Auseinandersetzung mit John Leslie Mackies "Die Subjektivität der Werte". Alternative Betrachtungsweisen durch die Abschwächung der Teilargumente aus der Absonderlichkeit


Hausarbeit, 2017

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Das Argument aus der Absonderlichkeit

3. Kritische Betrachtungen
3.1 Erkenntnisvermögen und metaphysische Beschaffenheit
3.2 natürliche vs. moralische Eigenschaften

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In seinem Buchkapitel „Die Subjektivität der Werte“ bestreitet der australische Philosoph John Leslie Mackie die Existenz objektiver Werte mithilfe verschiedener Argumente.

Eines dieser Argumente ist das sogenannte Argument aus der Absonderlichkeit.

In dieser Hausarbeit werde ich als Basis der Betrachtungen zunächst die Kernpunkte des Argumentes aus der Absonderlichkeit herausstellen, um anschließend kritisch auf sie einzugehen.

Das Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist es weder die Argumente Mackies nachhaltig zu widerlegen, noch vollständig ausgearbeitete Alternativbetrachtungen zu liefern. Die Idee ist es, Mackies Teilargumente aus dem Argument aus der Absonderlichkeit abzuschwächen, um anschließend Vorschläge für alternative Betrachtungsweisen als Impulse für zukünftige Untersuchungen anzubieten.

Vor allem soll die vorliegende Arbeit darauf hinweisen, dass die Probleme beim Argumentieren für objektive Werte, welche Mackie in seinem Argument aus der Absonderlichkeit aufzeigt, mithilfe alternativer Betrachtungsweisen umgangen werden können.

2. Das Argument aus der Absonderlichkeit

Mackie unterteilt sein Argument aus der Absonderlichkeit in einen epistemischen und einen metaphysischen Teil. Das Argument lässt sich in drei Punkte unterteilen. In diesem Kapitel werde ich diese drei wesentlichen Aspekte des Argumentes kurz zusammenfassen.

Gäbe es objektive moralische Werte, so Mackie, müssten diese eine ganz besondere, von allen anderen Dingen der Welt verschiedene Beschaffenheit besitzen. Es gäbe keine uns bekannten, vergleichbaren „[…] Wesenheiten, Qualitäten oder Beziehungen[...]“ (Mackie 1977: S. 189).

Die ontologische Besonderheit moralischer Werte wäre ihre metaphysische Fähigkeit, unbedingt handlungsanleitend zu sein. Das bedeutet, ein objektiver moralischer Wert müsste uns, sofern er erkannt würde, unbedingt präskriptiv erscheinen. Wir müssten gemäß der intrinsischen Präskriptivität dieses Wertes handeln:

„Ein objektiver Wert würde von jedem, der ihn erkennt, angestrebt […] aufgrund einer diesem Wert innewohnenden Würdigkeit, realisiert zu werden.“ (Mackie 1977: S. 191). Objektive moralische Werte wären somit mit keiner anderen, uns bekannten Entität vergleichbar. Das ist der Grund ihrer ontologischen Absonderlichkeit. Zudem bräuchten wir, laut Mackie, ein ganz besonderes Erkenntnisvermögen, um objektive moralische Werte überhaupt erkennen zu können. Aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit könnten sie weder über sinnliche Wahrnehmung, noch über Vernunft allein erkannt werden. Wir würden ein bisher unbekanntes, von allen Arten unserer herkömmlichen Wahrnehmung verschiedenes (absonderliches) Erkenntnisvermögen benötigen, um die intrinsisch-präskriptiven objektiven Werte erkennen zu können. Ein dritter Punkt den Mackie ins Feld führt, um die Absonderlichkeit objektiver Werte zu unterstreichen, ist ihr Verhältnis zu natürlichen Eigenschaften.

Wie kommen wir von deskriptiv-natürlichen, zu präskriptiv-moralischen Eigenschaften? Wie folgern wir von natürlichen Tatsachen, die bestimmten Handlungen innewohnen, auf moralische Tatsachen?

Der Übergang von Deskriptivität zur Präskriptivität bleibt Mackie unklar und bildet somit den letzten Teil seines Argumentes aus der Absonderlichkeit.

Im Folgenden werde ich kritisch auf die soeben dargestellten Unterpunkte des Arguments aus der Absonderlichkeit eingehen. Auf der einen Seite möchte ich eventuelle Schwächen der Argumente herausstellen, auf der anderen Seite werde ich alternative Ideen anbieten, um die Absonderlichkeit moralischer Tatsachen in den Kritikpunkten Mackies zu umgehen.

3. Kritische Betrachtungen

3.1 Erkenntnisvermögen und metaphysische Beschaffenheit

Objektive Werte, so Mackie, müssten, wenn sie existierten, eine einzigartige, sonderbare Beschaffenheit besitzen, welche sich von allen anderen Dingen der Welt unterschiede. Um sie zu erkennen müssten wir ein seltsames und einzigartiges Erkenntnisvermögen annehmen. Objektive Werte können nämlich, eben aufgrund ihrer einzigartigen Beschaffenheit, weder über sinnliche Wahrnehmung, noch allein mittels Vernunft erkannt werden.

Wieso wäre jedoch genau dieses Erkenntnisvermögen so besonders? Selbst wenn die Beschaffenheit objektiver Werte sich grundlegend von der Beschaffenheit aller anderen Dinge unterschiede, wäre das noch kein ausreichendes Argument dafür, dass es weniger möglich oder wahrscheinlich wäre sie wahrnehmen zu können. Eine seltsame metaphysische Beschaffenheit scheint weder etwas über das tatsächliche Vorhandensein eines Dinges auszusagen, noch über unsere Fähigkeit dieses Ding zu erkennen.

So fällt es uns beispielsweise nicht schwer die Existenz von Zahlen, trotz ihrer abstrakten Beschaffenheit, zuzugestehen. Wieso fällt es uns jedoch so viel leichter, den Zahlen eine objektive Existenzgrundlage zuzuordnen?

Um das zu verstehen, muss zunächst geklärt werden, wo Zahlen ihren Ursprung haben bzw. was ihre „abstrakte Beschaffenheit“ überhaupt ausmacht.

Eine mögliche Erklärung:

Wir verfügen über ein System von Begriffen wie „Baum“ oder „Haus“ - von den eigentlichen Dingen unserer sinnlichen Wahrnehmung abstrahierte Symbole, um Dinge in der Welt zu beschreiben. Über dieses Begriffssystem ist es uns überhaupt erst möglich irgendetwas zu zählen. Erst über unsere Einordnung - unser Ordnen - von Objekten der Welt in Begriffe können Zahlen überhaupt existieren. Würden wir nicht etwas unter den Begriff „Baum“ oder allgemeiner unter den Begriff „Objekt“ oder „Etwas“ einordnen können, so würde uns die Grundlage fehlen, Zahlen überhaupt zu erkennen.

Allein die Logik könnte uns kein Bewusstsein von Zahlen ermöglichen, wenn es nicht Begriffe gäbe mit denen wir die Dinge unserer Welt ordneten.

Ich möchte das an dieser Stelle versuchen zu konkretisieren.

Stellen wir uns einen Baum vor und versuchen uns zu verdeutlichen, was unser Bild des Baumes eigentlich konstituiert, so stellen wir fest, dass es eine Ansammlung von Prädikaten ist. Ein Baum ist für gewöhnlich grün und braun. Er hat Nadeln bzw. eine Krone aus Blättern. Er besitzt Wurzeln, hat einen Stamm, Rinde usw. Eine solche Aufzählung von Prädikaten ist uns allein deshalb möglich, weil wir die Bestandteile des Baumes voneinander und den Baum selbst von seinem Umfeld als separat beschreibbare Einheiten abgrenzen. Wir grenzen die Rinde vom Stamm ab, den Stamm vom Baum, den Baum von der Wiese auf der er steht und so weiter. Diese Abgrenzung findet über die Zuteilung von Prädikaten statt. Ein Stamm unterscheidet sich in Form, Farbe, Lage und vielen anderen Prädikaten von beispielsweise der Blätterkrone des Baumes. Gleiches wird zu Gleichem geordnet, Verschiedenes wird voneinander abgegrenzt.

Treibt man dieses Spiel weiter, fällt auf, dass wir sämtliche Dinge unseres Erkenntnisspektrums in dieser Weise ordnen oder zu ordnen versuchen. Wir teilen die Welt in Begriffe. Kein Baum im Wald gleicht sich, kein Blatt ist mit einem anderen identisch. Dennoch können wir auf einer abstrakten (für uns selbstverständlichen, alltäglichen) Ebene, alle Bäume des Waldes jeweils unter einen Begriff subsumieren: „Baum“.

Über dieses Ordnen in Begriffe ist, so glaube ich, eine sinnvolle Verwendung von Zahlen überhaupt erst möglich. Denn, was wollte man zählen wenn es nichts Gleiches und nichts Verschiedenes gäbe?

Unsere Einteilung der Welt in Begriffe muss von einer Außenperspektive arbiträr wirken. Sie findet allein nach menschlichen Maßstäben statt und scheint keine objektive Grundlage zu besitzen.

Es scheint einer Abstraktion der Welt in Begriffe zu bedürfen, um überhaupt ein Verständnis von Zahlen zu ermöglichen.

Letzten Endes scheinen Zahlen ein Konstrukt zu sein, entstanden allein aus der Abstraktionsfähigkeit des Menschen. Lediglich eine Art Hilfsmittel unseres Verstandes ohne objektive Existenzgrundlage. Eine Art natürliche, nützliche Folge unserer Begriffe.

Der Umfang dieser Hausarbeit erlaubt es nicht, auch nur eine annähernd umfassende Analyse über die Herkunft unserer Begriffe bzw. der Zahlen zu liefern und das ist auch nicht im Sinne des Themas. Diese kurze Darstellung über das menschliche Ordnen der Dinge der Welt in Begriffe, soll vor allem verdeutlichen, auf welcher abstrakten Ebene Zahlen in gewisser Weise erst ihre Existenz erhalten. Erst das Bilden von Begriffen, das Ordnen der Welt in Gleiches und Ungleiches scheint überhaupt das Dasein von Zahlen zu ermöglichen.

Man könnte sagen, dass moralische Urteile, ähnlich wie Zahlen, eine Art Arbeitsmaterial unseres Verstandes bilden, mit ebenso unklarer objektiver Existenzgrundlage.

Doch wie kommt es dann, dass es uns für gewöhnlich viel leichter fällt, den Zahlen eine objektive Existenzgrundlage zuzugestehen als den moralischen Urteilen? Und wieso zweifeln wir die Richtigkeit von Zahlen, im Gegensatz zu moralischen Werturteilen, für gewöhnlich nicht an?

Das könnte damit zusammenzuhängen, dass wir für Zahlen eine Art abgeschlossenes System - die Mathematik - besitzen, welche, aufgrund der in ihr gesetzten Parameter, auf immer die gleiche Weise funktioniert. Die Mathematik ist in gewisser Weise unfehlbar.

Der Moral fehlt ein solches System. Zudem lässt sich unsere Welt eher in zählbare Bestandteile zerlegen, als in moralische Urteile.1 Der Bereich der Moral begrenzt sich im Wesentlichen auf menschliche Handlungen, wohingegen Zahlen fast in jedem Bereich unseres Lebens eine Rolle spielen.

Die Mathematik mit ihren Zahlen unterscheidet sich aber vor allem in einer Komponente von der Ethik mit ihren Werturteilen. Letztere besitzt einen präskriptiven Charakter, wohingegen erstere lediglich deskriptiv ist.

Die sonderbare Beschaffenheit objektiver Werte besteht also scheinbar in ihrer Präskriptivität.

Das besondere Erkenntnisvermögen als Bedingung der Wahrnehmung objektiver moralischer Urteile hängt auch für Mackie mit der sonderbaren metaphysischen Beschaffenheit objektiver moralischer Urteile zusammen. Moralische Urteile sind handlungsanleitend. Beruhten diese Urteile nun auf objektiven, in der Welt verortbaren Entitäten, so müssten diese Entitäten präskriptive Eigenschaften aufweisen. Um diese objektiven moralischen Urteile mit ihrem handlungsanleitenden Charakter zu erkennen, bräuchte man nun, so Mackie, ein absonderliches Erkenntnisvermögen, das uns bisher noch unbekannt ist. Denn, wie sollte man sonst etwas erkennen das seiner Struktur nach von den uns bekannten Dingen unserer Welt so grundverschieden ist.

Ein erster Einwand könnte an dieser Stelle sein, dass die objektiven, in der Welt verortbaren Entitäten auf denen moralische Urteile beruhen, nicht selbst präskriptive Eigenschaften aufweisen müssten, sondern lediglich Eigenschaften besitzen könnten, die uns affizieren präskriptive Normen aufzustellen. Objektive Werte wären somit so etwas wie moralische Urteile auslösende Entitäten, an sich jedoch von moralischen Urteilen grundverschieden. Demnach gäbe es keine objektiven moralischen Werturteile, sondern lediglich eine basalere objektive Existenzgrundlage - eine Art metaphysischen Auslöser unserer Werturteile.

Vielleicht lässt sich dieser Gedanke anhand unserer Wahrnehmung von Farben verdeutlichen.

Es ist für uns normal, Farben wahrzunehmen und sie als konstituierende Komponenten unserer Welt zu betrachten. Für unseren Sehsinn bzw. unser Gehirn ist es gewissermaßen selbstverständlich, die Reflexion von Licht in einer bestimmten Weise zu interpretieren und sie unserer Wahrnehmung als Qualität ‚Farbe‘ zu liefern. Wir nehmen etwas als rot wahr, wir empfinden es als rot.2 Es scheint allerdings schwierig, überhaupt einen Erklärungsansatz dafür zu finden, weswegen wir rot (oder Farbe im Allgemeinen) als Qualität ‚Farbe‘ empfinden. Interessant ist, dass wir dennoch überraschend selbstverständlich etwas annehmen, das diese Qualität innerhalb unserer Wahrnehmung auslöst - es ist eben der unterschiedliche Grad an Lichtreflexion,

[...]


1 Der Bereich der unbelebten Objekte ist ein gutes Beispiel dafür. Unbelebte Objekte lassen sich viel eher mithilfe von Zahlen einteilen, berechnen oder ordnen als mithilfe moralischer Urteile. Moralische Urteile bilden gewissermaßen einen Sonderbereich unserer Welt.

2 Ähnlich selbstverständlich wie das Wahrnehmen von Farben wie Rot oder Blau scheint es zu sein, Handlungen als gut oder schlecht, verboten oder geboten wahrzunehmen. Selbstverständlich haben wir im Bereich moralischer Urteile immer wieder Schwierigkeiten eine Handlung einzuordnen. Nicht jede Handlung ist eindeutig gut oder schlecht oder selbstverständlich geboten oder verboten. Diese Grenzfälle gibt es jedoch in der Wahrnehmung der Farben ebenfalls nicht selten. Ein sehr helles Grün kann unter Umständen von einem dunkleren Gelb nicht genau unterschieden werden, sowie ein rötliches Braun weder vollständig rot noch braun ist.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Auseinandersetzung mit John Leslie Mackies "Die Subjektivität der Werte". Alternative Betrachtungsweisen durch die Abschwächung der Teilargumente aus der Absonderlichkeit
Autor
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V380947
ISBN (eBook)
9783668578708
ISBN (Buch)
9783668578715
Dateigröße
800 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Subjektivität der Werke, John Leslie Mackie, Werte, Argument, Absonderlichkeit
Arbeit zitieren
Julius Sieboldt (Autor:in), 2017, Auseinandersetzung mit John Leslie Mackies "Die Subjektivität der Werte". Alternative Betrachtungsweisen durch die Abschwächung der Teilargumente aus der Absonderlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380947

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