll zunächst die Zusammensetzung der Ein- und Ausfuhren beider Partnerländer als Indikatoren für das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis betrachten. Die Volksrepublik China ist auf den Export industrieller Endprodukte spezialisiert (de Melo und do Amaral Filho 2015, 70), zu dessen Fertigung sie einer gewissen Menge an Rohstoffen bedarf. Da sie als vergleichsweise ressourcen- und rohstoffarmes Land allerdings nicht dazu in der Lage ist, diese aus eigenen Beständen zu decken, ist sie folglich von ausländischen Importen abhängig (Cardoso 2012, 40). Daher ist sie besonders bestrebt, die Handelsbeziehungen zu Brasilien zu intensivieren (ebd.).

Das brasilianische Wirtschaftswachstum hingegen ist aufgrund des Reichtums an natürlichen Ressourcen hauptsächlich auf den Export von Primärgütern zurückzuführen (Ellis 2009, 49). Infolgedessen fährt es neben Gas und Öl (Whalley und Medianu 2012, 722) vorrangig Sojabohnen und Eisenerz (Whalley und Medianu 2012, 715-716) nach China aus. Letztere decken jeweils 40 beziehungsweise 20 Prozent des chinesischen Gesamtimports dieser Produkte ab (Cardoso 2012, 36). Angesichts der Spezialisierung der Bundesrepublik auf den Handel mit Primärgütern herrscht im industriellen Sektor eine niedrige Produktivität (de Melo und do Amaral Filho 2015, 73), sodass sich vom Handel mit China eine Komplementierung der eigenen Wirtschaftsstrukturen versprochen wird (Haibin 2010, 187). Folglich bestehen mehr als die Hälfte der chinesischen Einfuhren aus Elektronikgeräten und maschinellen Gütern, welche eine gewisse technologische Finesse aufweisen und kaum Bestandteil der heimischen Produktion Brasiliens sind (Whalley und Medianu 2012, 714).

Dementsprechend ergibt sich durch die isolierte Betrachtung der Importe und Exporte, dass die Wirtschaftsstrukturen zueinander komplementär (de Souza 2008, 5) und die Beziehungen von einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis geprägt sind. Allerdings lässt sich ebenfalls feststellen, dass diesem ein Ungleichgewicht innewohnt, welches sich in Chinas Position als hauptsächlicher Importeur von brasilianischen Rohstoffen und Exporteur von hochwertigen Fertigungsgütern an sein Partnerland manifestiert hat.

Die Abhängigkeit Chinas von Brasilien wird anhand seines seit 2003 bestehenden Status als Nettoimporteur von Rohstoffen deutlich (Cardoso 2012, 42). Solange es sich seinen Ambitionen entsprechend weiterhin so aktiv am Weltmarkt beteiligt (Lampton 2014), wird auch der Rohstoffbedarf nicht sinken. Da dieser mit der Produktivität der exportierenden Sektoren zusammenhängt, ergibt sich bei höherer Produktion folglich auch ein höherer Bedarf und damit ein höherer Grad der Abhängigkeit. Die Betrachtung des sino-brasilianischen Handels zeigt dementsprechend, dass Brasilien sich zum wichtigsten Handelspartner aus Lateinamerika entwickelt hat und dieser im Zeitraum von 2000 bis 2010 um mehr als das 20-fache von rund 2,3 Milliarden auf 56,4 Milliarden US-Dollar zugenommen hat (de Melo und do Amaral Filho 2015). Folglich stellt China seit dem Jahr 2009 den wichtigsten Handelspartner und größten Importeur brasilianischer Güter dar (Moore 2009). Infolgedessen stieg der Anteil brasilianischer Exporte nach China im Jahr 2010 auf 15 und zwei Jahre später bereits auf 18 Prozent an (Cardoso 2012, 36). Seither kompensieren die Rohstoffausfuhren das im industriellen Sektor bestehende Defizit und führen somit zu einer positiven Handelsbilanz und zu Wirtschaftswachstum (Salama 2012). Die scheinbar ausgeglichene Abhängigkeit beider Länder voneinander nimmt für Brasilien allerdings mehr Dimensionen ein als für den chinesischen Partner.

Die überwiegend positive Handelsbilanz mit diesem ist das Ergebnis Chinas steigender Nachfrage nach Rohstoffen, durch welche sich der Preis für jene auf dem globalen Markt erhöhte (de Melo und do Amaral Filho 2015, 76). Daher konnte Brasilien beispielsweise im Jahr 2009 in Relation zum Vorjahr einen höheren Gesamtwert für seine Ausfuhren erzielen, obwohl deren Umfang auf gleichem Niveau blieb (Whalley und Medianu 2012, 717). Folglich entspricht das Erzielen einer positiven Handelsbilanz dem Effekt des chinesischen Rohstoffbedarfs (ebd.). Sollte dieser stagnieren oder langsamer ansteigen, indem China beispielsweise aufgrund von günstigeren Angeboten verstärkt Einfuhren aus Drittländern bezieht, könnte er sich auf die Umsätze der Bundesrepublik auswirken. Der gleiche Effekt würde ebenfalls auftreten, sollten sich die Prognosen erfüllen, die infolge angelegter Vorräte und gestiegener heimischer Produktion in China künftig einen sinkenden Import von Sojabohnen ankündigen (Jha 2016).

Des Weiteren besteht ein gradueller Unterschied der Abhängigkeit beider Akteure voneinander, welcher im Folgenden erläutert werden soll. Brasilien hatte aufgrund von Wettereinflüssen in der Vergangenheit mit einem Rückgang der agrarischen Exporte zu kämpfen (Niklahs 2013). Die daraus resultierende Interdependenz-Empfindlichkeit, die sich aus dem reduzierten Rohstoffimport ergab, konnte China durch das Ergreifen entsprechender Maßnahmen lindern. Indem es vermehrt Sojabohnen aus Drittländern importierte, bezweckte es dadurch beispielsweise eine Ankurbelung US-amerikanischer Sojaexporte im Jahr 2013 (United Soybean Board 2014). Eine zunehmende Annäherung an die USA, die bis dato den wichtigsten Soja-Lieferanten Chinas darstellen (Zinke 2012), mag im Gegenzug zu einer Inderdependenz-Verwundbarkeit Brasiliens führen. Um diese Aussage zu begründen, sei anzumerken, dass Brasilien vermehrt auf den Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut setzt und somit den Anteil der GVO-freien Sojabohnen auf 10 Prozent reduziert hat (EST o.J.). Obwohl beispielsweise Europa zu den größten Abnehmern brasilianischer Agrarerzeugnisse zählte und ebenfalls von Sojaimporten abhängig ist (Niklahs 2013, 4), dient es aufgrund seiner kritischen Einstellung der Gentechnik gegenüber, nicht als alternativer Abnehmer (EST o.J.). Brasilien ist aufgrund dieses Faktors in der Suche nach weiteren Absatzmärkten stark eingeschränkt.

Abgesehen davon hat die Bundesrepublik sich seit dem Intensivieren der Handelsbeziehungen zu China zu einem der „am wenigsten handelsoffenen Ländern weltweit“ (Niklahs 2013) entwickelt, was einen negativen Einfluss auf die Beziehungen zu Brasiliens restlichen Handelspartnern zur Folge hatte. So ist beispielsweise im Zeitraum von 2000 bis 2010 ein Rückgang im globalen Handel mit den Industrieländern zu beobachten, der sich auf 17 Prozent beläuft (Whalley und Medianu 2012). Im Jahr 2009 sanken zudem die globalen Exporte Brasiliens um 22,7 Prozent, während die Ausfuhren nach China gleichzeitig um 23 Prozent anstiegen, was ein weiterer Beleg für eine zunehmende Abhängigkeit Brasiliens zur Volksrepublik ist. Im Gegensatz dazu gehört Brasilien nicht zu Chinas wichtigsten Handelspartnern und nimmt innerhalb der wichtigsten Importländer gerade den achten Platz ein (Globaledge 2017), sodass die beschriebene Abhängigkeit auf brasilianischer Seite größer ausfällt und folglich einen asymmetrischen Charakter aufweist.

Des Weiteren ist eine auf industrieller Ebene bestehende Dependenz Brasiliens feststellbar. Sie ist das Ergebnis der chinesischen Exportstruktur und dem damit verbundenen Interesse, heimische Güter auf dem brasilianischen Binnenmarkt zu vertreiben (Ellis 2009, 54). Mit der zunehmenden Fokussierung der Bundesrepublik auf die Erfüllung der Rohstoffnachfrage, nimmt die Produktivität des industriellen Sektors und damit auch der Anteil der Fertigungsgüter am BIP sukzessiv ab (de Melo und do Amaral Filho 2015, 73). Allein zwischen den Jahren 2000 und 2009 fand eine Reduktion brasilianischer Exporte aus der Industriebranche um 60 Prozent statt (Whalley und Medianu 2012, 21). Von dieser Entwicklung weitgehend ausgenommen waren Güter mit niedrigem Technologisierungsgrad. China förderte bewusst deren Export, um sie innerhalb der eigenen Handelskette als Zwischenprodukte weiterzuverarbeiten und als Enderzeugnis zu exportieren (Cui und Syed 2007). Diese zunehmende Anpassung Brasiliens an die chinesischen Wirtschaftsstrukturen befördert eine wachsende Exportabhängigkeit von mittel- und hochwertigen chinesischen Industriegütern (ebd.). Gleichzeitig bewirkt die damit einhergehende Bedrohung wichtiger brasilianischer Sektoren durch die Konkurrenz zu den kostengünstigeren chinesischen Produkten, eine Deindustrialisierung innerhalb der brasilianischen Wirtschaft (Salama 2012). Daher hat bereits der ehemalige brasilianische Präsident Lula da Silva von der Notwendigkeit gesprochen, die Handelsbeziehungen zu China zu diversifizieren und versucht, die chinesischen Behörden zu Investitionen in die brasilianische Herstellerindustrie zu motivieren (Osava 2009), was bisher kaum Früchte getragen hat und im Kapitel 3.2.3 dargelegt wird.

Gerade in der für Brasilien wichtigen Textilindustrie verloren rund die Hälfte, der von dieser Konkurrenz bedrohten Unternehmen, Einfluss im Binnenmarkt (de Melo und do Amaral Filho 2015, 81). Diese zunehmende Konkurrenzunfähigkeit wurde von Brasiliens Handelspartner bewusst gefördert. Der stetig steigende Wert des brasilianischen Reals begünstigte den beschriebenen Verlust der nationalen Wettbewerbsfähigkeit, da der chinesische Yuan in Relation zu diesem einen niedrigen Wert aufweist. Folglich führt der damit verbundene Preisunterscheid zwischen den Industriegütern beider Länder zu der beschriebenen Wettbewerbsunfähigkeit und damit zu einer schrumpfenden Produktivität in Brasiliens industriellem Sektor (ebd.). Da die chinesische Wirtschaft davon profitiert, halten die Zentralbanken die Zinssätze bewusst niedrig und führen mehr Kapital nach Brasilien ein, um den Wert des Reals zu wirtschaftlichen Zwecken weiter zu steigern (Cardoso 2012, 46). Damit bedient sich China eines Machtinstrumentes, um die Abhängigkeit Brasilien von den eigenen Gütern zu steigern und handelstechnische Ergebnisse zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.

[...]


[1] Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der Arbeit auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet. Nichtsdestotrotz sind im Text immer alle Geschlechter gemeint.

[2] Lehmkuhl unterscheidet innerhalb der Theorie zwischen den Ansätzen der „Linkage“-Theorie, der transnationalen Politik, der ökonomischen Interdependenz und dem Ansatz von Keohane und Nye. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit kann allerdings nicht Bezug auf alle genommen werden. Das gewählte Konzept eignet sich insofern besonders, da es die wechselseitigen Abhängigkeitsstrukturen untersucht, indem es Asymmetrien erfasst und somit der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit entspricht. (Vgl. Lehmkuhl, Ursula. 2001. Theorien Internationaler Politik. Einführung und Texte. 3., ergänzte Auflage. München/ Wien: R. Oldenbourg Verlag, S.194)

[3] „[...] as control over resources, or the potential to affect outcomes.“ (Eigene Übersetzung)

[4] „[...] longstanding, stable, and strategic mutual cooperation.” (Eigene Übersetzung)

Excerpt out of 21 pages

Details

Title
Die "strategischen Partnerschaft" zwischen den Emerging Donors China und Brasilien. Eine Beziehung auf Augenhöhe?
College
Free University of Berlin
Grade
1,0
Author
Year
2017
Pages
21
Catalog Number
V380925
ISBN (eBook)
9783668574502
ISBN (Book)
9783668574519
File size
462 KB
Language
German
Keywords
emerging donors, emerging powers, China, Brasilien, Süd-Süd-Kooperation, south-south-cooperation, Entwicklung, Interpendenz, internationale Beziehungen, Keohane, Nye, Wirtschaft, Politik, Finanzen, sino-brasilianisch
Quote paper
Doreen Kolonko (Author), 2017, Die "strategischen Partnerschaft" zwischen den Emerging Donors China und Brasilien. Eine Beziehung auf Augenhöhe?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380925

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